Ein Essay von Wolfgang Schmidt
Nur Mensch, nur Kreatur
Vorwort
Wenn
man anfängt nachzudenken, nachzudenken überhaupt, noch gar nicht
über etwas besonderes, über kein besonderes Thema, nur so, dann fragt
man sicher unwillkürlich, warum das so ist, warum es so sein muss und
nicht anders. Es ist unwichtig über welchen Gegenstand man zu denken
beginnt. Das kann ein riesiges Gedankengebäude sein, ein Staat mit all
seinen diversen Einrichtungen und wie und warum diese so funktionieren, oder
warum ein Hund in der Sommershitze hechelt. Was ist ein Hund, was ist hecheln?
Was ist Sommershitze, was Hitze, was Temperatur? Woher kommt diese und seit
wann gibt es sie?
Aber vielleicht
ist dies alles unsinnig, schon das Nachdenken. Und wenn schon: Kann man das
nicht berufsmäßigen Denkern überlassen oder einfach eine
Kapazität fragen? Das kann man schon. Aber berufsmäßige Denker
sind Philosophen, die jedoch in den seltensten Fällen nach- meistens
vordenken. Und das ist grässlich. Da wird allenfalls gefragt ob die eigene
Vorstellung von den Dingen richtig ist und argumentiert mit den eigenen
Vorstellungen, was man einen Zirkelschluss nennt oder man beruft sich auf die höhere
Instanz X. Es wird einem von einem „großen Denker“ vorgedacht
und man hat es zu glauben oder kann sich bestenfalls in einen Streit der
Philosophen untereinander einmischen. Und wie ist das mit der Kapazität?
Ist das jemand, der eine Sache zu Ende gedacht hat? Wenn ja, dann soll man ihn
vergessen, denn zu Ende kann man nie denken, allenfalls glauben. Um letzteres
wird es sehr viel gehen, aber das ist ja der eigentliche Text dieser –
ich nenne sie so – Arbeit.
Doch
gibt es wirklich kein Denken, das immer weiter fragt warum und wieder warum und
wieder? Wohin käme man denn da? Ganz einfach: Man kommt zu den exakten
Naturwissenschaften, allen voran zu Physik und Mathematik. Nicht dass man in
diesen auf einen Urgrund gestoßen wäre, unter dem es nichts mehr
gibt, keineswegs. Aber wenn man heute eine neue Entdeckung macht und sie
bekannt gibt, muss sie der nächste – ob Physiker oder Mathematiker
– exakt nachvollziehen, nachrechnen und ihre Gültigkeit nachweisen
können. Hier darf nichts als Gesetz oder auch nur vorläufige
Behauptung stehen, nur weil es Herr XY so gesagt hat.
Ich
habe da ein wunderbares Buch von Richard P. Feynman – keine Angst, denn
jetzt fange nicht auch ich an, mich auf Kapazitäten zu berufen – in
die Hände bekommen, meine Tochter hat es mir geschenkt. Feynman war
Physiker, starb mit 70 Jahren, hatte den Nobelpreis für Physik erhalten
und an der Herstellung der ersten Atombombe mitgearbeitet. Als er letzteres
tat, war er noch jung, noch nichteinmal promoviert. Er hat auch dafür
nicht den Nobelpreis erhalten, sondern für ganz andere Entdeckungen auf
dem Gebiet der Quantenfeldtheorien. Feynman ging gerne in Nachtclubs, hatte
sich rührend um seine erste Frau, die an Tuberkulose erkrankt war und
starb, gesorgt. Er reiste in der Welt, hatte einen Sohn, hielt, heute noch
legendäre, Vorlesungen für Studenten: Er war ein Mensch.
Von
Feynman wurde ich innerlich gedrängt, das was ich hier als
„Arbeit“ begonnen habe, zu erledigen. Feynman hatte sich auf seine
lockere, humorvolle, nur scheinbar leichte Art mit dem „Vergnügen,
Dinge zu entdecken“ auseinander gesetzt. Er hat die Naturwissenschaften
Studenten und einem intellektuellen, interessierten Leser- und
Zuhörerkreis, verständlich nahe gebracht. Er hat sich mit Philosophie
und Religion befasst und darüber seine ehrliche und begründete
Meinung, kaum zur Freude aller, mitgeteilt. Und als man ihn bat in zwei Minuten
darüber zu berichten, wofür er den Nobelpreis bekommen habe,
antwortete er, dass, wenn er das könne, hätte er den Preis weder verdient
noch bekommen.
Nicht
dass ich jetzt in Konkurrenz zu Feynman treten oder sein Adept sein wollte. Ich
musste meine eigene Arbeit erledigen und mich sogar häufig dazu zwingen.
Ich hatte keine plötzliche Eingebung, bin nicht aus dem Stand wer
weiß wie hoch gesprungen. Denn schon seit Jahren sind in mir erhebliche
Zweifel an der Richtigkeit meines Handelns und Denkens entstanden. Dass dieses
in der Regel konform mit Lehrmeinung, außerberuflich mit einem
allgemeinen Verhaltenskodex war, gab mir anfängliche Sicherheit. Nicht
dass ich deshalb mein Verhalten immer für gut gehalten hätte –
ich hatte Dinge getan und gedacht, die mir amoralisch erschienen und ich tat
sie trotzdem. Es gab innere Zwänge, menschliche, denen die meisten
Menschen ausgeliefert sind. Ich war also keineswegs Vorbild, am wenigstens mir
selbst.
Deshalb
habe ich mich, anfänglich aus Neugier, dann gezielt, über meinen
beruflichen Zwang zur Bildung und Fortbildung hinaus, mit Naturwissenschaften
befasst. Ich wollte ja, vor allem im Beruf wissen, was ich tat und warum. Dies
setzte wieder voraus, dass ich kennen musste, was die allgemeine Lehrmeinung
war. Zu sagen, „was vor mir war, interessiert mich nicht“, ist nur
idiotisch und nicht wissenschaftlich. Kein einziger der großen
Wissenschaftler – dazu gehöre ich absolut nicht – kein
Einstein, Planck, Feynman und andere, nur auf dem Gebiet der Physik, wären
ohne Vorgänger auf ihrem, gewiss herausragenden Gebiet, auch nur denkbar
gewesen. Für mich bedeutete dies, mich mit der Literatur, auch oder vornehmlich
mit der populärwissenschaftlichen, bekannt zu machen.
Populärwisschenschaftliche Zeitschriften, Sendungen im Fernsehen, in
dritten, wissenschaftlichen Programmen, bei allgemein verständlichen
Vorträgen in der Universität, gehörten zu meiner mühsamen
Weiterbildung.
Doch
warum das alles? Ich wollte weder Physiker noch Philosoph noch ein
berühmter Arzt werden. Es hängt mit meiner Neugier, meinem Interesse
zum Beispiel für Geschichte und meiner Erfahrung mit den Ritualen des
täglichen Lebens zusammen. Auch mit meinem Beruf, in dem ich Menschen,
ganz junge und sehr alte, habe sterben sehen ohne helfen zu können. Und
gerade zu letzterem, zum Sterben, kam die Erkenntnis der Begrenztheit des
Lebens in einer zeitlich und räumlich ganz unvorstellbar riesigen Welt. Auf
der einen Seite die zeitliche Bedeutungslosigkeit des Individuums im Kosmos und
auf der anderen die oft furchtbare Qual in der eben nur minimalen Lebenszeit,
waren für mich ein Dilemma.
Wenn
ich schon einiges über meine second hand Bildung in Physik gesagt habe, so
muss ich noch weiteres hinzufügen. Dies sind philosophische und
historische Werke. So Bertrand Russell: Philosophie des Abendlandes; Wilhelm
Weischedel: Die philosophische Hintertreppe; Johannes Hirschberger: Geschichte
der Philosophie; Joseph Stiglitz: Die Schatten der Globalisierung, und Die
Chancen der Globalisierung; Alexander Demandt: Geschichte der Spätantike;
Albert Christian Sellner: Immerwährender Papstkalender. Was ich ganz
besonders betonen muss, ist: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Wenn auch
noch einigen anderen Nachschlagewerken, so verdanke ich doch jenem eine
derartige Fülle wissenschaftlich präzisester Informationen, wie sie
sonst nur äußerst mühsam zu erlangen sind.
Da ich
ja selbst meinen Text geschrieben habe, darf ich sagen, dass ich nicht
lediglich abgekupfert habe, aber auch, dass nichts einer blühenden
Fantasie, nur einer Laune, entsprungen ist. Jedoch, warum ich überhaupt
nur einige Quellen meiner Weisheit anführe, und nicht, wie ich es ja
wissen müsste, methodisch, exakt wissenschaftlich vorgehe, mit einem
Literaturverzeichnis, Fußnoten etc. hat seinen Grund darin, dass ich ein
alter Mann bin, der keine Zeit mehr hat für ein intensives Studium,
für ein ständiges Neuschreiben und Verwerfen. Meine Zeit ist vorbei.
Mit meinem Alter hängt auch zusammen, dass ich
„herunterschreiben“ musste, um fertig zu werden. Das Fertigwerden
war jedoch in erster Linie für mich notwendig. Ich wollte ja weder ein
philosophisches noch ein physikalisches Werk schreiben oder es wenigstens
hinterlassen. Ich dachte auch nicht an ein Buch, in welchem Genre auch immer.
Wenn ich das gewollt hätte, wäre eben ein Studium, ein mühsames
Zusammenstellen von Text, die Suche nach einem Verlag, die Arbeit mit einem
Lektor und was noch alles erforderlich ist, gewesen. Und warum ich, ein
Atheist, gerade „Christi Geburt“ als Datumszeitpunkt in meinen
Zeitangaben verwende, ist einfach historisch begründet, weil eben die
gesamte Geschichtsschreibung der westlichen Welt sich auf dieses Datum bezieht.
Die Bezeichnungen „vor oder nach unserer Zeit“, oder „nach
unserer Zeitrechnung“ usw. halte ich für nicht notwendig oder
besser.
Ich
habe von Negern geschrieben, weil ich mich daran erinnere wie in Deutschland
nach dem Einmarsch der Amerikaner im 2. Weltkrieg darüber diskutiert wurde,
ob man zu den dunkelhäutigen Soldaten „coloured gentleman“,
„black soldier“, oder negro statt nigger sagen müsse. Auf Sir
oder Mister kam damals niemand. Und Schwarzafrikaner statt Neger heute? Wird
damit der Rest von Apartheid kaschiert? Für mich ist Neger so wenig ein
Schimpfwort wie Chinese oder Italiener.
Dies
erklärt vielleicht, warum vieles an meinem Text auszusetzen sein wird.
Dass ich einmal „ich“ schreibe, dann „man“, dann
„wir“, kommt daher, dass die Zeit für ein Überarbeiten
vorbei ist. Dafür bitte ich diejenigen, die lesen, nicht lesen
müssen, um Nachsicht.
Gerade
aber, weil meine Zeit am Ende ist, ich ein Leben lang mit den Menschen gelebt
und vielleicht ein wenig gelitten habe, habe ich bei meinem Schreiben auch die
Freiheit die Dinge beim Namen zu nennen. Dies in den Wissenschaften, den
Religionen, der Wirtschaft, und letztlich bei den Menschen selbst, in ihrer
genießenden und zerfleischenden Art. Und wenn ich ein Schwein, auch ein
in Purpur gekleidetes so nenne, habe ich niemanden um Verzeihung dafür zu
bitten. Ich habe die Freiheit dazu.
So habe
ich beim Urknall angefangen zu schreiben und hoffe nicht bei einem
„Urknällchen“, wegen der Bedeutungslosigkeit der Erde im
Kosmos, geendet zu haben. Dass ich viel Text zum Beschreiben naturwissenschaftlicher
Gesetze gebraucht habe, was manchem redundant vorkommen mag, liegt daran, dass
ich jedem die Möglichkeit geben möchte zu überprüfen, ob
diese oder jene Ableitung oder Behauptung nicht purer Fantasie entspringt.
Eine
letzte Bitte oder ein Hinweis: Einer Weitergabe des Textes stimme ich voll zu,
auch bin ich nicht gekränkt, wenn jemand zu lesen aufhört, weil es
ihn langweilt, und wenn ich ein Echo, auch eine Kritik zu hören bekommen
sollte, würde ich mich freuen.
Nur Mensch, nur Kreatur.
Woher kommen wir? Wer sind wir? Wo sind wir und
ist das von irgendeiner Bedeutung? Was heißt eigentlich wir?
Wahrscheinlich sind diese Fragen – ohne,
dass sie anders gestellt werden könnten – als Folge einer fast
unvermeidlichen, anthropozentrischen Einstellung schon in ihrem Ansatz falsch.
Ohne diese Einstellung wären sie bedeutungslos. Doch man muss wohl, um
darüber überhaupt nachdenken zu können, einen Ausgangs- oder
Standpunkt definieren, der Antworten erst zulässt. Freilich ist auch hier
wieder fragwürdig, wo es einen festen Punk gibt, der zeitlich,
örtlich oder in einer anderen Dimension, als solcher angesehen werden
könnte. Es muss also, wie gesagt, per definitionem festgelegt werden, wo
und wann eine Betrachtung der Entstehung unserer Existenz und letztlich des
Alls beginnen soll. Ohne bereits über seine Wahrheit und Richtigkeit zu
befinden, zwei Begriffe, die erst Gegenstand der folgenden Erörterung
sind, kann man hier, meines Erachtens, vom Urknall, besser, der ihn formulierenden
Theorie, ausgehen. Doch zunächst: wie gelangt man dahin?
Über die Entstehung des Kosmos, des
Universums, gibt es, schon aus der Zeit vor Einstein und Planck, eine Reihe von
Theorien. Nicht nur Giordano Bruno, schon die antiken Philosophen haben sich
Gedanken über diese unsere Welt und das Universum gemacht, dies
niedergeschrieben oder ex Cathedra gelehrt. Es gibt dazu also eine sehr
umfangreiche Literatur, geformt von Philosophen und Naturwissenschaftlern. Nach
Einstein und Planck wie ich unsere jetzige Zeit nennen will, ist es in den
letzten Jahrzehnten nahezu Mode geworden, sich einen Schauer über den
Rücken laufen zu lassen, bei der Vorstellung ungeheuerer Dimensionen,
sowohl was die Kleinheit von Materieteilchen als auch die Ausdehnung und die Massen
im All betrifft. Begriffe wie Elementarteilchen, Strings, Urknall,
Lichtgeschwindigkeit, Sonnenmassen, Schwarze Löcher, Supernova und Quasar,
sind zu Bestandteilen einer so genannt intellektuellen, lässigen
Konversation geworden. Damit soll nicht gesagt sein, dass diejenigen, die diese
Begriffe verwenden, sie nicht verstünden. Es gibt genügend
Sachkundige – das Wort Experte will ich hier ganz bewusst vermeiden, was
später noch zu erklären ist – die jeweils auf ihrem Sach- oder
Fachgebiet kompetent zu Wort kommen und zudem bemüht sind, die keineswegs
dumme Allgemeinheit, sei es in populären Darstellungen oder eben in
wissenschaftlichen Diskussionen im besten Sinne, zu unterrichten.
Natürlich gibt es noch Gruppen von Menschen,
die von diesen Themen nicht berührt werden. Letztere sind weder dumm noch
Agnostiker. Sie leben ohne Zustimmung zu den oder zur Verneinung der Thesen,
die sie nicht hören können oder nicht hören wollen. Sie
müssen nicht anderer oder gar gegenteiliger Meinung sein. Sie haben keine
Meinung dazu und kein Bedürfnis sie zu haben. Auch ist es möglich,
dass sie per Dogma, sozusagen von höherer Stelle, der sie sich
zugehörig, meist untergeordnet fühlen, von einer Betrachtung dieser
Urfragen ausgeschlossen werden.
Respekt gebührt denjenigen, die wissen wollen
was um sie vorgeht, die ihre Herkunft als Wesen der Welt und ihre eigene
Zukunft verstehen möchten, denen, nach eigener Einsicht, aber oft die
Voraussetzungen im Hinblick auf allgemeine und spezielle Bildung fehlen. Sie
werden von keinem Wissenden oder Gebildeten verlacht oder geringschätzig
behandelt.
Freilich gibt es noch zwei Gruppen von Menschen,
die, mit den Fragen wie wir sie genannt haben nicht zurecht kommen. Dies sind
einmal diejenigen, die aus Unverstand und Unvermögen, das, was sie nicht
verstehen als Unsinn und unnötiges Gerede bezeichnen, oder, was nach
meiner Meinung schlimmer erscheint, die es besser wissen, die nicht nur ihre
eigene Theorie haben, sondern die alleinig richtige. Sie sind der Schrecken
jeder Wissenschaft und Auf- oder Erklärung, weil sie ohne Sachkenntnis
eine unveränderbare Meinung besitzen. Man soll mit diesen Menschen, wenn
man sie erkannt und einmal gehört hat, nicht weiter reden.
Und schließlich hat eine zweite Gruppe wohl
Einsicht und Intellekt diesen Fragen gegenüber, jedoch fühlt sie
einen inneren Widerspruch, weil sie religiös oder sonst weltanschaulich
indoktriniert, solche Erkenntnisse entweder von sich weisen muss oder sie als
parallele Welt neben der ihren empfindet. Wenn man sagt wie man diese Menschen
einschätzt, hat man sich bereits auf ihre gefühlsmäßige
oder intellektuelle Ebene begeben, indem man Erkenntnisse als gut oder schlecht
bewertet, was ein Unding ist insofern, als man, wenn es sich um eine mit hoher
Wahrscheinlichkeit bestehende Wahrheit handelt, keine gute oder schlechte
kennt.
In der Weiterführung dieser Überlegung,
über Wahrheit oder Erfindung, wobei letztere eine spätere
Bestätigung als Wahrheit nicht ausschließt, kommt man, vor der
Besprechung unseres Ausgangspunktes, dem Urknall, zu einigen weiteren
Feststellungen, die fundamentale Bedeutung haben. Fundamental heißt, dass
alle weiteren Überlegungen dieser gesamten Arbeit sinnlos wären,
hätte man nicht vorher klar festgelegt, worum es geht.
Dies sind die Begriffe Theorie, Axiome, These und
Naturgesetze.
Zunächst zum Begriff Theorie: Eine Theorie
versucht einen Sachverhalt schlüssig zu erklären. Sie ist somit das
Werkzeug aus einer Beobachtung Überlegungen anzustellen und Schlüsse
auf die Entstehung derselben und ihrer Zusammenhänge mit anderen (Natur)-
Erscheinungen zuzulassen. Das Wesen der Theorie ist, dass sie durch (weitere)
Beobachtungen bestätigt und untermauert werden kann oder verworfen werden
muss. Die Theorie macht zunächst aus Beobachtungen die Voraussagen
über Zusammenhänge und den Verlauf, von ihr abhängiger
Erscheinungen. Dabei ist es unwichtig, ob alle Zusammenhänge
tatsächlich und sofort zu klären sind. So lange Beobachtungen eine
Theorie nicht widerlegen, ist sie für sich gültig.
Das Wesen einer Theorie im naturwissenschaftlichen
Sinn - dies gilt für den Begriff der Theorie schlechthin - ist, dass sie
berechenbar ist und Ergebnisse und Ableitungen daraus reproduzierbar sind.
Berechenbar und reproduzierbar bedeutet aber, dass Methoden angewendet werden,
zum Beispiel mathematische Formulierungen, und, dass diese nicht aus der
Theorie selbst hervorgehen. Also muss jeder, der eine Theorie auf ihre
Gültigkeit hin überprüft, mit den gleichen oder mit welchen
Methoden auch immer, zum selben Ergebnis kommen. Aus der Theorie können
und sollen durchaus nützliche Anwendungen hervorgehen, womit gesagt ist,
dass sie nicht Selbstzweck, nur zur eigenen Bestätigung sein muss. Grob
gesprochen: Eine Theorie darf durch die Praxis nicht widerlegt werden, denn
sonst ist sie falsch. Und ein Letztes: Eine Theorie darf nicht vom
Verständnis Aller abhängig sein. Das heißt, gerade in Bezug auf
die Einsteinsche Relativitätstheorie oder die Plancksche Quantenmechanik,
um bei zwei Beispielen zu bleiben, ist es nicht notwendig, dass sie allgemeinverständlich
für Jedermann ist. Auch wenn eine Theorie nur von ganz wenigen
Sachverständigen nachvollzogen und verstanden werden kann, ist sie nicht
falsch oder unbrauchbar. Selbst wenn für Sachverständige Fragen offen
bleiben, Phänomene nicht zu erklären sind, ist eine Theorie so lange
richtig, bis sie mit objektiven, von ihr unabhängigen Methoden, widerlegt
ist. Das beste Werkzeug eine Theorie auf ihre Richtigkeit hin zu
überprüfen ist, sie zunächst anzuzweifeln, also von ihrer Unrichtigkeit
auszugehen. Richtig und unrichtig heißt somit, mit nicht systemimmanenten
Methoden einen Sachverhalt bestätigt zu bekommen oder nicht.
Als vielleicht allgemeinverständliches
Beispiel für die Anwendung einer Theorie, kann das Periodische System der Elemente
(zuerst von Mendeléev 1869 aufgestellt) dienen. Allein durch die
Anordnung in einem Schema, nach bestimmten, bekannten Eigenschaften eines
Elements, ließen sich das Vorhandensein und Eigenschaften weiterer
Elemente vorhersagen. Es bedurfte nur noch der Bestätigung durch den
Nachweis derselben mit den entsprechenden Methoden. Im weiteren Verlauf werden
wir noch weitere Beispiele und Anwendungen kennen lernen.
Axiome: Sie sind wissenschaftliche Annahmen, um
einen Sachverhalt auch nachprüfbar zu erklären. Das Axiom ist
sozusagen der Dreh- und Angelpunkt, mit dem weitere Phänomene erklärt
werden können und lautet stets: Wenn es so ist, angenommen, dann ergibt
sich daraus alles weitere schlüssig. Ein Axiom kann eine Zahl sein, ohne
die eine Berechnung, die sonst ein vernünftiges, nachprüfbares
Resultat ergibt, nicht möglich ist. Wenn ich also annehme, dass die Erde
der Mittelpunkt des Weltalls ist und aus der Beobachtung weiß, wann der
kürzeste Tag des Jahres ist, wie der Stand der Sonne an diesem Tag ist,
dann kann ich vorausberechnen, wann der Frühlingspunkt oder die
Sommersonnwende sein wird. Man kann also objektive Berechnungen anstellen,
deren Vorhersagen durch die Beobachtung bis zu einem gewissen Grad
bestätigt werden, selbst wenn heute bekannt ist, dass die Annahme, die
Erde sei der Mittelpunkt des Weltalls falsch ist. Antike Bauten, die Pyramiden,
Stonehenge, wurden in Anwendung des geozentrischen Axioms erstellt, was
durchaus zu hervorragenden Leistungen, auf dem Gebiet der Astronomie führte,
wie die berechenbaren Konstellationen von Sternen zu bestimmten Zeiten und von
einem bestimmten Beobachtungspunkt aus, zeigen.
Zum Begriff der These ist auszuführen: Sie
ist in der Regel eine wissenschaftliche Behauptung. Wissenschaftlich ist hier
im weitesten Sinn gemeint, kann also philosophisch,
geisteswissenschaftlich sein wie auch künstlerischer Natur. Man kann als
Beispiel anführen, dass Giotto erstmals eine individuelle Malweise in
seinen Gemälden, wohl, weil der Mensch immer mehr ins Bewusstsein der Künstler
rückte, anwandte. Diese Meinung, als Behauptung oder These aufgestellt,
kann von einem Sachverständigen auf diesem Gebiet bestätigt oder als
völlig unsinnig abgelehnt werden. Eine Überprüfung des
Wahrheitsgehalts dieser Behauptung oder These mit objektiven Methoden gibt es
nicht. Eine These kann eine religiöse Behauptung sein – siehe
Luthers Thesen von 1517 – die durch eine Antithese widerlegt wird oder
widerlegt werden soll. Von Bedeutung für die „Gültigkeit“
einer These ist im Allgemeinen ihr Schöpfer bzw. dessen Renommee in der
entsprechenden Szene oder Gesellschaft. These und Antithese sind die beiden
Standpunkte in einem „wissenschaftlichen“ Streitgespräch, in
welchem letztere oft nur der Darstellung der ersten, der These, dient.
Die Naturgesetze. Sie sind, im Gegensatz zu Axiomen, Gegebenheiten a priori. das
heißt sie bestehen unbeeinflusst und unbeeinflussbar von ihrer Umgebung,
also von Raum und Zeit, wenngleich sie, nach unserem heutigen Wissen, erst kurz
nach dem Urknall entstanden sein können. Naturgesetze können nur
entdeckt, in ihrem Wirken und Bestehen nachgewiesen, in ihrem Ausmaß,
ihren Dimensionen definiert, umformuliert, aber in ihrer Größe, was
wiederum in ihren Dimensionen und Kräften heißt, nicht
verändert werden. Sie sind, soweit wir bis heute wissen, im gesamten
Universum gültig, sowohl im Mikro- als auch im Makrokosmos. Ob bereits
alle Naturgesetze entschlüsselt, also nachgewiesen und definiert sind, ist
ungewiss.
Um auch hier ein
Beispiel anzuführen: Wenn man auf Grund der Kenntnis von Planetenbahnen,
der Masse, der Umlaufszeit eines Planeten um die Sonne, die Beobachtung macht,
dass ein Planet sich nicht am berechneten Ort, zu einer bestimmten Zeit
befindet, so muss es eine Größe geben, die dies bewirkt. Dies kann
eine weitere, bisher unbekannte Masse sein, durch deren Anziehung (Gravitation)
die schon bekannte Planetenbahn verändert wird. Ob dieses Phänomen
stets, in gleicher Weise vorhanden ist, was unwahrscheinlich ist, sonst
würde eine Abweichung von einer berechneten Bahn nicht auffallen oder nur,
was wahrscheinlicher ist, wenn die Bahn des unbekannten Objekts der Bahn des
bekannten Planeten, aufgrund der meist unterschiedlichen Umlaufbahnen nahe
kommt, ist unerheblich. Die Naturgesetze werden dadurch nicht verändert.
Im Gegenteil, weil sie allgemeingültig sind, lassen sich Masse und Ort
eines bisher unbekannten Objekts berechnen. Und, sollte sich ein Objekt nicht
an der errechnete Stelle und mit seiner berechneten Masse nachweisen lassen, so
sind entweder die Nachweismethoden zu unempfindlich oder es liegen weitere
Beeinflussungen von außerhalb vor.
Unsere Kenntnis der
Naturgesetze und der daraus entstehenden Phänomene, ist wahrscheinlich
lückenhaft. Wäre es nicht so, hätten wir das Ende des
physikalischen Wissens erreicht. Vor Einstein und Planck hatten dies einige
Physiker angenommen. Max Planck wurde sogar vom Studium der Physik abgeraten,
weil auf diesem Gebiet schon alles entdeckt sei. Im besten Fall könnte man
dies in Bezug auf die klassische, die Newtonsche Physik sagen. Aber erst in der
Einstein-Planck Ära, die auch schon Vorgänger hatte, kam es zu den
physikalischen Entdeckungen und Erkenntnissen, die das heutige Verständnis
des Kosmos und letztlich unseres Daseins ermöglichen. Erst die Naturgesetze,
aus denen sich durchaus praktische Anwendungen ergeben, haben nicht nur unser
Weltbild, sondern auch die Welt selbst in ihrer heutigen Form ermöglicht.
Es muss aber, an dieser
Stelle, festgestellt werden, dass alles, was nicht (oder noch nicht) durch die
Naturgesetze zu erklären ist, durch kein anderes „Gesetz“,
oder andere Betrachtungsweisen aufgeklärt werden könnte. Auch hier
gilt: Nichtwissen oder die menschliche Unvorstellbarkeit von Dimensionen,
bedeutet nicht, dass abwegige Erklärungsversuche, die Einführung selbst
definierter oder ernannter Scheingrößen, Lücken im Wissen um
die Naturgesetze füllen oder gar ihre Veränderung bzw. Aufhebung
ihrer Gültigkeit bewirken können. Wenn es, gerade durch Forschung auf
dem Gebiet der Physik, immer wieder neue Aspekte, etwa zur Zusammensetzung von
Materie, zu Elementarteilchen usw. gibt, so werden dadurch die Naturgesetze
weder aufgehoben, noch verändert.
Die Naturgesetze lassen
uns die Wirkung oder die Einwirkung von Körpern und Kräften
aufeinander verstehen. Sie erklären Wechselwirkungen. Als solche
bezeichnet man die Art und Weise, wie physikalische Objekte, speziell Teilchen,
einander beeinflussen. In der Elementarteilchenphysik wird der Begriff auch
synonym zu Kraft verwendet. Alle in der Natur vorkommenden Kräfte lassen sich
auf vier fundamentale Wechselwirkungen oder Kräfte zwischen den
Grundbausteinen der Materie, zurückführen und zwar: auf die starke
Wechselwirkung, die elektromagnetische Wechselwirkung, die schwache
Wechselwirkung und die Gravitation. Dabei werden die ersten drei
Wechselwirkungen im Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschrieben.
Unter „beschrieben“ versteht man die exakte mathematische und
nachprüfbare Formulierung. Für die Quantenfeldtheorie der Gravitation
existiert eine solche Beschreibung jedoch noch nicht. Man nimmt aber an, dass
alle vier Grundkräfte bei den extrem hohen Energien, wie sie unmittelbar
nach dem Urknall vorherrschten, gleich stark waren, bzw. dass zunächst nur
eine universelle Kraft existierte.
Die Naturgesetze
sollen, um ihr Wesen und Wirken zu verstehen, kurz beschrieben werden.
Diese sind:
1. Die starke
Wechselwirkung, oder starke Kernkraft genannt. Sie ist Ursache für den
Zusammenhalt der Elementarteilchen wie Nukleonen (Protonen und Neutronen, die Bausteine der
Atomkerne) im Atomkern und wird aus diesem Grund als
Kernkraft bezeichnet. Beträchtlich stärker als die elektromagnetische
Wechselwirkung, kann sie Atomkerne, entgegen der gegenseitigen elektrischen
Abstoßung der positiv geladenen Protonen, stabilisieren. Der
starken Wechselwirkung unterliegen alle Hadronen, also Baryonen und Mesonen. Sie hat die
Eigenschaft, dass sie mit zunehmender Entfernung stärker wird.
2.
Die elektromagnetische Wechselwirkung wirkt auf oder an allen elektrisch
geladenen Teilchen. Diese Wechselwirkung (auch die elektromagnetische Kraft
oder Elektromagnetismus genannt) findet über ein Austauschteilchen statt:
das Photon g. Dieses Photon, was man auch als "Lichtteilchen"
bezeichnet, ist selber elektrisch neutral und besitzt keine Masse. Es kann
daher mit Lichtgeschwindigkeit, also der höchst möglichen, fliegen
und relativ lange Strecken zurücklegen. Dies ist der Grund, warum wir im
Alltag diese elektromagnetischen Wechselwirkungen wahrnehmen können. In
der Teilchenphysik werden die elektromagnetischen Phänomene also über
den Austausch von Photonen und nicht nur einfach über eine elektromagnetische
Kraft erklärt.
3. Die schwache Wechselwirkung
(auch schwache Kernkraft genannt) wirkt wie die starke Kernkraft, nur bei sehr
kleinen Abständen also nur zwischen mikroskopischen Teilchen, im Gegensatz zu den Wechselwirkungen
der Gravitation
und des Elektromagnetismus. Sie kann wie andere Kräfte für Energie-
und Impuls-Austausch sorgen, wirkt aber vor allem
beim Zerfall oder der Umwandlungen der beteiligten Teilchen, etwa dem langsamen
Zerfall bestimmter radioaktiver Atomkerne.
Die schwache Wechselwirkung spielt bei der Fusion von
Wasserstoff zu Helium in der Sonne eine Rolle, da durch sie die Umwandlung von
Protonen in Neutronen möglich ist. So entstehen aus vier Protonen (den
Wasserstoffkernen) letztlich der stabile Heliumkern mit zwei Protonen und zwei
Neutronen. Aus diesem Prozess bezieht die Sonne ihre Energie. Dieser Prozess
läuft jedoch so langsam ab, dass die Sonne schon seit einigen Milliarden
Jahren und sicher noch einigen, stabil leuchtet.
4.
Die Gravitation auch Schwerkraft genannt, ist die schwächste der
Elementarkräfte, jedoch wird sie am meisten wahrgenommen. Sie macht z. B.,
dass wir auf der Erde stehen können. Nach heutigen Erkenntnissen wirkt sie
ausschließlich anziehend, da es nur eine Gravitationsladung (die Masse)
gibt. Also Massen, nicht nur zwei, ziehen einander an. Die Gravitation bestimmt
die Bahn der Erde und der anderen Planeten
um die Sonne
und spielt somit eine bedeutende Rolle in der Astronomie
und Kosmologie.
Die anderen Elementarkräfte hingegen sind nur für mikroskopische
Prozesse von Bedeutung, jedoch physikalisch ebenso bestimmend. Es gibt also
keine wichtige oder unwichtige Elementarkraft.
Diese
sehr knappe Beschreibung der Naturgesetze heißt nun nicht, dass dies
alles ganz simpel und einleuchtend wäre. Sieht man die mathematischen
Formulierungen einzelner Prozesse, etwa das Verhalten von Elementarteilchen bei
Einwirken hoher magnetischer Kräfte, so erkennt man, dass der ungeheuere
geistige Aufwand, in der Formulierung, Ableitung aus Naturgesetzen, die
Umsetzung in Anwendungen im Alltag, in der Raumfahrt, in der Energiegewinnung,
was nicht nur Atomphysik bedeutet, nur durch einen riesigen Stab von Physikern,
Mathematikern und anderen Naturwissenschaftler zu bewältigen war und ist.
Auch
wenn Einstein und Planck Herausragendes durch die Zusammenfassung ihrer
Theorien geleistet haben, ist dadurch wiederum kein Endpunkt erreicht. Die mit
und neben ihnen arbeitenden Wissenschaftler sind, auch wenn ihre Arbeiten oft
oder letztlich auf Einstein und Planck fußen, nicht weniger bedeutend (im
wissenschaftlichen Sinn) auch wenn nicht jeder, jedoch einzelne, mit dem
Nobelpreis geehrt wurden.
Zum Verständnis der Leistung und Bedeutung
Einsteins und Plancks: Die allgemeine Relativitätstheorie Einsteins
beschreibt vor allem den Aufbau des Universums
im Großen und ist bei großen Massen
und Beschleunigungen
praktikabel. Die Quantentheorie von Planck hingegen beschreibt die Wechselwirkung zwischen kleinsten Teilchen
und in begrenztem Raumgebiet.
Es wird
im Weiteren noch näher darauf eingegangen, aber jetzt schon sei darauf
hingewiesen, in welch ungeheueren, kaum vorstellbaren Dimensionen von Raum,
Zeit und Temperatur, die folgenden Erörterungen stattfinden müssen.
Dies ist mathematisch noch am ehesten in Potenzen auszudrücken. Wenn man
für eine Zeit in Sekundenbruchteilen etwa 1 mal 10-35 eine Zahl
mit 35 Nullen nach dem Komma, die in Lichtjahren angegebene Entfernung einer
Galaxie mit umgerechnet etwa 1 mal 1025 Kilometern mit 1 und
folgenden 25 Nullen vor dem Komma, eine Temperatur mit nur 1 mal 1015
Kelvin angibt, kann man aber das schier Unvorstellbare in etwa ermessen.
Der Urknall, Big Bang.
Es hat,
zumindest im abendländischen Kulturkreis, seit den antiken Philosophen,
rein naturwissenschaftliche Überlegungen zur Entstehung des Universums
gegeben. Geozentrische überwogen die heliozentrischen. Die Kugelgestalt
der Erde wurde erstmals von Archytas aus Tarent im 4. Jahrhundert v. Chr.
erwähnt. Giordano Bruno nahm ein unendliches Universum an und wurde
für den Frevel diese Ansicht zu lehren, noch 1600 in Rom, am campo dei
fiori, verbrannt. Seit Kopernikus und Kepler waren jedoch geozentrische
Vorstellungen des Universums nicht mehr haltbar. Von der Astronomie her, durch
die Feststellung einer stetigen Ausdehnung des Universums, allein durch den
Dopplereffekt, gemessen mit hoch leistungsfähigen Teleskopen, Weltraum-
und Radioteleskopen (Hubble und andere) und der Möglichkeit einer
Rückrechnung der Größe des Universums daraus, bis zu einem
nicht mehr genau definierbaren Punkt, sowohl was die zeitliche als auch die
räumliche Dimension betrifft, kam man zu der Annahme irgend einen Anfang
postulieren zu müssen. Es gleicht fast einem Witz, dass der bis heute
renommierte Astronom Hoyle, mehr in ironischer Weise, die Vorstellung der die
Theorie vertretenden anderen Astronomen von der Entstehung des Universums aus
einem Punkt, mit der Freisetzung unvorstellbarer Energien, einen Big Bang
nannte. So gab er, ungewollt, der heute gültigen Theorie von der
Entstehung des Kosmos den Namen Big Bang, Urknall.
Wie
schon bei der Begriffsbestimmung der Theorie festgestellt, ist diese so lange
gültig, bis sie widerlegt oder, sie verbessernd, durch eine andere ersetzt
wurde. Dies ist für die folgenden Ausführungen von Bedeutung insofern
als man, in Anwendung einer Theorie im naturwissenschaftlichen Sinn, an einen
Punkt gelangen kann oder muss, an dem eine weitere retrograde Verfolgung des
Ablaufs –hier besonders bezogen auf den Urknall – nicht mehr
möglich ist. Dies bedeutet keineswegs, dass damit die Theorie, auch nur in
Teilen, unrichtig oder spekulativ sein muss. Man gelangt hier zum Begriff der
Singularität, der besagt, dass es vor diesem Ereignis nichts gibt, was es
erklärt oder gar dazu geführt hat. Die Singularität
unterscheidet sich also vom Axiom dadurch, dass letzteres durchaus komplexer
Natur sein kann, auch ableitbar aus anderen Größen, jedoch eine
Theorie ad absurdum führt oder unbrauchbar macht, wenn es nicht so ist wie
angenommen. Dass es nicht nur eine einzige Singularität gibt, darauf wird
später noch eingegangen.
Ein
Weiteres ist an dieser Stelle noch zu erörtern: Dimensionen und ihre
Vorstellbarkeit in unserem menschlichen Bewusstsein. Harald Lesch, ein
Plasmaphysiker und Astronom, bekannt aus populärwissenschaftlichen
Sendungen im Fernsehen, hat dazu beispielhaft gesagt, dass, wer behauptet etwa
die Einsteinsche Relativitätstheorie oder die Plancksche Quantentheorie
voll verstanden zu haben, der hat sie nicht verstanden. Wenn im Folgenden, bei
der Erörterung der Ereignisse nach dem, nicht um den Urknall, nicht etwa
jedes Elementarteilchen in seinen Eigenschaften und seiner Bedeutung
erörtert wird, so soll das nicht heißen, dass dies unwichtig und
unverstehbar ist. Auch sind Dimensionen in der Physik, wie schon oben
ausgeführt, sowohl was ihre Kleinheit als auch ihre Größe
betrifft und nur in sehr hohen negativen oder positiven Potenzen einer Zahl
ausgedrückt werden kann, zudem keineswegs unwichtig oder gar unrichtig,
jedoch oft schwer interpretier- und vorstellbar. Denn es ist schon schwierig
sich eine Raumzeit vorzustellen und mehr noch mehrdimensionale Ereignisse oder
Zustände, die sich aus durchaus nachvollziehbaren mathematischen Modellen
ergeben, zu verstehen.
Dies
bedeutet, dass schwierige und schwer vorstellbare Themen nicht einfach
ausgelassen sondern, in Verfolgung eines Ziels, die Ereignisse und
Gesetzmäßigkeiten dargelegt werden, die dazu notwendig erscheinen.
Auch soll hier keine populärwissenschaftliche Physik oder Philosophie
betrieben werden. Es gibt dazu ganz hervorragende, verständliche
Bücher und Fernsehsendungen. Natürlich soll und muss ab und zu auf
Zahlen oder eine Formel aus der Physik zurückgegriffen werden, jedoch
nicht, um neue Kenntnisse an den Mann oder die Frau zu bringen. Was die
Ausführungen nicht sein sollen, ist eine neue Deutungs- oder Sichtweise
von Ereignissen vom Urknall bis in die heutige, aktuelle Politik. Das
heißt, dass es ein sowohl als auch allenfalls für Teilchen, etwa
Photonen als Materie oder als Welle geben kann und sonst nicht.
Um ein
Beispiel aus meinem früheren Beruf anzuführen: Auf einer
Fortbildungsveranstaltung für Klinik- und niedergelassene Ärzte hatte
ich über Asthma zu referieren. Ich sprach über die relativ neuen
Erkenntnisse bei dieser Erkrankung und die sich daraus ergebenden Folgerungen
für die Therapie. Ich führte aus – was ich nicht nur hier sagte
und für meine sicher kompetenten Kollegen selbstverständlich war
– dass etwa Psychotherapie und schamanenhafte Maßnahmen obsolet und
für die Kranken unzumutbar seien. Ein etwas älterer, nicht alter Arzt
erklärte in der folgenden Diskussion, dass er es für unverschämt
halte gesagt zu bekommen, dass das, was er seit Jahren mache, Asthma mit
Psychotherapie anstelle der eben von mir genannten Vorgehensweise zu behandeln,
für die Kranken schädlich sei. Er werde weiter seine
Behandlungsmethode anwenden. Ich musste ihm antworten, dass ich das, was ich
gesagt habe nur wiederholen könne, auch was die Schädigung des Kranken
durch obsolete Maßnahmen betrifft. Ich wäre kein seriöser Arzt
und Wissenschaftler, wenn ich sagen würde: „Ja freilich, Herr
Kollege, so kann man es auch machen“. Dass der letzte Satz bei
ärztlichen Diskussionen öfters fällt, entspringt tiefer
Dummheit, Unsicherheit und fehlendem Rückgrat und trägt allenfalls
der Furcht, sich nur nicht unbeliebt zu machen, Rechnung.
Wenn
ich dieses Beispiel aus meinem Beruf anführe, so heißt das nicht,
dass es prinzipiell keine Alternative, keinen alternativen Weg gibt. Es gibt
durchaus in der Chemie, in der Biochemie, alternative Reaktionswege, die
entweder nur von einem Teil der Reagenten beschritten werden oder dann
ablaufen, wenn der „normale“ Weg nicht möglich ist. In der
Medizin sind zwei Methoden, eine schulmedizinische und eine alternative, dann
gleich wirksam, wenn ihnen ein gemeinsames Prinzip zugrunde liegt oder sie sind
beide, was gewöhnlich der Fall ist, gleich unwirksam. Entscheidend ist das
Ergebnis, das erreicht werden muss. Im Beispiel der Asthmaerkrankung der
reproduzierbare und anhaltende Erfolg für den Kranken, unabhängig
davon, ob er „daran glaubt“ oder nicht. Auf diese Problematik werde
ich später noch genügend eingehen.
Nun zum Urknall, zum Big Bang. Da gab es einen Zustand, eine
Singularität, sehr schwer vorstellbar, vor etwas mehr als vierzehn
Milliarden Jahren. Hier ist die
Krümmung der Raumzeit unendlich, die Naturgesetze gelten nicht (besser: es
hat sie noch nicht gegeben) und Dichte
sowie Temperatur
sind von extremen, für uns wieder nicht vorstellbaren Werten. Die Unendlichkeit
der Raumzeit ist insofern nicht vorstellbar oder zu definieren, als es ja weder
einen Raum noch eine Zeit gibt.
Aber
woher wissen wir das? Nun, Kosmologen, die sich mit der Entstehung des Kosmos,
des Weltalls, intensiv beschäftigen, haben nachgerechnet, besser:
zurückgerechnet. Sie konnten dies, weil, wenn man von heute existenter
Materie, von der Ausdehnung und den Dimensionen des Weltalls, von chemischen
und physikalischen Reaktionen, letztlich von den Naturgesetzen ausgeht, immer
zur Frage kommt: Wie ist dies entstanden oder abgelaufen und was war vorher?
Das „dies“ ist der jeweilige Zustand des Weltalls zu einem
bestimmten Zeitpunkt. Die Kosmologen oder „man“ gelangte zu diesem
Zeitpunkt, denn es gab dann bereits eine Zeit, von 10-35 Sekunden,
zu dem sich schon Aussagen über physikalische Zustände machen lassen.
Freilich sind diese ungewiss, ja unscharf (was durchaus etwas mit der
Heisenbergschen Unschärferelation zu tun hat), und beruhen im Wesentlichen
auf der Theorie der Quantenmechanik, die sub- oder voratomare Zustände
beschreibt.
Es lässt sich zu diesem Zeitpunkt, 10-35
Sekunden, annehmen, dass eine Temperatur von 1028 Kelvin (1 Kelvin,
der absolute Nullpunkt der Temperatur, entspricht minus 273 Grad Celsius) und eine
Ausdehnung des eben entstandenen Universums von Tausenden von Milliarden
Kilometern bestand. Für uns ist dies unvorstellbar und, in Bezug auf die
Ausdehnung des Universums sogar widersprüchlich, denn nach den
Naturgesetzen, die ab etwa der zweiten Sekunde nach dem Urknall Gültigkeit
erlangten, hätte sie, die Ausdehnung, mit weit mehr als
Lichtgeschwindigkeit erfolgen müssen, was eben nach den Naturgesetzen und
der sicher geltenden Relativitätstheorie, die die Lichtgeschwindigkeit mit
300 000 Kilometern in der Sekunde als absolut und nicht überbietbar
beschreibt, nicht möglich ist. Aber, zum Zeitpunkt 10-35
Sekunden hatten die Naturgesetze offensichtlich noch keine Gültigkeit,
bzw. sie waren erst im Entstehen.
Nun, wie sah das immens heiße, wahrscheinlich
schon riesige Universum, das sich so ausgedehnt hatte, eigentlich aus? Woraus
bestand es? Es bestand, schon aufgrund der ungeheueren Temperatur, aus Plasma,
also einem Gemisch aus sich ständig umwandelnden Teilchen und
Antiteilchen, den Elementarteilchen Quarks und Gluonen sowie X-Bosonen, die
wiederum in Quarks zerfielen.
Ich muss hier, die Darstellung unterbrechend,
einflechten, dass es sich bei den Elementarteilchen, Quarks, nicht um Elemente
handelt, im Gegenteil, da diese aus ersteren aufgebaut sind. Über weitere
Elementarteilchen wie Leptonen mit ihren Untergruppen und Baryonen, Mesonen und
Hadronen, sowie die Austauschteilchen Bosonen; deren Spin, String, Farbladung,
up and down usw. kann man sich besser in Physiklehrbüchern informieren.
Merken kann man sich, dass, nach unseren heutigen Erkenntnissen, Quarks und
Leptonen nicht weiter in noch kleinere Teile zerlegbar sind.
Das Wesen und Wirken der Elementarteilchen soll
hier nicht im einzelnen beschrieben werden, da es zur Gesamtdarstellung nicht notwendig
ist. Zum allgemeinen Verständnis nur so viel: Die Elementarteilchen,
Quarks, formieren sich, unter Einwirkung der starken Kernkraft (eine der vier
Grundkräfte der Physik) zu Nukleonen, also Bestandteilen von (Atom)kernen,
den Protonen und Neutronen.
Zurück zum Zeitpunkt 10-35
Sekunden: In dem beschriebenen Plasma, gibt es noch zu jedem
(Elementar)Teilchen ein Antiteilchen, das mit Anti- und dem Teilchennamen
bezeichnet wird. Und nun erfolgt, was ein Geheimnis genannt wird, was ich,
abgeleitet von Zellvorgängen in der Biologie als Zufall bezeichnen
möchte, dass ein Überschuss von Teilchen zu Antiteilchen von eins zu
etwa zehn Milliarden, also eine Asymmetrie in der Anzahl entstand. Dies ist
bedeutend insofern, als sich Teilchen und Antiteilchen gegenseitig, unter
Entstehung von Strahlung, vernichten. Dieses gegenseitige Vernichten setzt sich
sogar noch bei den aus den Elementarteilchen bestehenden Protonen und
Antiprotonen, also (späteren) Atomkernbestandteilen, fort, im wesentlichen
unter Entstehung von Photonen. Dass sich diese Prozesse im Laufe der Ausdehnung
des Universums, verbunden mit einer Abnahme der Temperatur änderten,
wieder eine Asymmetrie zwischen Protonen und Neutronen bestand, sich bei den
abermaligen Zerfallsprozessen auch Elektronen bilden konnten, machte erst die
Entstehung von Atomkernen und von Atomen möglich. Obwohl nur relativ
wenige Teilchen, d. h. Atomkerne übrig blieben, entstand aus ihnen
schließlich die gesamte Masse des Kosmos, also Sterne und Staub, zunächst
aber die Elemente Wasserstoff (75%), Helium (24%), Isotope von Helium,
Deuterium und Lithium, zusammen etwa 1%.
Ich
habe, bei der Schilderung der Vorgänge im letzten Absatz, eine ganz
ungeheuere Vereinfachung und Raffung vorgenommen. Die Vereinfachung betrifft
den Umstand, dass es sich, nach den abgelaufenen ersten 2,5 Sekunden nach dem
Urknall und sicher noch länger, letztlich um Plasma, das im wie auch immer
gearteten Raum war, handelte. Dies schon aufgrund der immer noch herrschenden
hohen Temperatur von mindestens einigen Millionen Kelvin. Somit lagen anfangs
immer noch keine Atome, nur Kerne derselben vor. Aus sich ständig
verbindenden Elementarteilchen, die gleich wieder zerfielen, entstanden sehr
energiereiche Photonen, die wiederum die von den Atomkernen (soweit diese nicht
selbst wieder zerfielen) eingefangenen Elektronen „absprengten“, d.
h. die Bildung eines vollständigen Atoms, aus Kern und Elektronen,
verhinderten.
Dass
dennoch die Elemente, ein Atomkern mit unterschiedlich viel Protonen und
Neutronen sowie Elektronen, wie beschrieben, im wesentlichen Wasserstoff und
Helium entstanden, war eben erst in einer Zeitspanne zwischen 2,5 Sekunden und
400 000 Jahren möglich. Dieses Zeitraums bedurfte es bis durch die
Ausdehnung des Raums die Temperatur soweit abgesunken war, dass Photonen nicht
mehr die Energie hatten, Elektronen von den (Atom)-Kernen zu trennen. Diese 400
000 Jahre wollte ich als Zeitraffung bezeichnen.
Was an
dieser Stelle erstmals, sicher nicht zum letzten Male betont werden soll: Diese
Abläufe sind nicht nur durch mathematische Modelle
(Relativitätstheorie und Quantenmechanik) sondern auch durch Experimente
(Teilchenbeschleuniger), die diese bestätigen, abgesichert. Wenn Zufall
und Wahrscheinlichkeit eine Rolle spielen, so sind auch diese mathematische und
physikalische Größen und keine Erfindung oder Ausrede für
Nichtwissen. Dies heißt einmal, trivial gesprochen: Der Zufall bestimmt
welche Teilchen aufeinander treffen. Es bleibt dann einem Teilchen, einem Atom,
unter bestimmten Bedingungen, wie Temperatur, Schwerkraft und den anderen
Grundkräften der Natur, gar nichts anderes übrig als sich, wie hier
nur sehr grob beschrieben, zu verhalten.
Wenn
man die 14 Milliarden Jahre vom Urknall bis heute, wie man ja annehmen muss,
betrachtet, so sind die bisher geschilderten 400 000 Jahre, auch wenn sie uns
als nie erlebbar erscheinen, doch nur eine minimale Zeitspanne im Universum. Um
wie viel winziger ist jedoch – was viel später dargelegt wird
–die Dauer der Kulturen der Menschheit, die man mit etwa 10 000 Jahren
ansetzt. Dass letzteres zwar verallgemeinert so gesehen wird, dennoch falsch
ist, ist ein anderer Diskussionspunkt.
Das Entstehen der Sterne
Wir
wollen nun einen weiteren zeitlichen und gedanklichen Sprung machen und etwas
rascher, von Weltall zu unserer Welt kommen. Was geschah denn nach den
bisherigen 400 000 Jahren? Vielleicht geschah eine Milliarde von Jahren gar
nichts. Das Weltall war angefüllt mit den Elementen Wasserstoff und
Helium. Aber die ganze Zeit hatten die Grundkräfte der Natur auf sie
eingewirkt, besonders die Schwerkraft.
An
dieser Stelle müsste ich jetzt weitere Begriffe und Ereignisse ins Spiel
bringen und erläutern. Diese wären leuchtende und dunkle Materie, die
Entkopplung der Strahlung von der Materie, die kosmische Hintergrundstrahlung
und noch mehrere nicht einfach zu beschreibende Ereignisse. Nicht dass sie
unwichtig wären, weder für die Physik an sich, noch für die
Entstehung und den Bestand unserer Welt. Aber ich muss hier, um nicht ins
Uferlose abzudriften, wirklich gerafft, den angekündigten weiteren
zeitlichen Sprung machen.
Nach
einer Milliarde von Jahren etwa, hatten sich aus anfänglich geringen
Verdichtungen im All, unter den Einfluss der Schwerkraft, Gaswolken aus
Wasserstoff und Helium gebildet. Das heißt, es gab weniger dichte und
dichtere (die Wolken) Teilchenansammlungen. Die Masse dieser Wolken insgesamt
war jedoch so groß, dass innerhalb dieser, bei noch weiterer Verdichtung,
Milliarden von Sternen, von Sonnen, entstehen konnten. Das Entstehen des einzelnen
Sterns läuft dabei so ab, dass, und man mag dies jetzt Zufall nennen, sich
ein umschriebenes Gebiet in der Gaswolke verdichtet, Teilchen aufgrund ihrer
gegenseitigen Anziehung mehr „zusammen rücken“. Es bildet
somit einen „Kondensationskern“, dadurch, dass seine Masse schwerer
ist als die des sie umgebenden Gases. Immer mehr Gasteilchen, also Wasserstoff
und Helium, werden angezogen. Schließlich wird, durch die Schwerkraft
bedingt, das Innere der ursprünglichen Gaswolke so schwer und anziehend,
dass die Verdichtung zu ungeheuerem Druck und sehr hohen Temperaturen in einer somit
riesigen Masse, führt. Ein Stern ist sozusagen geboren.
Vielleicht
erscheint manchem diese Sternengeburt aus einer Gaswolke oder gar die Entstehung
von Milliarden Sternen innerhalb von Gaswolken, wie sie heute noch in der
Milchstraße und in anderen Galaxien und Nebeln entstehen, kaum
vorstellbar, künstlich konstruiert und nicht glaubhaft. Letzteres,
glaubhaft, braucht es nicht zu sein, denn es ist auch ohne einen Glauben daran
so. Man muss sich eher vergegenwärtigen, dass alles was eben beschrieben
wurde, in menschlich schier unvorstellbaren Zeiträumen von Millionen und
Milliarden Jahren ablief. Dass außerdem die Größe etwa von
Gaswolken und von Galaxien unsere Vorstellungskraft sprengen muss, kommt hinzu.
Wenn wir von Milliarden von Sternen sprechen, dann sind diese innerhalb der
Gaswolke, in der sie entstanden, noch viele Millionen von Kilometern
voneinander entfernt. Nicht von ungefähr messen wir ja in der Astronomie
in Astronomischen Einheiten (1 Astronomische Einheit (AE) ist der Abstand Sonne
– Erde und beträgt rund 150 Millionen Kilometer), in noch
größeren Einheiten (Parsec usw.) und schließlich in Lichtjahren.
Wenn ein Lichtteilchen in einer Sekunde einen Weg von 300 000 Kilometern
zurücklegen kann, dabei aber schon das Licht von der Sonne zu uns 8
Minuten unterwegs ist, können wir uns vorstellen wie weit Sterne
auseinander sein müssen, die Lichtjahre und oft Millionen davon, voneinander
entfernt sind.
Ich muss an dieser Stelle wieder eine
erklärende Zäsur machen: Diese Abhandlung, in der wir jetzt lesen,
ist, wie schon betont, weder als populärwissenschaftlich physikalische
noch astronomische gedacht. Aus diesem Grund werden Meßmethoden und
experimentelle Nachweise von Zusammenhängen oder Größen nicht
oder allenfalls nur dann angeführt wenn sie zum Verständnis eines
Sachverhalts unmittelbar notwendig sind.
Es sind also, wie geschildert, innerhalb einer
Gaswolke Sterne entstanden. Durch Druck und Temperatur im Innern dieser Sterne
oder Sonnen bedingt, laufen nun Prozesse wie Wasserstoff- und Heliumbrennen ab
(man sollte dies bei Interesse in Physikbüchern nachlesen), woraus jetzt
andere, schwere Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff, Edelgase und Metalle
entstehen. Abhängig von der Masse eines Sterns können nun immer mehr
und schwerere Elemente „erbrütet“ werden. Bei sehr
massereichen Sternen, mit meist mehr als zwanzig Sonnenmassen, kommt es,
infolge der Schwerkraft zu einem weiteren Phänomen. Weil eben die
Schwerkraft nicht aufhört oder endlich ist und noch in der Masse des
Sterns, einer Sonne wirkt, kann dieser in sich zusammenstürzen. In diesem
Sterns wird die Masse dann ungeheuer dicht. Es entstehen wieder ungeheuere
Drücke von Milliarden Atmosphären und Temperaturen von Millionen von
Kelvin, was bei den Dimensionen, der Masse, um die es geht, gar nicht
verwundert. Aber gerade die hohe Temperatur führt letzen Endes zur
Explosion des Sterns (Supernova) wodurch, mit riesigem Energieaufwand
(Leuchten) ungeheuere Massen an schweren Elementen – die nur in dem Stern
unter den Bedingungen von Druck und Temperatur entstehen konnten - in den Raum
geschleudert werden.
Im Raum
des Universums sind somit neue Gaswolken entstanden, die also bereits schwere
Elemente enthalten. Aus ihnen können, bei erneuter Konzentration wieder
Sterne (Sonnen) entstehen, und sogar schon bestehende Sterne (und Planeten, wie
unsere Erde) mit schweren Elementen regelrecht bombardiert werden.
Man
könnte fast sagen, dass sich alles kreislaufartig wiederholt, das
heißt die Entstehung von Sternen aus Gaswolken und ihr Vergehen, sei es
als Supernova oder auf andere Art –was hier nicht zu beschreiben ist. Es
ergibt sich aber daraus, dass etwa unsere Sonne und unsere Erde, die ja beide
schwere Elemente enthalten, nicht aus den ersten, primordialen Nebeln
entstanden sein können. Also können sie, Sonne und Erde, nicht seit
dem Urknall bestehen.
Im
Prinzip lief aber die Entstehung der Sonne - und der Erde - in der gleichen
Weise wie die der anderen Sterne oder Sonnen ab. Und dies wird wohl im
Universum so weitergehen.
Bezogen
auf unser Sonnensystem kann man davon ausgehen, dass zunächst ein riesiger
Nebel, der Sonnennebel,
bestand, der bereits mit schweren Elementen angereichert war. Vor etwas mehr
als 4,5 Milliarden Jahren stürzte dieser durch seine Gravitation in sich
zusammen. Bei diesem Zusammenstürzen erhöhte sich die
Rotationsgeschwindigkeit des Nebelkerns, da ja nicht alle Teilchen aus der
Wolke gleichzeitig und aus allen Richtungen ankamen. Das System erhielt einen
Drehimpuls. Die Masse im Zentrum erreichte dabei eine so hohe Dichte, dass
wieder Wasserstoffatome zu Heliumatomen „verschmelzen“, fusionieren
konnten. Dies ist der Prozess, der unsere Sonne entstehen ließ und ihr
(und damit der Erde) die Energie liefert.
Es war
jedoch nicht so, dass aus dem ursprünglichen Nebel alle Materie in
„einen Kern stürzten“. Innerhalb des Nebels und durch den
Drehimpuls, kam es zu weiteren Verdichtungen der Materie, man könnte sagen
des „Materials“, aus dem schließlich, in unterschiedlichem
Abstand zum Zentrum, der Sonne, die Planeten entstanden.
Die
Prozesse die zur Sonnen- und Erdentstehung führten, sind bis heute noch im
Gange. Sicher nicht in der spektakulären Form, aber zum Beispiel auf der
Sonne als Wasserstoffbrennen, auf der Erde als Meteoriteneinschläge aus
dem Sonnensystem. Um uns aber zunächst einmal von der Sonne zu
verabschieden, können wir sagen, dass ihr Energievorrat durch das
Wasserstoffbrennen, die Fusion zu Helium und schwereren Elementen, noch einmal
so lange anhält, wie der Prozess schon dauert, also sicher mehr als 4
Milliarden Jahre.
Unsere Erde
Von nun
an ist die Erde der Gegenstand der Erörterungen. Ein riesiger Gegenstand
für jeden seiner Bewohner, ein winziger im Vergleich zum Sonnensystem oder
gar zum All. Keineswegs war die Erde zu Beginn ihrer Existenz im heutigen
Zustand. Auch sie bildete sich, wie alle Planeten, durch die Anziehung von
Materie um einen Kern, der zunächst aus kleinsten Verdichtungen von
Nebelteilen bestand. Auch hier bewirkte die Schwerkraft das Anziehen weiterer
Teilchen aus der Wolke bzw. aus dem Raum um die Sonne, so dass die Erde
„wuchs“. Sie war auch sehr heiß, praktisch in einem
flüssigen Zustand. Die Schwerkraft in diesem neuen Planeten führte
zum „Absinken“ schwerer Teilchen (Atome) zum Inneren dieses nun
entstehenden Planeten hin. So bilden nun Verbindungen aus schweren Elementen
den Eisen-Nickel-Kern, darum herum sind Silizium-Aluminium-Verbindungen
vorherrschend. Es gab wohl eine Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium, die
aber aufgrund der hohen Temperatur nicht beständig war. Da noch viel
Material in unterschiedlich großen Verdichtungskörpern im
Sonnensystem vorhanden war, gab es ständig Einschläge mehr oder
weniger großer Massen auf allen Planeten, natürlich auch auf der
Erde. Beim Einschlag einer größeren Masse, bei dem die Erde
wahrscheinlich von der Seite, also tangential getroffen wurde, ist wieder eine
größere Masse aus der Erde herausgeschlagen und in den Raum
katapultiert worden. Da aber die Erde bereits eine große Masse
besaß, wirkte deren Schwerkraft der Zentrifugalkraft des
herausgeschlagenen Erdstücks entgegen. Und als sich diese beiden
Kräfte die Waage hielten blieb das Erdfragment von der Größe
des heutigen Europa, in einer Entfernung von etwa 300 000 Kilometern von der
ursprünglichen Erde als deren Mond in einer Umlaufbahn. Der Beweis, dass
der Mond aus der Erde entstand, wurde durch den Nachweis von erdidentischem
Material, das die Mondsonden auf die Erde brachten, geliefert.
Es soll
hier nicht weiter über Drehimpuls des Mondes, die Phasen usw. gesprochen
werden, weil dadurch kein anderes Bild, als es unsere Feststellung besagt,
entsteht.
Die Erde
hatte nun eine Zeit seit ihrer „Entstehung“ vor etwa 4,5 bis auf
2,5 Milliarden von Jahren zurückgelegt, die man Archaikum nennt. Dann erst
war die Temperatur ihrer Oberfläche auf unter 1300 Kelvin abgesunken.
Durch die Rotation des Erdkörpers um die eigene Achse konnte eine weitere
Differenzierung in Schalen erfolgen. Eine erstarrte Kruste konnte sich
über dem Erdmantel bilden, der aber, was für die weitere
„Entwicklung“ des Planeten wichtig ist, heiß und flüssig
blieb. Eine große Hitze blieb weiterhin im Erdkern, der aber, wegen der
ungeheueren Drücke der Massen,
die der Schwerkraft unterliegend nach innen drückten, wiederum fest wurde.
Die Erdkruste hingegen konnte, durch Abstrahlung in den Weltraum, weiter
abkühlen.
Wir
müssen wieder eine Zeitraffung von 2,5 Milliarden Jahren bis auf etwa 500
Millionen Jahre vor heute vornehmen. Dies sind immerhin 2 Milliarden Jahre,
eine für uns mit einer Lebenserwartung von 70 bis 80 Jahren, kaum
vorstellbare Zeit.
Gegen
Ende dieser Zeitspanne, die als Proterozoikum bezeichnet wird, hatte sich die
Oberfläche der Erde weiter abgekühlt. Das heißt nicht, dass es
kalt war, aber, dass wohl im wesentlichen die Temperatur unter 100 Grad Celsius
lag. Es konnte sich auch eine Atmosphäre bilden, die jedoch keineswegs
unserer heutigen entsprach. Aber woraus bestand diese Atmosphäre? Woraus
bestand die Erdkruste?
Man
muss hier einiges erklärend einfügen: Nur bei solchen Temperaturen,
wie sie jetzt herrschten (daher auch die Angabe in Grad Celsius und 100 Grad
ist der Siedepunkt des Wassers, der Druck unberücksichtigt), konnte sich
zum Beispiel Wasser auf der Erdoberfläche halten und verdampfte nicht
sofort. Aber woher kam denn wieder das Wasser? Aus der Uratmosphäre durch
Kondensation? Aber da müsste es in dieser schon Wasserdampf gegeben haben.
Gab es aber nicht, obwohl ja überwiegend Wasserstoff neben Helium die
Uratmosphäre bildete. Aber man kann doch aus 2 Wasserstoffatomen und 1
Sauerstoffatom, H2O also Wasser machen? Die Knallgasreaktion ist das. Geht auch
nicht so einfach.
Um
zunächst eine, vielleicht etwas vage Antwort auf die Entstehung des
Wassers auf der Erde zu geben, lässt sich sagen, dass man Einschläge
von Kometen und Meteoriten, die im Archaikum der Erde wesentlich häufiger
waren, als den „Antransport“ von Wasser aus dem Weltraum vermutet.
Zudem soll Wasser noch in flüssigem Gestein im Erdmantel gebunden sein und
könnte sozusagen aufgestiegen sein. Dass man den Ursprung des Erdenwassers
nicht oder noch nicht genau festlegen kann, heißt aber, dass sich die
Physik und die Wissenschaft um Erklärung und Nachweis bemüht und
nicht einfach stattdessen eine These oder ein Dogma kreiert.
Wir sollten nochmals auf die Knallgasreaktion zurückkommen. Ist
doch ganz einfach:
H2
(+ Energie) → H +
H (Reaktionsbeginn)
2 H2 + O2 →
2 H2 O
H + O2 → OH +
O
O + H2 → OH + H
OH + H2 → H2O +
H
Es ist
also, beim Versuch im Chemielabor, Wasser entstanden und ein
überzähliges, freies Wasserstoffatom. Als Nebenreaktion entstand
sogar noch Wasserstoffperoxid (Wasserstoffsuperoxyd): H2 + O2 → H2O2
Wenn
man die erste Zeile in dieser Reaktionsgleichung betrachtet, erkennt man etwas
ganz Wesentliches: Die Zufuhr von Energie ist notwendig, um eine solche Reaktion
ablaufen zu lassen. Im Experiment, im heutigen Chemiesaal einer Schule, kommt
diese Energie vom Streichholz oder vom Bunsenbrenner. Wasserstoffgas und
Sauerstoffgas müssen hier sowieso erst im Reagenzglas gemischt worden
sein, und dann gibt es eben einen Knall.
Etwas weiteres lässt sich
daraus noch ableiten: Keine Chemische und physikalische Reaktion kann ohne
Zufuhr oder Freisetzung von Energie ablaufen. Und, Energie ist dabei immer
Wärme. Ob wir energiereiche Verbindungen z. B. Erdöl verbrennen oder
Atome verbinden, fusionieren wollen, immer entsteht Wärme oder muss, bei
einer Fusion, zugeführt werden. Hier sind exotherme Fusionsreaktionen, die
Energie freisetzen, an deren Möglichkeiten noch geforscht wird, und Tunneleffekte
nicht berücksichtigt. Dadurch werden die Naturgesetzt nicht verändert
oder aufgehoben.
Dass man Wärme, Energie
zwar umwandeln kann, etwa in Bewegung, aber nicht einfach vernichten, leitet
sich aus den Naturgesetzen ab und ist schließlich im 1. Hauptsatz der Thermodynamik
(auch Satz von der Erhaltung der Energie) formuliert:
1.
Hauptsatz: Energie kann weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur in andere
Energiearten umgewandelt werden. Aber: Thermische Energie ist nicht in
beliebigem Maße in andere Energiearten umwandelbar (2: Hauptsatz). Der
Wärmeinhalt eines Systems (Enthalpie) bestimmt also seine Energie.
Nehmen
wir nun einmal eine chemische Elementarreaktion an, bei der zwei Stoffe
miteinander reagieren sollen (und müssen!) wie dies etwas in einem Lehrbuch
der Chemie beschrieben ist, z. B. D + H2
→ H –
D + H, so kann man beobachten, egal um
welche Stoffe es sich hier handelt, dass diese immer den Reaktionsweg mit dem
geringsten Energieaufwand suchen. dass aber auch immer, etwa bei Zufuhr
größerer Energiemengen, ein ganz bestimmtes Reaktionsprodukt
entsteht und kein anderes. Dies gilt in jeder Art von Reaktion, auch etwa bei
der Bildung bestimmter Gesteine im Erdinneren.
Aber
was soll nun diese ganze Erörterung über Energie und chemische
Reaktionen? Was hat das mit der Entstehung und der heutigen Gestalt unserer
Erde zu tun?
Nun, es
ging zuletzt darum, dass auf der Erde das Vorhandensein von freiem Wasser
anzunehmen war. Also bestand die vielleicht noch nicht so kühle Erde wie
sie heute ist, aus Landmassen und Ozeanen. Sie hatte eine Atmosphäre aus
Gasen und Wasserdampf, die jedoch keineswegs der Zusammensetzung unserer Luft
entsprachen, wurde weiterhin, zeitlich unterschiedlich stark, durch
Meteoriteneinschläge bombardiert und war der Einstrahlung durch das
Sonnenlicht ausgesetzt.
Eigentlich
dauern diese Prozesse noch bis heute an und werden niemals zu einem Stillstand,
einem Endzustand kommen. Die oberflächliche Gestalt der Erde änderte
sich und ändert sich weiter, wie noch dargestellt wird. Aber gerade durch
die Fortdauer der zunächst rein physikalischen, dann chemischen Prozesse,
was letztlich auch wieder Physik ist, konnte die Erde ihr heutiges Aussehen
erlangen.
Sicher
war, aus heutiger Sicht, ein Prozess sehr bedeutend: Wie auf populären,
wahrscheinlich durchaus richtigen Darstellungen zu sehen ist, wurden kahle
Gesteinsmassen vom Wasser riesiger Ozeane umspült. Die unter der Erdkruste
flüssige und heiße Gesteinsmasse brach sich oft Bahn nach oben in
Vulkanen. Dies war sowohl unter dem Ozean als auch am Land möglich.
Zwischen den heißen Massen und Wasser konnten chemische Reaktionen
ablaufen, genügend Energie war ja vorhanden. Schwerere Elemente, wie
Kohlenstoff konnten sich mit Wasserstoff zu einem Gas, Methan, verbinden. Es
brodelte in Vulkanen, in der Atmosphäre, Dämpfe und Gase stiegen auf,
kühlten sich, je mehr sie aufstiegen, ab, da außen der Weltraum
schon sehr kalt war, und regneten wieder nieder zur Erde. Dies war ein
regelrechter Kreislauf. Ständig trafen die Sonnenstrahlen die
Atmosphäre und, natürlich diese durchdringend, die
Erdoberfläche. Nur eines gab es damals nicht: Organisches Leben in
irgendeiner Form. Und was war der bedeutende Prozess?
Dass da
irgendetwas passiert sein musste, bei so viel Masse und Energie, war klar, denn
sonst müsste der geschilderte Zustand, wie er vor rund 500 Millionen
Jahren bestand, so weitergehen, wie wenn nichts geschehen wäre. Dies
dachten sich vor mehr als 50 Jahren, 1953, in Chicago, die Herren Stanley
Miller und Harold Urey.
Wie entsteht Leben?
Miller
und Urey brauten in einem penibel
gereinigten Glaskolben aus Wasserstoff, Wasserdampf, Kohlenmonoxid, Wasser,
Methan und Ammoniak, eine „Ursuppe“ zusammen. Dies entsprach etwa
der Zusammensetzung einer Wasserpfütze auf der Eroberfläche vor 500
Millionen Jahren. Wie damals, ließen sie jetzt Energie in Form von
elektrischen Blitzen und Strahlung in Form einer Lampe mit ultraviolettem Licht
auf ihre Ursuppe einwirken. Damit auch, wie auf der Erde, Wärme von unten
kommt, die etwa Wasserdampf aufsteigen lässt, wurde der Glaskolben
gelegentlich erwärmt.
Als man
nach einigen Tagen das Experiment beendete und die Flüssigkeit im Kolben
analysierte, fand man Zucker, gebildet aus Kohlenstoff und Wasserstoff, und
einfache Aminosäuren, Glycin und Alanin, stickstoffhaltige Verbindungen,
gebildet aus den Stickstoffverbindungen Ammoniak und Methan, zusammen mit
Wasserstoff und Wasser.
Was ist
nun das Herausragende an diesem Experiment? Es ist der Nachweis, dass aus
anorganischem Material organisches entstehen kann. Ich will das sehr
vereinfachend für bisher nicht naturwissenschaftlich Interessierte
erklären: Anorganische Verbindungen wie Kochsalz ( NaCl), Salzsäure
(HCl), Ammoniak (NH3), Siliziumdioxid (SiO2), also praktisch Quarzsand, werden
als leblose, also anorganische, angesehen. Organische Verbindungen, wie die
genannten Aminosäuren, bezeichnet man als „Bausteine des
Lebens“. Dies ist insofern richtig, als es kein „Lebewesen“,
auch nicht das einfachste, primitivste, wie etwa Viren, gibt, das nicht aus
Millionen von Aminosäuren aufgebaut ist. Zwar sind es nur relativ wenige
einzelne Aminosäuren, die aber durch unterschiedliche Reihenfolge ihrer
Anordnung in Verbindungen, wieder unterschiedliche Moleküle bis
Molekülketten und Riesenmoleküle bilden können.
Sehr salopp
gesprochen könnte man aus dem Miller-Urey-Experiment ableiten, dass man
aus Steinen Brot machen kann. Man mag darüber lachen oder es
merkwürdig finden, aber obwohl man ja wusste, dass organische Verbindungen
synthetisierbar sind, hat man noch um 1950 im Physik- und Chemieunterricht der
Höheren Schulen gelehrt, dass nur lebende Wesen auch organische
Verbindungen erzeugen können. Dies, obwohl es Friedrich Wöhler bereits 1828
gelungen war, Harnstoff aus anorganischen Ausgangsstoffen zu synthetisieren.
Man hing also, in den Schulen, nicht an der Universität, immer noch der
früher verbreiteten Vorstellung an, dass organische Substanzen nur unter
Mitwirkung der so genannten „vis vitalis“
(Lebenskraft) hergestellt werden könnten und diese grundsätzlich nur
in Lebewesen zu finden sei. Übrigens lehrte man auch, dass der Raum
zwischen den Sternen, auch unser Interplanetarraum, mit
„Äther“ erfüllt sei.
Zurück
zu unserer Erde mit ihrer Uratmosphäre und der Sonneneinstrahlung.
Letztere ist sehr entscheidend. Wir haben ja gesehen, dass organische Substanz
auch unter Einwirkung von ultraviolettem Licht (uv-Licht) entstehen kann.
Ultraviolettes Licht, das ja für uns nicht sichtbar ist, wird von der
Sonne heute noch abgestrahlt, was uns sowohl Bräune wie auch Verbrennungen
und Hautkrebs bescheren kann. Nun hätte ja eigentlich das Leben, unter Bildung
immer größerer Aminosäureketten und –Verbindungen zu
Wasser und zu Land stets wachsen können. Aber, das Problem ist, dass
uv-Licht nicht nur synthetisierend sonder auch destruierend, wirken kann. Also
erst entstandene Aminosäuren werden unter der Einwirkung von uv-Licht
wieder zerlegt.
Größere
Verbindungen konnten auf dieser Urerde also nur dann stabil bestehen, wenn die
Einwirkung der ultravioletten Strahlung (uv-Strahlung) möglichst gering
gehalten oder ausgeschlossen wird. Dies war eigentlich nur im Wasser, in einer
Tiefe um einen Meter möglich, da das uv-Licht durch das Wasser
herausgefiltert war. Und so geschah es auch, dass sich im Wasser, vom
Präkambrium bis zum Kambrium, explosionsartig immer größere
Moleküle bildeten. Diese konnten sich aneinander lagern, zu sehr
komplizierten organischen Gebilden werden, die man schließlich als
primitivste Lebewesen bezeichnen kann. Denn, wie wir bereits wissen,
können physikalische und chemische Prozesse nur unter Einwirkung von
Energie ablaufen. So auch hier. Die Energie kam aus dem normalen Licht und
durch Moleküle, die dieses Licht in Energie zum Wachsen und für die
Vermehrung umwandelten. Die Photosynthese war entstanden.
Es gab
dabei ein „Abfallprodukt“, bei der Photosynthese, wichtig für
das weitere Leben auf der Erde: Sauerstoff (O2). Zwar gab es schon Sauerstoff, ein schweres Element,
gebunden in Gesteinen (Material des Sonnensystems, entstanden aus Gaswolken mit
bereits schweren Elementen aus Supernovaexplosionen) und als Bestandteil des
Wassermoleküls, aber nun konnte Sauerstoff mehr und mehr als freies Gas in
der Atmosphäre angereichert werden. Ein Teil des Sauerstoffs, jeweils 3
Atome reinen Sauerstoffs (O), konnte sich zu Ozon (O3)
zusammenfügen. Dieses Ozon in der Atmosphäre konnte wiederum, wie
schon Wasser, die uv-Strahlung aus dem Sonnenlicht herausfiltern.
Dass
diese Ozonschicht in der damaligen Atmosphäre, vor 500 Millionen Jahren,
und heute noch lebenserhaltend ist, wissen wir, seit die Auswirkungen des
„Ozonlochs“ bekannt sind, nämlich zunehmende Einstrahlung des
lebensfeindlichen uv-Lichts auf die Erde. Denn Ozon kann durch Substanzen, die
Fluormoleküle (Fluor ist ein Element aus der Halogenreihe, zu der noch
Chlor, Brom, Jod gehören) freisetzen, die so genannten
Fluorchlorkohlenwasserstoffe, wieder in reinen Sauerstoff O2 zerlegt werden. Dadurch geht aber auch die
uv-Strahlung absorbierende Leistung des Ozons verloren.
Zudem
war die Erde damals und ist sie heute noch weiterer Strahlung ausgesetzt.
Höhenstrahlung, Sonnenwinde und ultraharte Strahlung, die bei
höchsten Temperaturen aus der Sonne und aus dem Weltraum kommen,
könnten die Erde treffen und jedes noch so einfache Leben zerstören.
Auch dagegen gibt es einen Schutzschild – es gäbe uns sonst nicht
– das Magnetfeld um die Erde. Die Entstehung dieses Magnetfeldes aus
einem dynamoartigen Prozess im Erdinnern zu beschreiben, würde hier zu
weit führen. Die elektromagnetische Wechselwirkung wurde bereits
beschrieben. Zur Wirkung nur soviel: Durch das Magnetfeld um die Erde werden
elektrisch geladene, ionisierte Teilchen und Strahlen, die auf der Erde
auftreffen würden, weitgehend abgelenkt und erreichen uns nicht. In der
Nähe der Erdpole, wo die Magnetfeldlinien zusammenlaufen, können wir
manchmal sehen wie Strahlen und elektrisch geladene Teilchen in unsere
Atmosphäre eindringen und diese zum Leuchten bringen. Dies sind dann die
Polarlichter.
Nun,
warum ist das so wichtig, dass Strahlung, welcher Art auch immer, von der Erde
abgehalten werden soll? Ist nicht die Sonne, mit ihren Strahlen unser lebenserhaltender
Energielieferant, letztlich unser Mutterstern? Gewiss, dies ist richtig. Eine
Erde, die nicht als Trabant der Sonne in einem ganz bestimmten (habitablen,
Leben ermöglichenden) Abstand entstanden wäre, wäre ein Planet
ohne Leben. Aber neben dem sichtbaren Licht und der bereits wieder unsichtbaren
ultra- oder infraroten Wärmestrahlung gibt es eben die schon beschriebene
harte Strahlung und die uv-Strahlung im Spektrum des Sonnenlichts. Und gerade
vor etwa 500 Millionen Jahren war die Strahlung, die die Erde traf, noch so
stark, dass Leben nur in einem bestimmten Bereich des Wassers möglich war
Aber
was war das für ein Leben? Was ist Leben überhaupt? Zunächst
einmal welches Leben? Wir kennen aus dem Miller-Urey-Experiment, dass unter
bestimmten Bedingungen im Wasser organische Moleküle entstehen
können. Im Experiment dauerte dies, einschließlich der Analysen,
einige Tage. Wenn wir davon reden, was nur in einer Wassertiefe von etwa einem
Meter, als Schutz vor zu viel uv-Strahlung an Synthese und wieder
Zerstörung möglich war, reden wir von einem Zeitraum etlicher
Millionen von Jahren. Da konnten sich eher Riesenmoleküle bilden, die
nicht gleich wieder zerfielen. Vor allem konnten sehr unterschiedliche
Moleküle mit wechselnden Aminosäuresequenzen entstehen, die bestimmte
Eigenschaften hatten, etwa die, die Verbindung bestimmter Molekülteile mit
denen anderer Moleküle zu fördern. Das heißt, Enzyme, selbst
wieder große Moleküle, förderten den Aufbau großer organischer
Verbindungen, allerdings ohne dass man bereits von Leben sprechen kann.
Mit
Sicherheit waren zudem nicht nur die im Miller-Urey-Experiment entstandenen
neuen Moleküle die einzig möglichen. Auch ist die Polymerisation, die
Aneinanderreihung von Molekülen mit Hilfe von Enzymen, nicht die einzig
mögliche Art große Moleküle zu bilden. Diskutiert werden auch
anorganische Substanzen, etwa Tonerden, die Verbindungen fördern, also als
Katalysatoren fungieren. Wir müssen uns aber vor Augen halten, obwohl
diese Molekülentstehung den Anschein der Zufälligkeit hat, dass stets
die Ausgangsbedingungen einer Reaktion entscheidend für das Endprodukt
sind. Also, es entsteht wie in der anorganischen Chemie, unter bestimmten
Bedingungen, aus den Substanzen A + B stets die gleiche Substanz C und bei der
Verbindung zweier Atomkerne ist die Besetzung der Elektronenschale im dann
entstandenen Element immer die selbe, wie nach den Naturgesetzen vorgegeben.
Wenn
ich jetzt das Zustandekommen und den Aufbau lebender Wesen auch nur
annähernd darzustellen unternehmen wollte, müsste ich mir viele Jahre
Zeit dazu nehmen, das Werk, Buch oder Artikel, würde riesig und kein
Mensch könnte dieses ohne gleichzeitiges Studium verstehen. An dem Problem
– oder besser gesagt an der Darstellung oder Entschlüsselung, weil
es gar kein Problem ist, denn Probleme muss man lösen oder beseitigen
– arbeiten an vielen Universitäten der Welt, an
Forschungseinrichtungen von Staaten oder Industrien, Wissenschaftler mit
höchster Qualifikation. Nanotechnologiephysiker, Chemiker, Biologen,
Gentechniker und andere bearbeiten ein oft scheinbar kleines Gebiet, das doch
riesig in Bezug auf unterschiedliche Verfahrenstechniken, Auswertungs- und
Darstellungsmöglichkeiten (der ganze Laboraufwand mit Computersimulation
und -Auswertung etc.) ist. Letztlich geht es um die Entschlüsselung des
Genoms.
Ich
will, trotz der geschilderten Unmöglichkeit meines Unterfangens,
skizzenhaft und von mehreren Seiten beleuchtet, zu unserem, wenn auch
oberflächlichen Verständnis, einiges ausführen. Das Pferd von
hinten aufgezäumt: Was ist ein Genom, was ist das menschliche Genom? Nun,
es ist die gespeicherte Erbinformation in einer Zelle. Aber, wie sieht das aus?
Gehen wir zurück zum Miller-Urey-Experiment: Wir wissen: Es wurden
anorganische Substanzen unter bestimmten Bedingungen mit uv-Licht bestrahlt.
Bei der Analyse der bestrahlten Substanzen, fand man Aminosäuren,
organische Substanz. Solche Substanzen haben eine Eigenschaft, die
Affinität, sich miteinander zu verbinden. Dies, schlicht und einfach, weil
unter den jeweiligen Bedingungen (Temperatur, Druck) bestimmte
Molekülteile (OH- Gruppen usw.) miteinander reagieren müssen. Auf
diese Weise können verschiedene Aminosäuren entstehen.
Nun
gibt es vier Aminosäuren, die so genannten Kernbasen Adenin, Cytosin,
Guanin und Thymin. Werden diesen Aminosäuren, wie es irgendwann, in der
„Ursuppe“, im Weltraum oder wo auch immer geschieht, ein bestimmter
Zucker hinzugefügt, verbinden sie sich zu Desoxy-Adenin-Monophosphat,
Desoxy-Cytosin-Monophosphat usw. und dies sind eben die Nuklein- oder Kernbasen
(Nucleus ist der Kern auf Lateinisch). Sie können sich aneinander reihen
und einen Strang bilden. Und wenn sich schließlich zwei solche
Stränge aneinander legen, wobei sich die Adenin- mit der Thymin- und die
Guanin- mit der Cytosinverbindung. gegenüberliegen müssen, entsteht
ein Riesenmolekül, die Desoxyribonucleinsäure
DNS oder weil die Wissenschaftssprache heute Amerikanisch ist, die DNA (A
für Acid = Säure). Sie, besteht, zum Beispiel beim Menschen, aber
auch bei Säuge- und anderen Tieren, aus etwa drei Milliarden Basenpaaren
(wie schon genannt Adenin-Thymin, Guanin-Cytosin). Und alles ist in einer
einzigen Zelle untergebracht! Den “Trick“, dass dies in einer Zelle
möglich ist, haben die amerikanischen Forsche Watson und Crick entdeckt, indem
sie eine spindel- oder schneckenartige Struktur nachweisen konnten. Schon bei
noch „niedrigen“ Mehrzellern ist bereits in der Zelle die DNA zudem
auf die so genannten Chromosomen verteilt.
Sicher
ist Vielen der Begriff DNA von den DNA-Analysen bekannt, die aus Speichelproben
oder anderem Material (Haaren, Blut, Fleischfetzen an Knochen usw.) bei der
Aufklärung von Vaterschaften oder Verbrechen (beides ist nicht dasselbe)
gemacht werden.
Diese
Anwendung bzw. Untersuchung zeigt uns nämlich die Bedeutung, die diese DNA
hat. Denn man hat herausgefunden (in sehr vielen Forscherjahren, wie bei all
diesen Untersuchungen), dass zwar immer die vier Kernbasen wie genannt,
miteinander reagieren, dass aber die Anordnung wie die Basenpaare in der langen
DNA-Kette aufeinander folgen, die Sequenz, unterschiedlich ist. Diese Sequenz
ändert sich jedoch innerhalb der Zelle eines Individuums nicht, ist also
individuell, aber von Individuum zu Individuum verschieden. Wenn man also
vergleicht: Ist die DNA eines bestimmten Abschnitts aus dem ganzen Molekül
in ihrer Sequenz identisch, zwischen der von Spermaspuren an der Frau und der
der Speichelprobe eines Beschuldigten, so ist dieser mit hoher
Wahrscheinlichkeit der Täter. Im andern Fall oder besser den anderen
Fällen, weil oft Hunderte und mehr zu einer Speichelprobe müssen,
sind diese auszuschließen, denn keiner wird die gleiche Gensequenz
aufweisen wie die des genannten Täters.
Ich
habe dieses Beispiel angeführt, um zu zeigen, dass aus scheinbar zweckfreier
Grundlagenforschung, was es letztlich gar nicht gibt, auch praktische,
allgemein bedeutende Anwendungen resultieren können. Aber gewiss ist diese
Anwendung nicht die eigentliche Bedeutung der DNA Analyse. Wir wissen, dass die
DNA spindelförmig angeordnet in der Zelle bzw. in den Chromosomen in der
Zelle angeordnet ist. Immerhin geht es um Milliarden bzw. viele Millionen von
Basenpaaren. Bei der Zellteilung geschieht nun folgendes: Die Spindel wird
sozusagen „aufgewickelt“ und getrennt. Das Enzym Gyrase macht das.
(Man denke an den Gyros, den Fleischspieß). Ist die Zelle geteilt, ist in
jeder Zelle nur die halbe DNA, auch nur die Hälfte an Chromosomen. In der
normalen Zelle – irgendeiner – wird aber dann der Chromosomensatz
wieder verdoppelt und damit auch die DNA. Die neue Zelle ist identisch mit der
aus der sie hervorgegangen ist.
Handelt
es sich aber um eine Eizelle, so verdoppelt sie nicht wieder automatisch ihren
Chromosomensatz, wenn sie sich geteilt hat. Kommt nun eine Samenzelle, die
ebenfalls nur einen halben Chromosomensatz hat, hinzu, was wir Befruchtung
nennen, so verschmelzen beide und haben sowohl wieder einen vollständigen
Chromosomensatz als auch eine vollständige, aus zwei halben Spindeln
zusammengesetzte DNA.
Nun
wird man vielleicht fragen: Wozu ist das alles gut? Eine DNA aus Milliarden
Basenpaaren, wozu? Nun, die Sequenz der Basen in der Eizelle bestimmt wieder
die Eigenschaft die die Zellen im Laufe des Wachstums annehmen müssen. Sie
tragen also eine Information. Auch wenn die ersten Zellen nach den Teilungen
aus der ersten, befruchteten Zelle, sozusagen omnipotent sind, also alles
werden können, ist schon festgelegt welches Gewebe, welches Organ, im
Laufe des Wachstums aus den sich immer wieder teilenden Zellen entsteht.
Man kann
also sagen, dass die DNA der Bauplan eines Individuums ist. Sie gibt damit
sozusagen weiter Befehle, über die so genannte Ribonucleinsäure, RNA,
welche Eiweiße und Zellprodukte noch in der Zelle produziert werden
müssen. So besteht eine Information nicht nur darin, dass bestimmte Zellen
eine Bauspeicheldrüse bilden müssen, sondern auch, welches
Verdauungsenzym diese Drüse bilden muss. Nicht nur, dass im Organismus
zwei Augen entstehen, sondern auch durch sie Lichtsignale aufgenommen, über
Nerven an die Hirnrinde geleitet und von dort weiter, ist in dem Bauplan
festgelegt und wird so ausgeführt.
Auch
wenn das bisher Gesagte sehr viel Nach- und Mitdenken erfordert, vielleicht
manchmal ermüdend ist und scheinbar wenig mit unserer Herkunft, dem
Urknall und physikalischen Gesetzen zu tun hat, muss ich, da sich noch zeigen
wird wie bedeutend es ist, einiges anfügen: Es wird nicht nur der
körperliche Bauplan des Individuums mit der DNA übertragen, sondern
auch seine Eigenschaften, was man zusammen auch den Phänotyp, seine
äußerliche Erscheinung, nennt. Das heißt – nehmen wir
ruhig den Menschen – nicht nur der körperliche Bau mit
funktionierenden Organen, wie Nieren, Leber, Herz usw. und das ganz spezielle
Aussehen (die Nase vom Großvater, die roten Haare von der Mutter) sondern
auch besondere Funktionen und Verhaltungsweisen, also Charakter, Begabungen
(Musik, Mathematik etc.), spätere Krankheiten, die Art des Gähnens
bei Müdigkeit somit Eigenschaften, von denen man im allgemeinen nicht
vermutet, dass sie „genetisch“ bedingt sind.
Dies
führt uns zu dem Begriff des Gens. Wir haben eigentlich schon die ganze
Zeit darüber gesprochen, nämlich indem wir von der Sequenz der
Aminosäuren in der DNA und ihrer Verteilung auf die Chromosomen gesprochen
haben. Die Gene stellen also einen bestimmten Abschnitt von
Aminosäuresequenzen auf einem Chromosom dar. Am einleuchtendsten ist das,
wenn man bedenkt, dass nur das Y Chromosom bei der Befruchtung einer Eizelle
(beim Menschen etwa) entscheidend dafür ist, ob ein männliches oder
ein weibliches Individuum entsteht. Bei der Reifeteilung der (männlichen)
Spermien entstehen 50 Prozent Spermien mit nur dem Y-Chromsom aber auch 50
Prozent mit dem X-Chromosom, weil die ursprüngliche Samenzelle ein X- und
ein Y-Chromosom enthielt. Nachdem die weibliche Zelle nur zwei X-Chromosomen
hat, bei der Reifeteilung, mit der Hälfte des Chromosomensatzes also stets
ein X-Chromosom in der Eizelle vorliegt, ist es wahrscheinlich nur vom Zufall
abhängig, ob das sie befruchtende Spermium das Y-Chromosom enthält
oder nicht. Nur mit Y gibt es ein männliches Individuum, weil nur XY
männlich bedeutet.
Dass
nun in der Zelle, einzelne Gene „springen“ können, Abschnitte
auf den Genen, so genannte Allele an- oder abgeschaltet, der Locus, also der
Ort auf dem Gen, der eine Eigenschaft bedingt, zugänglich ist oder nicht,
was unter dem Begriff Epigenetik behandelt wird, das darzustellen würde
hier zu speziell und zu aufwendig sein. Wichtig ist jedoch für
spätere Betrachtungen, dass und auf welche Weise Eigenschaften
weitergegeben werden können, auch, dass z. B. eineiige Zwillinge zwar die
größtmögliche, jedoch keine absolute Identität haben.
Man
folgert daraus, – und das gilt für alle Abschnitte der
Aminosäuresequenz-, dass Veränderungen der Reihenfolge, wie ja bekannt,
und oft geringste Änderungen an den Genen, zu unterschiedlichen
Eigenschaften von Individuen führen können.
Ich
will und muss nun, scheinbar abrupt, zu den eher physikalischen Zuständen
auf der Erde zurückkehren. Es ging zuletzt darum, dass die ultraviolette
Strahlung fast lebensfeindlich auf die Erde einwirkt. Aminosäuren
können daher nur im Wasser beständig bleiben, und durch die
Fotosynthese konnte gasförmiger, freier Sauerstoff entstehen. Doch
zunächst wieder einmal, sehr, sehr vereinfacht dargestellt: Welche Wesen
waren oder lebten da im Wasser, was ist die Fotosynthese und wie geht es
weiter?
Wir
wissen bereits, dass DNA- und RNA-Moleküle im Wasser waren. Ob nun durch
eher zufällige Veränderungen in der DNA veranlasst über die RNA
bestimmte Nukleinsäuren und Zucker, eben organische Substanzen, sich zu
Membranen umformten (man kann dies heute auch in der Chemieindustrie machen)
oder ob der Vorgang etwas anders verlief, ist nicht entscheidend. Jedenfalls
entstanden Gebilde mit einer sie umgebenden, abgrenzenden und schützenden
Membran. Es entstanden Zellen. Dass diese Vorgänge auch in Jahrmillionen
abliefen, daran sei nur nebenbei erinnert.
Die
Zellen also, die entstanden waren, von einer Membran umgeben, hatten ja einen
Inhalt. Dieser bestand aus DNA, RNA, Polymerasen, so genannten Ribosomen und
anderen Eiweißmolekülen. Diese Substanzen schwammen sozusagen in der
Zelle und bildeten das Zytoplasma. Natürlich war die DNA nicht identisch
mit der höherer Lebewesen oder gar des Menschen – was es ja noch
nicht gab - aber sie erfüllte letztlich die gleichen Aufgaben. So konnte
in den Zellen, mit Hilfe der in ihnen synthetisierten Substanz Chlorophyll (es
gibt davon mehrere unterschiedliche) unter Einwirkung des normalen Sonnenlichts
aus Wasser und Kohlensäure (CO2) Zucker (Glucose) und
Sauerstoff synthetisiert werden. Letzterer, Sauerstoff, wurde in die Umgebung
abgegeben, Eine sauerstoffhaltige Atmosphäre konnte entstehen. Der
gebildete Zucker diente wieder der Energieversorgung der Zelle und der Vermehrung,
die durch einfache Zellteilung erfolgt. Es gab damals schon mehrere Arten
dieser algenartigen Zellen, die unterschiedliche Stoffwechselleistungen, etwa
durch eine Art Atmung oder durch Gärung zustande brachten.
Schließlich
gelang es infolge Veränderungen der DNA, sei es durch uv-Licht-einwirkung
oder durch zufällige Veränderungen an den schon bestehenden Genen,
die Zellen im Innern zu organisieren. Es entstand ein Kern, mit einer doppelten
Membran vom übrigen Zellinhalt abgetrennt, in dem die DNA aufgewickelt
war, auf Chromosomen verteilt. Weitere „Organellen“, die also
organartige Funktionen erfüllten, wie Energiestoffwechsel in den so
genannten Mitochondrien, Eiweißsynthese in Lysosomen usw. entstanden, so
dass Zellen, die unseren heutigen Pflanzen- und Tierzellen entsprechen,
gebildet wurden. Dass diese Vorgänge auch in Jahrmillionen abliefen, daran
sei nochmals erinnert.
Aber
wozu diese Erinnerung an die „Jahrmillionen“? Wir werde es
verstehen, wenn wir bei den Katzen ohne Schwanz auf der Insel Man in der
Irischen See sind. Eigenartig.
Nun,
ich mache wieder eine Zeit- und Ereignisraffung. Als sich nämlich in einem
Urozean, unter einer Uratmosphäre, die ersten Zellen gebildet hatten,
schlossen sie sich zu Zellverbänden, zu Organen mit bestimmten Aufgaben in
einem noch größeren Zellverband zusammen und konnten so
überleben. Warum überleben? Nun, die Uralgen zum Beispiel, wären
in einer Atmosphäre mit Sauerstoff, so wie sie dies heute noch tun,
gestorben. Sie hatten den Sauerstoff zwar gebildet, aber in die
Atmosphäre, in der sie ja nicht lebten, abgegeben. Es gab aber bereits
Zellen oder Zellverbände, die brauchten Sauerstoff zum Überleben.
Also könnte man sehr schlicht sagen, sie krochen aus dem sauerstoffarmen
(nicht völlig sauerstofffreien) Wasser ans sauerstoffreiche Land. Dort
bildeten sie Pflanzen, die durch ihre Photosynthese (Pflanzen sind grün
weil sie Chlorophyll enthalten) die Atmosphäre weiter mit Sauerstoff
anreicherten und die Tiere. Letztere brauchten den Sauerstoff (Oxygen) um aus
den Pflanzen, die sie fraßen, durch Verbrennung (Oxygenierung) wieder
Energie, Wärme, zu gewinnen.
Aber,
betrachten wir einmal sehr „niedrige“ Wesen, Bakterien, Einzeller,
ob sie nun einen Zellkern haben oder nicht, stets haben sie in ihrem Innern die
DNA, Proteasen, Eiweiße, die bestimmte Funktionen erfüllen. Und
über die DNA erhalten diese Zellen quasi den Befehl, sich zu vermehren.
Eine erst doppelstrangige DNA spaltet sich auf, die äußere
Zellmembran, die Hülle, schnürt sich ein, die Verbindung zwischen den
Zellhälften wird getrennt und es sind zwei neue (identische) Zellen
entstanden, mit denen das Gleiche wieder passiert.
Nun
gut, das ist die normale Zellteilung, wie wir wissen. Aber wissen wir in
welcher Zeit diese abläuft? Etwa so schnell wie ich es zu schreiben
vermag! Das heißt, grob, im Minutentakt entstehen aus einer Zelle zwei,
aus diesen vier, aus diesen acht usw. In einer Stunde sind wir bei Milliarden
Zellen. Und wenn wir Tage, Jahre, Jahrhundert, Jahrtausende rechnen und gar
viele Millionen? Nun gut. Das Universum würde aus Algen bestehen, wenn das
nur mathematisch so weiter ginge.
Doch
hier, spätestens, müssen Begriffe angesprochen werden wie Tod,
Zelltod und Sterben, auf die später noch intensiv eingegangen wird. Nur,
damit nicht ein Universum aus Algen, was hier wirklich nur als Metapher zu
verstehen ist, entsteht, gibt es den Tod. Auch dieser ist in der DNA der Zelle
festgelegt. Gemeint ist damit die Apoptose, die von der DNA einer Zelle
ausgeht, in der dies vorprogrammiert ist und die den Selbsttod, oder nennen wir
es Selbstmord, gerade dieser Zelle auslöst. Die DNA bewirkt dabei das
Freisetzen von Enzymen, Eiweißen, die zu einer Auflösung der Zelle,
einschließlich ihrer Wand, führen. Die Zelle existiert dann nicht
mehr. Ihre DNA kann ebenfalls aufgespaltet und die Bruchstücke von anderen
Zellen als Nahrung aufgenommen werden.
Auch
innerhalb höher organisierter Wesen oder Organismen gibt es die Apoptose
einzelner Zellen, die krank, durch Zellgifte oder Virusbefall oder nur das
Alter reif dafür sind. Durch den Austritt von Zellinhalt durch die Wand
der zu Grunde gehenden Zelle, werden über, ebenfalls von dieser Zelle
produzierte, Botenstoffe an andere Zellen, Makrophagen, geschickt, die die
Zellteile „abräumen“, auffressen. Auch dass im Herbst die
Blätter gesunder Bäume welken, absterben und fallen, ist eine Form
der Apoptose.
Natürlich
kann ein Zelltod auch von außen durch mechanische Einwirkung, etwa
Gewebszerfetzung bei einem Unfall, Verbrennung, Unterbindung der Sauerstoff und
Nahrungszufuhr, zustande kommen. Hier spricht man von einer Nekrose der Zelle,
was aber auch nichts andres als ihren Tod bezeichnet. Und schließlich
bedeutet auch das „Gefressenwerden“ völlig gesunden Gewebes,
gesunder Zellen, den Tod durch enzymatische Auflösung.
Doch
kehren wir vom Sterben zur Vermehrung und der Rolle der DNA dabei zurück.
Zellen vermehren sich nicht nur durch einfache Teilung, bei der auch DNA,
Organellen zum Fressen und der Zellkern geteilt werden, was ungeschlechtlich
ist. Schon von der Vermehrung von Einzellern, z. B. Wimpertierchen,
Pantoffeltieren, weiß man aber, dass, wenn sich zwei solcher Zellen
aneinander lagern, es zum Austausch von DNA Bruchstücken, also zum
Austausch von Erbgut, von Eigenschaften in jeder Hinsicht, kommt. Das bedeutet
bereits eine geschlechtliche Vermehrung. Es entstehen dann eben nicht mehr zu
ihren Vorläufern identische Zellen.
Nun,
könnte es sein, dass die neu entstandenen Zellen oder Wesen – denn
es ist ja auch möglich, dass bei mehrzelligen Organismen Veränderungen
an der DNA eintraten – andere Eigenschaften haben? Aber wozu? Vielleicht,
dass einfach eine neue Art neben den bisherigen entsteht. Aber es könnte
auch sein, dass es eine andere Folge, nicht einen anderen Grund hat. Denken wir
zurück an die Uratmosphäre unserer Erde. Sie bestand zunächst
nur aus Wasserstoff, Helium und Methan, dann kamen Kohlendioxyd, Stickstoff,
schließlich langsam Sauerstoff hinzu. Aber das dauerte Milliarden Jahre.
Das heißt, hier ist etwas sozusagen parallel gelaufen: Die Veränderung
der Atmosphäre, der Bedingungen (ich will bewusst nicht sagen
Lebensbedingungen) unter denen sich Zellwachstum und schließlich
differenziertes Leben, bilden konnte, änderte sich im gleichen Zeitraum.
Wir nennen das die Evolution.
Hieße
das also, wie schon einmal gesagt, dass Zellen, dass das Leben, aus dem Wasser
an Land gekrochen wären? Vielleicht, weil es im Wasser keine
Überlebenschance mehr gab? Wäre es so, dass zuerst an Land Flechten
und Moose gewachsen wären, aus Algen Schnecken wurden, die aus dem Wasser
kamen und hätten diese abgeweidet, weil die Schnecken nicht ohne sie und
auch ohne Algen, nicht denkbar gewesen wären, dann könnte man sagen:
Keine Alge, keine Schnecke. Gibt es Schnecken, die etwas anderes fressen?
Freilich, wir brauchen heute nur in unseren Garten zu gehen. Hat die Giraffe
einen so langen Hals, damit sie die Blätter auf den Bäumen, hoch
oben, abweiden kann? Wachsen seitdem die Bäume, um ihre Blätter
„zu retten“, noch höher? Nun, das alles ist Unsinn. Es ist
auch Unsinn, wenn man annimmt, dass etwa auf einer Insel mit bestimmten
flügellosen Insekten, die früher dort mit Flügeln lebenden,
wegen der starken Winde allmählich ihre Flügel verloren hätten,
bis es nur noch flügellose Nachkommen gegeben hätte. Das ist
missverstandener Darwinismus, auch wenn Darwin in der „Entstehung der
Arten“ manches so gesehen hat. Nicht die Umwelt hat eine
„natürliche Auslese“ bewirkt, sondern, es hat sich gezeigt,
dass die eine oder andere genetische Variante ein Überleben unter
bestimmten, ebenfalls im Laufe von Jahrmillionen veränderten Bedingungen,
erst möglich macht.
Ich
muss hier – sicher nicht zum letzten Mal – wieder eine
Erklärung dazwischen schieben. Wir wissen ja, - und es ist nahezu
Allgemeinwissen -, dass Eigenschaften vererbt werden. So auch die Eigenschaft
von fehlenden Flügeln bestimmter Ameisen auf irgendwelchen Inseln. Nun hat
da ein katholischer Geistlicher, ein gewisser Gregor Mendel, im Klostergarten
einen Versuch gemacht, der mehr als berühmt wurde. Mendel hat seine 1865
veröffentlichte Beobachtung an
Bohnen und Erbsen gemacht. Einfach gesprochen war es so: Mendel hat die
Stempel rot blühender Erbsen mit dem Blütenstaub weiß
blühender bestäubt. Er hat dann die Samen der bestäubten Erbsen,
also wieder Erbsen, gesammelt und wieder ausgesät. Doch da gab es
plötzlich Blüten an den Erbsensträuchern von rosa Farbe,
Mischlinge sozusagen. Von diesen hat er die Samen (Erbsen) wieder
ausgesät, die Blüten untereinander bestäubt, die Samen
gesammelt, und wieder ausgesät. Da entstanden zur Hälfte (zwei
Viertel) rosa blühende, ein Viertel rot- und ein Viertel weiß-
blühende Erbsen. Nun, die „Mendelschen Regeln“ der Vererbung
waren entdeckt. Ist doch ganz einfach. Oder doch nicht?
Nun
Mendel hat eigentlich Glück gehabt, so bewundernswert sein Vorgehen und
die Überlegungen bei seinem Versuch auch waren. Denn, nehmen wir anstelle
der weißen Erbse, wäre als Mutter ein „reinrassiger“
Riesenschnauzer gewesen, anstelle der roten als Vater, ein
„reinrassiger“ Rottweiler, dann hätten die
„Kinder“ sicher ganz anders ausgesehen, eben eine Mischung aus
beiden. Und hätte man, ungeachtet einer Inzucht, ein Begriff der den
Hunden wahrscheinlich unbekannt ist, diese Kinder wieder gekreuzt, sich
untereinander vermehren lassen, so wären keineswegs wieder (zwei Viertel)
Mischlinge (wie die Eltern) und (ein Viertel) „reinrassige“
Riesenschnauzer (wie die Großmutter) und (ein Viertel) Rottweiler (wie
der Großvater), sondern nur irgendwelche Mischlinge insgesamt
herausgekommen. Aber warum klappt das bei den Blumen und nicht bei Hunden?
Übrigens, bei der Untersuchung an der Japanischen Wunderblume hat man
herausgefunden, dass es nur ein Allel (ein Ausdrucksmerkmal, eine Eigenschaft,
die auf einem Gen sitzt) für rot und eines für weiß gibt. Und
hier funktioniert das mit rot und rot gibt rot, weiß und weiß gibt
weiß und rot und weiß gibt rosa.
Ich
will einmal vorsichtshalber anführen, dass, wenn ich den Begriff Rasse
verwende, etwa bei den Hunden, reinrassig, es nicht um die von den
Nationalsozialisten und ihren Vordenkern verwendeten, ausgrenzenden und
wertenden Begriffe geht. Man kann gewöhnlich „Rassen“ gar
nicht genetisch definieren, noch gibt es bessere, überlegene, unterlegene
oder gar minderwertige Rassen. Das sei nur deshalb gesagt, weil der Rassenwahn
in weit mehr als der Hälfte unserer Bevölkerung zum fundierten Wissen
gehört. Es ist nicht so? „Wir sind keine Rassisten, wo wir doch
wissen, dass sogar Neger und Chinesen klassische Musik spielen
können“! Oder sind wir es gerade deshalb?
Wir
müssen da wieder zur DNA zurückkehren. Wir wissen, dass bei der
geschlechtlichen Vermehrung zwischen Ei- und Samenzelle, Chromosomen,
Chromosomenbruchstücke und damit DNA, wieder zu einer
„kompletten“, befruchteten Eizelle zusammengefügt werden. Etwas
grob gesprochen werden Gene und die durch sie bestimmten Eigenschaften
übertragen. Jedoch ist eine Eigenschaft selten nur von einem Gen
abhängig. Schon weil – wir sind noch bei den Hunden - Vater und
Mutter jeweils einen „Bauplan“, also ein Gen (meist sogar mehrere)
für die charakteristische Schnauze mitbringen. Auf diese Weise kann ein
Welpe die Schnauze von der Mutter, die Haarfarbe, die Farbe des Fells vom Vater
haben.
Wir
wollen die Vererbung, die auch beim Menschen nach den gleichen Regeln
abläuft, nicht vertiefen, von dominanten und rezessiven Eigenschaften, die
bei Erbkrankheiten von Bedeutung sind, reden. Wir wissen, dass solche
Eigenschaften vererbt werden können. Übertrieben gesprochen, kann ein
Kind die Nase sowohl vom Vater als auch der Mutter haben. Sagen wir, es kann sogar
eine relativ „normale“ haben, wenn der Vater eine Haken-, die
Mutter eine Stupsnase hatte. Nagelt mich jetzt nicht auf Nase und Gen fest; es
war ein Beispiel. Also, trotz der Mendelschen Regeln, ist es höchst
unwahrscheinlich, dass aus einer Ehe zwischen zwei farbigen Menschen
afrikanischer Herkunft, die wieder aus Mischehen mit Weißen stammen, rein
weiße, kaukasisch (europäisch) aussehende und tiefdunkle (negroide),
sowie noch etliche „Mischlingskinder“ hervorgehen.
Aber,
es ist ganz unwahrscheinlich, dass ein Kind mit einer flachgedrückten Nase
geboren wird, nur weil sein Vater Boxer, mit einer eingedroschenen Nase ist.
Und – dieses Beispiel habe ich gelesen – man kann 500 Generationen
von Katzen oder Ratten, unmittelbar nach der Geburt den Schwanz abschneiden, es
werden auch nach der 500. Generation keine Katzen oder Ratten ohne Schwanz
geboren werden. Gewiss, es kann Veränderungen an der DNA, am Erbgut geben,
wenn etwa Strahlen die Ei- oder Samenzellen treffen und dann können
veränderte Individuen geboren werden. Aber darüber muss man extra
sprechen.
Und
warum die Katzen auf der Insel Man keinen Schwanz haben – ich habe noch
keine von ihnen gesehen – kann ich jetzt auch nicht erklären. Sicher
nicht weil alle, die einen Schwanz hatten,
so lange in die Irische See geweht wurden, bis nur noch schwanzlose übrig
blieben. Es soll nämlich noch Inseln in rauer See geben, auf denen
durchaus Katzen mit Schwänzen leben.
Macht
man nun eine kleine Zwischenbilanz nach all den Ausführungen über
Gene Vererbung und Evolution, so lässt sich sagen, dass sich auf unserer
Erde das Leben von den einfachsten Formen, die nur im Wasser überleben
konnten, zu einer ungeheueren Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren bis heute
entwickeln konnte. Das eben bezeichnen wir als Evolution. Und dies alles fand
in einem Zeitraum ab dem Ende des so genannten Proterozoikums vor knapp einer
Milliarde bis 500 Millionen von Jahren, bis heute statt.
In
dieser für uns schier unermesslichen Zeit hat sich auch, wie wir wissen,
die Erde selbst gewandelt. Riesige Landmassen und Urozeane drifteten auf dem
Magma der Erdrinde auseinander. Kontinente bildeten sich, verschmolzen erneut
und trennten sich wieder. Meere entstanden und verschwanden, hinterließen
Sedimentschichten auf ihren Böden. Übereinanderschiebungen von
Kontinentalschollen führten zu Falten in der Erdkruste, die die Gebirge
der Erdoberfläche wurden. Durch Erosion wurden sie wieder abgetragen; und
sie entstanden neu.
Klimazonen
mit ihrer typischen Flora und Fauna, mit Kälte an den Polen, kamen durch
die Stellung der Erdachse zur Sonne zustande. Warm- und Eiszeiten wechselten,
soviel wir wissen in der jüngeren Erdgeschichte, einander ab. All diese
Vorgänge sind noch heute im Gange, auch wenn wir sie kaum bemerken. Und das
Leben muss unter diesen Bedingungen weiter bestehen.
Aber
die stets sich ändernden Bedingungen – gebrauchen wir einmal den
modernen Begriff Umwelt – formten, veränderten das Leben nicht,
passten es sich nicht an. Auch hatte umgekehrt das Leben keinerlei Einfluss auf
sie, wie wir heute, bei dem Gedanken an Ozonloch und Treibhausgase annehmen
müssen.
Ein
Überleben, im wahren Sinn des Wortes, eine weitere Entwicklung des Lebens,
eben die Evolution, war nur möglich dadurch, dass es in der DNA, in den
Genen ständig zu Mutationen, spontanen Veränderungen kam. Die
Einwirkung von Strahlen auf das genetische Material, soll hier bewusst
ausgeklammert werden. Die spontanen Mutationen betrafen aber nie das gesamte
Genmaterial, sondern allenfalls einzelne Gene oder Gensequenzen. Das Gros der
Gene wurde sicher unverändert weitergegeben, also vererbt. Aber die
scheinbar nur wenigen Mutationen, konnten durchaus zu sichtbaren
Veränderungen in der Erscheinungsform führen. Wenn letztere zu einem
Überlebensvorteil führte, garantierte sie eben ein Fortbestehen der
Art unter den gegenüber früher geänderten Bedingungen.
Ich
will ein fiktives, wahrscheinlich unwirkliches Beispiel anführen: Wenn
durch eine Mutation ein Löwe mit einem größeren Maul entstanden
wäre, er und seine Nachkommen mehr Beute machen konnten, die
„Kleinmäuler“, allerdings im Laufe von Hunderttausenden von
Jahren dann hungern, weniger Nachkommen ernähren konnten und
schließlich ausstarben – wäre durch die Evolution eine neue
Unterart entstanden. Löwen sind die „neuen“ Tiere immer noch.
Man würde dann sagen: Früher, in der Urzeit, gab es auch Löwen
mit kleinerem Maul.
Aber
wieso gibt es Millionen Arten und Unterarten von ausgestorbenen und heute noch
lebenden Pflanzen und Tieren? Alles nur dadurch, dass eine DNA sich immer ein
klein wenig veränderte, von der in der Blaualge bis zu der im heutigen
Genie? Und mag dies im Prinzip zutreffen, so ist es doch nicht so einfach, so
grad mal hin zu erklären. Jedoch, wenn ich im Folgenden, für mich
sehr mühsam, Erklärungen zusammenfügen muss, so ist doch eines
sicher, dass keine Fiktion, keine passende Annahme, kein Axiom, „dass
wenn, dann“, Grundlage der Erörterung ist. Es sind auch nicht meine
Erkenntnisse mit denen ich die Welt überraschen will, sondern, es sind die
Ergebnisse, die in vielen Forscherleben auch mühsam erarbeitet wurden. Sie
sind alle - und das ist zu betonen
-, reproduzierbar, nachprüfbar und nicht erfunden. Dass es selbst hier
noch Wissenslücken gibt, bedeutet nicht, dass ein Geheimnis, das ein Idiot
im Talar lüften kann, vorliegt. Nochnichtwissen, auch Nichtwissen
bestimmter Phänomene, ist Teil echter Wissenschaft.
Natürlich
kann ich, anknüpfend an die letzten Sätze, nicht eine Art
Lehrbuchartikel oder eine wissenschaftliche Abhandlung bringen. Einmal, weil
ich das nicht kann, zum andern, weil es unnötig, weil längst
vorhanden ist und ich nur eine allgemein verständliche Erklärung zum
Verstehen des Späteren liefern will.
Also
zur Vielfalt der Arten und zur DNA. Schon in der einfachsten (nicht primitivsten)
Zelle gibt es „Werkzeuge“, Enzyme, bestimmte Aminosäuren, die
die DNA in der Zelle, bei spontanen Mutationen in den Genen, die sehr
häufig sind, wieder „reparieren“, auf den Ausgangszustand
bringen. Diese Vorgänge nennt man Repair-Mechanismen. Auch können
DNA-Stränge durch „Enzymscheren“ abgeschnitten und an anderer
Stelle wieder zusammengefügt werden. Enzyme, die dies können, nennt
man Polymerasen. Von der Polymerase-Kettenreaktion, die auch in der
Kriminologie angewendet wird, um aus Spuren von organischem Material
untersuchbare Eiweißmengen zu gewinnen, habe die meisten Krimi-Leser
schon gehört. Die DNA in Zellen ist so im Laufe der Zeit, selbst wenn die
einfachsten Formen aus Millionen von Aminosäuresequenzen bestanden,
größer, länger geworden.
Nun
wird die DNA im Zellkern der Zellen, die einen solchen haben, in den
Chromosomen sozusagen abgelagert. Bei der geschlechtlichen Vermehrung (hier
habe ich wieder einen zeitlichen und sachlichen Sprung gemacht) wird, wie wir wissen
Chromosomenmaterial aus Ei- und Samenzellen wieder vereinigt. Jedoch ist hier
eines Voraussetzung: Die Chromosomen müssen passen. Wenn nämlich
durch spontane Mutation von Zellen, ohne dass Repair-Mechanismen dies beheben
konnten, längere, anders zusammengesetzte DNA-Stränge entstanden und
diese nicht nur auf andere Chromosomen verteilt wurden sondern sich die
Chromosomenzahl änderte, ist eine neue Zellart entstanden. Zellart
deshalb, weil eine solche Zelle – nehmen wir an mit vier Chromosomen
– sich nicht mit einer Zelle mit fünf wieder vereinigen kann.
Diese
neue Zellart kann sich durchaus mit einer gleichartigen, auch aus einer
Mutation hervorgegangenen, vereinen und so zum Ausgangspunkt einer neuen,
anderen Art werden. Dies ist nicht unwahrscheinlich bei niederen Lebewesen, etwa
Bakterien, die in Milliardenpopulationen einen Vermehrungszyklus im Minutentakt
haben. Bei höheren Wesen dauert es, bis eine neue Art entsteht oft
hunderttausende von Jahren.
Noch
zwei Anmerkungen zu den Chromosomen: Einmal, die Anzahl der Chromosomen, in die
die DNA „verpackt“ ist, sagt nichts aus über die
Entwicklungsstufe im Laufe der Evolution. So haben Ameise, Gorilla, Schimpanse,
Tabak und Kartoffel jeweils die gleiche Chromosomenanzahl von 48. Die
Fruchtfliege Drosophila melanogaster hat 8, ein Einsiedlerkrebs 254 und Farne
haben oft über 600 Chromosomen. Der Mensch hat 46 Chromosomen.
Zum
andern: Natürlich ist nicht die Anzahl sondern Art und
„Inhalt“ an DNA im Chromosom von Bedeutung. Wir brauchen also nicht
darüber zu spekulieren, warum man einen Schimpansen nicht mit einer
Kartoffel kreuzen kann.
Und
noch etwas, was für den Menschen von Bedeutung ist: Bei der Reifeteilung
(Ei- und Samenzellen werden gebildet) kann es vorkommen, dass sich die Chromosomen
nicht genau teilen oder geteilt haben. So kann z. B. das Chromosom 21 anstatt
sich zu teilen und jeweils einfach in die Eizelle zu gelangen, doppelt in diese
gelangen, weil es sich eben nicht geteilt hat. Bei der Vereinigung mit der
Samenzelle, die auch ein Chromosom 21 mitbringt, sind dann in der befruchteten
Eizelle aus der der Embryo wird, drei Chromosomen 21 vorhanden. Dies ist eine
Trisomie (21), die als Down-Syndrom oder Mongolismus bekannt ist. Das
heißt aus menschlichen Embryonen mit der Trisomie 21 entstehen mongoloide
Kinder. Es gibt noch mehr solcher Krankheiten, die durch Genmutationen bedingt
sind, was wir aber nicht weiter besprechen müssen, weil es nur um ein
erklärendes Beispiel ging.
Wir
können jetzt, ohne noch einmal alles erneut aufzurollen, wieder eine
Zwischenbilanz ziehen: Aus einer Ur-DNA, einer Urzelle, entstanden Pflanzen und
Millionen von Pflanzenarten. Wie und unter welchen Bedingungen, lässt sich
in jedem seriösen, wissenschaftlichen Biologie- oder Botanikwerk nachlesen.
Im Prinzip wird es keine diesem Abriss widersprechende Erklärung geben.
Das gleiche gilt für die Tierwelt. Auch hier entstanden und entstehen
Arten und starben aus. Dies alles geschah in, sagen wir, etwas mehr als einer
halben Milliarde von Jahren. Heute ist für uns, und nur für uns, ein
gewisser Endpunkt erreicht, vor allem weil wir in einem ganz, ganz winzige
Zeitraum der Erdgeschichte leben und in ihm einigermaßen vorstellbar
denken können. Und noch ein weiteres muss betont werden: Durch all die
Erkenntnisse und Ergebnisse der biologischen und geologischen Forschung, die
den gewaltigen Zeitraum ab dem Urknall umfassen, die uns Milliarden von
Molekülen mit ebensolchen Milliarden von Kombinations- und
Entwicklungsmöglichkeit bringen, sind die Naturkräfte mit ihren
Wechselwirkungen keinesfalls unwichtig, abgelöst oder gar ungültig.
Ohne sie wäre die Evolution nicht gewesen.
Doch
ich will, weil es mir für das Folgende wichtig erscheint, zu den scheinbar
vorletzten und letzten Gliedern der Evolution kommen. Als Charles Darwin Mitte
des 19. Jahrhunderts sein Werk „Über die Entstehung der
Arten“, und vor allem 1871 sein Buch „The Descent of
Man, and Selection in Relation to Sex“ veröffentlichte,
wurde er mehr als heftig von allen Seiten, der Theologie und der damaligen Naturwissenschaft
angegriffen. Beide sind und waren zwar keine Wissenschaften, aber sie
behaupteten für sich das wahre Weltbild, oder die Wahrheit schlechthin,
als ihr Eigentum zu besitzen. Es waren ja auch die Naturwissenschaften in
Anhänger und Verdammer der Darwinschen Theorie gespalten. Es ging aber
nicht darum, ob Darwins Ansicht über die Schnäbel der Galapagosfinken
oder der Schildkröten zutrifft, sondern einzig und allein darum, ob der
Mensch vom Affen abstammt. Darwin wies aber auf die Verwandtschaft des Menschen
mit den Affen, mit dem er gemeinsame Vorfahren teilt, hin. Huxley und Haeckel
hatte diese Ansicht bereits vorher öffentlich vertreten. Letzterer wurde
dann zu einem Rassepropagandisten. Nur, Darwin hatte für seine Annahme Gründe,
die man durchaus als wissenschaftlich bezeichnen muss. Auch habe sich der
Mensch zuerst in Afrika entwickelt, nahm er an, was
sich heute als richtig erwies. Darwin führte auch die geistigen
Eigenschaften des Menschen auf evolutionäre Vorgänge zurück.
Das
alles konnte, durfte nicht sein. Nur, zur Beruhigung frommer und verdummter
Massen, die heute noch schreien, nicht vom Affen abzustammen sondern als
Individuen geschaffene Menschen zu sein, sei darauf hingewiesen, dass in der
Wissenschaft dies niemand annimmt. Es ist ja auch, wie wir wissen, eine direkte
Nachkommenschaft des Menschen aus dem Affen nicht möglich, schon wegen der
unterschiedlichen Zahl der Chromosomen, 48 und 46, in den Eizellen. Zwei solche
Individuen, Affe und Mensch, können und konnten sich nicht vermehren.
Eigentlich schade, denn die wunderbare Geschichte von dem Menschenaffen und
einer Bayrischen Prinzessin, als deren Ergebnis ein hoher Bayerischer Regierungsbeamter
entstand, ist leider nur eine Fiktion, die Herbert Rosendorfer in seiner
„Deutschen Suite“ schildert.
Doch
zurück zu unserem Urahn, dem Affen, dem Menschenaffen. Was wäre so
schlimm, so moralisch verwerflich, wenn es so wäre? Als vor Millionen Jahren
im Laufe der Evolution, eben durch Genmutationen, allmählich, keineswegs
in einem Sprung, sich aus Reptilien schließlich flugfähige Wesen,
letztlich die Vögel entwickelten, haben, hier muss ich sagen
wahrscheinlich, letztere nicht aufgeschrieen, dass sie nicht von Schlangen oder
solchem Zeug abstammen wollten.
Aber
der Mensch, der Mensch, die Krone der Schöpfung! Das ist doch etwas ganz
anderes. Wirklich? Sehen wir uns einen Menschenaffen, einen Orang Utan, einen
Gorilla oder einen Schimpansen einmal näher an. Ist er nicht dem Menschen
äußerlich ähnlich? Gibt es nicht Schwarzafrikaner, die einen
gorillaähnlichen Gesichtsausdruck haben? Hat der Orang Utan nicht ein
entfernt „asiatisches“ Aussehen? Ich will damit keineswegs
rassistische Vergleiche ziehen, auch nicht versteckte, wie „die Asiaten
stammen von Orang Utan, die Neger vom Gorilla und die Europäer oder
Kaukasier vom Schimpansen. Welcher ist der „höherwertige“
Affe, welcher der höherwertige Mensch? Aber konnten nicht
Veränderungen in bestimmten Allelen der Gene ein besseres Überleben
der Nachkommen in einer bestimmten Umgebung ermöglichen? Man kann nur
retrograd, also rückblickend überlegen, ob die Umweltbedingungen, die
für alle Arten in dem Gebiet gleich waren, bei Mensch und Tier, Arten mit
angepassten, schützenden Mutationen, vor starker Sonneneinstrahlung etwa,
besser überleben ließen. Wir werden noch mal darauf zu sprechen
kommen.
Doch
der Menschenaffe ist kein Mensch. Ist ja lächerlich. Er kann nicht lesen,
nicht schreiben, nicht rechnen, nicht sprechen und Werkzeuge kann er kaum
herstellen und gebrauchen? Wirklich? Bei letzterem, den Werkzeugen,
könnten wir schon unsicher werden. Mit einem Holzstäbchen können
Ameisen und Termiten aus dem Bau gestochert und dann gefressen werden. Mit
einem Schraubenschlüssel schrauben Orangs, wenn der Wärter weg ist,
Muttern auf, gebrauchen dieses Werkzeug also richtig. Und wie ist das mit
lesen, schreiben und sprechen? Nun, das meiste wissen oder verstehen wir nicht.
Sicher genügen die Urlaute und Gesten den Affen untereinander zur
Kommunikation, zum Beispiel zur Absprache etwa, mit Holzknüppeln
bewaffnet, gemeinsam, einen Leoparden anzugreifen und ihn zu verjagen.
Können, in einem Affenhaus gehaltene Schimpansen auf einem Papier mit
Kreide wilde Kreise malen, so wie man es ihnen vorgemacht hat? Aber können
sie das später lesen? Könnten sie eine Schrift lesen? Keinesfalls.
Der Mensch kann das; zumindest besser, selbst wenn er Legastheniker ist.
Müssen diese Affen, wie die meisten Säugetiere, wie auch der Mensch,
nicht ihren Nachwuchs sorgsam aufziehen, weil er sonst überhaupt nicht
lebensfähig wäre?
Aber
warum das ganze Gerede um die Affen? Will der (ich) die Affen menschengleich
machen und wozu?
Die
Erklärung ist einfach. Ich will nur darauf Bezug nehmen, dass „alle
Kreatur“ durch die Evolution, durch das Entstehen neuer, anderer,
zusätzlicher und veränderter Gene, eine stetige Entwicklung
durchmachte. Und diese Gene kamen, wie es der Evolution entspricht, nach und
nach zum Zug. Dass sich Organe, von Fortpflanzungsorganen bis zu einem
Nervensystem oder einem Gehirn, bilden konnten, diese ihre Funktion im Dienste
eines Gesamtorganismus erfüllten, ist in den Genen (ob über eine
Messenger-RNS oder einen anderen Weg, den sie „kodieren“) festgelegt
und wird vererbt. Die Vererbung garantiert, dass zumindest der jeweilige Status
der Evolution wieder erreicht wird. Das heißt: Alle bis dahin
entstandenen Gene und ihre Eigenschaften sind im Individuum reproduzierbar
vorhanden. Sie bilden sozusagen eine Basis auf der, durch Gen-Mutationen
andere, eventuell durchsetzungsfähige Eigenschaften entstehen und weiter
vererbt werden können. Das ist keine Werteskala, denn eine solche
wäre willkürlich, menschlich.
Im
gewissen Sinne einen Beweis, dass dies so ist, liefert die Ontogenese, das ist
die Reifung eines Individuums von der Eizelle bis zur endgültigen Gestalt,
während der die gesamte Phylogenese, das sind die Organbildungen der
Evolution, geradezu durchlaufen werden. Also eine Eizelle teilt sich, diese
Zellen teilen sich wieder, bilden einen Mehrzellhaufen, aus dem sich Organe
bilden, vorübergehend auch solche, etwa Kiemen der Fische, die im
Gesamtorganismus später gar nicht mehr nachweisbar sind. Auch werden
Organe zunächst zweigeschlechtlich angelegt, wie die Geschlechtsorgane,
die sich erst in einem späteren Reifestadium eines Embryos differenzieren.
Ein
Beispiel: In meiner klinischen, ärztlichen Tätigkeit bekam ich einen
gesunden, das heißt beschwerdefreien Mann zugewiesen, der an der linken
Halsseite eine gut faustgroße, prallelastische Geschwulst hatte. Diese
flüssigkeitsgefüllte Geschwulst erwies sich durch den Nachweis von
embryonalem Kiemengangsgewebe als Kiemengangszyste, also ein Relikt aus der
Evolution, eben als die Kiemen das Überleben der Art ermöglichten.
Dass solche Relikte die ursprüngliche Anlage zeigen, von der weiteren
Evolution sozusagen überholt werden, und dann doch, durch welchen
genetischen Mechanismus auch immer, plötzlich einen weiteren Reifungsgrad
erreichen, ist ein seltenes aber keineswegs unerklärliches Phänomen.
Gelegentlich
kann man dies sehen, wenn wahrscheinlich ein Gen oder Gene nicht von „on
auf off“ geschaltet wurden. So werden im Laufe des Lebens Gene und damit
Eigenschaften, etwa Krankheiten, aktiviert, von off auf on geschaltet und bleiben
klinisch sichtbar oder deaktiviert, das heißt, der Schutz vor ihnen wird
aufgehoben, also von on oder off geschaltet. Dies ist häufig bei
Stoffwechselerkrankungen so, die nicht mit der Geburt sondern erst im Laufe des
Lebens, oft erst im Alter, auftreten.
Der Mensch
Was und
wer sind wir?
Ich
werde auch im Laufe des nun folgenden großen Schritts in dieser
Abhandlung noch häufig auf die Genetik, die DNA, auf Eigenschaften der
Arten und diese selbst zurückkommen. Doch muss ich mich dem übergeordneten
Thema „was und wer sind wir“ zuwenden. Nun sind wir also beim
Menschen, der Krone der Schöpfung, angelangt. Wer aber hat geschöpft?
Gott? Zum ersten Mal wird hier der Begriff Gott genannt. Die Fiktion Gott, die
menschlichste aller Schöpfungen und die misslungenste, bedürfte
eigentlich keiner weiteren Mühe der Erörterung. Wohl aber im
Interesse aller Kreatur, die unseren Planeten bewohnt hat und bewohnen wird,
die von den Verwaltern des einzigen Nichts, das nicht wirklich existiert,
geschützt werden muss, muss ich weiter schreiben.
Wenn
man heute annimmt, dass die Menschwerdung etwa vor 8.5 Millionen Jahren vor
unserer heutigen Zeit stattfand, so heißt das nicht, dass es seitdem
Menschen gibt. Und, damit wir nicht ganz vom Affen loskommen, kann man diesen
Zeitpunkt – besser Zeitraum, denn es war kein Geschehen von einem Tag zum
andern – als den bezeichnen, zu dem sich eine neue Art von der der
Schimpansen in Ostafrika abtrennte. Wir wissen, das Mutationen in der DNA, dem
Erbgut einer Art, dazu führen können. Das heißt aber nicht,
dass damit die Schimpansen ausstarben und die neue Art ihr genetisches
Fortbestehen sicherte. Es ist durchaus möglich, wie es wahrscheinlich war,
dass zwei Arten nebeneinander leben. Die Schimpansen leben heute noch, wie wir
sehen. Und ob es tatsächlich die Schimpansen waren und nicht diese ebenso
wie der Mensch letztlich auf einen der Dryopithecinen, der vor 20 Millionen
Jahren lebte und auf allen Vieren ging, zurückzuführen sind, wissen
wir nicht.
Auch ob
das Nebeneinanderleben in Ost- oder Südafrika war, ist einmal von
geografischen Definitionen und weiter von den Fundstellen der Relikte der
ersten Arten von Hominiden also menschenähnlichen Wesen und den Affen,
abhängig. Wir können heute annehmen, dass „die Wiege des
Menschen“, die wohl alles andere als eine solche war, in Afrika stand.
Zunächst
war wohl ein Australopithecus ein gewisser Urstammvater, aus dem vor drei bis
vier Millionen von Jahren weitere, wie der Australopithecus afarensis (benannt
nach der Afar Region in Äthiopien) und aus diesem Homo habilis (geschickt)
und Homo erectus (aufrecht) hervor gingen. Von letzterem sollen sich wieder
Homo sapiens neanderthalensis und Homo sapiens sapiens (weise) getrennt und
eigen entwickelt haben. Zumindest die letzten beiden Arten sind vor etwa 50 bis
70 000 Jahren aus Afrika ausgewandert und haben sich über die damals
bewohnbare Erde ausgebreitet. Dieses „out of Africa“, scheint
zuzutreffen, auch wenn angenommen wurde, dass schon früher eine Auswanderung
aus Afrika, vor Millionen von Jahren stattfand und sich unabhängig
voneinander der Homo sapiens sapiens in verschiedenen Erdteilen entwickelte.
Was
aber wissen wir von diesen Vor- oder Urmenschen? Von ihnen haben
Paläoanthropologen, also Menschenkundler, die sich mit den Frühformen
dieser Art speziell befassen, aus oft kleinen Knochenresten, nur wenigen
gänzlich erhaltenen Knochen und, erst jüngeren Arten zuzuordnenden,
Skelettteilen oder Skeletten, einen Stammbaum aufgrund bestimmter Merkmale
errichtet. Sie gaben den Funden, die sie unterschiedlichen Arten oder
Unterarten zuordneten, Namen, meist nach den Fundorten. Die Charakteristika,
die sie einer zeitlich aufsteigenden Reihe zugrunde legten, waren vor allem die
Art des Ganges und die Schädelgröße. So kam man vom gebeugt,
oft die Hände zur Unterstützung der Fortbewegung benutzenden
Australopithecus bis zum immer aufrechter gehenden Homo sapiens. Aus der Form
der Handknochen zum Beispiel, die noch affenähnlich waren, an den
Fingerrücken Belastungsspuren zeigten, konnten sie dies schließen.
Die
Schädelgröße, die ebenfalls in aufsteigender Linie zunahm,
wurde als Charakteristikum der zunehmenden Intelligenz dieser Vormenschen
gedeutet. Aber hier zeigte sich, dass die Regel, die Masse macht’s, nicht
ganz zutrifft. Oder doch? Wohl nahm die Schädelgröße vom
Australopithecus afarensis über Homo habilis bis zum Home erectus zu, aber
dann war das Schädelvolumen beim Neandertaler um etwa 200 ml
größer als beim heutigen Menschen. Was soll man daraus
schließen? Es könnte einmal sein, dass dieser Neandertaler, den es
nicht nur im Neandertal bei Düsseldorf, dem Fundort seiner Überreste,
sondern in ganz Eurasien gab, intelligenter war als der heutige Mensch. Man war
ja und ist auch heute teilweise noch der Ansicht, dass sich dieser Neandertaler
nicht nur parallel zum Homo sapiens sapiens, also uns, entwickelte, sondern
sich mit unserer heutigen Art vermischte, paarte, genetisches Material
austauschte. Hätten wir dann die Intelligenz von Neandertalern?
Wahrscheinlich trifft letzteres nicht zu. Genanalysen am Y-Chromosom der
früheren Homo erectus Arten, der Neandertaler gehört dazu, und der
heutigen Menschen, die man erstaunlicher Weise noch zustande brachte, sprechen
dagegen. Gänzlich ausschließen können sie eine Vermischung
nicht.
Aber
keineswegs kann man aufgrund der früheren „primitiveren“
Lebensweise des Neandertalers, den Schluss ziehen, er wäre uns
„unterlegen“ gewesen. Die Art der damaligen Werkzeuge und ihres
Gebrauchs sagen keinesfalls etwas über die spätere Entwicklung aus.
Auch unsere direkten Vorfahren lebten als Nomaden unter primitiven
Umständen und haben sich zu der, nach eigener Einschätzung
vermeintlich „stolzen Spezies“ entwickelt. Dass die Entwicklung des
Neandertalers offensichtlich abgebrochen wurde, sagt keineswegs, dass dies auf
einer Unterlegenheit gegenüber der sich dann ausbreitenden Art Homo
sapiens sapiens beruhte.
Natürlich
war die Schädelgröße und damit die Größe des Gehirns
bis in unsere allerjüngste Zeit ein Kriterium für die Intelligenz.
Weibliche Menschen, also Frauen, haben im Mittel ein etwas kleineres Gehirn,
folglich sind sie weniger intelligent. Ich möchte nicht fragen wie viel
Menschen diesen idiotischen letzten Satz für wenigstens teilweise
zutreffend halten. Einige Universitätsprofessoren, die dieser Meinung sind
oder waren, kenne ich.
Sehen
wir uns ein weiteres Kriterium für die Evolution des Menschen – hier
ist der Begriff Evolution im Sinne einer kulturellen Entwicklung ohne Bezug zur
Genetik gebraucht – den Gebrauch von Werkzeugen, einmal an. Es waren
Steine und Knochen. Zunächst unbearbeitet, dann der Aufgabe entsprechend
zugerichtet. Beides kannten die Menschenaffen auch. Selbst die Organisation der
Jagd im Verband, ist den Affen bekannt. Auch eher künstliche Behausungen
wie Blätterhäuser für die Nacht oder zum Schutz vor Regen
beherrschen sie noch heute. Aber wir kommen um die Erkenntnis kaum herum, dass
dies wohl keine lediglich erworbenen Eigenschaften sind, jetzt im Sinne der
biologischen Evolution, sondern wohl schon anlagebedingte, genetische. Auch die
in der Evolutionsreihe älteren Vögel beherrschen ja einen oft sehr
komplizierten Nestbau.
Einen
Überlebensvorteil gegenüber allen anderen Arten, die sich auf der
Erde ausgebreitet hatten, erwarb sich der Mensch wahrscheinlich durch den Gebrauch
des Feuers. Es kann als gesichert gelten, dass bereits der Homo erectus, also
vor 400 00 bis 500 000 Jahren mit dem Feuer umzugehen wusste. In China und in
der Bretagne fand man entsprechende Spuren. Bei dem Feuergebrauch handelt es
sich wahrscheinlich nicht um eine vererbte, sondern um eine unter Lebenden
weitergegebene Information.
Also
ist der Homo sapiens sapiens, unser direkter Vorfahr, als er vor 70 000 bis 50
000 Jahren aus Afrika aufbrach, sich über die Erde ausbreitete und dabei
sicher auf Vormenschen stieß, mit etwa dem Genpool, den wir heute haben,
also den gleichen Chromosomen und Genen, und ein bisschen erworbener
Information, ausgestattet gewesen.
Aus den
Menschen der Urheimat Afrika leitet sich also die Herkunft aller heutigen
Menschen ab. Und was dieser Mensch ist, was alle Menschen sind, ist, u. a.
dadurch definiert, dass sie sich untereinander paaren, also vermehren
können. Dies ungeachtet der so genannten Rassen, die letztlich nur durch
Genvariationen, DNA – Veränderungen einzelner Allele, zustande
kommen. Also Asiaten können sich mit Schwarzafrikanern, Europäern,
Indios und australischen Ureinwohnern paaren und Nachkommen erzeugen.
Dass es
verschiedene Verbreitungs- und Ausbreitungswege, keinesfalls, auch wenn dies
oft behauptet wird, verschiedene Entwicklungen der Menschen gab, liegt an den
geologischen und klimabedingten Gegebenheiten. Man muss bedenken, dass, setzt
man das Erscheinen der ersten Hominiden, Menschenvorfahren, deren Stammbaum von
dem der Affen verschieden war, mit etwa 8 Millionen von Jahren an, und dies ein
kleiner Zeitraum in der Erdgeschichte ist, ist es doch ein riesiger in der
Geschichte der Menschheit. Das Skelett eines Australopithecinen
-„Weibchens“, das man Lucy nannte (die Geschichte der Namensgebung
will ich nicht auch noch anführen) war etwa 3.18 Millionen Jahre alt, als
man es fand. Zu dieser Zeit waren die Kontinente längst in ihrer heutigen
Gestalt fest gefügt, auch wenn man die immer noch anhaltende
Plattentektonik berücksichtig.
Es soll
später noch darauf näher eingegangen werden, wie sich
„Familien“ von Menschen von Afrika aus über Eurasien, ob
über die Behringstraße oder über das Meer nach Amerika
ausbreiteten, dass es genetische Differenzierungen gab, sonst wären die
Nachkommen der Asiaten nicht „gelb“, die der Afrikaner nicht
„schwarz“ – was nicht als Wertung in irgendeiner Art zu
verstehen ist – wenn man über Kulturen sprechen muss. Die
Besiedelung des australischen Kontinents, wird man gesondert besprechen
müssen.
Zunächst
aber ist festzuhalten, dass sich der Mensch, welcher Unterart oder Familie er
auch angehörte, den Umweltbedingungen anpassen musste. Es gab Eiszeiten
und Wärmeperioden in relativ raschem Wechsel, auch wenn es dabei
„nur“ um Zehntausende von Jahren ging.
Ich
muss hier einflechten, dass wir seit etwa 2.5 Millionen Jahren in einer Eiszeit
leben. Auch wenn uns das etwas eigenartig vorkommt, soll darauf hingewiesen
werden, dass es viel wärmere Perioden in der Erdgeschichte gab. Um nicht
noch mehr in die Breite zu gehen, sei als Beispiel angeführt, dass heute
schon jedes Kind bei uns von den „Dinos“ weiß, den
Dinosauriern in der Jurazeit, die vor etwa 200 bis 145 Millionen Jahren lebten.
Damals war eine Warmzeit, in der ein subtropisches bis tropisches Klima
herrschte. Alle Eiszeiten aber, waren von meist kürzeren
Wärmeperioden unterbrochen. Die letzte, „unsere Eiszeit“ (das
Holozän) ist nur von einer seit 11 000 Jahren andauernden
Wärmeperiode unterbrochen.
In den
letzten Kalt- und Warmphasen musste der nun als Homo sapiens sapiens
bezeichnete Vorfahr leben. Der Mensch passte sich an seine Umwelt aber nicht
genetisch, sondern in der ihm durchaus möglichen Art an. Er wurde entweder
Jäger und Sammler, bediente sich der Felle der Beutetiere als
Kälteschutz, lebte in präformierten, schon bestehenden Höhlen
oder Felsvorsprüngen (Abri) oder zog als nomadisierender Viehzüchter
mit seinen Familienangehörigen über die Lande, oder er wurde
schließlich zum sesshaften Ackerbauern.
Doch
was wissen wir genauer aus der damaligen Zeit und aus welchen Quellen? Nun, da
wird argumentiert, dass man aus Funden von Werkzeugen, aus Überresten von
Beutetieren und aus Rudimenten wahrscheinlicher Lagerstätten, sich ein
Bild der Menschen und ihrer Lebensart machen könnte. Und, weil man ja
keine Metallgegenstände fand, wurde die Zeit seit jeher, seit es eine
seriöse Geschichtsforschung gibt, als Steinzeit bezeichnet. Allerdings
lässt man in den Unterteilungen der Steinzeit, die Altsteinzeit bereits
2.5 Millionen von Jahren, im Pleistozän, einem der Erdzeitalter, beginnen
und etwa 8000 v. Chr. enden. Dass damit nicht nur der zeitlich
größte Abschnitt der Menschheitsgeschichte festgelegt wird, sondern
auch der Homo habilis und Homo erectus in diese einbezogen werden, scheint
bemerkenswert. Denn diese Vorvorfahren, die wir mit dem Neandertaler gemeinsam
haben, haben ja bereits selbstgefertigte Steinwerkzeuge wie Faustkeile gekannt.
Ab etwa 600 000 v. Chr. wird von einer regelrechten Werkzeugkultur gesprochen.
Doch ab
welcher Zeit kann man überhaupt von einer „Kultur in unserem
Sinne“ reden? Vielleicht sollten wir eher vorsichtig sein, eine Kultur
beginnen oder enden zu lassen, dies vor allem, weil wir nur aus Teilaspekten
auf eine gesamte Lebensweise, also die Kultur schließen. Wir schließen
aus dem, was uns erhalten und oft ohne Absicht hinterlassen wurde. Dies sind
besonders die Gräber. Doch weil wir nur aus der Art der Totenbestattung,
vor allem der Grabbeigaben rückschließen, meinen wir oft an einem
ältesten Punkt angekommen zu sein.
Ob ein
solcher „ältester Punkt“ ein Grab, 200 Kilometer östlich
von Moskau ist, das erst bei Ausgrabungen 1955 entdeckt wurde, trifft nur so
lange zu, bis ein noch älteres Grab gefunden wird. Das Bemerkenswerte
aber, an diesem Grab eines älteren Mannes und zweier Kinder, das etwa 28
000 bis 30 000 Jahre alt ist, sind die Beigaben eines aufwendigen Schmucks und
sind Reste von Bekleidung. Dies bedeutet, dass die Menschen, die in dieser Art
ihre Toten bestatteten, doch einen hohen Stand an Kultur gehabt haben mussten.
Dass zwei Kinder mit begraben wurden, lässt auf familiären
Zusammenhalt schließen, der in späteren Kulturen, in
Königsgräbern, zu prunkvoller Demonstration dynastischer Macht
führte.
Noch
mehr Information über unsere Vorfahren erhalten wir aus den
Höhlenmalereien in Frankreich und Spanien sowie aus Borneo, wobei letztere
„nur“ etwa 10 000 Jahre alt sind.
Die
ältesten bisher gefundenen Malereien und Zeichnungen durch Menschen findet
man in der Chauvet-Höhle in der Nähe von Vallon-Pont-d’Arc im Tal der Ardèche in Südfrankreich.
Durch die Datierung mittels der Radiokarbonmethode (C14-Methode) wird
ein Alter der Malereien zwischen 33 000 und 30 000 Jahren angenommen. Die
Erklärung der Radiokarbonmethode muss ich darauf
beschränken, dass man durch Messung der Radioaktivität eines Isotops
des Kohlenstoffatoms, die eine Halbwertszeit (um die Hälfte abnimmt) von
5730 Jahren hat, auf das Alter des Kohlenstoffs in einer Substanz, insbesondere
einer organischen, schließen kann.
Warum ich überhaupt auf die Altersbestimmung einging, hat
seine Grund darin, dass man die Malereien der Chauvet-Höhle für
Fälschungen aus jüngster Zeit hielt, was wirklich
auszuschließen ist. Die eiszeitlichen Menschen, die beim Malen auch ihre
Fußspuren im Lehm hinterließen, schufen nicht nur Darstellungen von
höchster Fertigkeit (den Begriff Qualität zu verwenden verbietet sich
hier meines Erachtens) und Kunst, sondern geben uns darüber hinaus einen Einblick
in ihre damalige Umwelt und ihr Leben.
In der Höhle, die im Dezember 1994 durch Jean-Marie Chauvet
entdeckt wurde, findet man die Darstellung von Wollnashörnern,
Wildpferden,
Löwen,
Mammuts und anderen Tieren, die offenbar damals, in der Eiszeit, lebten. Auch
fand man viele Knochen, insbesondere von Bären, am Boden der Höhle.
Weitere
Höhlen wie die von
Altamira in Kantabrien,
Spanien,
30 km westlich von Santander, enthalten steinzeitliche
Höhlenmalerei,
die man auch vom künstlerischen Standpunkt her, nur bestaunen kann. Die
Altamirahöhle, 1868 entdeckt,
wurde wahrscheinlich von 16 000 v. Chr. bis zu ihrem Einsturz 11 000 v.
Chr. also rund 5000 Jahre genutzt.
Die berühmte Höhle von Lascaux im Tal der Vézère,
im französischen Département Dordogne, 1940
entdeckt, enthält Höhlenmalereien aus der Zeit zwischen 17
000 und 15 000 Jahren v. Chr. Man spricht von den mit ältesten bekannten
darstellenden Kunstwerken
der Geschichte der Menschen, was aber für die schon geschilderten
Malereien ebenso zutrifft. Auch hier sind sehr realistische Bilder von
größeren Tieren wie Wildrinder, Auerochse, Pferd und Hirsch dargestellt, die zu dieser Zeit gelebt haben. Auch
Umrisse der menschlichen Hand
findet man häufig, was nach meinem Ermessen eine bewusste
Individualität bedeutet.
Wenn ich noch die Höhle
von Rouffignac, im französischen Périgord,
die als Höhle der hundert Mammuts bezeichnet wird anführe, -
ich will nicht durch bloße Aufzählung ermüden - dann liegt der Grund darin, dass sie
bereits 1575 von François de Belleforrest in seiner
„Cosmographie Universelle“
erwähnt wurde. Ob man die Kenntnis von dieser Höhle vergessen oder
bewusst ignoriert hat; lässt sich heute nicht mehr sagen. Jedenfalls
wurden die über 250 Höhlenmalereien
erst 1956 neu beschrieben. Die Malereien findet man an der Decke eines
verbreiterten Raumes, also müssen die damaligen Künstler Leitern oder
Gerüste sowie künstliche Beleuchtung benutzt haben. Die Malereien und
Gravuren im Stein sind über 13 000 Jahre alt. Hauptsächlich
abgebildet sind Mammuts,
Büffel, Nashörner und Steinböcke. Aus wahrscheinlich noch
früherer Zeit stammen die Krallenspuren von Höhlenbären
an den Felswänden.
Die schon erwähnten Höhlen auf Borneo enthalten
über 1000 Malereien, die älter als 10 000 Jahre sind.
Doch warum wurden diese Höhlen und ihre Malereien
überhaupt als bedeutend für die Menschheitsgeschichte aufgeführt?
Man kann viele Schlüsse daraus ziehen und lernen, doch will ich mich
hüten – falls es mir gelingt – schamanenhafte Interpretationen
zu geben. Einmal zeigt sich also wie die Welt in einer Eiszeit, die
wahrscheinlich eher eine Wärmeperiode war, rein biologisch aussah. Sie
dürfte sich kaum von der heutigen unterschieden haben. Sie ist auf jeden
Fall nicht mit einer jurassischen, saurierstampfenden Schachtelhalmwelt vor 250
Millionen Jahren oder der Welt des Karbons auch nur annähernd gleichzusetzen.
Man findet eine Säugetierwelt – erst in der
Jungsteinzeit, als man schon nachträglich definierte Kulturepochen hat,
gibt es meines Wissens Darstellungen von Reptilien, Fischen und Vögeln
– die die heute existierende von subtropischen bis fast polaren Zonen umfasst.
Aber, dass Löwen, Nashörner und Mammuts neben Rindern und Bären
abgebildet sind, lässt darauf schließen, dass der Kontakt zwischen
Mensch und Tieren, vielleicht nicht innig, doch, was etwa die Jagd und
letztlich die Ernährung betrifft, sehr konkret war. Dass Tierarten wie das
Mammut, sicher nicht plötzlich aber individuell, bei blitzartigen
Kälteeinbrüchen, wie man von gut erhaltenen Überresten im
Permafrost der Tundra weiß, ausgestorben sind, unterscheidet sich nicht
von heutigen Gegebenheiten, die einfach den Lebensraum der Tiere beengen oder
vernichten.
Sichere Darstellungen unserer Vorvorfahren, der Menschenaffen,
findet man in den Höhlen in Frankreich oder Spanien nicht, was darauf
schließen lässt, dass sich die Populationen der Menschen in Eurasien
und Afrika eigenständig kulturell entwickelten. Es ist also nicht
wahrscheinlich, dass der Mensch neben Affen gleichzeitig in Eurasien lebte.
Felszeichnungen aus Namibia sind bekannt, die auf ein Alter von 25 000 Jahren
geschätzt werden. Die meisten Felszeichnungen an wettergeschützten
Wänden sind deutlich jünger, aber doch bis um 5000 Jahre alt.
Unsere vermeintliche Kenntnis über die Lebensweise unserer
eiszeitlichen Vorfahren, leiten wir also von den Höhlenmalereien und
Felszeichnungen ab. Es wird auch reichlich von mehr oder weniger kompetenten
Fachleuten erst interpretiert, was die Abbildungen zeigen sollen. Vor allem
darf ein Rind kein Rind als solches sein, sondern hat eine übergeordnete
Bedeutung zu haben. Ich denke, dass man sich hier auf sehr unsicheres wenn auch
übliches Terrain begibt. Nur zu oft sind die Schamanen, die man sehen
soll, die Abbilder ihrer Interpreten. Viel eher sollte man meinem Erachten nach
– wobei sich niemand meiner Meinung anzuschließen braucht – die
zweifellos großartigen Kunstwerke als absolute Gegebenheiten nehmen. Sie
sind dadurch nicht weniger wertvoll.
Es gibt nämlich, außer den reinen Naturwissenschaften
keine einzige, die ohne Spekulationen, Axiomen und Dogmen auskommt. Und hier,
bei den Höhlenmalereien beginnt die menschliche Eigenschaft
nachprüfbares und reproduzierbares Wissen und ihm zugrunde liegende Fakten
durch Intuition, Vermutungen und Autorität zu ersetzen. Dies bezieht sich
keineswegs, nur um ein Beispiel anzuführen, allein auf den französischen
Prähistoriker Émile Cartailhac, der die Malereien in
der Höhle von Altamira als „vulgären Streich eines
Schmierers“ bezeichnete, die er und seine Zeitgenossen nicht einmal ansehen
wollten. Die Entdeckung musste 23 Jahre warten, bis man sie anerkannte.
Cartailhac, der zum Sinnbild der archäologischen Ignoranz wurde,
entschuldigte sich später in einem Aufsatz (Mea culpa d´un
sceptique) bei dem Eigentümer der Höhle, Marquis de Sautuola, was
man, weil in der Wissenschaft ziemlich unüblich, fast als Größe
bezeichnen muss.
Aber was können wir, was ich nicht im Gegensatz zum eben
Gesagten sehe, an Überlegungen zur damaligen Zeit aus den
Höhlenmalereien ableiten? Doch einmal nur, dass sich das eigentliche Leben
außerhalb der Höhlen abgespielt haben muss und dass wir darüber
herzlich wenig wissen. Es ist ja gerade das Einzigartige an den
Höhlenmalereien, dass sie gleichsam in einer Schutzatmosphäre, bei
gleich bleibender Temperatur und Luftfeuchte, eben vor Verwitterung
geschützt, überdauern konnten. Wie wichtig das ist, zeigte sich, als
man einige Höhlen zur Besichtigung freigab, und allein durch die
Kohlensäureabatmung der Besucher Farbänderungen, Abblassen, also
Verwitterung einsetzte, so dass man die Höhlen für den allgemeinen
Besuch wieder schließen musste.
Doch alles, was an Leben unserer Vorfahren über der Erde, in
Auen und Wäldern stattfand, ist ohne Spuren geblieben. Dies ist nicht
verwunderlich, wenn man bedenkt in welch kurzer Zeit unbewohnte Häuser
verfallen, Buschwerk und Wälder innerhalb eines Menschenlebens eine zuvor
kultivierte Landschaft überwuchern können. Es gab in der Eiszeit mit
Sicherheit Klimaschwankungen, die über unsere derzeitigen weit
hinausgingen. Aber sollten deshalb die Menschen damals ausschließlich
oder allenfalls nur nachts oder im Winter, in Höhlen oder unter Abris
gelebt haben? Warum sollten sie keine Hütten oder Häuser über
der Erde gebaut haben? Nur weil wir nichts mehr davon finden, ist dies nicht
ausgeschlossen.
Gewiss gibt es am Mittelrhein, in der Nähe der Eifel, von
Asche und Lava zugeschüttete so genannte Rastplätze von Menschen, die
15 000 bis 10 000 Jahre v. Chr. als die Eifelvulkane noch tätig waren,
dort lebten. Ich will es nicht trivialisieren, aber aus den Überresten
eines Campingplatzes wird man in 15 000 Jahren nicht die
„Höhe“ unserer heutigen Kultur ablesen können.
Was wird man also in 200 Millionen Jahren von uns und unserer
Kultur noch finden, außer vielleicht einigen Knochen in luftdicht
verschlossenen, trockenen Gräbern, oder Massengräbern? Was werden die
Nachkommen, die es wahrscheinlich gar nicht mehr gibt über uns und unsere
Kultur sagen? Sie würden wohl das Gleiche sagen wie wir über die Zeit
des Jura: „Sedimente von längst nicht mehr bestehenden Meeren,
Spuren untergegangener Gebirge, Gesteine und Mineralien eigenartiger
Zusammensetzung, sind das Interessante was wir von damals wissen. Wir
können es genauestens untersuchen aber kaum deuten, nichts sicher
wissen“.
Wahrscheinlich gibt es in 200 Millionen Jahren echte
Versteinerungen von heute lebendem Getier, einschließlich uns Menschen
und von Pflanzen, was sich eben von einem von 50 Millionen Jahre währenden
Zeitraum erhalten konnte. Aber da ist ein Zeitraum von 50 000 Jahren an, seit
unsere unmittelbaren Vorfahren Afrika verließen, nur 0.1 Prozent der 50
Millionen. Und wenn man dann wie wir heute in irgendeiner Formation des Jura,
eine Schicht von 1 cm Dicke findet, die der Ablagerung von 50 000 Jahren im
Meer entsprechen könnte, was wird man dann sagen? Vielleicht, dass wir mit
Glück, eine Muschelart fanden und annehmen können, dass das Meer
damals warm gewesen sein muss. Jedoch wie die Muschel und andere Tiere in
diesen 50 000 Jahren lebten, kann man nicht sagen, nicht wissen.
Was wir aber nicht wissen, das darf es nicht geben. Oder doch?
Wissen wir ob die Eiszeitmenschen nicht eine Sprache hatten oder gar eine
Schrift? Ihr Gehirn war so ausgereift, besser von gleichem Aufbau wie unser
heutiges. Ob es tatsächlich seit damals genetische Veränderungen gab,
nur weil mit Wahrscheinlichkeit, nach den Knochenfunden, die Menschen etwas
kleiner waren, ist zu bezweifeln. Es mag Schwankungen in der
Körpergröße gegeben haben, denn eine kontinuierliche
Entwicklung ist wenig wahrscheinlich. Wir haben ja auch in den letzten beiden
Generationen in Europa einen Längenwachstumsschub erlebt (wahrscheinlich
durch bessere Ernährung bedingt) von dem aus man nicht einfach zurück
interpolieren kann. Das berühmte Beispiel: Wenn man die Größe
der heutigen Menschen mit der im Mittelalter, nach deren Rüstungen zu
schließen, vergleicht, müssten, rückgerechnet, die Soldaten
Wilhelms des Eroberers im Jahr 1006 in der Schlacht bei Hastings etwa 20 bis 25
cm groß gewesen sein. Na, also, geht doch.
Und so wenig sich das Genom, unsere genetische Grundausstattung,
von damals bis heute geändert hat, so wenig ist einmal eine geringere
Intelligenz unserer Vorfahren anzunehmen. Anderes Aussehen, etwa wegen der
Körpergröße oder eine etwas andere Hautfarbe, heben uns so
wenig von ihnen ab, wie es Unterschiede in der Intelligenz zwischen Afrikanern
und Europäern gibt. Natürlich wird man argumentieren, dass doch alle
Erfindungen der Neuzeit aus Europa und allenfalls Amerika, wobei man
schlauerweise ganz Asien ausklammert, stammen. Da vergisst man etwas
Grundlegendes: Man muss den Menschen die Möglichkeit geben oder besser,
sie ihnen nicht nehmen oder verweigern, sich Wissen, was nicht eo ipso
Intelligenz ist, zu erwerben. Und so gut wie wir mit Asiaten und Afrikanern und
diese untereinander gemeinsame Kinder zeugen können, so gut können
wir uns vorstellen, uns auch mit den Eiszeitmenschen gepaart zu haben. Mal ein
nettes Eiszeitmädchen oder einen knackigen Natureiszeitburschen? Wäre
doch toll, was?
Wir sollten wieder einmal ein Fazit ziehen. Seit der Auswanderung
eines Teil der Menschen vor 70 000 bis 50 000 Jahren aus Afrika und dessen
Verbreitung über Eurasien und – bisher nicht besprochen –
wahrscheinlich über Amerika, hat sich das Genom, die Erbmasse, der Bauplan
dieser Menschen, nicht bedeutsam oder gar grundlegend geändert. Nach
unseren Kenntnissen entsprachen die klimatischen Bedingungen damals einer
Eiszeit mit Kälte und Wärmeperioden, - was für heute noch
zutrifft. Über die Fauna und Flora wissen wir etwas aus Höhlenmalereien
und paläontologischen Untersuchungen von Ausgrabungen. Was wir über
die Lebensweise des Menschen seit diesem Exodus wissen ist wenig und stammt aus
allerneuester Zeit.
Den Zeitraum dieser Betrachtung müssen wir etwas willkürlich
um 10 000 v. Chr. enden lassen. Bis dahin lebten die Menschen wahrscheinlich
unter primitiveren Verhältnissen als wir heute. Sie sollten jedoch nicht
als primitiv angesehen werden, nur weil wir keine Kenntnis darüber hatten,
was wir heute als Kultur bezeichnen. Genealogisch besteht sicher ein Kontinuum
von damals bis heute. Genetisch bedingte Varianten des Menschen ändern
nichts an seiner Zugehörigkeit zu einer Art. Und, so große Schritte
wir bisher in der Entwicklung des Lebens, und daraus fortgeführt in der
der Menschheit sahen, so klein werden sie jetzt in einer nachvollziehbaren
Geschichte werden. – allerdings nur relativ gesehen zur Dauer der
Erdzeitalter. Nachvollziehbar wird die Geschichte insofern, als immer mehr
Funde ihrer jeweiligen Kultur zutage treten, die Vergleiche ermöglichen,
was noch zu erklären ist.
Auch wenn wir heute, wie von Geologen erklärt wird, noch in
einer Eiszeit leben, war doch, für uns noch einigermaßen begrifflich
fassbar, die Eiszeit im historischen Sinn um 11 000 v. Chr. zu Ende. Es gab
seit damals einen von Kälteperioden unterbrochenen, insgesamt starken
Temperaturanstieg. Dass dieser weltweit gewesen sein muss, geht daraus hervor,
dass sich nach Abtauen von Landeismassen und Gebirgsgletschern, der
Meeresspiegel um bis zu 130 m gehoben hat. Es kam zu einem Vegetationswechsel.
Tundren und Steppen wurden wieder bewaldet. Und, dass zwangsläufig der
Mensch auf diesen Klimawechsel reagierte, Wanderungen mit Viehherden zunahmen,
eine Änderung der Fauna auftrat und mit ihr sich die Jagdgewohnheiten
ändern mussten, ja in der etwas späteren Jungsteinzeit ein
Sesshaftwerden mit Ackerbau eintrat, ist ein nahezu logischer Fortschritt in
der Menschheitsgeschichte.
Aber, zu der ständigen Enteisung der Landschaft kam etwas
hinzu: Offensichtlich gab es auch tektonische Ereignisse, die Landschaft und
Klima beeinflussten. Außer der kaum zurückliegenden
Vulkantätigkeit kam es zu Hebungen und Senkungen der Erdoberfläche,
oft in sehr umschriebenen Gebieten. Flussläufe änderten sich.
Landmassen, wie Teile der heutigen Niederlande, wurden überflutet oder zu Inseln. Die
Nordsee und der Ärmelkanal entstanden in ihrer heutigen Ausdehnung
endgültig erst um 6000 v. Chr. Die Anstiegsgeschwindigkeit des
Meeresspiegel betrug in diesen Gebiet mehr als 200 m pro Jahrhundert.
Diese
rasanten, freilich nicht an einem Menschenalter zu messenden geologischen
Veränderungen, gingen auch mit kulturellen einher. Aber so unterschiedlich
die regionalen geologischen Änderungen waren, so waren es auch die
kulturellen. Wir wollen nun nicht die einzelnen Abschnitte der mittleren und
jüngeren Steinzeit bei uns, etwa Linearband-, Strichband-, Schnurkeramiker
usw. abhandeln. Doch in diesen Zeiten wurden, freilich neben steinzeitlichen
Werkzeugen, um 7500 v. Chr. in Anatolien bereits Metalle gewonnen und
verarbeitet. Eine Kupferzeit begann in Mitteleuropa um 4300 v. Chr. Der
Gletschermann (die Bezeichnung Mumie ist mir zuwider) „Ötzi“,
der etwa um 3300 v. Chr. lebte, trug bereits ein Kupferbeil mit sich, neben
Steinzeitgerätschaft. Zu dieser Zeit hatten die Sumerer schon Städte,
eine Schrift, Rollsiegel, eine Sprache. 2000 Jahre bevor in Mitteleuropa die
frühe Bronzezeit (um 2300 v. Chr.) begann, entstanden die ersten
Herrscherdynastien in Ägypten, sowie eine Schrift. Als die
Spätbronzezeit, von der uns nur Waffen und sicher sehr künstlerische
Gerätschaften wie Kratere und riesige Kessel erhalten sind, bei uns um
1000 v. Chr. zu Ende war, war in Ägypten das „Neue Reich“, in
dem auch Ramses II herrschte, schon vorbei. Als bei uns um 750 v. Chr. die
Eisenzeit begann, wurde Rom gegründet. Wir wissen aus den
Gräberfunden von Hallstatt und denen aus der Latènezeit wohl
einiges über die Lebensart der damaligen Menschen, aber nichts über
ihre Sprache, über ihr Leben, soweit es nicht nur durch den Bergbau
bestimmt war. In der gesamten antiken Welt, einschließlich Ägyptens
und des Vorderen Orients, gab es längst außer Schrifttum und
Geschichtsschreibung, eine hohe Dichtkunst.
Um 2000
v. Chr. herrschte in China eine „Xia-Dynastie“.
Doch
wozu die ganze bisherige Aufzählung? Soll sie eine Wertung der Kulturen
oder gar eine Abwertung der mittel- und nordeuropäischen sein? Keineswegs.
Einmal ging es ja darum, dass die klimatischen und geologischen Gegebenheiten
einen direkten Einfluss auf die Entwicklung von Kulturen haben können. Zum
andern sagt das Fehlen von schriftlichen Zeugnissen nichts darüber aus ob
es eine Sprache gab und welche. Es soll nicht darüber spekuliert werden,
ob vielleicht nicht konservierbares Schreibmaterial verwendet wurde, weshalb
wir nichts finden. Wir finden eben nichts, außer in römischen
Quellen. Dass man sich in einem, wenn auch zunächst einzigen Mal, mit der
Kolossalmacht Roms messen konnte, zeigt die Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. Auch das wissen wir
aus römischen Quellen, wie wir noch mehr über uns durch Caesars
Bellum Gallicum und Tacitus’ De Germania wissen. Dass später die
Germanischen Stämme oder Völker, dem Römerreich den Garaus
machten, ist wieder eine andere Geschichte. Es wäre aber ein Unding die
Menschheitsgeschichte nur am Schicksal Germaniens oder des Römerreiches zu
sehen. Wir müssen, wenn wir mehr über unsere Geschichte, vielleicht
auch über unsere Zukunft, wissen wollen, die gesamte Antike, das
heißt die gesamte damals bekannte Welt, nicht nur Europa, in unsere
Untersuchung einbeziehen.
Damit
sind wir, die Menschen, in einer historischen Zeit angelangt, die nicht nur auf
archäologischen Funden basiert. Wir müssen nicht mehr aus einem
Knochen mit einem eingeritzten Rentier die Glaubenswelt nordischer Völker
deuten oder mit viel Fantasie rekonstruieren, oder aus dem Zahn eines
Opfertieres den Aufbau eines Tempels. Wir müssen nicht mehr vermuten
sondern können nachlesen, wie die Völker lebten, was sie an
Vorstellungen über ihr Dasein, über ihre Kultur hatten. Dass wir
Handlungsweisen, ja Kultur, aus heutiger Sicht, mit unserem Wissen, unseren
Vorstellungen, betrachten, ist verständlich. Noch vor zweihundert Jahren
wäre uns dies nicht möglich gewesen. Erst die Entzifferung der
ägyptischen Hieroglyphen und der assyrisch-babylonischen Keilschrift
erlaubte uns etwas autochthon zur Kenntnis zu nehmen und nicht allein auf
Herodot und die griechisch-römischen Schriftsteller zurückgreifen zu
müssen.
Wir
haben jetzt die Möglichkeit frühere Kulturen und die sie formenden
Menschen, unter Zugrundelegung der damaligen Kenntnisse zu verstehen. Dass wir
aber immer wieder auf unsere tierischen Vorfahren zurückkommen
müssen, liegt daran, dass trotz Kultur und Entwicklung – was nicht
Evolution heißt – die Naturgesetze immer noch und unverändert
gelten.
Was
soll das wieder heißen? Nun, es ist, seit wir von Kultur sprechen
können, nichts eingetreten, was die Naturgesetze widerlegt oder auch nur
fraglich gemacht hätte. Dass wir die Kenntnis dieser Naturgesetze haben,
ist nicht einer Gabe oder gar Gnade „von oben“ zu verdanken,
sondern beruht auf dem, was wir am besten als erworbenes Wissen bezeichnen. Es
waren Entdeckungen, im wahren Sinne des Wortes, die in der neuesten Zeit der
Menschheitsgeschichte, in der Einstein-Planck-Ära gemacht wurden. Aber sie
wären ohne das Wissen der Planck-Einstein-Vorgänger, der Physiker,
sogar aller Wissenschaftler vorher, selbst ohne das Wissen unserer menschlichen
Vorfahren insgesamt, nicht möglich gewesen.
Allerdings
hatten die früheren Generationen, seit der Zeit der Ägypter oder
Sumerer, diese Kenntnisse nicht. Jedoch wurden auch Erkenntnisse, wie etwa die
Keplerschen Gesetze, von beherrschenden Teilen der Menschheit nicht nur nicht
wahrgenommen sondern negiert oder bewusst ignoriert. Diesen Herrschenden, nicht
Einstein oder Planck und ihren wissenschaftlichen Vorgängern, ist der
Vorwurf zu machen, die Menschheit erstmals in ihrer Geschichte dahin gebracht
zu haben, ihren eigenen Lebensraum, die Erde zu vernichten.
Doch
sehen wir uns die Geschichte seit sie fassbar ist an: Kriege, Unterwerfung,
Vernichtung. Dieser Herrscher und jener Gott. Aber wie wird man Herrscher, wie
wird man Gott?
Der
erste Mensch, der sich zum Herrscher machte, war ein Schurke. Er war
allerdings, und wenn er nur eine Frau beherrschte oder eine Frau ihn, ein
Abhängiger seiner Gene. Er konnte nicht frei wählen wenn er einem
Tier oder einem anderen Menschen begegnete, ob er freundlich und gesellig sein
soll oder nicht, wenn er Hunger hatte. Das Tier, selbst der andere Mensch, sein
Nahrungskonkurrent, wurden Beute und getötet. Freilich konnte er sich auch
mit dem anderen Menschen arrangieren und mit ihm gemeinsam auf die Jagd gehen
und Beute machen. Wahrscheinlich taten sich mehrere zusammen und einer, der
Schurke und der Verschlagenste, vielleicht auch der körperlich
Kräftigste, machte den Anführer, den, der die Strategie bestimmte.
Es ist
nicht anzunehmen, dass die Zusammenrottung einzelner Individuen erst
mühsam erlernt werden musste. Wer lehrt einem Rudel Wölfe unter
Führung eines Leitwolfs, der auch eine Wölfin sein kann, ein Tier,
einen Elch, den kein einzelner Wolf erbeuten könnte, zu jagen? Gibt es
nicht eine Rangordnung, wer dann fressen darf? Und dann gibt es bei den
Menschen Herrscher, Fürsten, Könige, hervorgegangen aus
Kleinschurken, Anführern von Banden, die mit Mord, Brudermord, Bestechung,
Gewalt, zu dem wurden was sie waren. Adel. In allen so genannten Kulturen! Gab
es das schon bei den Tieren? Ach so, der König der Tiere, der Löwe.
Die Jagd auf Beute obliegt stets den Löwinnen. Allerdings hat dann der
Mähnenbewehrte das Recht als erster an der Beute zu fressen. Er frisst
auch die männlichen Nachkommen auf, nicht alle vielleicht, wenn sie ihm in
der Verbreitung seines Erbguts zu nahe kommen könnten.
Und was
machen die Beutetiere? Ob man das Instinkt – was eine angeborene
Handlungsweise, die kein Erlernen erfordert, ist – nennen soll,
weiß ich nicht. Aber wenn man einen Sardinenschwarm, der von Raubfischen
zur Beute ausgemacht wird, beobachtet, dann sieht man, dass in ihm die Sardinen
in einem immer enger und dichter werdendem Knäuel kreisen und kreisen, und
von immer in dieses Knäuel hineinstoßenden Räubern gefressen
werden, bis die letzte Sardine verschwunden ist. Ist dies ein organisierter
Opfertod oder hofft jede Sardine (ich weiß nicht ob Sardinen hoffen
können) es möge erst die andere gefressen werden?
Nun, es
gibt da die zweite, eher noch gefährlichere Art von Schurken, die
Priester. Sie erklären, dass und warum andere sterben müssen, warum der
Einzelne oder gar das Volk zum Opfer bestimmt sind. Aber wie wird man Priester,
Schamane oder selbst Medium eines Schamanen? Genetisch unterscheiden sich
Priester wohl kaum vom übrigen Volk. Sie können allenfalls, in der
Variationsbreite der möglichen individuellen Intelligenz (später wird
intensiv davon die Rede sein) einen winzigen Intelligenzvorsprung gehabt haben.
Sie waren schlauer, gerissener als der Durchschnitt des Volkes. Sie konnten
sich hinstellen und verkünden was sie in Gesichten, Träumen und
direkten Eingebungen ihrer Götter gerade hatten. Keiner der Nichtpriester
konnte ihnen beweisen, dass es nicht so sei. Und so gewannen die Priester
Macht, die über die von Königen hinaus ging, weil sie nicht nur das
jetzige Leben verwalteten, sondern auch das der schon Toten und der
künftighin Toten.
Gut,
dass die Handlungen und Verkündigungen der Schamanen und Priester, seit
Ururzeiten, vielleicht seit fast zwei Millionen Jahren, auf bloßer
Erfindung, nicht auf Wahrheit beruhten, konnte niemand widerlegen. Aber konnten
die Priester selbst das Gegenteil, auch nur vor sich, nämlich, dass es
einen Gott ihrer Darstellung und Verkündigung gab, beweisen?
Natürlich
wird man jetzt überlegen sagen: In religiösen und in Glaubensdingen
hat man nichts zu beweisen. Es ist bewiesen durch den Glauben. Stimmt. Dies ist
die Idiotie, die das Ende der Menschheit bedeutet. Aber kommen wir zu dem
Urschamanen zurück. Setzen wir ihn an ein Feuer und jetzt soll er
darüber nachdenken und es sagen, wie er zu seinem Gott kommt. Dazu, und
dies ist ganz wesentlich, braucht er nicht die Erkenntnisse, die der heutige
Mensch durch die Wissenschaft hat. Der Urschamane kann nur sagen, es ist so
weil ich es sage. Marduk war es, oder die große Weltschlange, oder die
Sonne, die es mir sagten. Und der Schamane wird immer mehr und Genaueres
wissen, was seinen Gott angeht, je länger er nachdenkt. Und, wenn er seine
Gedanken darüber anderen sagt, die dieses dann als Wahrheit glauben, ohne
nachzudenken, schließlich noch etwas dazu denken, haben wir eine
Religion. Dann können auch, im Namen der Religion, Schweinereien wie
Opfer, Mord, Verfolgung und Ächtung entstehen.
Wenn
ich von Schweinereien rede, muss ich mich bei dem armen Tier, dem Schwein
entschuldigen. Es ist genetisch, wie alle Säuger, nah mit dem Menschen
verwandt. Sein Gewebe, etwa von Leber Herz, Nieren, ist unter dem Mikroskop dem
des Menschen sehr ähnlich. Dass es ein Glied in unserer Nahrungskette ist,
akzeptieren nur Juden und Muslime nicht. Ich will und muss aber den Begriff
Schwein im Sinne eines Professor Galetti gebrauchen, der sagte: „Das
Schwein verdient seinen Namen zu Recht, denn es ist in der Tat ein sehr
unreinliches Tier“. Diese Aussage ist zwar falsch, aber ich will mit
Schwein sagen, dass ich etwas Abscheuungswürdiges damit verbinde und den
Begriff, auch bezogen auf Schamanen, Priester, Päpste und Herrscher jeder
Art, wenn es nach ihren Taten zutrifft, anwenden werde.
Die Religionen
Nun,
wir sind damit bei der Religion. Ich muss Singular, Religion, schreiben, weil
ich, nach all den Gesagten, keinen Grund zur Differenzierung sehe. Es
würde mir auch jeder Angehörige irgendeiner Religion zustimmen, wenn
ich alle andern, außer der seinen, für falsch erklärte. Er wird
dafür mehr als tausend Gründe haben. Die hat jeder. Es ist daher
müßig, jede Religion auf ihr Besser oder Schlechter, auf ihre
Glaubwürdigkeit oder gar Wahrheit hin, durchzudiskutieren. Wenn ich mich
später trotzdem mit einzelnen Religionen befasse, liegt dies daran, dass
diese oft die Kultur, die Lebensart und die Politik in Furcht erregender Weise
prägen. Zu den Religionen muss ich auch Ideologien zählen, die eine
Staatsform darstellen, die sich mit einem Absolutheitsanspruch dem Individuum
gegenüber gebärden, wie politisch mächtige Religionen.
Natürlich
wird man sagen: Wie kommt der (ich) dazu sich über die Religion
auszulassen? Welches Recht dazu hat er? Kann jemand, der nicht glaubt
überhaupt etwas von der Religion wissen. Haben wir dafür nicht
Gelehrte, Religionswissenschaftler und die Wissenschaft der Theologie? Nun,
letzteres ist keine Begründung sondern ein Irrtum. Etwas, was nur aus sich
selbst zu erklären ist, aber nicht mit objektiven Methoden
nachprüfbar und reproduzierbar ist, ist keine Wissenschaft. Man kann zwar
alles eine Wissenschaft nennen, was sich nach selbst gegebenen und verfassten
Gesetzen oder Schriften, die man als von Gott, Allah oder sonst wem eingegeben
definiert, aber das ist es wohl auch.
Nun
gut, wird man sagen, auch wenn es keinen Nachweis für die Richtigkeit des
Inhalts einer Religion gibt, wenigstens nicht mit unseren physikalischen
Mitteln und wenn man schon den Glauben nicht als Gottes- oder sonstigen Beweis
anerkennen will, muss man deshalb jede Religion ablehnen oder gar verdammen?
Der Mensch braucht eine Religion! Das hat zwar Tucholsky schon so geschrieben,
aber ist es nicht richtig so? „Hat Gott oder haben die Götter
– verdammt, jetzt sind es schon mehrere, was ja umso mehr Gewicht
bedeutet – den Menschen nicht die Religion gegeben, um in Frieden leben
zu können? Und wenn die Menschen bei diesem Schaffungs- nicht
Schöpfungsprozess ein wenig mitgeholfen haben, was soll es? Die Menschen
wollen Trost und Frieden.“
Wenn
ich jede Religion, aber auch jede, für eine menschliche Erfindung halte,
muss ich wohl auch einen menschlichen Irrtum korrigieren, nämlich den,
dass es auch friedliche oder friedliebende Religionen gibt.
Selbst
der Buddhismus, von dem allgemein angenommen wird, dass er friedlich und
gewaltlos sei, hat sich durch Kriege, die oft weltliche Herrscher in seinem Namen
führten, ausgebreitet. Dies war nach den Lehren des Buddhismus sogar
legitim, da die Gewaltlosigkeit nur für den einzelnen Menschen nicht aber
für Staaten und Völker gefordert wurde. Auch wenn Siddhartha Gautama,
etwa um 563 v. Chr. geboren, gesagt haben soll weder ein Gott zu sein noch im
Auftrag eines Gottes zu handeln, sondern seine Lehren nur durch eigene
Meditation gefunden zu haben, wurde seine Lehre zur Religion mit Gesetzen und
Strafen. Bald nach seinem Tod wurden Konzile einberufen, die die Reinheit und
Gültigkeit der Lehre festlegten. Dann wurden von verschiedenen
Gruppierungen, die sich gebildet hatten, Kriege gegen Häretiker bis zur
Zerstörung ihrer Klöster und Kriege um Reliquien geführt. Im 9.
Jahrhundert n. Chr. wurde die Tendai-Sekte in Japan wegen ihrer
Glaubensabweichung mit Krieg überzogen Letztlich halten gewaltsame
Auseinandersetzunge um die Rechtmäßigkeit der jeweils vertretenen
Lehre unter einzelnen Gruppierungen des Buddhismus bis heute an. Und
schließlich gab und gibt es die innere Bedrohung für den Menschen,
durch Nichtbefolgung der Lehren, in den ewigen Kreislauf von Geburt und
Wiedergeburt kommen zu müssen.
Man
wird über den Buddhismus, auch wenn er die viertgrößte
Religionsgemeinschaft der Erde darstellt und hauptsächlich in Asien
verbreitet ist, nicht weiter diskutieren müssen. Auf welche Weise auch
immer die Welt geschaffen wurde und von wem, nach buddhistischer
Überlieferung, ist irrelevant. Nach unserem heutigen Wissen um die
Naturgesetze kann alles nur einem Mythos entsprechen. So ist der Buddhismus
Religion, ob er sich auf einen personifizierten Gott zurückführt oder
nicht. Auch die Masse an Menschen, die ihm anhängen, einschließlich
der neuen, schwärmerischen „Erwachten“ in der westlichen Welt,
kann nicht als Wahrheitsbeweis, in welchem Sinn auch immer, angesehen werden.
Im Gegenteil: Keiner der heutigen Buddhisten, ob tibetischer Mönch und
Lama, ob Zen Anhänger in Japan, wird der Meinung sein, dass man wegen
neuer, naturwissenschaftlicher Erkenntnisse eine Änderung im Glauben, der
Lebensweise, der Sicht der Lehren der Weisen, vornehmen muss. Dass dies kein
Anhänger einer Religion tut, ist eben der Beweis, dass es keinen gibt.
Damit meine ich große Strömungen oder Varianten dieser Religion und
letztlich aller, für die einzeln zutrifft, was man über den
Buddhismus aussagen muss – Denen, die meinen: „Da muss doch etwas
dran sein“, wünsche ich eine fröhliche Wiedergeburt. Als was?
Wenn
ich den Hinduismus noch vor Christentum und Islam anführen will, dann
nicht, weil er noch mehr Anhänger hat als der Buddhismus. Mit diesem hat
er vieles gemein, besonders die Lehre von der Wiedergeburt. Er grenzt sich aber
vom Buddhismus selbst ab, obwohl in der Verfassung des heutigen Indiens unter
Hinduismus auch weitere Religionen wie der Buddhismus, der Jainismus und der Sikhismus verstanden werden. Je
nach Betrachtungsweise ist der Hinduismus eine alte Religion, wenn man von den
um angeblich um 1500 v. Chr. entstandenen Veden,, heiligen Schriften, ausgeht
oder eine neue, die im 19. Jahrhundert n. Chr. entstand. Die Datierungen sind
hier so unsicher wie die Definition dieser Religion. Es gibt sehr viele
Untergruppen im Hinduismus. Mehrheitlich polytheistischen , also vielen
Göttern anhängenden, stehen einige monotheistische gegenüber.
Allen gemeinsam ist ein Kastenwesen, das zwar von der Indischen
Zentralregierung abgeschafft ist, dennoch aber stärksten Einfluss auf
Lebensweise, Status in der Bevölkerung und im beruflichen Fortkommen hat.
Im heutigen Staat Indien steht einer sehr kleinen, äußerst reichen
Oberschicht eine ungeheuere, nach vielen Millionen zählende,
äußerst arme Unterschicht gegenüber. Doch die Religion selbst,
der Hinduismus generell, ist die Legitimation für diesen ungeheuerlichen
Zustand: Man ist hineingeboren, dann ist es eben so. Nur für das Rindvieh
ist es ist ein gewisses Glück, dass nahezu alle Gruppen der Hindus den
Verzehr von Rindfleisch ablehnen. Ausgleichende Gerechtigkeit für die Ablehnung
von Schweinefleisch im Islam?
Für
den Hinduismus gilt, wie für die anderen Religionen auch, dass er
menschlicher Fantasie entsprungen ist. Er ist politisch, kriegerisch, in erster
Linie gegen andere Religionen, insbesondere gegen den Islam, der sich ja sehr
frühzeitig vom Vorderen Orient aus über Indien ausgebreitet hat. Die
Propagierung der Gewaltlosigkeit bei der Befreiung von der britischen
Oberherrschaft auf diesem Subkontinent im vergangenen Jahrhundert, insbesondere
durch Mahatma Gandhi, war weit eher eine politisch kluge Entscheidung als eine
religiös motivierte Vorgehensweise.
Wenn
ich China mit seinen Religionen, neben Buddhismus und Hinduismus gesondert
erwähne, dann nicht wegen der Masse an Menschen, die dort, im Reich der Mitte,
irgendeinem Glauben anhängen. Vielmehr ist es der Umstand, dass von den
vielen Richtungen einer „Chinesischen Religion“ ein starker
kultureller Einfluss auf die westliche Welt ausgeübt wird. Dabei geht
heutzutage und seit Beginn des 20. Jahrhunderts der Einfluss nicht von China
aus, sondern ist in der westlichen Welt selbst, in esoterisch-mystischen
Kreisen, zu suchen, die ihre Lebensart, auch ihre Medizin, um nur ein Beispiel
zu nennen, aus alten chinesischen Überlieferungen und Lehren herleiten.
Natürlich
gab es schon frühere Kontakte seitens der westlichen Welt zu China.
Abgesehen von den Berichten, die Marco Polo zugeschrieben werden, und die der
Welt den ungeheuer wichtigen Streit, ob die Nudel in China oder in Italien
erfunden wurde, bescherte, versuchten bereits Mitte des 17. Jahrhunderts
Jesuiten ihren Glauben in China zu verbreiten. Der Erfolg war sehr
mäßig.
Was
China selbst betrifft beginnen die etwas sichereren Überlieferungen mit
seinem Altertum, um 2000 v. Chr. Damals soll bereits eine Herrscherdynastie
bestanden haben, was durch archäologische Befunde gestützt wird.
Schriftliche Zeugnisse hat man davon nicht. Es muss aber ein organisiertes
Gemeinwesen, welcher Ausdehnung und Macht auch immer, bereits gegeben haben.
Dass damals auch eine Art Religion mit Priestern bestand, gilt als sicher.
Schamanen, also Zauberpriester, pflegten den Ahnenkult und eine gewisse
Naturverehrung.
Genaueres
wissen wir seit schriftliche Überlieferungen ab spätestens 1500 v.
Chr. dem Beginn der Shang-Dynastie, vorhanden sind. Um 500 v. Chr. entstand der
Konfuzianismus, den man heute noch als bestimmend in der chinesischen Kultur
sieht. Auch der Daoismus, von Laotse, gegründet, entstand damals. Er hatte
vieles von den Lehren seiner Vorläufer übernommen wie Atemtechniken
zur Erzielung von Langlebigkeit oder gar Unsterblichkeit. Der Buddhismus, der
sich von Indien aus über China verbreitete, wurde weitgehend den
herrschenden chinesischen Glaubensvorstellungen angepasst.
Einen
Götterglauben gab es wohl schon zu Zeiten der Shang-Dynastie. Die
Könige des damaligen Reiches hielten sich für die Vertreter eines
Gottes auf Erden und hatten damit sowohl die größte weltliche als
auch geistige Macht. Auch wenn sie, was sie ja in ihrer Familientradition sehen
konnten, nicht unsterblich waren, so glaubten sie doch an ein Leben nach dem
Tod. Dies zeigte sich in den Grabbeigaben, die unter vielem Gerät auch
hunderte von Sklaven enthielten, die ganz offensichtlich lebendig begraben
worden waren. Auch im Ägypten der damaligen Zeit, hat man ja ähnliche
Gebräuche bei der Bestattung der Pharaonen gehabt, wenn auch in
zahlenmäßig etwas kleinerem Maße.
Die
Schamanen, die ursprünglichsten Priester der chinesischen Religionen, sind
dies über alle Dynastien hinweg, bis heute geblieben. Ihr Metier waren
Zukunftsvorhersagen mittels Astrologie, magischer Kulte,
Dämonenaustreibung (Exorzismus) und medizinischer Rituale. Wenn man
glaubt, dies könnte es auch in unserer westlichen Zivilisation geben, irrt
man nicht. Es ist so.
Die
Annahme, mit dem Einzug des Kommunismus anfangs des 20. Jahrhunderts sei in
China eine neue, beherrschende Lehre entstanden, trifft allenfalls für
einen sehr kurzen Zeitraum zu. Während der Kulturrevolution von 1966 bis
1976 wurde zwar auf Anweisung Mao tse Tungs (Mao Zedong nach derzeit vermutet
richtiger Schreibweise) und der Partei eine radikale Abkehr von der
traditionellen Kultur vollzogen, was mit ungeheueren
Umerziehungsmaßnahmen und auch Toten einher ging. Aber schon unter dem
Nachfolger Maos, Deng Xiao Ping erfolgte eine gewisse Liberalisierung, die zur
vorsichtigen und teilweisen Rückkehr zu den alten Traditionen führte.
Es kam zur Duldung letztlich aller Religionen in China, soweit diese nicht den
Führungsanspruch, das Priorat der Partei, anzweifelten. Selbst katholische
Bischöfe, wenn sie aus China waren und nicht vom Vatikan ernannt wurden,
konnten unter den Bedingungen der Partei existieren.
Es
wäre nun wieder müßig, eine Diskussion über Wahrheiten und
Teilwahrheiten dieser Religionen in China sowie den anderen Ländern
Ostasiens wie Japan, Korea, der Mongolei anzustellen. Natürlich sind sie
untereinander in vielen Bräuchen, mystischen Grundlagen und geistigen,
selbstverfassten Lehren verschieden, doch ist jede eine menschliche, mehr oder
weniger alte Erfindung.
Wenn
ich zu den so genannten monotheistischen Religionen komme, möchte ich
daran erinnern, dass die Erde, dieser Planet, vor etwa viereinhalb Milliarden
Jahren, mit dem Sonnensystem letztlich aus einer Gaswolke des Universums
entstand. Es bildeten sich aus Elementen, die in Sternen erbrütet waren,
anorganische und organische chemische Verbindungen und über die
Verbindung, das Riesenmolekül DNA, Organismen, letztlich bis zur heutigen
Pflanzen- und Tierwelt, ja bis zum Menschen.
Man
muss dies nicht glauben. Es lässt sich nachvollziehen, nachrechnen und
experimentell beweisen. Kein Gott ist dazu notwendig. Es gibt ihn nicht. Es
gibt keinen Schöpfer.
Nun ist
das wohl das Schwerste, was sich der Mensch vorstellen kann, vor allem, weil
sich damit die bewusste Erschaffung seiner selbst und seiner Bedeutung in
nichts auflöst. Nur Teil einer Evolution zu sein, wenn auch der, der
erstmals im Stande ist die Erde, besser das Leben auf ihr, wieder zu
vernichten, scheint unerträglich. Für die meisten Menschen zumindest
trifft dies zu.
Der
Mensch konstruiert sich daher ein Escapephänomen, das ihm, sobald er nur
den Hauch geistiger Tätigkeit im kindlichen Gehirn spüren lässt,
quasi „mit der Muttermilch“ eingeflößt wird. Es sind
dies die Begriffe von Gott, von Glaube, Seele, Sünde und Vergebung, und,
wenn es wenig ist, dann doch mindestens „das darf man nicht.“
Lauter Ungeheuerlichkeiten. Aber ich will, keineswegs sine ira et studio,
zunächst historisch vorgehen.
„Im
Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. So beginnt das Buch der Juden und
ihrer Nachfolger, der Christen. Letztlich wieder deren Nachfolger, der Islam
ließ die Welt auch in sechs Tagen von Gott, Allah, erschaffen. Dies ist
keineswegs der älteste bekannte Schöpfungsmythos, wohl aber der am
meisten verbreitete. Dass er nicht der älteste bekannte ist, ist
zweitrangig, da sämtliche Mythen gleichwertig sind, eben Mythen.
Wie alt
der biblische Schöpfungsmythos tatsächlich ist, lässt sich nach
meinem Ermessen nicht sagen. Nur die genealogische Aufzählung im Neuen
Testament, von Adam und Eva bis zu Christi Geburt ist kein auch nur
ungefährer Zeitmaßstab. Auf dieser Grundlage hat schon im 19.
Jahrhundert ein Pietist das Alter der Erde bestimmt, was man aber als
verzeihliche Absurdität ansehen kann. Zeitlich sicher sind in der Bibel
die historischen Daten, das Volk Israel betreffend, anzusehen, da es dazu
außerbiblische Quellen zur Bestätigung gibt. Insbesondere die
Geschichtsschreibung der Ägypter bestätigt Krieg mit den Israeliten,
deren Gefangenschaft und Rückkehr „ins gelobte Land“. Auch die
Babylonische Gefangenschaft lässt sich nachvollziehen. Die Könige
David und Salomon, der Tempelbau in Jerusalem, die Beziehungen zur Königin
von Saba, sind, wohl etwas mit Legenden durchwoben, historische Fakten.
Naturkatastrophen wie die Ägyptischen Plagen, Dürren, ja letztlich
die Sintflut, wurden entweder aus eigener Erfahrung oder aus einer
Überlieferung auf unbekanntem Wege, als solche geschildert und sind wohl
keine zurechtgezimmerte Erfindung.
Gerade letzteres
aber, die Sintflut, dazu Naturkatastrophen und historische Ereignisse, sind
Anlass für eine heutige, trotzige, so genannte Forschung, die sagt:
„Und die Bibel hat doch Recht!“ Dabei würde es niemandem
einfallen naturwissenschaftliche, geographische oder geologische Erkenntnisse
oder Forschung in einen Gegensatz zu Aussagen der Bibel zu stellen, zumal sie
nachvollzogen, ja bestätigt werden können. Selbst Mythen, wie eine
dreitägige Verfinsterung der Sonne und der Riss des Vorhangs im Tempel von
Jerusalem, beim Tod Christi, wird man als solche, Mythen, nehmen können
uns muss nicht versuchen sie unbedingt wissenschaftlich zu erklären. Es
nimmt auch niemand an, dass germanische Mythen, die Sonne werde im Winter von
einem Untier verschluckt und komme erst im Frühjahr wieder, idiotisch und
falsch seien, nur weil es vielleicht kein solches Untier gibt.
Nun
wird aber heute, und man darf ruhig sagen von böswillig Unwissenden, der
Schluss gezogen: Wenn die Bibel also doch Recht hat, was sich aus den Berichten
über Sintflut usw. zeigt, dann ist auch alles andere richtig und wahr,
nämlich die Schöpfung der Welt durch Gott, die religiösen
Vorschriften, die Prophezeiungen im Alten Testament, ja schließlich die
Religion der Juden und Christen bis heute.
Es
wäre jedoch ein Aberwitz zu sagen: Weil wir aufgrund neuzeitlicher
Forschung andere Erkenntnisse haben, können wir über die
Überlieferung und die Vorstellungen der Alten nur lachen und sagen,
verbrennt die Bibel und alles was mit Religion zu tun hat. Dann wären wir
wieder Religion. Aber, und das kann keineswegs eine wohlwollende Gnade
unsererseits sein, wenn wir den Alten – darunter verstehe ich alle
Angehörigen der früheren, zum Teil auch der jetzigen Völker
– wenigstens zugestehen, dass sie gar nicht anders handeln und glauben
konnten. Dies ist den Jetzigen gegenüber, die sich dem traditionellen
Glauben verpflichtet fühlen, kein Eingeständnis, kein „also
doch“, im Sinne der Wahrheit des früheren Glaubens.
Natürlich
haben ihre Priester, hat Moses, ihnen Gesetze gegeben, um das Volk zusammen zu
halten, um es vor kulturellen, wirtschaftlichen, die Eigenständigkeit
bedrohenden Einflüssen zu schützen. Und dies war kein Betrug am Volk,
ob nun Moses im Dornbusch Gott geschaut hat oder nicht, ob dieser ihm die
Gesetzestafeln mal so rüber geschoben hat oder nicht. Ob Moses, oder wer
auch immer, die Zehn Gebote wohlüberlegt so formuliert oder in einem,
vielleicht von ihm selber so empfundenen, Trancezustand gesagt bekam, ist
irrelevant. Dass ein Gott, ob rauschebärtig oder als abstraktes Wesen zur
Rechtfertigung und zur Verbindlichkeit der Gesetze herhalten musste, ist wohl
zu ihrer Akzeptanz eine Notwendigkeit gewesen.
Und war
die Religion des Volkes Israel nicht den gleichen Einflüssen von
außen ausgesetzt wie die der Babylonier und Assyrer – auf Tontafeln
in Keilschrift niedergeschrieben? Gab es nicht einen Tanz ums Goldene Kalb,
keine Baalpriester? Aber darin wird der Urgrund jeder Religion sichtbar: Die
Abgrenzung gegenüber Anderen, zur Erhaltung der eigenen Macht. Dies gilt
für Priester und weltliche Herrscher. Denn, wenn es keine Abgrenzung gegen
anders Denkende gäbe und man sagen könnte: „Ihr habt auch
Recht“, wäre der eigene Rechtsanspruch, die Durchsetzung der eigenen
Macht hinfällig. Wir werden später nochmals darauf zurück kommen
müssen.
Auch
der eigentliche Schöpfungsbericht in der Bibel, wonach Gott die Welt in
sechs Tagen erschaffen hat, ist für frühe Völker und Religionen
– da diese Art des Schöpfungsberichts nicht auf die Bibel
beschränkt ist – unter der Annahme eines Allmächtigen durchaus
verständlich. Unsinnig sind selbstredend Rettungsversuche für den
Wahrheitsgehalt des Schöpfungsberichts durch heutige Gläubige, unter
dem Bibelhinweis, dass vor Gott tausend Jahre wie ein Tag seien. Und wären
es Millionen Jahre für einen Tag, wäre es ebenso sinnlos. Und das
meist gewundene Zugeständnis der Geistlichkeit, dass dies doch nur
Metaphern zum Verständnis für das einfache Volk seien, ist
argumentativ ebenso schwach wie die mit Absolutheitsanspruch vorgetragene These,
dass Gott und alles was mit ihm zu tun hat, keines Beweises bedarf. Gewiss,
nichts kann man nicht beweisen. Auch darauf werden wir später nochmals
zurück kommen müssen.
Wenn
ich nun sage, dass die Priester Israels und aller anderen Religionen alle ihre
Handlungen, seien es Rituale oder gesprochene Anweisungen an das Volk, an die
Laien – schon diese Bezeichnung und, was man darunter zu verstehen hat,
Laie, entspricht einem überheblichen Abgrenzungsanspruch – nur zur
Erhaltung ihrer Macht gebrauchten, dann gilt dies bereits für die ersten
dieser Kaste. Einmal hätten auch sie bedenken können, was wäre,
wenn sie das was sie sagen nicht glauben. Hätte sie Gott, welcher auch
immer, bestraft? Nein, ganz gewiss nicht, so lange sie dies nicht anderen
gesagt hätten. Dann erst nämlich hätte sie Gott, und wäre
es durch die Hände anderer Menschen gewesen, bestraft.
Aber
Priester aller Religionen, haben aus ihrem übergeordneten Werkzeug
weitere, zur besseren Handhabung von Macht und Religion, erdacht. Dies sind die
schon genannten Begriffe von Gott selbst natürlich, von Glaube, Seele,
Sünde und Vergebung. Nun über einen Gott ist an dieser Stelle nicht
zu diskutieren. Aber was ist der Glaube? Gibt es einen Glauben, wenn es den
christlichen, den katholischen, den protestantischen – im Gegensatz zum
vorigen -, den mosaischen, wie er im Pass eines Deutschen im Kaiserreich
genannt wurde, einen buddhistischen, einen mohammedanischen? Und jeder richtig,
oder der richtige?
Glaube
ist nie etwas, was ein Mensch aus sich selbst und für sich selbst finden
kann. Er muss immer einen Vergleich zu einem anderen Glauben haben und
beschließen, dass dies aber für ihn nicht zutreffen kann. Also muss
ihm ein Glaube erst gelehrt werden. Natürliche Furcht oder Angst hat daher
mit Glaube nichts zu tun. Wenn sich ein Mensch, der ohne jeden Kontakt zur
Zivilisation aufgewachsen ist – was es kaum gibt – vor dem Blitz
oder dem Donner fürchtet, dann, weil er entweder damit eine schlechte
Erfahrung gemacht hat oder dieses Phänomens nicht deuten kann. Erst wenn
man ihm sagt, dass dies eine Bedeutung zu seinem Leben hat, was für keinen
Blitz zutrifft, wird er das Phänomen mit einer höheren Macht, die ihn
beherrscht, verbinden. Natürlich muss es irgendwann einen
„Schlaumeier“ gegeben haben, der sich etwas ersann, was der Blitz
sein könnte und wie er damit seinen Nachbarn etwas zügeln
könnte. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts musste ich mit
einigen Psychologen zusammenarbeiten. Einer davon brachte seine kleinen Kinder
mit der Drohung das Gewitter zu holen, zum angstvollen Schreien und zum
Kuschen.
Gewiss
kann man jetzt sagen, dass dies primitiv sei, kindliche Angst, missbraucht
durch einen nicht sehr klugen Psychologen, zum Beispiel für die Entstehung
oder die Macht des Glaubens, anzuführen. Man wird gleich hunderte Zeugen,
die im Glauben Trost fanden, die nur dadurch überleben oder ihren Tod
ertragen konnten, anführen. Gemach, ich werde noch darauf zurück
kommen. Aber, ist der Glaube, „der höher ist als alle unsere
Vernunft“ nicht etwas, was eben der Vernunft und jeder
naturwissenschaftlichen Erkenntnis zuwider läuft? Warum gibt es, in jeder
Religion, ein Glaubensbekenntnis, das rituell hergesagt werden muss? Und
heißt es nicht im christlichen Glaubensbekenntnis, im katholischen Credo,
„geboren aus Maria der Jungfrau“? Das konnte man zur Zeit um
Christi Geburt vielleicht so sehen, vielleicht auch etwas später noch.
Aber, so wird das Glaubensbekenntnis heute noch gesprochen. Joachim Fest, ein
Historiker und so etwas wie Journalist, der eine hervorragende Hitlerbiografie
schrieb, hat in diesem Jahrhundert noch fest an die unbefleckte Empfängnis
Marias geglaubt. Er hat geglaubt.
Wenn
wir beim Credo bleiben und von der Dreifaltigkeit oder der Dreieinigkeit Gottes
hören müssen, müssen wir das glauben. Dass Gott den Menschen
schuf, auf zweierlei Weise sogar, um sicher zu gehen, falls ein Versuch
misslingt, also einmal aus Lehm, wie er schon die Tiere gemacht hat, dann, die
Frau wenigstens aus einer Rippe. Also, man soll da nicht so pingelig sein. Verstehen,
außer mit rabulistischen Verdrehungsversuchen eines Priesters,
können wir das auch nicht. Können wir nie. Aber dazu hat man den
Glauben auch nicht! So wenig wie man ihn für die Auferstehung und den
Heiligen Geist hat. Eben. Insgesamt wird man also sagen müssen, dass man
beim Nachbeten des Credo genau das sagen muss, was jeder Erkenntnis, und hier
darf man getrost sagen, jeder Wahrheit, zuwider läuft.
Doch
wozu dieses Ereifern? Das ist eben der Glaube, der christliche, das Fundament
unserer Kultur. Und es ist auch der Glaube der Väter, für die Juden.
Aber auch für diese ist der Glaube Erfindung. Auch wenn er das Volk
zusammengehalten hat, ob in der Diaspora oder wo immer. Ohne den Glauben
gäbe es das Volk Israel nicht mehr. Gewiss, das ist richtig. Doch
hätten die Juden an Baal geglaubt, dies mit der gleichen Inbrunst, mit dem
gleichen Ritual vertreten, gäbe es das Volk Israel immer noch. Das ist
keine Schmälerung der Jüdischen Religion und, was ich wohl nicht
beweisen muss, kein Antisemitismus, sondern eine Überlegung, die sich aus
den Naturgesetzen herleitet, die für alles in der Welt, auch im Weltall,
gelten.
Von
einem historischen Standpunkt aus gesehen, findet die Jüdische Religion,
ihre unmittelbare Fortsetzung im Christentum. Eine Fortsetzung des Judentums im
Christentum zur Zeit von Christi Geburt, ist unstreitig. Jesus, eine wohl
historische Gestalt, dessen Leben bis zu seinem Tod durch die Kreuzigung
durchaus nachvollziehbar in den Evangelien überliefert ist, hat sich kaum
für etwas anderes als einen Juden gehalten. Es waren erst seine Adepten,
seine Jünger, die seine Geschichte später niederschrieben, vor allem,
sie interpretierten. Aber doch die Verse des Alten und des Neuen Testaments,
mit Psalmen und hohem dichterischen, moralischen Pathos, ja die Worte Jesu:
Sind sie nicht ein Zeugnis, über die Historie hinaus, für den
Glauben, die Wahrheit. Wirklich? War Jesus denn wirklich Jude, was im gesamten
Christentum verneint wird und was vielen peinlich wäre?
Auch
wenn ich später erst zur Sünde komme, kann ich sagen: Jesus war Jude,
ganz im Sinn wie es heute noch im Orient ist. Hat man schon einmal über
einen der am häufigsten zitierten Verse aus den Neuen Testament
nachgedacht, als es um die Steinigung der Ehebrecherin ging? „Wer von
Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein? Jesus war also keineswegs
gegen die Steinigung einer Frau. Es fragte sich nur durch wen. Dass die Chance
einen Menschen ohne Sünde zu finden – Sünde nach damaliger und
heutiger Auffassung – gering war, ändert nichts an der Tatsache der
Anerkennung des Rechts, eine Frau steinigen zu dürfen. Das ist nicht
göttlich sondern entspricht menschlicher Vorstellung vom Recht der gerade
nicht direkt Betroffenen.
Aber
haben die Jünger, die Apostel, um zum Neuen Testament zurückzukommen,
etwas anderes gesagt, als man es in anderen Religionen schon kannte? Die
Jungfernzeugung, also die unbefleckte Empfängnis, ein dreieiniger Gott,
den es in andern Religionen auch gibt. Der Vater im Himmel für Christus,
seinen Sohn? Die Wunder Christi, einschließlich der Wiedererweckung der
Toten? Läppische Wunderchen, wie Wasser in Wein verwandeln, auf dem Wasser
gehen, die Speisung von Fünftausend, waren und sind doch willkommenster
Anlass für geschraubte Erklärungsversuche, im Sinne von „die Bibel
hat doch Recht“. Schließlich die Auferstehung, die in nahezu keiner
Religion nicht vorkommt! Immer ist irgendein Gott, nachdem ihn das Böse
auf irgendeine Weise umgebracht hat, wieder auferstanden, ob Germane oder
Assyrer oder Ägypter.
Nun, es
geht bei diesen Überlegungen nicht darum: Seht, Ihr habt gar nicht Recht,
könnt nie Recht haben. Ihr solltet dieses oder jenes glauben. Keineswegs.
Es geht darum, mit dem Glauben, und zwar mit jedem, die Rechtfertigung für
Unheil, Vergewaltigung, Demütigung und gewaltsamen Tod der Menschen, zu
begründen. Ich sage nicht den Glauben dazu zu missbrauchen, denn dann
gäbe es einen guten, wahren Glauben, unter dem dies alles nicht absegnet wird.
Aus dem
Glauben leiten sich aber noch weitere furchtbare Begriffe her: Die Seele, die
Sünde und die Vergebung. Heben wir uns zunächst die Seele für
später auf und fragen: was ist Sünde und warum ist etwas Sünde?
Nun,
ohne den Glauben gäbe es gar keine Sünde. Denn, Sünde ist doch
immer nur ein Verstoß gegen eine festgesetzte Norm, gegen ein Gebot, das
man ja glauben muss, auch wenn es gegen Logik und Erkenntnis
verstößt. Wenn ich ein Schwein schlachte und das Fleisch esse, weil
ich leben muss, weil ich einen Eiweißbedarf habe und das Schwein gerade
zu diesem Zweck, geschlachtet zu werden, gemästet wurde, so ist dies keine
Sünde. Wenn ich aber Jude bin oder Moslem, dann darf ich das nicht. Dann
ist Schweinfleisch zu essen eine Sünde, die mich, unter welchen
Bedingungen auch immer, das ewige Leben kosten kann.
Wenn
ich Ehebruch begehe, ist dies eine Sünde und ich kann dafür bestraft
werden, wie es dem unkeuschen Hirtenjungen, der mit einer Schäferin
unverheiratet Geschlechtsverkehr hatte und deshalb zu Tode geprügelt wurde
(Marie von Ebner-Eschenbach: „Er lasst die Hand küssen“),
erging. Dies war und ist Sünde, was der Hirtenjunge beging. Wenn ich der
heilig gesprochene Karl der Große bin, weder lesen noch schreiben kann,
Frau und viele Kebsweiber habe und Kinder mit ihnen, dann ist dies keine
Sünde. Für Kaiser Maximilian I, den letzten Ritter, und den ganzen
ihn umgebenden Klerus, waren die 16 unehelichen Söhne, für welche die
Rentkammer zahlen musste, auch keine Sünde. Wir wollen nicht von
Päpsten reden, weil dies noch kommt. Sünde ist also eine Auslegungssache
und es kommt darauf an, wer sie begeht. Quod licet Jovi non licet bovi. Was dem
Jupiter erlaubt ist, ist dem Rindvieh (noch lange) nicht erlaubt. Haha, Jupiter
war doch ein heidnischer Gott, also gab es ihn nicht. Es gab ihn so gut wie es
einen Gott gibt. Aber ganz allgemein darf ich am Freitag kein Fleisch essen,
nicht an der Jungfrau Maria zweifeln, den Heiligen Geist weder anzweifeln noch
beleidigen, meinen sexuellen Gelüsten nicht nachkommen, außer es ist
eheliche Pflicht und dient der Fortpflanzung, dann ist es etwas anderes: und
was man noch so alles machen kann.
Es ist
klar, dass die konstruierte Sünde ein Machtmittel zur Unterdrückung
der Menschen ist. Die Sünde wird dazu von der Priesterschaft, egal in
welcher Religion, auch kategorisiert. Es gibt, lässliche Sünden,
Sünden und Todsünden. Je nach weltlicher Macht der Geistlichkeit,
wird die Sünde vergeben oder bestraft, was bei gedanklichen Abweichungen
von einem vorgeschriebenen Glauben mit dem Tod, etwa bei Ketzern, bis zur
gnädigen Vergebung bei königlichen Vater- und Brudermördern
geht.
Nachdem
man, in allen der so genannten monotheistischen Religionen, dem Menschen
beigebracht hat was Sünde ist, ihm, wenn er glaubt, ein schlechtes
Gewissen eingepflanzt hat, wird man ihn auch strafen, läutern oder
entsühnen können. Ab einer gewissen Schwere der Sünde und je
nach weltlicher Macht, wie schon gesagt, ist – nur weil heute die Macht
fehlt, will ich nicht von war reden – ein Autodafe das Mittel, um einen
Missetäter oder Missgläubigen derart zu bestrafen, dass er keinerlei
Gnade des ansonsten doch so gnädigen Gottes mehr anheim fällt. Er
wird verbrannt, mitsamt seiner Seele (kommt noch) und mit allem Fleisch, weil
ja nur begrabenes, also erhaltenes Fleisch, am Jüngsten Tag wieder
auferstehen kann. Das ist Rache, weit, weit über den Tod hinaus.
Christlich. Wenn man heute gebissknirschend die Verbrennung eines an sich
vielleicht Gläubigen mal so dahingehen lässt und keinen Segen
verweigert, dann ist dies ja ein immenser Fortschritt in Richtung Aufklärung.
Nun, Sünde kann also auch keine sein und vor allem, sie kann vergeben
werden. Ja natürlich nur von geweihten Priestern. Je nach Ansehen der
Person, wie etwa beim schon genannten königlichen Vater- oder Brudermord,
kann gegen einen entsprechenden Obolus, und sei es nur Geld, Land oder
einträglicher Machtzuwachs als Sühne, die Sünde vergeben werden.
Die Reue natürlich, nicht zu vergessen, ist ebenfalls, seitens des
Sünders, notwendig. Damit hat man, wenigstens im christlichen Mittelalter
und noch später, den Delinquenten, Täter, Mörder (Sünder
gehört in den Zuständigkeitsbereich der Kirche) der weltlichen
Gerichtsbarkeit entzogen. Daran erkennt man aber die göttliche Macht des
Glaubens, der Kirche, die über jeder weltlicher steht. Man stelle sich
vor: Weil der Vater ihm sein späteres Erbe nicht vorzeitig auszahlen
wollte und der Sohn ihn deshalb erschlug, steht der Vatermörder vor einem
weltlichen Gericht. Da sagt er dann: „das ist mir aber jetzt peinlich,
ich bereue es auch. Soll nicht wieder vorkommen.“ Da wird das Gericht sicher
sagen: ist ja gut, wenn du es nur einsiehst. Oder nicht?
Doch
das ist das Verhältnis zwischen der Religion und dem Menschen. Dieser ist,
weltweit und in jeder Kultur, der Indoktrination durch Religion oder Ideologie
ausgeliefert und wird von ihr beherrscht, auch wenn er meint nicht betroffen,
frei zu sein. Ich würde meinerseits den Religionen, speziell den Kirchen,
zugestehen als soziale Einrichtungen durchaus notwendig zu sein. Mein
„zugestehen“ würde allerdings nichteinmal ein müdes
Lächeln oder eine wegwischende Handbewegung bei den Betroffenen
auslösen. Dessen bin ich mir sicher.
Aber
wenn ich trotzdem eine Diskussion, mit wem auch immer, beginne – ein
Dialog ist es aus dem genannten Grund sowieso nicht, wahrscheinlich mit mir
also die Diskussion -, dann, weil ich um Giordano Bruno, die Ketzer, Katarer,
die Inquisition, nicht herum komme. Sie stehen, insbesondere Giordano Bruno,
leider muss ich sagen, nur als Metaphern für Ungeheuerlichkeiten
unvorstellbaren Ausmaßes, für kirchliche Verbrechen an der
Menschheit. Dass sie bis heute nicht nur nicht eingesehen, von bereut will ich
gar nicht reden, sondern gerechtfertigt werden, ist die Ungeheuerlichkeit
schlechthin. Hier würde ich gerne die, die es betrifft, exkommunizieren,
wenn so etwas möglich und sinnvoll wäre. So werde ich noch
öfters den Satz schreiben müssen: Ja, wenn Giordano Bruno nicht
wäre.
Im Jahr
2005 führte ein Dr. phil., Journalist, bei einer katholischen Zeitung
tätig, seine Mitschüler anlässlich eines Klassentreffens durch
eine barocke Klosterkirche und schwafelte etwas vom Heiligen Bruno, der auf dem
Altar dargestellt sei. Auf die Frage, ob dieser Giordano Bruno sei, antwortete
er, nach einigem Überlegen, mit Ja. - Deshalb für diejenigen, die
nicht wissen wer Giordano Bruno war eine kurze Biografie: Giordano Bruno, (Filippo Bruno) geboren 1548 in Nola bei Neapel, wurde am 17. Februar
1600 in Rom am Campo
de’fiori verbrannt. 1563 war er in den Dominikanerorden in Neapel
eingetreten, verließ ihn jedoch 1580 wegen seiner philosophischen,
pantheistischen Anschauung wieder. Er war dann Dichter
und Philosoph,
lehrte in verschiedenen Ländern, auch in Deutschland, zuletzt in Padua.
1592 wurde er, nach Venedig gelockt, dort denunziert, gefangen, an die
Inquisition übergeben und nach Rom ausgeliefert. Nach achtjähriger
Gefangenschaft wurde er wegen Ketzerei und Magie durch die Inquisition
zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Im Jahr 2000 erklärten der
päpstliche Kulturrat und eine theologische Kommission die Hinrichtung
Giordano Brunos durch Mitglieder der Kirche, nicht durch die Kirche selbst,
für Unrecht.
Die
Metapher Giordano Bruno soll nun einfach für einen Aufschrei stehen, der
jedes Mal kommen müsste, wenn, wie üblich unter vielen Windungen,
wieder ein Mal das „ach das war doch so nicht gemeint“ oder
„ach die Kirche ist doch nicht so“, Religion ist friedlich“
usw. daher geredet wird. „Und der Glaube?“
Wenn
ich im alten Judentum und dann im frühen Christentum erneut beginne, dann
deshalb, weil die Lehren und Zustände von damals heute noch gängige
Diktion sind. Ich muss meine Ausführungen zum Gott der Väter, zum
Tempel in Jerusalem und so weiter, nicht wiederholen. Wenn aber heute ein
jüdischer Siedler aus religiösen Motiven mit der Maschinenpistole auf
betende Moslems in einer Mosche schießt und ein Massaker anrichtet, dann
ist dies durch nichts, durch keinen Glauben, also wirklich durch nichts, zu
rechtfertigen. Auch wenn ein Jude seinen jüdischen Präsidenten, den
des Staates Israel, Jitzchak Rabin, ermordet und dies religiös
begründet, ist dies ein idiotischer Frevel an der Menschheit. Durch kein
noch so inbrünstiges Gebet an der Klagemauer kann man als
Außenstehender und nach meiner Meinung auch als Jude zu keinem
tolerierenden Verständnis kommen.
In der
Geschichte hat sich die jüdische Religion nicht anders verhalten als die
übrigen Religionen auch. Schon in der Antike kannte man
heterodox-häretische Gruppen wie Samaritaner
und die antitalmudischen Karäer. Nachdem Palästina, der jüdische Staat im
Laufe der Geschichte, im Altertum,
selten frei von Besatzung durch fremde Mächte war, zumindest häufig
tributpflichtig, wurde von den Juden ihre Religion im Ganzen oft in
Gefahr gesehen. So gab es, als man in den griechischen Diadochenreichen nach
Alexander dem Großen versuchte, alle Einwohner Judäas zu Opfern im
nun griechischen Tempel zu zwingen, einen bewaffneten Aufstand. Die Kämpfe um die Religionsfreiheit, die die
Hasmonäer unter ihrem Priester Judas Makkabäus und seiner Nachfolger
führten, erreichten sogar eine kurzzeitige politische Unabhängigkeit.
Auch später, nach dem Tod Jesu, als die Herodianer (sie waren
zwangsweise eingesetzte, nichtjüdische Herrscher) im Jahr 66 ausgestorben
waren, waren die Juden sehr kurzzeitig frei. Doch 70. n.
Chr. wurde Jerusalem vom römischen Kaiser Titus erobert und mitsamt dem
Tempel zerstört. 600 000 Juden, angeblich ein Viertel der Einwohner,
wurden, vor allem durch die anschließenden Hinrichtungen, getötet.
Die Juden blieben aber unter der römischen Besatzung im Land und es kam
ständig weiter zu Aufständen, besonders als Kaiser Hadrian auf den
Trümmern des Tempels 130 n. Chr. einen Jupitertempel errichten wollte: In
diesem „zweiten jüdischen Aufstand“ (132 - 135 n. Chr.)
unterlagen die Juden und alle wurden daraufhin aus Palästina vertrieben
und als Sklaven von den Römern in alle Teile ihres Reiches verkauft. Dies
war das Ende des Jüdischen Reiches in Palästina, nicht des
Jüdischen Volkes, das verstreut, „in der Diaspora“ in der
damals bekannten Welt auch im Vorderen Orient, weiterlebte.
Die Glaubenskämpfe der Juden untereinander setzten sich dann
auch in der Diaspora fort. Im 17. Jahrhundert wurden die messianisch
inspirierten Anhänger des Sabbatai Zwi
als jüdische Häretiker angesehen. Das orthodoxe Judentum stuft heute noch als
häretisch ein, was von den traditionellen biblisch-talmudischen,
jüdischen Überlieferungen abweicht. Der Glaube spielte und spielt
damit also immer noch eine politische Rolle.
Dieser
Glaube der Väter mag deshalb für den Bestand des Judentums durchaus
von Bedeutung sein und ich will und kann dies nicht werten. Aber als Religion
ist sie, der Glaube der Väter, eine unter vielen und nicht besser oder
schlechter als alle. Und, wie es keinen Gott gibt, gibt es auch keinen Gott der
Juden. Das Unrecht jedoch, das man dem Volk der Juden, den jüdischen
Menschen, eigentlich seit Menschengedenken zufügt, ist durch nichts
begründbar, zu erklären oder zu verteidigen.
Die
unmittelbare Fortsetzung des Judentums ist das Christentum. Auch wenn es eine
gewisse Teilung und dann getrennte Entwicklung gab, ist die Wurzel des
Christentums jüdisch. Darunter ist nicht einfach zu verstehen, dass man
doch das Alte und das Neue Testament hat und man schließlich ersteres
schon wegen des Gottesbezugs seit der Genesis braucht. Auch für die
Christen war damals, nach Christi Geburt – etliche sind heute noch der
Meinung – die Schöpfung das Werk Gottes, vor rund viertausend
Jahren.
Doch
bleiben wir zunächst bei der wohl historischen Gestalt des Jesus von
Nazareth. Auch wenn wir die Information über Jesus nur aus dem Neuen
Testament haben und dieses sicher nicht vor einem Menschenalter nach seinem Tod
verfasst wurde und damit alles was man als Wunsch, Vorstellung und Legende
hineinpacken konnte, auch hinein packte, müssen wir uns daran halten, was
gesagt wird. Wir haben keine anderen, nichtchristlichen Quellen. Der Umstand,
dass man etwa die Statthalterschaft eines Pontius Pilatus in Palästina
auch aus römischen Quellen kennt, heißt nicht, dass alles andere so
war, wie im Neuen Testament geschildert. Es heißt auch nicht, dass es so
nicht war.
Ich
muss hier einen Einschub im Fortlauf der Erörterungen machen, den ich
später noch sehr ausführlich begründen werde. Als Statement
meinerseits – mit dem ich keineswegs alleine bin – muss ich sagen,
dass die Theologie keine Wissenschaft, in welchem Sinn auch immer, ist. Sie
kann nichts beweisen, nichts nachvollziehbar berechnen oder reproduzieren. Dass
sie allgemein als die erste und als die alles umfassende Wissenschaft angesehen
wird, ändert daran nichts. Ich sage das im Hinblick auf die
religiösen Aussagen des Jesus von Nazareth mit denen sich die Theologen
herumschlagen sollen. Aber, nach allem was über Gott gesagt ist,
nämlich, dass er nicht existiert, kann man sich nüchtern kaum ein
Bild davon machen, wie ein Sohn im Himmel zur Rechten eines Nichts sitzt.
Aber
ist der historische Jesus nicht eine menschlich verständliche Gestalt? Ist
er nicht eine Lichtgestalt, die man als Vorbild ansehen könnte? War es
verwunderlich, dass er Anhänger, Jünger an sich gezogen hatte? Ganz
gewiss nicht. Und hat es nicht schon vor und nach ihm
„Religionsstifter“ (die meistens gar nicht wussten, dass sie es
waren) Propheten und mit besonderen politischen Wertvorstellungen ausgestattete
Menschen gegeben, die einen ungeheueren Zulauf hatten? Aus jüdischer Sicht
war Jesus von Nazareth damals ein Rabbi, der mit seinen Schülern und
Anhänger wie viele andere pharisäische Rabbis durch das Land zog.
Und, konnte da ein Mann, Jesus, „getragen von einer Welle der
Sympathie“, nicht ein eigenes Sendungsbewusstsein entwickeln? Konnte er,
bei den damaligen naturwissenschaftlichen Kenntnissen, die sowieso nur
Spekulation und Annahmen waren, nicht plötzlich einen göttlichen
Auftrag, ja eine göttliche Abkunft in sich gespürt haben? Wäre
er damit der erste gewesen, der von sich dies geglaubt hätte? Keineswegs.
Und,
dass er schließlich die eigene Opferung als vorherbestimmt ansah, war
dies ungewöhnlich? Wie viele Menschen haben sich nicht für eine Idee
ganz wissentlich geopfert, selbst wenn sie bei Widerruf frei geworden
wären? Das sind alles die rein menschlichen, keineswegs theologischen
Aspekte der Gestalt des Jesus. Dass er politisch gesehen mit seinen Ideen
scheitern musste, war und ist klar. Er hatte eine Grundregel missachtet, die
heißt, dass man den Herrschenden, in diesem Fall den Priestern, nicht an
die Macht und ans Geld gehen soll. Heute noch würde er, mit seinen Ideen
an unserer Gesellschaft scheitern.
Aber das
Christentum hat dann doch einen ungeheueren Siegeszug angetreten! An diesem, in
nahezu allen Geschichts- und Religionsbücher vorkommenden, sozusagen
Standardsatz, ist nur eines richtig: ungeheuer. Wenn es eine Ungeheuerlichkeit
zum Schaden der Menschheit gibt, dann ist dies der Siegeszug des Christentums.
Allerdings muss ich sagen, dass das Ungeheuerliche auf jede Religion zutrifft,
die einen Absolutheitsanspruch stellt, das Christentum also keine
„schlechtere Religion“ ist. Dass das Christentum die unmittelbare
Fortsetzung des Judentum ist, habe ich schon erläutert. Ein
„Wunderrabbi“, der gleichzeitig auch der Sohn Gottes,
selbstverständlich des jüdischen Gottes und dazu noch der Messias
für das Volk Israel war, war der Grundstein, die geistige Grundlage zur
Ausbreitung seiner Lehre, die Mission, geworden.
Während
ja ein Jahrhundert nach Christi Tod die Juden noch in Palästina lebten,
begannen die Adepten der neuen Lehre bereits missionierend, in fremden Revieren
zu wildern. Paulus beglückte die Galater, Korinther, Römer und andere
mit Predigten und Briefen. Auch die anderen Jünger, nun Apostel, sollen ja
nach dem Pfingstwunder mit fremden Zungen geredet haben. Gut, sollen sie haben.
Aber sie trafen ja nicht auf eine areligiöse Welt. Dass sie, vor allem in
Rom, auf eine Vielzahl von Religionen trafen, ist erwiesen. Und sie trafen noch
nicht einmal auf eine intolerante Gesellschaft. Es gab nicht nur die alten
griechisch-römischen Götter, vom Jupiter abwärts, es gab
Anhänger des Mithras, ägyptische Götter und viele aus den
vorderasiatischen Ländern. Alle bestanden sie nebeneinander. Und es gab
dann – noch nicht zur Zeit eines Paulus oder Petrus – einen ganz
besonderen Gott, den Kaiser.
Nachdem
aber so viele Religionen nebeneinander in Rom bestehen konnten, erscheint es
nicht unwahrscheinlich, dass auch die ersten zugewanderten Juden, die sich
Christen nannten, dort ihr Auskommen, auch im religiösen Sinn gehabt haben
könnten. Wir wissen nicht ob und in welchem Maße Anhänger der
vielen Religionen verfolgt und unterdrückt wurden. Bei den vielen
Göttern, was ja eine polytheistische Religion kennzeichnet, in der sich
aber die Verehrer etwa Junos nicht mit denen der Venus oder des Apoll
bekriegten, ist es nicht wahrscheinlich, dass man intolerant gegenüber
dem, den andern Göttern Opfernden, war. Aber diese Toleranz scheint
keineswegs im Sinne des aufkeimenden Christentums gewesen zu sein. Man konnte
sich natürlich noch nicht des Umstands bewusst sein, dass man später,
was die Vielzahl der für das jeweilige Sujet zuständigen Götter,
die man dann Heilige nannte, alles in den Schatten stellen würde, was das
antike, heidnische Rom hervorbrachte.
Man
trat mit einem Absolutheitsanspruch in die Geschichte, den man für die
eigenen Anhänger noch hätte hinnehmen können. Der Behauptung im
alleinigen Besitz der (göttlichen) Wahrheit zu sein, hatten sich alle
anderen Religionen und Anschauungen unterzuordnen. Sie konnten nicht als solche
weiter bestehen, sondern hatten sich aufzulösen, abzuschwören. Dass
dies heute noch so, und zwar ganz explizit noch so ist, macht das
Verehrungswürdige, Wahrhaftige und Göttliche des Christentums aus.
Wenn und dass es keinen Gott gibt, bleibt davon ja unberührt oder, ja was
denn?
Der
Absolutheitsanspruch der Christen leitet sich ja letztlich von ihren
Vorvätern, den Juden, her. Es soll nicht abwertend gesagt sein, aber die
Verbissenheit, mit der man den eigenen Glauben im Judentum verteidigte, wie man
auch zum Beispiel nicht den Göttern der Griechen in deren Tempel opferte,
hat sich direkt auf die Christen übertragen. Selbst wenn man dem eigenen
Gott ungehindert opfern konnte, kam es nie in Frage im antiken Rom dem Kaiser
zu opfern. Man brauchte Märtyrer und man wollte Märtyrer sein. So kam
es denn zur Christenverfolgung und zu unzähligen Legenden.
Nun
kennt die christliche Mythologie bereits eine lückenlose Reihenfolge der
Päpste in Rom seit Petrus, aber da wird man wohl doch na ja, eben Mythos,
sagen. Auch ob die ersten christlichen Bischöfe von Rom Päpste oder
doch nur Bischöfe waren, mag ein kirchenhistorisches Streitthema sein, ist
aber nichtssagend und unwichtig, allenfalls brotgebend für theologische
Seminarleiter. Wir wissen über die Anfänge des Christentums in Rom
wenig und dieses nur aus zurechtgezimmerten Legenden.
Die
Christenverfolgung haben wir bereits genannt. Sie begann mit der Legende vom
Tod des Petrus, dem man gerne noch den gleichzeitigen des Paulus angehängt
hätte. Streitthema unter Theologen. Dem Heiligen Andreas – war er
nun Apostel oder nicht – verdanken wir, weil er „nicht würdig
war wie Jesus zu sterben“, das umgekehrte Kreuz, an das man ihn nagelte,
und das jetzt Bahnübergänge kennzeichnet. Dass viele Christen fast
Jahrhunderte lang unter der Erde in Katakomben lebten, dort sogar ihre Toten,
einschließlich der Heiligen begruben, rührt ungeheuer an. Der ganze
Mitraskult hat sich zwar auch unter der Erde abgespielt, aber was soll es.
Doch
nun kommt die Lichtgestalt Konstantin der Große, der Heilige Konstantin.
Von 306 bis 337 war er römischer Kaiser. Allein, ohne
Mitherrscher oder Konkurrenten, war er dies erst ab 324.. Er hat das
Christentum der Menschheit gebracht! Gemach einmal. Dieser Satz über
Konstantin ist absoluter Quatsch, auch wenn er oft gehört wird. Der Reihe
nach: Er hat die Christenverfolgung nicht eingestellt und nicht das Christentum
zur Staatsreligion erhoben. Wir wollen zunächst gar nicht untersuchen wie
er zum Kaiser von Rom wurde. Sagen wir, sein Vorgänger Diokletian, dem die
„letzte, grausame Christenverfolgung“ zugeschrieben wird, hatte
diese schon um 300 n. Chr. eingestellt. Einer der letzten unmittelbaren Gegner
Konstantins, jener Maxentius, den er an der Milvischen Brücke besiegt
hatte, hatte bereits ein Edikt erlassen, das den Christen Religionsfreiheit
zusicherte. Aber dies Konstantin zuzuschreiben, macht sich besser.
Die
Christenverfolgung wird ja bereits als bei Kaiser Claudius beginnend angesetzt,
wobei bei ihm und seinen Nachfolgern bis Trajan (98 – 117 n. Chr.) Juden
und Christen noch eins waren, nämlich Juden. Erst danach blieben diese was
sie waren (erst 132 n. Chr. unter Hadrian mussten sie in die Diaspora) und die
Christen breiteten sich als solche in Rom aus. Die spätere Verfolgung
richtete sich zudem nicht gegen die Christen an sich, wegen ihres, vielleicht
für die polytheistischen, römischen „Heiden“, falschen
Glaubens, sondern einzig und alleine gegen aggressiv den römischen Staat
in Frage stellende Religionen.
Die
gesamten später zu Heiligenviten und in der Kunst zu unzähligen
Gemälden und Legenden hochstilisierten Märtyrerschicksale, waren doch
das willkommenste Werkzeug zur Beherrschung der weniger allgemein gebildeten
Menschen. Nicht, dass ich, weder generell noch im einzelnen, ein Martyrium in
Frage stellen wollte (analog einer Holcaustleugnung), aber immer der nicht
nachvollziehbare Duktus, nach welchem unten auf dem Rost, andächtig die
Hände faltend, der Heilige Lorenz verglüht oder die Heilige Katharina
mit den Rad verhackstückt wird, jubilieren oben im Himmel die Engel und
freuen sich, bald wieder einen neuen Märtyrer begrüßen zu
dürfen.
Es ist
für heutige und war für frühere Generationen schön und
erschaudernd zu wissen und sich vorzustellen wie im Kolosseum die
andächtigen und frommen Christen von den Löwen zerfetzt und gefressen
wurden und was man halt so gemacht hat mit ihnen. Nur, dass dies nicht wahr
ist. Kein einziger Christ kam im Kolosseum zu Tode. Aber, das ist eben doch zu
schön, es zu glauben. Nicht, dass keine Christen unter Martern gestorben
wären. Aber sie wollten sterben, für ihren Glauben.
Und,
weil wir eigentlich bei Konstantin sind, dem heiligen, dem Großen: Man
hat ihm zum Beispiel im Jahr 2007 eine große Ausstellung in seiner
ehemaligen Kaiserstadt Treverum, in Trier, gewidmet. Einen Ausstellungskatalog,
ein wirklich großes, künstlerisches Werk wurde herausgebracht. Es
sind viele hervorragende Beiträge von ausgewiesenen Historikern darin
enthalten, die ich aus anderen Werken schon kannte und von denen ich meine
bescheidenen oder nicht bescheidenen, Kenntnisse der Spätantike habe.
Unter einigen geschichtswissenschaftlichen Beiträgen ist auch einer von
kirchlich katholischer Seite. Da wird, weil der hochgeistliche Verfasser des
Artikels wohl die anderen Beiträge nicht gelesen hat, die trotzdem noch
einigermaßen wohlwollend waren, ausgeführt, dass doch Konstantin der
Große, der Heilige, das Christentum zum Sieg geführt hat.
Gut,
soll er haben. Aber, dass wenn es Schweine auf dem Römischen Kaiserthron
gab, Konstantin davon eines der größten war, soll man ruhig einmal
zur Kenntnis nehmen. Gewiss soll man Politiker, und seien es römische
Kaiser, nicht nach ihrem Leben, nicht nach unseren Moralvorstellungen, messen.
Aber wenn einer, ein Kaiser, seinen Schwiegervater, seinen Schwager, seinen
Neffen, seinen Sohn, seine Frau, und insgesamt die Mehrzahl seiner Verwandten,
einfach ermorden lässt oder ermordet, wenn er missliebige Beamte, auch
christliche Bischöfe, die er an seinen Hof geholt hatte, einfach
hinrichten ließ, dann sind dies Taten, die man nicht unbedingt mit
politischer Notwendigkeit entschuldigen kann. Voltaire, der französische
Philosoph, hat ihn einen „politisch nicht unbegabten Kriminellen“
genannt.
Der
angeblich blutrünstige, in meine Augen noch noble Kaiser (an den
Händen aller klebte Blut) Diokletian, hatte sich nach zwanzigjähriger
Regierungszeit vom Kaisertum zurückgezogen und Kohl gezüchtet und war
nie, wie andere, wieder auf den Kaiserthron zurückgekehrt. Dieser
Diokletian hatte die Tetrarchie gegründet, nach der, anstelle eines
Kaisers, vier Kaiser (zwei Augusti, zwei Caesaren) herrschen sollten.
Konstantin, dem eigentlich keine direkte Nachfolge in der Tetrarchie zustand,
weil er bereits der Sohn eines Caesars war, war es aber, der alle je in der
Nachfolge Diokletian aufgetretenen Augusti und Caesaren niedermachte. Einer der
ersten war Maxentius, der, der den Christen schon Religionsfreiheit zugesichert
hatte und der sich Konstantin dummerweise mit seinen Soldaten an der Milvischen
Brücke in den Weg stellte.
Die
rührende, oft dargestellte Geschichte der Schlacht, mit dem Sieg
verheißenden, leuchtenden Kreuzessymbol am Himmel, kann nur als Kitsch,
Geschichtsklitterung und verlogene Rechtfertigung einer insgesamt brutalen,
wenn auch gängigen politischen Karriere gesehen werden. Nur so nebenbei
bemerkt: Das Kreuzsymbol auf Labrum und Schilden der Soldaten Konstantins,
stand neben dem Symbol für Sol, den Sonnengott, der sich später, bei
den Germanen, in den Sonntag einschlich. Konstantin gefiel die Religion des
Sonnengottes sehr. Er, der vor zahllosen Morden nicht zurückschreckte, mit
Frauen und Konkubinen eine Menge Kinder zeugte, was ihn aber, da er sicher
keine Empfängnisverhütung betrieb der späteren, schon damals
katholischen Kirche sehr nahe brachte, er ließ auch
„heidnische“ Kulte mitkommen. Die Haruspices, die Vogelbeschauer,
durften nach einem Blitzeinschlag zum Beispiel, das getroffene Haus
entsühnen. Damit waren nicht nur solche Berufszweige versorgt und
rebellierten nicht, sondern man hatte vielleicht doch mit dem Blitze
schleudernden Jupiter oder Zeus, so etwas wie eine kleine
Rückversicherung.
Und was
sagten die Christen unter Konstantin zu all dem? Sicher müssen wir heute
berücksichtigen, dass für die damaligen Christen die Welt mit Adam
und Eva begann. Sie konnten nichts anderes wissen, nichts von Karbon, Devon,
Jura, Sauriern und so. Auch scheint das Menschenleben nicht ganz so wertvoll
gewesen sein, aber das gilt nur für die Christen. Die Römer? Kannten
die Adam und Eva? Hatten sie nicht viel mehr Götter, nicht nur einen? Der
Heilige Konstantin, der Große, hatte ja auch mehrere. Den Sonnengott,
Sol, zum Beispiel, wie schon genannt. Aber die Christen zeigten es ihnen schon:
Zu Konstantins Zeiten bereits setzte eine Verfolgung, zunächst vor allem
der so genannten Häretiker in den eigenen Reihen ein. Fromme
Selbstkastraten, die ihre Fleischeslust hatten unterdrücken wollen,
ehemalige Weihrauchstreuer für den Kaiser, unter den Christen, wurden
nicht weniger grausam verfolgt, als es die Christenverfolgung vorher getan
haben soll. Es gab Privilegien für die Christen, die den Nichtchristen,
die es immer noch gab, erheblich wirtschaftlich schadeten. Man konstruierte
später Schenkungen Konstantins, über seine Zuwendung von Grund
für Kirchen hinaus, die dann als Fälschungen entlarvt wurden.
Tatsächlich hat er, neben Kirchen, den früheren Palast seiner
ermordeten Frau Fausta dem Papst Sylvester als Bischofsresidenz geschenkt. Die
Konstantinischen Schenkungen werden von der nichtkatholischen
Geschichtsschreibung als „eine der unverschämtesten und zugleich
erfolgreichsten Fälschungen der Weltgeschichte“ bezeichnet. Freilich
sah dies die katholische Kirche lange Zeit anders. Sie hatte ja auch eigene
Historiker. So den Geschichtsschreiber Konstantins, Eusebius von Caesarea, den
der Schweizer Historiker Jacob Burckhardt als den „ersten durch und durch
unredlichen Geschichtsschreiber des Altertums“ bezeichnete.
Fast
hätte die damalige antike Welt Roms Glück gehabt, als Kaiser Julian Apostata
(361–363) nochmals versuchte, nichtchristlichen Kulten zur
Gleichberechtigung neben der christlichen Lehre zu verhelfen. Doch Kaiser
Theodosius I, nicht schon Konstantin, erhob 380 das Christentum zur
Staatsreligion. Damit war die Religionsfreiheit, die die Christen immer
für sich, den antiken Götter- und Kaiserkulten gegenüber,
gefordert hatten, abgeschafft. Theodosius verbot alle nichtchristlichen Kulte.
Aber
war das denn so schlimm? Erstrahlte nicht das Licht Gottes in seinem Glanz?
Ging die Sonne nicht jeden Morgen genau so pünktlich und strahlend auf wie
früher unter Apoll? War nicht endlich Frieden unter den Menschen, im Reich
und in den Provinzen? Wenn man dieser Meinung ist, sollte man die Geschichte
der Spätantike und des Mittelalters studieren. Eigentlich genügt
schon überfliegen. Denn, es kommt nichts heraus als Krieg, Verfolgung,
Unterdrückung.
Als das
Weströmische Reich unterging, das oströmische, christliche bestand
weiter, war es ja ein christliches. Und seinen Untergang bereiteten keineswegs
Heiden, sondern bereits christianisierte, germanische Stämme. Goten, die
schon ihre Ulfilabibel unterm Arm hatten, Alemannen, Lombarden, Markomannen.
Doch der Glaube an den einen Gott einte dann doch alle, die Germanischen
Stämme und den Rest des Reiches. Niedlich. Theologisch, was nicht
wissenschaftlich heißt, gab es jedoch nur Streit, den man durchaus auch
blutig austrug. Schon die Germanen hatten sich auf den falschen Ast des
Lebensbaums gesetzt. Sie waren Anhänger des Bischofs Arius, also Arianer.
Dass dies der falsche Glaube war, weiß man. Daran ändert auch die
Tatsache nichts, dass sich der Heilige Konstantin der Große erst auf
seinem Sterbebett taufen ließ, und zwar von einem arianischen Bischof,
igitt, hoffentlich weiß das niemand.
In
Kirchenversammlungen, so genannten Konzilen, begann man an der Dreifaltigkeit
herumzubasteln. Ob Jesus nur Gottes Sohn war, auch Mensch, oder beides,
gleichzeitig oder nacheinander, das war zu klären. Nicht dass man
Anwandlungen von logischem Denken gehabt hätte, mitnichten. Man ging
theologisch vor, nicht demokratisch, weil man ja diesen Begriff bis heute in
den Kirchen nicht kennt. Aber man stimmte ab. Notfalls, um das gewünschte
Ergebnis einiger zu erzielen, wurde abgestimmt, während die andern
kurzzeitig aus dem Saal waren. Nun, das sind ja nur so kleine menschliche
Taschenspielereien und man sollte sich daran nicht festbeißen sondern
immer das Große und Ganze, die Religion im Auge behalten, auch wenn dies
dann schmerzt.
Man
hatte jetzt – ja doch eigentlich schon seit Petrus – das Papsttum.
Eine göttliche Instanz, weil Stellvertreter Gottes, die moralisch,
geistig, menschlich, über allem erhaben war. In der Liste der Päpste
von Petrus, der um 67 n. Chr. gestorben sein soll, bis zu Bonifatius II ,
gestorben 532, sind von 57 Päpsten (sechs Gegenpäpste nicht
mitgezählt) 50 Heilige! Sie wurden heilig gesprochen.
Ich suche
nun keine Polemik gegen das Papsttum, aber, weil es mir um den Menschen geht,
der unter einer solchen Einrichtung furchtbar gelitten hat und leidet, muss ich
einige Beispiele dieser beispielhaften – hier fehlt mir einfach ein
Ausdruck – geben, um die moralische Instanz dieser Institution
darzustellen. Natürlich wird man sagen, dass es diese
„Instanz“ nicht nötig hat, sich vor irgendeinem, also vor
niemand, schon gar nicht vor mir, zu rechtfertigen. Schon die Anmaßung
einer Beurteilung ist ein Frevel. Trotzdem.
Die
Päpste wurden ja zumindest bis ins 17. Jahrhundert von Parteien
gewählt. Parteien waren Interessengruppen aus adeligen Familien
unterschiedlicher Länder, auch von anderen mächtigen Gruppen
innerhalb und außerhalb der Kirche selbst. Man sieht dies an den vielen
Gegenpäpsten, die es immer wieder gab, die von Kardinälen aus eigenem
Kalkül oder auf Anweisung gewählt wurden. Zur Zeit des Konstanzer
Konzils (1414 – 1418), auf dem man Jan Hus verbrannte – man übergab
ihn dazu natürlich dem weltlichen Arm der Gerechtigkeit, wer wird sich
denn selbst die Pfoten schmutzig machen – gab es gleichzeitig drei
Päpste: Gregor XII., Benedikt XIII., und Johannes XXIII. Ein vierter
Papst, Martin V., auf den sich schließlich das Konzil 1417 einigte, kam
noch hinzu. Übrigens, zur Information: Johannes XXIII ist richtig. Dieser
war ein von den Medici in Florenz gestützter Gegenpapst. Der Selige
Johannes XXIII (1958 – 1963) nahm diesen Papstnamen nochmals an, um damit
die „legitime Tradition“ der Johannesse fortzusetzen.
Es gab
in Rom einen Papst Formosus, der von 891 bis 896 auf dem Stuhl Petri saß.
In seiner Regierungszeit gab es auch viele politische Wirren, vor allem um den
Deutschen Kaiser Arnulf von Kärnten, seinen Sohn und noch einige Damen und
Herren. Es heißt auch, er sei von einer dieser Damen, der Herzogin
Agiltrude, vergiftet worden. Nun, er mag kein Ruhmesblatt gewesen sein. Nach
ihm bestieg Stephan VI. den Papstthron. Er war der Günstling einer
antikaiserlichen, römischen Partei. Seinen Vorgänger bezichtigte er
der Usurpation des apostolischen Stuhls und machte ihm den Prozess. Dazu
ließ er die bereits stark verweste Leiche aus dem Grab holen, ihn in
vollem Ornat auf den Papstthron setzen, hielt ihm eine Anklagerede und
erklärte ihn dann, unter Zustimmung aller anwesenden Kardinäle und
Bischöfe, für schuldig und abgesetzt. Der Leiche wurden dann die
päpstlichen Gewänder heruntergerissen, die drei „segnenden
Finger“ der rechten Hand sowie schließlich der Kopf abgeschnitten.
Den Rumpf schleifte man durch die Straßen Roms und warf ihn in den Tiber.
Dass dieser Papst Stephan VI nicht lange danach von der kaiserlichen Partei bei
einem Aufstand überwältigt und in einem Kerker erdrosselt wurde, mag
nur wenig versöhnlich stimmen.
Es gab
natürlich auch Päpste, die, in den Augen der Kirche wohl nicht zu
unrecht, heilig gesprochen wurden. So der Hl. Gregor VII (1073 - 85). Er
schritt gegen sittenlose Priester ein, die, weil man die bis dato legitime Ehe
der Priester abgeschafft, verboten hatte, es nun, statt mit der eigenen einen
Frau, mit vielen Weibern trieben. Als diesen Priestern vom Volk bei Tumulten
Güter weggenommen wurden, meinte Gregor: „Es scheint, dass wir einen
ungewöhnlichen Weg eingeschlagen haben. Doch das ist besser als dass
Seelen verloren gehen.“ Er hatte auch den biblischen Lieblingsspruch:
„Verflucht, wer das Schwert aufhält, dass es nicht Blut
vergieße“. Der Hl. Gregor war auch der, der erstmals festlegte,
dass der Papst über der Kirche steht.
Leo X.,
Giovanni de’ Medici, einer der Päpste aus dem Hause Medici in
Florenz, saß von 1513 bis 1521 auf dem Apostolischen Stuhl. Es war die
Zeit, in der ein Augustinermönch, ein gewisser Martin Luther, den
größten Frevel gegen die Heilige Mutter Kirche lostrat. Aber welchen
Grund hatte er denn, gegen seinen Papst, seinen Allerobersten, ja den
Stellvertreter seines Gottes, überhaupt nur zu argumentieren? Von
Rebellieren und Kirchenspalten soll gar nicht die Rede sein. Nun, war da etwas
nicht in Ordnung?
Als man
Leo X. auf den päpstlichen Stuhl setzte, eröffneten sein Schwager
Strozzi und 30 weitere Florentiner, Bankfilialen in Rom. Auch der Papst
brauchte, bei einem jährlichen Einkommen von 400 000 Dukaten, noch
weiteres Geld, vor allem für seine Hofhaltung mit nur 700 Personen. Die
regulären Einkommen des Papstes aus dem Kirchenstaat (er war ja
Landesherr), aus Monopolen wie etwa Salzhandel, Zahlungen aus Kirchenrechten,
Gebühren und Pfründen, gaben da eben nicht zu viel her.
Erfindungsgeist – über den primären, mit Gott Vater, Adam und
Eva und so, hinaus – war gefragt. Die käuflichen Ämter in der
Kurie wurden auf 2000 erhöht. Vermögende weltliche Leute konnten
Ritter vom Heiligen Petrus werden. Diese Einrichtung hatte man gerade zu diesem
Zweck gegründet. – Um etwas modernes einzuflechten: Einer meiner
früheren Chefs, im 20. Jahrhundert, war „Ritter vom Heiligen
Grab“. Er konnte sich dies bei seinem nicht unbeträchtlichen
Einkommen auch leisten. -
Weiter
mit Rom: Im Zusammenhang mit dem Baubeginn des Petersdoms hatte man aber eine
großartige Idee: Eine Ablassbulle! In der ganzen Christenheit wurde sie
verkündet, denn darin stand, wie die Zeit für die armen Seelen im
Fegefeuer, je nach Sünde im Leben, bemessen wurde. Natürlich konnte
man auch für erst zu begehende Sünden Ablass erhalten. Ich habe da
gelesen: „Eine einfache Todsünde erforderte üblicherweise
sieben Jahre Buße. Vom Meuchelmord bis zur Blutschande, von sexuellen
Perversionen bis zum Meineid, für alle Vergehen konnten sich die
Sünder Vergebung erkaufen, vorausgesetzt sie waren zahlungskräftig.
Arme konnten (Zitat im Zitat) „dieser Gnade nicht teilhaftig werden, denn
sie haben kein Geld, also müssen sie des Trostes entbehren“,
hieß es in der päpstlichen Begründung.“
Und
darüber hat sich so ein Tölpel wie Luther aufgeregt! Dass er damit
scheitern musste – also nix Reformation der Kirche – war klar, da
er den gleichen Fehler beging wie sein Zweitchef Jesus, indem er den Oberen
letztlich ans Geld wollte oder es ihnen nicht gönnte.
Sollen
wir uns noch einige Bonmots des Giovanni de’ Medici (Leo X) anhören?
„Lasset uns das Papsttum genießen, da Gott es uns verliehen
hat“. „Wieviel uns und den Unsrigen die Fabel von Christus
eingebracht hat, ist aller Welt bekannt.“ Nun, was hätte sich die
Christenheit – Menschheit wäre ein zu hoher Anspruch – von
einem phlegmatischen, etwas verfetteten Menschen, der mit 14 Jahren Kardinal,
Herr der Abtei Monte Cassino, des Erzbistums Amalfi, Rektor, Prior oder Abt von
etwa 30 Klöstern in Italien und Frankreich und vieles mehr war, der
während der Revolution gegen die Medici in Florenz für einige Jahre
untergetaucht und, als wieder alles im Reinen war, mit 37 Jahren Papst wurde,
erwarten können? Gottes Segen? Hat er.
Diesen
Segen hatte auch Julius III (1550 – 1555). In der Villa Julia in Rom,
lebte er mit Nichte Ersilia und einem schönen, völlig ungebildeten
Straßenjungen Simia, den er zunächst zu seinem Affenwärter
dann, 17jährig, zum Kardinal gemacht hatte. Der Kardinal della Casa widmet
Julius, wie man sagte nicht ohne Grund, das „Loblied auf die
Sodomie!“ Man kann über ihn noch sehr viel Gutes sagen, u. a. dass
er den Einwohnern von Perugia die Rechte, die ihnen Papst Paul III bei der
Unterwerfung der Stadt genommen hatte, zurück gab. Er sitzt daher als
Denkmal vor dem Dom von Perugia. Ist doch ein Verdienst.
Ich
habe nun nicht vier Päpste angeführt, denen man Schlechtes nachsagen
konnte. Ebenso gut hätte ich, nach einigem Suchen, vier gefunden, denen
man Gutes nachsagte. Wenn man in der Geschichte der Päpste liest, wird
einem eben übel. Aber warum rege ich mich über Päpste, Kirche
und Religion derart auf? Ist doch völlig unnötig. Die Menschen wollen
geknechtet werden, also lasst sie es sein. Dies wäre wohl eine
Argumentation, weil nicht nur die Päpste sondern auch die Oströmische
Kirche Konstantinopels, letztlich alle Kirchen der Spätantike und des
Mittelalters, bis zur Renaissance, die zwar alle von Rom nicht anerkannt
– auch ein heutiger Papst erkennt keinerlei Einrichtung, „die sich
Kirche nennt, was absurd ist“ als solche an – nichts anderes machen
als die Menschen ihrer selbst aufgebauten Macht zu unterwerfen.
Nun
könnte man ja argumentieren, dass die Menschen der damaligen Zeit doch gar
nichts anderes wussten als die Geschichte vom lieben Gott, Jesus und Maria.
Letztere hatte man ohne Not und ohne eigentliche Legitimation vor sich selbst,
etwa bezogen auf Texte in den Evangelien, zur Himmelskönigin gemacht. Aber
das lag ja nahe. Zum einen war man nicht auf Evangelien angewiesen, denn die
Tradition steht gleichwertig neben der Bibel und zum andern hatten eine solche
Gestalt wie Maria doch alle antiken Religionen auch. Eine jungfräulich
Gebärende und was noch so dazu gehört. Wenn man noch heute das
Wallfahrtswesen und die Marienverehrung in allen Ländern,
einschließlich der orthodoxen jenseits von Polen sieht, muss man sagen,
Christus sollte sich warm anziehen, um seine Bedeutung für die Kirchen zu
erhalten. Das mag zwar sehr salopp gesprochen sein, aber ist es nicht so,
eingedenk des grienenden Papstes Wojtila?
Also
gut, wir wollen den Kirchen zugute halten, dass sie seit der Genesis nichts
anderes wussten. Ketzer, Katarer und andere Missliebige wie Girolamo
Savonarola, hatte man damit zu Recht verbrannt, nicht weil sie das nicht
glauben wollten, sondern weil sie noch strenger im Glauben waren und sie ihr
eigenes Armutsideal auch den Mächtigen der Kirche aufdrücken wollten.
So zu denken war für die Missliebigen der Kirchen relativ leicht, denn sie
hatten ja sowieso nichts zu verlieren und waren meist schon arm, während
diese, die Mächtigen der Kirchen, doch schön verloren hätten.
Sie hatten ja tatsächlich etwas zu verlieren.
Aber
dann kamen Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei, Giordano Bruno und letztlich
Johannes Kepler. Wie war das dann? Schon dass die Erde keine Scheibe mehr sein
sollte! Zudem sollte sie sich um die Sonne drehen. Gut, die Scheibe war seit
Kolumbus oder Amerigo Vespucci etwas ausladender geworden, so dass die
spanischen Segelschiffe Gold aus Mittel- und Südamerika zur
Verschönerungen der Kirchen bringen konnten. Aber Mittelpunkt des Weltalls
blieb immer noch Rom.
Welche
Schweinerei war die Verbrennung Giordano Brunos! Man hätte auch Galilei
verbrannt, hätte er nicht widerrufen. Man weigerte sich berechenbare,
nachweisbare Erkenntnisse zu akzeptieren. Während man bisher zu einer Heiligen
Jungfrau und Himmelskönigin Maria noch unzählige Märtyrer und
Heilige dazuerfinden konnte, was man dann, um es als Dogma und ein Muss des
Glaubens zu festigen als Tradition, gleichberechtigt neben der Bibel
hinstellte, bezog man sich plötzlich streng auf letztere. Apriori gab es
Gott und dann nichts mehr. Halt, noch ein bisschen Jesus.
Es war
ja klar, dass diese neuen Lehren nicht wahr, nichteinmal existent sein konnten.
Man weigerte sich ins Fernrohr Galileis zu schauen, da die behaupteten Jupitermonde
doch nur Teufelswerk und Taschenspielertricks sein konnten.
Taschenspielertricks? Man ließ sich auf einem Gebiet, das man so
beherrschte, keine Lehren erteilen! Nun gut, das war damals um 1600 n. Chr.
Als am
9. Juni 1889 in Rom ein Denkmal für Giordano Bruno auf dem Campo de Fiori,
wo er im Jahr 1600 verbrannt worden war, eingeweiht wurde, waren dem jahrelange
Kämpfe vorausgegangen. Der Vatikan versuchte, das Denkmal beseitigen zu
lassen. Als dies nicht gelang, sprach man einen der Unterzeichner des
Todesurteils für Bruno, Kardinal Bellarmin, heilig! Der damalige Papst Leo
XIII. hatte anlässlich der Enthüllung des Brunostandbildes auf dem
Campo dei fiori ein Sendschreiben an die gläubige Welt 1889 gerichtet.
Darin heiß es u. a. „Seine [Brunos] Handlungsweise war
unaufrichtig, verlogen und vollkommen selbstsüchtig, intolerant gegen jede
gegenteilige Meinung, ausgesprochen bösartig und voll von einer die
Wahrheit verzerrenden Lobhudelei." Da darf man selbstverständlich
einen Menschen verbrennen. Aber hatte der Papst das alles wirklich geschrieben?
War er dabei vor einem Spiegel gesessen, und war sein Sendschreiben in
Spiegelschrift? Fragt den heutigen Papst. War doch schon Leo XIII unfehlbar.
Und
hatten die Kirchenväter, auf die ja selbst heutige Protestanten noch
Zugriff zu haben glauben, je etwas von diesen verrückten Ideen, dass die
Erde plötzlich rund und die Sonne der Mittelpunkt der Welt sei,
geschrieben? Kein Wunder, dass sie es nicht hatten. Sie, deren menschliche
Vita, auch was politisches Kalkül und Machtanspruch betrifft, sich nicht
viel von der vieler Päpste unterscheidet, sie verdrehten nur die eigenen
Worte, vielleicht weil sie wussten, dass sie ja letztlich über ein Nichts
debattierten.
Nun
muss ich hier – und es wird sich bald zeigen warum – einen
Rücksprung in der Geschichte machen. Es geht um die Kreuzzüge und den
Heiligen Bernhard von Clairvaux, der um 1090 auf Burg
Fontaine-lès-Dijon bei Dijon
geboren wurde. Er war also von adeliger Abkunft. Dass er schließlich das Kloster Clairvaux
gründete (1115),
dessen erster Abt er wurde, sei nur nebenbei vermerkt. Er war also ein mittelalterlicher
Abt, Kreuzzugsprediger
und Mystiker.
Im Auftrag von Papst Eugen III. brachte er erfolgreich
den zweiten Kreuzzug (1147 bis 1149) zuwege. Auch
schaffte er, dass sich der deutsche König Konrad III. sowie dessen welfischer
Gegenspieler Welf VI
zur Teilnahme am Kreuzzug bereiterklärten. Er argumentierte in seiner
„Lobrede auf die Tempelritter“ dass das weltliche Rittertum verderblich
sei. Nur Krieger im Namen des Christentums seien ehrenwerte Krieger.
Ein
Heiliger der Kirche also, hetzt zum Krieg auf. Von der Legitimität dem
Islam gegenüber könnte man, im kirchlichen Sinn, allenfalls noch
reden. Aber was geschah bei den Kreuzzügen? Sobald sie von Frankreich aus
Deutschland, das es zwar nur als Einzelländer gab, erreichten, setzte ein
Morden und Brennen gegen die Juden ein. So in Mainz, als die Juden nichteinmal
mehr ein christlicher Bischof retten konnte, zu dem sie sich geflüchtet
hatten. Spätere Kreuzzüge, etwa von Venedig ausgehend,
plünderten erst adriatische Städte, in denen Christen, aber
wirtschaftliche Konkurrenten Venedigs lebten. Ein Kreuzfahrerheer belagerte,
eroberte und brandschatzte Konstantinopel. Aber in Ordnung, Byzanz war ein
Konkurrent Roms, in kirchlich-liturgischen Dingen, an Pomp vielleicht sogar
überlegen, an weltlicher Macht ein Nichts, denn die hatten die Byzantinischen
Kaiser. So wurde ein „Christliches Heer“ dazu benutzt – ich
will nicht sagen missbraucht – um unterwegs noch einige weltliche,
politische Dinge zu klären.
Die
Kirche ließ Kinderkreuzzüge organisieren, bei denen Tausende,
praktisch alle, umkamen. Aber das war doch alles nicht so schlimm. Wenn man
heute schon nicht mehr um die völlige Negierung dieser
Kinderkreuzzüge herum kommt und sie nur als erfundene Behauptung abtun
kann, muss man wenigstens bedenken, „dass die Teilnehmer des Kinderkreuzzugs
nicht, wie der Name impliziert, ausschließlich Kinder, sondern zu einem
großen Teil Jugendliche waren („…multa milia puerorum a 6 annis et supra
usque ad virilem etatem,…“ – Chron. Reg.
IIa), wie auch Kleriker und andere Gruppen Erwachsener. Es handelte sich bei
ihnen überwiegend um Angehörige armer, niederer sozialer
Schichten.“ Ach so. Die Kinder waren doch „ab sechs Jahren
aufwärts bis zum Mannesalter“. Da haben doch sicher die
Größeren die Kleinen an der Hand geführt. Ganz bestimmt.
Und an
dieser Stelle kann ich auch, so sehr ich Ekel empfinde, die Inquisition nicht
einfach auslassen. Sie sollte ja für die Reinheit der Lehre und des
Glaubens sorgen. Die Dominikaner vor allem besorgten dies. 380 hatte Theodosius
I das Christentum zur Staatsreligion erhoben, 385 wurde der erste namentlich
bekannte Ketzer, Priscillian, öffentlich hingerichtet. Das waren die
Dominikaner natürlich noch nicht. Sie kamen erst anfangs des 13.
Jahrhunderts, beim Kreuzzug gegen Albigenser und Katarer zum Zuge. Und außerdem
richtete die Kirche, die Inquisition, doch niemanden hin. Sie konnte über das Inquisitionsverfahren zwar Urteile
über Ketzer aussprechen, aber sie hatte keine Blutgerichtsbarkeit.
Weltliche Soldaten, Henker, Landsknechte, übernahmen die
„Drecksarbeit“ einen Menschen umzubringen.
Mit Kaiser Friedrichs II. schloss man 1224 einen Vertrag,
mit dem dieser auch die weltliche Gewalt bei der Verfolgung der Häresie,
die der Majestätsbeleidigung entsprach,
übernahm. In diesem Vertrag wurde auch erstmals die Vollstreckung von
Todesurteilen durch Verbrennen festgelegt. Es war Papst Honorius III, mit dem der
Vertrag geschlossen wurde. Dieser Papst ließ sozusagen die
Albigenserkriege in Südfrankreich zu Ende abwickeln. Er verbot auch den
Geistlichen, unter der Strafe der Exkommunikation, das Naturstudium, da sie
dadurch an den Wundern zweifeln könnten.
Kaiser Friedrich II hatte ständig Ärger und
Konfrontation mit den Päpsten. So mit dem nächsten, Gregor IX.
Ständig sollte Friedrich ein Kreuzzugsgelübte einlösen, was er
stets verschob. Nur ein Mal, zog er, inzwischen mit der Tochter des Patriarchen
von Jerusalem verheiratet, dorthin und handelte mit dem Sultan von Ägypten
einen Vertrag über freien Zugang der Christen zu den Heiligen
Stätten, unter gleichzeitiger Religionsfreiheit für die dortigen
Muslime aus. Die Tempelritter, Anhänger des Papstes, übergaben dann
dem Sultan einen Brief, wo er den Kaiser mit geringem Gefolge antreffen und
töten könne. Den Brief schickte dann der Sultan an den Kaiser.
Nach Gregors IX Tod, ging der Streit zwischen Friedrich und dem
Nachfolger des Papstes, dem Sel. Innozenz IV weiter. Der Papst gewann, weil der
bereits exkommunizierte Friedrich plötzlich starb. Wenn man ein ganz
großer Verehrer des Papstes und ein ebensolcher Hasser des Kaisers
wäre, müsste man dennoch das Schwein auf der Seite des Papstes sehen.
Wer Unappetitliches lesen will, kann dies in der Geschichte der Päpste
tun. Aber bei Burckhardt zum Beispiel. In einer von Rom autorisierten
Geschichte, wird er nur finden, dass sogar der Papst Leo XIII erst 1898
Innozenz IV selig sprach. Leo XIII sprach auch den Kardinal heilig, der
Giordano Bruno zum Tod durch Verbrennen verurteilte.
Aber warum immer wieder auf einer Kirche herumhacken? Sie hat den
Menschen doch nie Böses getan. „Der Kaiser war schließlich
auch kein Heiliger und Menschen sind eben sündig, also muss man
sie.“ Was?
Die Spanische Inquisition, die es nicht nur bis in die Neuzeit
gab, die sogar jetzt wieder eingeführt wurde, kann als düsteres
Kapitel der Verbindung von Kirche und Staat angesehen werden. König und
Volk wohnten den Autodafés bei. Man verbrannte die bis zum
Geständnis Gefolterten, damit sie nichteinmal mehr auferstehen konnten,
denn eine „Auferstehung des Fleisches“ geht nach dem Verbrennen
nicht mehr. Gnädig war man, wenn lässlichere Abweichler, etwa Nonnen,
zum Tode verurteilt wurden. Um vielleicht doch nach entsprechendem Fegfeuer
(die Seele) wieder auferstehen zu können, erdrosselte man sie nur mit der
Garotte, ließ sie aber vorher noch einmal das Kreuz küssen.
Nun hat Papst Benedikt XVI, als er noch Kardinal Joseph Ratzinger
und Vorsitzender der Glaubenskongregation in Rom, der ganz offiziellen
Nachfolgerinstitution der Inquisition, war, wörtlich gesagt: Die Urteile
der Inquisition waren doch viel milder und gerechter als die weltlicher
Gerichte“. Ich denke, ein Katholik, wenn er noch einen Funken
Selbstachtung hat, kann in einem Verein, in dem dieser Herr der oberste Chef
ist, nicht Mitglied sein. Gut, das mag eben so gesagt worden sein, früher,
wer weiß wann. Ach so, das war in diesem Jahrhundert?
Nun,
das alles im Namen einer furchtbaren Religion, die sich auf ein Nichts, Gott,
berufend, nur menschliche Schweinereien an Menschen ausübt. (Ich möchte
mich nochmals bei dem Schwein als solchem entschuldigen) Dies wirklich seit
Menschengedenken, und weil man ja nur gegen Häretiker vorgeht, in jeder
Religion. Ist es da verwunderlich (ein Wunder kann man nicht sagen, weil der
Begriff schon etwas eigenartig belegt ist) wenn aus der christlichen und der
jüdischen Religion eine Ausgeburt wie der Islam entsteht?
Ich
weiß, dass diese Aussage gefährlich, wenn nicht tödlich sein
kann. Man wird sagen: Allah wird ihn vernichten oder hat ihn. Natürlich
wird weder mich noch den, der ebenfalls meiner Meinung ist, Allah vernichten
wie Gott jemals einen Menschen vernichtet hat. Kein spontaner Blitz aus
heiterem oder düsterem Himmel ist mir jetzt, beim Schreiben, ins Haupt
oder den Computer gefahren. Aber, wird man sagen, der Mensch, der dich
umbringt, ist von Allah gesandt. Klar, so wie nicht Gott, noch nichteinmal der
Papst selbst, Giordano Bruno verbrannt hat, so wird eben ein Mensch kommen
müssen.
Aber
man darf eine Religion nicht beleidigen. Auch keine Religion, die den, der sie
beleidigt, umbringt? Warum nicht? Dafür gibt es doch die Religion, die
sagt was man darf und was nicht. Wenn man zum Beispiel den Propheten nicht
darstellen darf, dann darf man es nicht, auch nicht als Karikatur. Dagegen
müssen deshalb Analphabeten einschreiten und Geschäfte plündern,
schweizerische, weil sie das Schweizerkreuz auf der Fahne nicht von dem auf der
dänischen unterscheiden können.
Ich
will jetzt nicht aufzählen und bereden was alles der Prophet Mohammed aus
jüdischen und christlichen Quellen zog. Es genügt, was über
diese Religionen selbst gesagt wurde. Schließlich ist Mohammed in dieser
Welt, im Orient, der zu seiner Zeit christlich war, aufgewachsen. Aber, was er
schrieb, wird man sagen, ist wahr, weil Allah es ihm in die Hand diktiert hat.
Gewiss, es ist so wahr wie die Verbalinspiration der Bibelschreiber, die man
lange Zeit zur Gängelung oder Erklärung für das „einfache
Volk“ gebrauchte. Ich will auch nicht fragen, was denn so vor der Zeit
des Propheten war. Nun gut, das waren eben Ungläubige. Was man mit ihnen
im Paradies macht, in dem doch schon alles von Juden und Christen wimmeln muss,
weiß man nicht so recht. Und wie ist das mit den Huris im Paradies? Sind
sie auch für die Selbstmordattentäter da, oder nur für diese? Aber
da hat man es wieder: Nichts vom Islam wissen, aber darüber reden.
„Das mit den Huris im Paradies muss man völlig anders sehen. Gemeint
ist damit .....“. Aha, also doch nicht so wie diktiert? Sollte es hier
auch so eine Exegese oder Hermeneutik wie jetzt der Gebildete sagt, geben? Eine
rabulistische Verdreherei?
Ich
denke der Islam hat seine Probleme, er hat ja nicht nur Sunniten und Schiiten,
auch noch andere Gruppierungen, und steht damit anderen Religionen in nichts
nach. Nur wer sagt, der Islam sei eine friedliche Religion, der ist
verblödet. „Die Ausbreitung mit Feuer und Schwert“ nur eine
völlig missverstandene Interpretation in Schulbüchern und von
Übelwollenden? Waren die Eroberungszüge der mohammedanischen Araber
Kriege zur Unterwerfung anderer Völker oder nicht? Mussten die
Unterworfenen nicht die Religion ihrer Sieger annehmen? Stimmt nicht, meint man? Stimmt aber. In
Sizilien – pikanterweise hatten im 9. Jahrhundert byzantinische Christen
gegen ihre Feinde auf der Insel die muselmanischen Araber zu Hilfe geholt, die
dann die Insel selbst komplett übernahmen – mussten die Christen,
die nicht gleich zum Islam übertraten, besondere Kleidung tragen
(Judenstern?), den Moslems auf der Straße ausweichen, ihre Häuser kennzeichnen,
durften nur bestimmte Berufe ausüben, aber alles friedlich natürlich.
Ist die
innere Verfolgung der Moslems friedlich? Wird nicht letztlich der mit dem Tod
bedroht, der den Islam verlassen will? Aber das geht doch nicht, das darf man
nicht, das weiß man doch, der Islam ist eben so, friedlich. Wo werden
noch Frauen, aus welchem Grund auch immer, gesteinigt? Wo bringen Brüder
ihre Schwestern um, weil sie ein westliches Leben führen und Schande
über die Familie bringen? Wo können Männer über ihre Frauen
herrschen, sie zu einem Nichts machen? Hat man nicht in der Türkei, im 20.
Jahrhundert, einen Genozid an den Armeniern verübt? Aber das war doch
nicht der Islam. Und außerdem waren diese Christen und darüber redet
man nicht. So? Wo waren die Mullahs und Ayatollahs, die darüber auch nur
den Turban geschüttelt hätten, vom Aufschrei ganz zu schweigen? Aber
so polemisch kann auch nur einer fragen (wie ich) der nichts vom Islam, nichts
von den Religionen weiß. Es gibt ja keine oberste Instanz im Islam, die
allgemein, für alle Gläubigen verbindlich, solche Gesetze,
Vorschriften und Gebote erlassen könnte. Also sind die Ayatollahs und
Mullahs nur lokale, machtlose, arme, kleine Schweine? Gäbe es einen
mohammedanischen Papst, dann könnte man da schon etwas erreichen!
Aber
warum sich darüber aufregen? Erstens ist der Islam nicht so und zweitens
ist er allenfalls, so von der Zeit her, in unserem Mittelalter angekommen und
da waren wir, wie schon geschrieben, ob richtig oder nicht, je nach Standpunkt,
auch nicht besser. Letzteres stimmt. Das mit dem Mittelalter. Das Furchtbare
daran ist aber, dass sich der Islam, denn er herrscht im Orient,
einschließlich Indien, Pakistan und Indonesien, der Waffen und der
technischen Möglichkeiten der Neuzeit bedienen kann.
Man
bedenke, dass ein Herrscher wie der des Iran, Mahmud Ahmadinedschad, offen und
nachdrücklich die Auslöschung des Staates Israel fordert und
gleichzeitig ein Atomprogramm zur Plutoniumherstellung fördert, das nur
dem Bau einer Bombe dienen kann. Muss man da nicht Angst haben? Und muss man
nicht Angst haben, dass Israel, das schon eine solche Bombe hat, diese auch
zündet? Über dem Iran? Ich könnte das verstehen und würde
es sogar, aus pazifistischer Haltung heraus, selbst tun! Und? Wäre das
kein Religionskrieg?
„Also
darauf will er hinaus“, höre ich schon sagen. Keineswegs. Ich denke,
dass ich mich bisher genügend klar ausdrückte, um sagen zu
können, nichts herbeireden zu wollen, dass ich keinen Weg vor zeichne, ich
zeichne ihn nach. Wenn ich später noch futuristisch werde, dann nicht im
Sinn einer Prophetie, allenfalls in dem einer Befürchtung.
Doch
ich bin mit den Religionen noch nicht fertig. Bekreuzigen sich nicht Wladimir
Putin und Dimitri Medwedew bei allen nur möglichen Gelegenheiten und
küssen dem Patriarchen die Bibel? Ist damit nicht der Sieg des
Christentums, wenigstens des russisch-orthodoxen, bewiesen? Langsam. Putin, als
ehemaliger KGB-Funktionär, wird die Tricks kennen. Die Kirche selbst ist
wiedererstanden aus Ruinen sozusagen. Wieder einmal. Alles, von den Mongolen
bis heute, muss man nicht aufrollen. Interessant ist nur, dass Zar Peter der
Große das russische Patriarchat auflöste und durch eine Synode
ersetzte. Das ist so wie wenn Karl der Große den Papst zugunsten eines
immerwährenden Konzils abgelöst hätte. Die Bolschewiken stellten
nach der Oktoberrevolution das Patriarchat wieder her.
Aber
man hatte doch in Russland, der Sowjetunion, eine Ideologie, die Marx und Lenin
zurechtgezimmert hatten und die sich auch über China, durch Mao und
Kambodscha, durch die Roten Khmer, ausbreitete. Überall grausam und
blutig. Hätte dann, als die Feinde der Idee ausgerottet waren, nicht
Zufriedenheit einkehren müssen? Nein. Geht nicht.
Alles
gleich, jeder gleichviel, geht nicht. Gleich wenig, also gleich arm, geht noch
weniger. Warum? Ist es nicht ein gutes Gefühl (ein Unwort) Almosen zu
geben, dem Armen? Dazu muss man aber wenigstens etwas mehr haben als dieser,
man muss reicher sein. Man will nicht in der gleichen Hundehütte leben wie
der Nachbar. Nun gut, mit etwas Schläue könnte man ja zur eigenen
Datscha kommen. Aber wenn dann jeder eine Datscha hat? Gibt es so viele
Datschen? Da hilft nur die Rebellion in der Revolution, denn diese Datschen
kann sich die Revolution, der Staat, nicht leisten. Er kann, wie gesagt, nicht
jedem eine Datscha geben. Dabei sind doch alle Menschen gleich! Nun, man hat
für die, die keine Datscha bekommen können und dies nicht hinnehmen
wollen, Sibirien und Gulags, die auch die Zaren schon hatten. Gulag ist
übrigens eines der Akronyme (setzt sich aus vielen Wortanfängen wie
Besserung, Arbeitslager usw. zusammen), die in den kommunistischen
Ländern, wie auch bei den Nationalsozialisten, so gerne gebraucht wurden.
Kita, NSV zum Beispiel.
Mit
Gulags aber machte man die Menschen nicht friedlich, schon gar nicht zufrieden.
Als sie herauskamen aus den Lagern, aus der Zwangswirtschaft der Sowjetunion,
wo es keine Bananen gab, waren sie nicht geläutert und zufrieden sondern
begierig. Gab es je in einem Land so viele Milliardäre wie im armen
Russland dann, nach Ende des Kommunismus? Man wollte endlich etwas und bekam
es. Doch muss es da nicht bald wieder eine Revolution geben? Das wäre eine
Endlosschleife. Aber wie bekommt man die Armen, die wirklich Armen, die ohne
Datscha, die weiterhin ohne Bananen sein müssen, die sich einfach nicht
helfen können, auch wenn sie es wollten, ruhig, in den Griff? Mit Gott.
Er,
dessen Herrlichkeit, sich schon in den neuen goldenen Dächern der
Kathedralen, dann im Innern, im Goldgewand der Priester zeigt, der hat Bilder
und Vorbilder der Heiligen, die man, anbeten kann. Der spendet Trost. Das
konnten Helden der Arbeit, Stachanow, Kosmonauten und andere Vorbilder der
Partei nie geben. Aber Gott kann und will gar nicht jedem alles geben. Und was
ist der Luxus der Reichen gegen die Gnade des ewigen Lebens? Schon die Gnade
Gott anbeten zu dürfen, die Sünden vergeben zu bekommen, die Ikone zu
küssen, den inneren Frieden zu finden, ist das nichts? Wer will da
rebellieren? Wir wissen, wenn es Gott so macht, wird er auch wissen warum.
Es war
kein russisch-orthodoxer Priester, nur ein Schweizer Reformator: Zwingli. Er
sagte, dass arm oder reich von Gott vorbestimmt seien. Nur, was ihm Gott
zugestehe, könne er erreichen, der Mensch, aber er müsse dafür
arbeiten. Und wenn Gott seinen Segen zu seiner Arbeit gegeben hat, wird er
erfolgreich und reich. Die russischen Milliardäre haben nach diesen
Grundsätzen gehandelt, was deren Richtigkeit beweist.
Und
noch etwas: Putin, Medwedew und die anderen haben Ruhe. Sie können
Unglück auf Gott übertragen und Glück auf sich. Der innere
Feind, der Arme, ist abgelenkt und notfalls kann er einigend gegen
äußere Feinde eingesetzt werden.
Aber
ist das nicht alles nur spekulativ dahergeredet? Religion, Ideologien? Sie
müssen doch einen Grund, einen höheren Sinn haben? Von mir aus. Aber
ich kann nicht wieder vom Urknall und den Naturgesetzen beginnen, auch wenn
sich letztere selbst darin und richtig, zeigen. „Doch die Moral, das
innere Gefühl, die Seele des Menschen, des Menschen, der doch kein Tier ist!
Bemühen sich nicht hoch gebildete Menschen, studierte Priester,
Bischöfe, Kardinäle, der Papst, Synodalen, Professoren der Theologie
darum, dem Menschen Gott oder doch einen Trost und Halt zu geben? Diese
können doch nicht einfach dumm sein!“
Das
zwar trotzdem, aber, wenn sie dies nicht sind, müssen sie gerissen,
skrupellos, bewusst Unwahrheit verbreitend, sein. Sie müssen Wissen und
Erkenntnisse der Naturwissenschaften entweder vor sich und für sich
negieren oder der Menschheit bewusst vorenthalten und dafür der Tradition
und Liturgie folgend, feierlich in ihren Gewändern einherschreiten. Dass
sie keinen Gott zur Legitimation haben können, auch wenn sie gläubig
sind, könnten sie selbst einsehen. Aber wahrscheinlich schützt sie
der Glaube vor der Leere, dem Fall ins Nichts und dem inneren Zusammenbruch.
Sie könnten trotzdem den Menschen dienen, indem sie ein wenig ausgleichend
zwischen arm und reich, auch zwischen den Völkern, wirken. Als eine von
Gott abgeleitete Instanz, einberufen von seinem Stellvertreter, hat jedoch ein
Konzil, einschließlich des Papstes, nicht mehr moralisches Gewicht als
eine Versammlung von Abgeordneten in Altenburg in Sachsen-Anhalt, die
Skatregeln festlegt.
Das von
Konzilen, Papst und Skatregeln gesagte, gilt auch für andere Religionen,
alle, auch für die nicht von Rom anerkannten Kirchen, die sie sowieso
nicht seien. Und, historisch gesehen sind denn auch die Reformation zu Beginn
des 16. Jahrhunderts und aus ihr hervorgegangene Kirchen, keine Zäsur
sondern allenfalls ein Ereignis. Luther und besonders Melanchthon wollten auch
keine Kugelerde statt der Scheibe. Sie glaubten an Hexen und Hexerei und
hielten Hexenverbrennung für gottgewollt.
Religion und Philosophie
Doch
was soll all dieses Gezeter über Religionen, Ideologien und die Schuldzuweisung
an sie? Man wird nichts ändern, nichts ändern können und
letztlich brauchen die Menschen das. Gut gesprochen. Man hat ja auch gesehen
was etwa die Aufklärung im 18. Jahrhundert gebracht hat. Allenfalls eine
blutige Revolution wie die Französische und dann doch wieder ein
napoleonisches Kaisertum von Gottes Gnaden. Wenn schon kein Gott, dann
wenigstens „Trost in der Philosophie“ wie ihn schon Boethius fand.
Nun
gewiss könnten Boethius (geboren um 475 in Rom, hingerichtet 526 in Pavia)
und seine Philosophie eine Nahtstelle zum alles beherrschenden Christentum in
der westlichen Welt bis heute, darstellen. Boethius, ein hoher römische
Staatsbeamter aus nobelstem Hause, war Katholik, schrieb auch fromme Traktate,
befasste sich mit Platon und Aristoteles, deren Werke er ins Lateinische
übersetzen wollte und schrieb über Musik und Mathematik. Sein schon
genanntes Hauptwerk „Trost in der Philosophie“, schrieb er bereits
in Gefangenschaft in Pavia. Die Hinrichtung des einst so mächtigen Mannes,
der oberster Regierungsbeamter des Ostgotenkönigs Theoderich und
Römischer Konsul unter dem Oströmischen Kaiser Justin war, war sicher
rein politisch begründet. Aber nun wird gesagt, dass er im Gefängnis
nur Trost in der Philosophie und nicht im Glauben, im christlichen, fand. Er
schrieb nichts vom Glauben, und Gott war für ihn ein sehr vage definierter
Begriff. Daraus wurde abgeleitet, dass er eigentlich kein Christ mehr war
sondern wieder „Heide“. Er habe auch Vernunft vom Glauben getrennt,
er sei eigentlich Mystiker.
Ich
will nun nicht – was ich gar nicht kann – die Philosophie weder die
des Boethius noch anderer zerpflücken oder kritisieren. Es erschiene mir
zu einfach, geradezu primitiv, darauf hinzuweisen, dass die Philosophen,
zumindest bis zum Beginn der Neuzeit, kaum andere Vorstellung haben konnten,
als die, die sich auf irgendwelche Schöpfungsmythen, einschließlich
derer des Alten Testaments und das Wirken von Göttern bezogen.
Nur,
alle Philosophie focusiert sich in bestimmten Situationen auf diese. Boethius
suchte, in Erwartung seines Todes Trost. Er fand ihn, im mystischen,
neuplatonischen Sinn (Plotin), wie berichtet wird in der „höchsten
Hypostase“. Diese höchste Hypostase bedeutet, in etwa
übersetzt, ein gebündeltes Wesen, einen Urgrund, so bezogen auf die
christliche Dreieinigkeit, den Zustand, in dem nicht mehr zwischen den
„Komponenten“ Vater, Sohn und heiliger Geist unterschieden wird. Ob
man diesen Zustand dann als Mystik, Transzendenz oder was auch immer bezeichnen
will, ist nicht entscheidend. Für diesen Betroffenen, Boethius, war, nach
meiner Einschätzung der Trost in dieser Philosophie, in dieser
Geisteshaltung entscheidend dafür, dass er ohne das Ritual, nicht
„wohlversehen mit den Tröstungen unserer Heiligen Kirche“ als
gesunder und moralisch untadeliger Mensch sterben konnte. Und das wird ihm, dem
schon lange Toten, ja als nichtchristlich ausgelegt und verübelt.
Nicht
identisch aber weitgehend ähnlich, was Herkunft, Leben, Moral und Tod
betrifft, kann man in unserer Zeit Dietrich Bonhoeffer sehen. Von seinem
siebenstrophigen Gedicht „Von Guten Mächten“ ist heute fast
nur die letzte bekannt. Sie steht oft über Todesanzeigen und soll m. E.
die Akzeptanz des Todes, verbunden mit einen Trost ausdrücken. Ich halte
das für wesentlich für die Menschen. Bezogen auf Bonhoeffer, die
Religion und Gott, der für ihn Jesus und die Bergpredigt war; kann ich nur
meinen höchsten Respekt ausdrücken, was ihm, selbst seitens seiner
Mitbrüder nach dem Krieg, als sein Schicksal bekannt wurde, keineswegs
immer widerfuhr. Es zeigt auch, dass in Religionen und Ideologien sehr zwischen
aufgeblasenen Worten mit rituellen Gesten für die Allgemeinheit und dem
ganz individuellem Schicksal des Einzelnen unterschieden wird. Darauf werde ich
noch später kommen müssen.
Was aber
bedeutet die Philosophie für die Menschen? Hat sie je auch nur das
Weltbild, geschweige denn die Welt verändert? Wenn ich sage, die
Naturwissenschaften, die nicht erst mit Einstein und Planck begannen, die
beiden letzteren jedoch herausragende Gestalten sind, haben die Welt
verändert, dann ist dies nicht nur begreifbar im abstrakten Sinn, sondern
greifbar im tatsächlichen.
Durch
die Philosophie hat sich also nichts geändert, weil dies einfach in der
damaligen Welt nicht möglich war. Es gab weder das Experiment noch die
Technik von heute. Doch es gab geistige Ansätze, ohne die man wahrscheinlich später nicht
geforscht hätte, schon um zu sehen ob das wahr und richtig ist, was die
Alten behaupten. Dazu einige Beispiele.
Anaximander
der von 610 bis 546 v. Chr. in Milet gelebt haben soll und als bedeutender Astronom
und Astrophysiker
nach heutiger Auffassung gilt, hat als erster eine rein physikalische Kosmogonie
entworfen. Nur auf Beobachtung und rationales Denken gestützt
erklärte er die Entstehung der Welt, die er als Kosmos
(κόσμος) bezeichnete, als ein planvoll geordnetes
Ganzes. Er zeichnete als erster eine geographische Karte mit der damals
bekannten Verteilung von Land und Meer und konstruierte dazu eine Sphäre,
einen Himmelsglobus.
Die Entstehung des Menschen erklärte Anaximander als aus
Tieren hervorgegangen, aus Fischen oder fischähnlichen Lebewesen, da das
Leben sowieso spontan im Wasser, im Feuchten, entstanden sei, wie schon sein
Zeitgenosse Thales von Milet, annahm. Im weiteren Verlauf der Lebenszeit seien
die Lebewesen auf das trockene Land gegangen und hätten, nachdem sie eine
„sie umgebende Rinde“ abwarfen, ihr Leben noch für kurze Zeit
an Land verbracht.
Man
kann hier nur staunen welche Realitätsnähe, eine Evolution
vorausahnend, man durch nachdenken, nicht durch querdenken, erreichen kann. Und
wenn sich Anaximander mit der Seele, diese mit Leben, dem Ein- und Ausatmen in
Verbindung brachte, war er nicht weit entfernt vom „Odem, den Gott dem
Menschen, dem Lehmklumpen, eingehaucht“ haben soll, wie es im Alten
Testament steht.
Bei meinem Nachlesen über Anaximander erfuhr ich auch, dass
es eine Atemseele
des Menschen und eine der anderer Lebewesen gibt. Darüber später.
Freilich hat Anaximander Sonne, Mond und Sterne noch um die Erde kreisen
lassen, doch das konnte er gar nicht anders sehen. Immerhin wurde er für
die Annahme eines Kosmos, auch eines unendlichen und eines ebensolchen
Seinsprinzips, das er Apeiron, das Unbestimmte, Unfassbare, unendliche nannte,
nicht verbrannt, wie Giordano Bruno, der ebenfalls solche Gedanken hatte.
Es
wäre nun unsinnig die antiken Philosophen und ihr Werk auch nur angedeutet
oder zusammengefasst darstellen zu wollen. Es geht ja hier um keine
philosophische Abhandlung. Auch verbietet sich geradezu eine Kritik an ihren
Lehren, da diese eine eigene philosophische Weltsicht, die ich nicht habe,
voraussetzen würde. Dasselbe müsste man auch zu den orientalischen
Philosophen des Buddhismus, Hinduismus und der anderer Kulturen sagen. Wenn ich
trotzdem auf einzelne antike Philosophen eingehe, dann eher wegen ihrer politischen,
auch religionspolitischen und naturwissenschaftlichen Bedeutung.
So muss Sokrates ( 469 bis
399 v. Chr.),
der in Platons Schriften, die in 50 Jahren entstanden sind, und eine
Hauptperson in den Dialogen darstellt, genannt werden. Er wurde, sicher
völlig zu Unrecht, nur politisch motiviert, zum Tod durch den
„Schierlingsbecher“ verurteilt. Mit seinem verderblichen Einflusses
auf die Jugend und wegen der Missachtung der Griechischen Götter wurde sein Todesurteil
begründet. Nun gut, es hat also Götter gegeben, und wozu sind sie da?
Um nicht missachtet zu werden. Und so wird hier ein Beispiel gegeben, eines
unter letztlich Millionen, für einen politischen, religiös
verbrämten Mord. Eigentlich könnte man sich darauf berufen: Zum Tode
verurteilt, weil er dem Fahneneid nicht gefolgt ist, desertiert ist, weil er an
Gott nicht geglaubt, ihn geleugnet hat, und was man sich noch ausdenken kann.
Pythagoras, um 570 v. Chr. geboren, wird von Heraklit, welcher
etwa um die gleiche Zeit lebte und der der Vater des „Panta rhei“,
„alles fließt“ ist, als „der Schwindeleien
Ahnherr“ genannt. Er, Pythagoras hat einen älteren und einen
jüngeren „pythagoreischen Bund“ gegründet. Die
Anhänger des letzteren gaben nichts auf Kultur, führten ein
asketisches Wander- und Bettelleben, nahmen kein Bad und enthielten sich von
Fleisch, Fisch, Wein und Bohnen. Man sieht daran, was die Enthaltung von Bohnen
anrichten kann. Die anderen pflegten Philosophie, Musik, Mathematik, Geometrie,
Astronomie und Medizin. Ihnen verdanken wir wahrscheinlich den „Lehrsatz
des Pythagoras: a2 + b2 = c2“.
Euklid von Alexandria 365 v. Chr.
vermutlich in Alexandria oder Athen
geboren, war ein griechischer Mathematiker.
Er war sozusagen der Herr der Axiome. Wesentliches an Arithmetik und Geometrie
hatte er von den Pythagoreern übernommen und weiterentwickelt. Seine
mathematischen Darstellungen gelten (wie alle Schüler in heutigen
Gymnasien wissen) immer noch. Dass es, davon abweichend, besondere Fälle
geben muss, beschäftigte aber die Mathematiker des 18. und 19.
Jahrhunderts, u. a. Carl Friedrich Gauß und man entdeckte die
„nichteuklidische Geometrie“. Als Gauß' Schüler, Bernhard Riemann,
1854 die Differentialgeometrie krummer Räume
entwickelte und vorstellte, erwartete niemand eine physikalische Relevanz
dieses Themas. Diese Differentialgeometrie wurde weiter ausgebaut (Levi-Civita, Ricci-Curbastro und Christoffel) und Einstein fand in diesen
Arbeiten einen Schatz an mathematischen Werkzeugen für seine allgemeine
Relativitätstheorie. Ebenso gültig für die allgemeine Mathematik
und die Newtonsche Physik, auch die sphärische Trigonometrie, ist aber bis
heute die formale Axiomatik der Euklidischen Geometrie wie sie in David Hilberts Werk „Grundlagen der Geometrie“
(1899), niedergelegt ist.
Schließlich
muss noch Aristoteles genannt werden. Er wurde 384 in Thrakien geboren. Sein
Vater war Leibarzt des makedonischen Königs Amyntas. Ich betone dies
deshalb, weil bei großen Karrieren, gleich auf welchem Gebiet, die Herkunft,
die Basis, nicht nur eine nicht zu unterschätzende, sondern eine ganz
entscheidende Rolle spielt. Man wird sehr selten vom Hirtenjungen zum
König. Auch der Hirtenjunge Paris, der zusammen mit drei Göttinnen
für den Trojanischen Krieg verantwortlich zeichnet, war schließlich
ein Sohn des Königs Priamos.
Aristoteles
konnte also bereits als 18jähriger die Philosophenschule des Platon (aus
aristokratischem Hause) in Athen besuchen und 20 Jahre lang dort bleiben. Er
gründet dann eine eigene Akademie, geht nach einigen Jahren wieder nach
Makedonien und wird Prinzenerzieher. Er übernimmt die Erziehung des Sohnes
von König Philipp, der Alexander heißt und den man später den
Großen nennt. Nach dessen Regierungsantritt, gründet er im heiligen
Bezirk des Apollon Lykeios, eine neue Schule, das Lykeion. Es war eine
religiöse Gemeinschaft zu Ehren der Musen, wie dies in sehr abgewandelter,
christlicher Form, später die Lyzeen waren.
Aber
was hebt Aristoteles aus den Philosophen der Antike so heraus? Es war vor allem
die spätere Rückbesinnung auf die Antike in der Renaissance.
Aristoteles kam einem großen Heiligen gleich. Diese Rückbesinnung
auf die Antike begann zwar schon im Mittelalter, Boethius hatte schon einzelne
seiner Schriften übersetzt, Albertus Magnus hatte einen Kommentar
geschrieben, der quasi als Standardwerk für die damals führenden
Universitäten Paris und Oxford galt. Die Theologie begann dagegen schon
Sturm zu laufen beziehungsweise die aristotelischen Aussagen zu modifizieren
und teilweise zu verbieten. Die Kirchenväter, Augustinus und Thomas von
Aquin, der Dominikaner, sowie die Franziskaner taten sich darin hervor. Vor
allem seine Naturgesetze, die sich natürlich von den heute erkannten
wesentlich unterscheiden, die aber damals das so beliebte Wunder ausschlossen,
waren der Anlass dazu.
Die
islamische Welt, die Araber, hatten sich schon viel früher mit Aristoteles
befasst und ihn ins Arabische übersetzt, ohne dass die übrige Welt,
abgesehen von den genannten einzelnen „Gelehrten“ des Mittelalters,
groß davon Kenntnis genommen hätte. Für die Renaissance als der
epochalen Wiederentdeckerin der Antike musste das sehr umfangreiche Werk des
Philosophen schließlich wie eine Droge wirken. Nicht nur, dass das
Glück, das weltliche, bequeme, das angenehme Leben, mit gutem Essen und
Trinken, Wohnen, Sklaven und Konkubinen, kein Widerspruch zum hochgeistigen
Denken war, auch alle Lehren hatten etwas Befreiendes. Aristoteles
förderte und forderte das Wissen an sich, die Logik, die später
Immanuel Kant so loben sollte. Definitionen und Schlussfolgerungen von
Begriffen, aus Diskussionen, wurden formuliert. Seine Metaphysik befasst sich
intensiv mit dem Sein, das in jeder Art von wissenschaftlicher Disziplin als
selbstverständlich hingenommen werde. (Ich bin kein Philosoph, aber ich
kann, soweit ich Aristoteles verstehe, nur Sein als Begriff bei ihm finden,
über das er natürlich viel schreibt. Das nach meinem Ermessen erst
von seinen Adepten bis ins Unsägliche torquierte Seiende, finde ich nicht.
Dass es eine ganze, so genannte „Wissenschaftsdisziplin“ die
Ontologie, die Lehre vom Sein gibt, rechtfertigt wohl eine Unmenge bedruckten
Papiers, aber was sonst noch?)
Aristoteles
lehrt von Zufall und Zweck, über Dinge der Natur und über die Natur
selbst. Er lehrt vom Menschen und seinem Bau und, dass das Gehirn zum Beispiel,
ein minderwertiges Organ, lediglich für das Blutkühlen
zuständig, sei. Der Geist des Menschen komme vom Herzen. Er lehrt von
Wille und Freiheit, Staat und Staatspolitik, die Welt, die ewig in ihrer jetzigen
Gestalt ist. Aristoteles formuliert ein Axiom, das Kausalitätsprinzip:
„Alles, was bewegt wird, wird notwendig von einem anderen bewegt“.
Und dies ist auch für ihn ein Beweis für die Existenz von Gott. Da
sich die Welt und alles was zu ihr gehört bewegt, muss einer da sein, der
dies macht oder bewirkt.
Und
schließlich ist da noch die Seele. Sie umfasst bei ihm, wie ich gelesen
habe „nicht wie die moderne Psychologie bloß die
Bewußtseinserscheinungen, sondern das Leben überhaupt in seinem Grund
und seinen wesentlichen Eigentümlichkeiten.“ Gut, soweit Aristoteles
und in allergröbsten Hinweisen Auszüge aus seiner damaligen, antiken
Philosophie.
Nun
warum überhaupt die Anführung dieser Philosophen und Mathematiker?
Einfach um zu zeigen, dass es Geist und Wissen bereits seit der Antike, ohne
Glaube und Dogma, „nachrechenbar“ gab. Dass die Renaissance in den
antiken Philosophen, besonders in Aristoteles einen schon für die damalige
Zeit umfassend gebildeten Geist fand, war nur teilweise ein Segen. Lediglich
die weltlichen Humanisten konnten die Anstöße aus der antiken
Philosophie aufnehmen und weiter verarbeiten und sei es nur, um die Ansichten
der Philosophen nach oft 2000 Jahren anzuzweifeln oder zu widerlegen. Die
Geistlichkeit, die im Papsttum und dem obersten Klerus lediglich das angenehme
Leben in die Renaissanceform brachte, sei es in aufwendigem Lebensstil, in
Prachtbauten, die nur vorgeschoben zum Ruhm Gottes dienten, aber die eigene
Macht demonstrierten, blieb, zumindest was die Lehre für das einfache Volk
betraf, dem Mittelalter verhaftet.
Soweit
es den Menschen betraf, änderte sich an seinem Ausgeliefertsein
gegenüber der Religion, der Macht, die wiederum diese zu ihrer
Rechtfertigung gebrauchte, bis ins 19. Jahrhundert eigentlich nichts. Dies war
und ist in der ganzen Welt so. Die Reformation hatte nicht zum Schisma der
katholischen Kirche geführt, denn es entstanden, auch wenn dies heute noch
vom Vatikan negiert wird, neue Kirchen. Im Augsburger Religionsfrieden hatte
man sich ja auch von beiden Seiten, der katholischen und der evangelischen,
quasi einen Nichtangriffspakt zugesichert. Die Evangelen gliederten sich weiter
in Unterkirchen auf und schließlich kam die Gegenreformation. Sie war in
der Tat gegen jede Reformation der Kirche, was ja ursprünglich die
Reformation wollte, gerichtet. Die Inquisition zeigte die Macht des Glaubens in
barockem Gold der Kirchen und der öffentlichen Verbrennung derer, die sie
nach Folter und Denunziation, der Abweichung von diesem bezichtigte. Davon hat
die katholische Kirche sich bis heute nicht distanziert, geschweige denn einen
Fehler oder gar ein Unrecht zugegeben. Ländereien wurden hin und her
geschoben, zwar meist einseitig zugunsten des Katholizismus und das Volk, das
unter jeder Religion sowieso nur litt, eben mit: Cuius regio eius religio. So
hatte man das ausgehandelt.
In
Europa kam es zum 30jährigen Krieg, der die Bevölkerung aller
Länder dezimierte. Ob dieser Krieg auch nur anfangs ein Religionskrieg
war, mag dahingestellt bleiben. Die unsägliche Armut der niederen
Bevölkerung, Stände kann man da nicht sagen, blieb über diesen
Krieg hinaus erhalten. Der Absolutismus, der folgte, war sowieso nur etwas
für die Herrschenden. Das einfache Volk hatte dem von Gottes Gnaden zu
dienen. Ludwig XIV. (1638 - 1715) war seit 1643, noch
ein Kind zunächst, König von Frankreich
und Navarra, „der Sonnenkönig“.
Die Prachtbauten, wie Versailles, die er zur selbstverständlichen
Demonstration seiner Macht hinstellte, aus dem Volk pressen ließ, waren
Vorbild und Ansporn für den kleinsten Duodezfürsten in Europa. Und in
jedem Kaff musste ein „Kleinversailles“ entstehen. Ein
späterer, geisteskranker Ludwig, diesmal von Bayern, versuchte gar den aus
Frankreich zu übertreffen.
Man
konnte das Volk auch als Soldaten an andere Herrscher verkaufen. Sogar England
bekam für seine Kolonien in Amerika aus Deutschen Ländern –
nicht aus Deutschland, denn das gab es gar nicht – Soldaten. Dort musste
die Macht erhalten werden, auch der Genozid an der einheimischen
Bevölkerung, den Indianern, den schon die unmittelbaren Nachkommen der
frommen Pilgrim fathers begannen, musste fortgesetzt werden.
Als in
der französischen Revolution endlich das unterdrückte Volk sich Luft
machte, endlich dem prassenden Adel die Köpfe abschlug, allerdings bald
den nachgewachsenen, eigenen Mächtigen, schien es, als wollte Vernunft
einkehren. Man sah, dass der Glaube an einen Gott nur Elend gebracht und die
Macht seiner Diener gefördert hatte. Aber anscheinend kann die Menschheit
nicht ohne Gott leben, so dass man wenigstens die Vernunft zur Göttin
erhob.
Dieser
„Göttin Vernunft“ hatte auch Charles-Maurice de
Talleyrand-Périgord, (1754-1838) gedient. Er
war einer der bekanntesten französischen Staatsmänner sowie Diplomat
während der Französischen Revolution, der Napoleonischen
Kriege und beim Wiener Kongress.
Zuerst war er aber Priester und gleich Abt von Saint-Denis in Paris, dann
Bischof von Autun. In der Revolution schmiss er die geistlichen Brocken hin,
wechselte in den „Dritten Stand“, wurde dessen Vertreter in der
Nationalversammlung und war für die Einziehung der Kirchengüter.
Papst Pius VI exkommunizierte ihn deshalb, aber sein Gehalt als Abt von
Saint-Denis erhielt er weiter. Mit Dantons Hilfe floh er nach England und
Amerika, um der “Schreckensherrschaft“ unter Marrat und
Robbespierre, der selbst Danton zum Opfer fiel, zu entgehen. Er kehrte nach
Ende dieser Herrschaft zurück, wurde Außenminister der Republik,
wandte sich aber bald dem neuen Mann Napoleon zu, der ihn nach dem
Staatsstreich mit dem gleichen Posten, dem des Außenministers, betraute.
Unter Napoleons Kaisertum blieb Talleyrand auch noch
Außenminister und, als er sich mit ihm wegen des Krieges gegen Russland
und Preußen entzweit hatte, nur noch Herzog von Benevent.
Außenminister wurde er erst wieder unter dem Bourbonen Ludwig XVIII. Was
er im Wiener Kongress alles bewirkte ist bekannt. Die Revolution von 1830 und
den Bürgerkönig Philippe überstand er gut, machte einen Prinzen
Leopold Georg Christian Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld zum König Leopold I. von Belgien und war zuletzt
Botschafter in England.
Er, der mit einem Klumpfuß wie Joseph Goebbels gesegnet war,
hatte keine ehelichen dafür aber einige uneheliche Kinder, die es meist zu
großen Persönlichkeiten und Ehren brachten. Nur seine Vaterschaft am
Maler Eugen Delacroix wird angezweifelt, weil er zur Zeit dessen Zeugung, wegen
einer venerischen Krankheit, vorübergehend zeugungsunfähig gewesen
sein soll.
Aber
warum nur muss ich diese Geschichte lang und breit erzählen? Offenbar nur,
um dem Klerus eins auszuwischen? Das wohl nicht. Es geht mir um den Menschen,
den, der vielleicht einmal einem Bischof den Ring küssen muss, der vergeblich
auf den Blitz wartet, der aus dem Himmel auf einen Frevler herab fährt,
der sieht, was Gott den Seinen gibt.
Nun,
das war eben die Zeit, die man heute als Aufklärung bezeichnet. In ihr
lebte auch Immanuel Kant (1724 - 1804) in Königsberg. Er war an der
dortigen Universität Professor für Logik und Metaphysik. Keine Angst:
Ich will nicht und kann nicht sein Werk in irgendeiner Weise bewerten oder
zerpflücken. Das, was er „allerunterthänigst“ zum Teil
seinem König von Preußen gewidmet hat, ist ein ungeheueres
philosophisches Werk, an dem noch Generationen von „Kantianern“
eine Aufgabe finden werden. Aber ich muss Kant doch ein wenig zitieren, wie es
heute noch an der Universität von Kaliningrad, dem früheren
ostpreußischen Königsberg, in deutscher und russischer Sprache
steht: „Zwei Dinge erfüllen
das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je
öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der
bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“
Man hat
uns (mich) mit dem letzten Satz – mehr erfuhren wir nicht über Kant
– kurz vor dem Abitur, als es im Fach Religion, das auch schriftliches
Abiturprüfungsfach war, im Ethikunterricht, bekannt gemacht. Es hieß
aber, dass für Kant „Der
bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir“, der
Beweis für das Vorhandensein Gottes war. Es war ein Gottesbeweis, was es
auch für uns zu sein hatte. Wir hatten damals nicht der
„bestirnte“ sondern der „gestirnte“ Himmel lernen
müssen. Das war es aber auch.
In frommen Kreisen konnte man damals auch erfahren,
dass es Philosophen gab wie Hegel und Nietzsche, die den Tod Gottes
herbeigewünscht hätten. Letzterer vor allem, wurde immer als
warnendes Beispiel vor den Folgen der Gottlosigkeit dargestellt. Er, der mit 24
Jahren Professor für klassische Philologie, bald aber geistig umnachtet
war, wohl, wie man tuschelte, als Folge einer venerischen Krankheit, starb
knapp 56jährig in Weimar. Die Philosophen, die es wagten nicht an Gott zu
glauben, waren nie sehr zahlreich.
Ernst
Haeckel, der ein Wegbereiter des Darwinismus in Deutschland war, lehnte zwar
jeden Schöpfungsakt
strikt ab, sah aber die Natur bis hin zu anorganischen
Kristallen als beseelt an. Gott war für
ihn identisch mit dem allgemeinen Naturgesetz.
Man kann Haeckel mit seiner Eugenik und Rassenhygiene durchaus als Wegbereiter
für den Rassenwahn der Nationalsozialisten ansehen, obwohl er bereits 1919
starb. Was er wörtlich über die Tötung von neugeborenen und
verkrüppelten Kindern schreibt, könnte nazistischer nicht sein. Aber
auch er, Haeckel, brauchte irgendeinen Gott und wenn es nur das allgemeine
Naturgesetz war, was auch immer er darunter verstand.
Ohne einen
Gott kam auch Martin Heidegger nicht aus. Er, der Herr des Seins, des Seienden,
des Sei-endens usw., der Ontologie schlechthin, den die Hälfte der
heutigen Philosophen für einen riesig aufgeblasenen Scharlatan hält,
den die andere Hälfte nahezu anbetet, hält ja die
„Seinsgeschichte“ für eine Verfallsgeschichte, die, schon seit
den Griechen, durch zunehmende Seinsverlassenheit, nur in planetarischer
Technik und im Nihilismus enden kann.
Ich
habe diesen geschwollenen Satz übernommen. Gewiss habe ich auch in
Heideggers Schriften und in erklärenden Kommentaren dazu, in Büchern,
gelesen. Ich habe also nicht Heidegger studiert. Es mag an meinem geringen
Intellekt liegen, der qualitativ dem der Hälfte der Philosophen, die
Heidegger für einen Scharlatan halten, zu entsprechen scheint, aber ich
kann hundertmal geschraubten Unsinn, auch wenn er auf sehr, sehr viel Papier
ist, nicht für den Gipfel der Weisheit halten. Dies Meinung mag den
Heideggerianern so egal sein, wie mir deren Meinung dazu ist.
Womit
ich mich nicht aufhalten will, ist das Leben des ehemaligen
Jesuitenzöglings und seiner Wandlungen. Ich habe mit Respekt bemerkt, dass
er sich auch der Mathematik zugewandt hatte, also einer exakten Wissenschaft,
wie dies viele Philosophen taten. Leibnitz hat die Infinitesimalrechnung
eingeführt. Dass ich dies betone liegt daran, dass es auch unter
Philosophen – worunter ich mich nicht zähle – keineswegs
üblich ist, den anderen nicht in oft übler Weise herabzusetzen. Ein
Philosoph, der auch ein großer Mathematiker war, Bertrand Russel, er hat
u. a. zusammen mit Alfred North Whitehead die Principia mathematica
herausgegeben, wird in manchen philosophischen Werken nur als der Ehemann von
vier Frauen, der, der oft in Geldnöten war, weil er für soziale Einrichtungen
spendete und ein Mal wegen seiner Überzeugung im Gefängnis war,
angeführt. Dass er wirklich ein großer Philosoph war, wen
interessiert das schon? Doch er ist der Philosoph, sicher mit noch einigen
anderen, der ohne Gott und auch ohne Ersatz für ihn, auskommt. Und dies
ist letztlich mein Anliegen, dass man endlich den Menschen von seinem Glauben
an Gott befreit.
Doch
kurz zurück zu Heidegger: Er hat über Biophysik und Biotechnologie
geschrieben und die Befürchtung geäußert, dass man damit den
Menschen zu einem bloßen organischen Wesen machen kann, wie man ihn eben
braucht. Ich lasse diese Befürchtung den Jüngern Heideggers gerne.
Wahrscheinlich werden auch noch viele Philosophen und Theologen, wie ja gehabt,
mit ihm promovieren und sich profilieren können.
Vom
Glauben an Gott habe ich geschrieben und meine dies genau so, nämlich,
nicht von Gott befreit. Ich hoffe, wenn auch in gebotener Kürze, dargelegt
zu haben, dass eine menschliche Erfindung, die stets versagt hat, das
heißt das nicht erfüllte was man von ihr hätte erwarten
können, die man vor einigen tausend Jahren in die Welt setzte, nicht
existiert. Auch der Ersatz dafür, also wenn schon nicht Gott, dann irgend
etwas von Demiurg oder „Höherem Wesen“ – man lese Heinrich
Bölls „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“ – ist nicht
existent.
Freilich
bin ich mir sicher, dass die Menschheit nicht ohne „irgend etwas muss es
doch geben“ auskommt. Ich will auch weder einen anderen Ersatz anbieten,
noch Gott irgendjemand, der ihn braucht, ausreden. Dann wäre ich Priester
und religiös. Ich möchte aber, dass die Menschheit so weit frei wird,
dass sie sich von keinem Papst, keinem Imam, keinem noch so charismatischen
Ideologen in ihren Gedanken, ihrer geistigen Evolution, mehr unterdrücken
lässt. Die Zeit der Scheiterhaufen sollte vorbei sein.
Natürlich
wird man sagen: das ist Anarchie, Sittenlosigkeit, Kriminalität,
Aufforderung zum Verbrechen. Und vor allem ist es Sünde und der Mensch
wird Schaden an seiner Seele nehmen und letztlich wird dadurch die Menschheit
untergehen. Letzteres stimmt. Untergehen schon, aber nicht dadurch. Ich werde
das noch begründen müssen, aber auch ausführen, dass bis dahin,
auch ohne Gott, Sünde und Seele, die Menschheit nicht im Chaos untergehen
müsste.
Also,
nun kommt endlich die Seele dran. Aber wie kann man nur über die Seele
überhaupt diskutieren? Ist das nicht Blasphemie? Wo doch Gott dem
Menschen, als er ihn schuf, die Seele eingehaucht hat. Von mir aus. Aber
welcher Gott? Der, der vor 6000 oder wie viel Jahren die Sache mit Adam und Eva
gemacht hat? Hat der da auch an die Chinesen gedacht? Mussten da irgendwelche
Schamanen stellvertretend einspringen?
Natürlich
wird man sagen, dass das sinnlose Lästerei ist. Man weiß doch, dass
der Mensch aus Leib und selbstverständlich auch aus Seele besteht. Warum
hat man denn in der Inquisition die Menschen verbrannt, ich meine die Ketzer
natürlich, warum? Weil man eben die Seele mit verbrennen wollte, damit
nichts von dem Natterngezücht, auch später nicht, mehr auferstehen
kann. Weil aus Asche keine Auferstehung des Fleisches mehr möglich ist
oder sein soll, kann auch die Seele nicht wieder auferstehen und man hat sie
eben, noch bevor sie zum Himmel oder zur Hölle fahren konnte, gleich mit
dem Leib verbrannt. Aber wenn das immer schon klar war, was die Seele ist,
warum musste man so viel diskutieren?
Fangen
wir wieder bei den Philosophen an, bei Platon. Dieser hielt die Seele für
präexistent, sogar für substanziell, also ein irgendwie fassbares
Gebilde, sie war also schon immer da, bevor der Leib da war. Aristoteles
ließ sie nur zusammen mit dem Leib entstehen. Die christlichen
Kirchenväter, voran Augustinus, konnten nicht genug davon bekommen,
„de Statu animae“ oder nur „de anima“ zu schreiben.
René Descartes (1596–1650) gab dem Leib,
der res extensa, einem mechanistischen, erklärbaren, man möchte
meinen primitivem Gebilde, was des Leibes ist und der sogar denkenden Seele,
der res cogitans, was der Seele ist. Leib und Seele seien also zwei
verschiedene Entitäten, wobei letztere immateriell ist. Tiere können
somit gar keine Seele haben. Es ist verständlich, dass Descartes bei
dieser Auffassung auch zu seinem berühmten Satz: „Ich denke, darum
bin ich (cogito ergo sum)“ kommen musste.
Ich bin wahrscheinlich zu dumm, um hinter diesem Satz
Descartes’ auch nur einen Funken Logik oder Gescheites zu entdecken.
Alles was nicht denkt, ist nicht? Woher weiß ich, was und ob ein anderer
denkt? Vielleicht die Gedankenübertragung? Diese, die der halben
Menschheit als nicht möglich nicht klarzumachen ist, weil man doch
unzählige Beispiele und Beweise habe? Und Tiere, die keine Seele haben,
können nicht denken, also sind sie nicht? Aber das ist doch immateriell,
wird man sagen, geistig, gedanklich eben. Na und? Ich empfehle das
„cogito ergo sum“ denen, die glauben mit einer Dauerkarte beim
Karussellfahren, doch noch an ein entferntes Ziel zu kommen.
Aber ist damit beantwortet, was die Seele ist? Das wohl nicht.
Irgendetwas muss sie doch sein. Ich kann dies zunächst auch nicht
beantworten. Zudem will ich nicht mit dem, ich weiß nicht welchem Anatom
zugeschriebenen Satz argumentieren, dass er bei unzähligen Sektionen von
Menschen, „nie eine Seele“ gefunden habe. Und, wenn man schon die
Seele nie gefunden hat, so wollte man doch wenigstens ihren Sitz wissen. So hat
Samuel Thomas von Soemmerring, in Mainz,
über das Organ der Seele geschrieben. Er meinte in den Hirnventrikeln und der
Ventrikelflüssigkeit müsse so der Sitz der Seele sein, da
sämtliche Hirnnerven an den Wänden der Ventrikel enden würden.
Nun, auch eine Topographiediskussion ist nicht sinnvoll, da wir ja sonst davon
ausgehen müssten, dass die Seele irgendwo sitzt und wir diesen Ort nur
nicht finden.
Aber, wäre es nicht möglich, dass wir, gerade wie
angeblich die Tiere, gar keine Seele haben und trotzdem denken und - ich sage
sogar ganz vorsichtig, weil es ein neues Problem aufwirft – fühlen
können? Wirklich? Dazu später noch mehr.
Der Mensch und sein Gehirn
Wir
wollen uns zunächst dem Gehirn zuwenden, auch wenn wir dies schon einmal,
als es um seine Größe beim Neandertaler, dem Homo sapiens sapiens
und den Frauen ging, getan haben. Dass dies die Schaltzentrale unseres Lebens
ist, dürfte inzwischen unbezweifelt sein. Es ist eben nicht, wie
Aristoteles meinte, ein Kühlapparat für das Blut. Aber was ist es
überhaupt? Wenn ich es in zwei, drei Sätzen beschreiben könnte,
wäre es nicht unser Gehirn. Auch wenn ich meinte, was ich nicht tue, dass
wir jetzt so ziemlich alles darüber wissen, wäre das sicher ein
Irrtum. Am besten, wir versuchen dieses Organ so gut wie möglich zu
beschreiben.
Schon
während meines Medizinstudiums, dann während meiner Tätigkeit
als Physiologe, war der „dekapitierte Frosch“ ein zentrales
Studienobjekt. Einen Frosch zu dekapitieren, war Handwerk und es bedeutete,
dass man einem Frosch mit einem Scherenschlag das Gehirn abschnitt. Dass der
Frosch dann trotzdem forthüpfen konnte, was er oft tat, war der Beweis,
dass hüpfen und bewegen auch ohne Gehirn geht. Wir waren sicher, dass der
Frosch, jetzt ohne Gehirn, nichts mehr fühlen und denken könne und
somit auch keinen Schmerz verspürt. Das dürfte wohl auch so sein und
im übrigen diente uns der Frosch oder seine Muskulatur für
elektrophysiologische Experimente und, in der Vorlesung und den Praktika,
für die Studenten zum Beweis für Reiz und Reizantwort usw. Wir
lernten und lehrten etwas über Reflexe, so Eigenreflexe, die durch direkte
Reizung, am Muskel etwa, auszulösen waren und Fremdreflexe, die erst
über Nervenbahnen und das Rückenmark gehen mussten. Auch konnten wir,
zumindest an Anschauungsmaterial den Pawlowschen Versuch zeigen, der bei einem
Hund, dem man durch eine Operation eine Fistel am Magen angelegt hatte, das Einsetzen
der Magensaftproduktion bei einem Signal (Gong oder Fressnapf) demonstrierte,
auch dann wenn der Hund noch gar nichts zu fressen bekommen hatte. Der Hund
wusste aber und hatte es sich gemerkt, dass es immer etwas zu fressen gab, wenn
so ein Signal kam. Das war wieder der Beweis, dass offensichtlich ein Signal,
das über das Gehirn gehen musste, also über das Gehör oder das
Auge, mit dem Anblick des Napfes, auch an einem fernen Organ, dem Magen, etwas
bewirken konnte. Eine direkte Reizung der Magenwand durch Futter, war also
nicht notwendig.
Etwas
war noch merkwürdig während meines Medizinstudiums: Die Nervenbahnen.
Der Anatom nämlich lehrte, dass ein Nerv von einer Nervenzelle im Gehirn
bis zu seinem Erfolgsorgan, dem Magen oder den kleinen Muskeln am großen
Zeh, in einem Stück verlaufe. Irgendwelche Schaltstellen, die Synapsen,
von denen die Physiologen immer redeten, gab es nicht. Er, der Anatom, hatte
noch nie so eine Synapse gesehen, also konnte es sie nicht geben. Im
benachbarten Physiologischen Institut, das er „die Froschklinik“
nannte, wusste man aber etwas von Synapsen, auch wenn man sie nicht so gut
abbilden konnte, wie dies heute elektronenoptisch möglich ist. In
anatomischen Instituten anderer Universitäten wusste man übrigens
auch schon von ihnen.
Was ich
damit sagen will ist, dass einerseits das Wissen um Gehirn und Nervensystem,
keineswegs einen Endpunkt erreicht hat, dass Wissen ganz allgemein, zeitlich
und örtlich äußerst unterschiedlich aufgenommen wird und, dass
man andererseits deduktiv, aus dem Verhalten bestimmter Systeme, deren Struktur
ableiten oder voraussagen kann. Wir wissen heute, dass eine Nervenzelle im
Gehirn, ein Neuron, nicht Fortsätze hat, um sich vielleicht irgendwo
festzuhalten, sondern, dass über diese Fortsätze, die Dendriten, eine
Kommunikation, ein Austausch von Information, mit anderen Neuronen,
stattfindet. Auch der in die Peripherie gehende Fortsatz der Nervenzelle, das
Axon, kann noch mit anderen Nervenzellen in Verbindung stehen. Dass hier
Botenstoffe, ganz unterschiedliche, eingeschaltet sind, weiß man nicht
nur daraus, dass bei ihrem Fehlen oder Mangel, bestimmte Krankheiten, etwa die
Parkinsonsche Krankheit, zum Ausbruch kommen. Man kann heute sehr gut die
Übertragung neuraler Prozesse durch Botenstoffe im Experiment simulieren.
In den
letzten Jahren des letzten Jahrhunderts hat man zudem eine Entdeckung gemacht,
nämlich die, dass die so genannten Gliazellen, ein bisher im wesentlichen
als Stützgewebe, von ganz unterschiedlichem Aussehen der Zellen, angesehenes
Gewebe, eine durchaus wichtige Funktion für die Signalübertragung im
Gehirn haben. Man hat Verbindungskanäle im Nanobereich, also ungeheuer
kleine, entdeckt, in denen Kaliumionen in gequantelten Einheiten, für eine
Signalübertragung sorgen. Die Signalübertragung erfolgt nicht nur
zwischen Gliazellen sondern auch zwischen diesen und Neuronen. Ich will jetzt
nicht die Quantentheorie ins Spiel bringen – dazu fehlen mir die ganz
speziellen physikalischen Kenntnisse und einfach das wissenschaftliche Arbeiten
am Objekt – aber ein Nachdenken wäre hier nicht gerade falsch.
Die
Signalübertragung in den Kaliumkanälen der Gliazellen ist, verglichen
mit der Nervenleitgeschwindigkeit in Neuronen, sehr langsam. Aber auch in
Neuronen und den zugehörigen Nerven, einschließlich der Dendriten,
ist die Nervenleitgeschwindigkeit kein elektrischer Impuls, der mit
annähernd so hoher Geschwindigkeit wie in elektrischen Leitungen, Kabeln,
abläuft. Elektrische Impulse werden im Organismus sowieso nur von Zelle zu
Zelle weitergeleitet. Und noch etwas muss hier schon angesprochen werden: Es
geht im Gehirn und im Nervensystem nicht nur um Signalübertragung bis zu
einem Erfolgsorgan, um dort etwa auszulösen was das Organ zu tun hat, -
dass eine Rückmeldung zum Gehirn erfolgt in der Art „mein rechter
Arm befindet sich jetzt auf dem Tisch aufgestützt“ ist fast trivial,
- sondern es geht darum, neben fördernden Botenstoffen wie Glutamat, auch
bremsende, filternde, die Signalübertragung unterdrückende zu haben.
Fällt ein solcher „Mechanismus“ aus, können also
Nervenzellen ungebremst Signale an andere weitergeben, ein sich sozusagen
aufschaukelnder Prozess, kommt es schlicht und einfach und gut sichtbar, zu
einem epileptischen Anfall. Es ist also notwendig, dass Neuronen, Nervenzellen,
in einem “Netzwerk“ verbunden sind, um sich immer wieder quasi
zurückzuversichern, ob die Weiterleitung eines Impulses und auch an welche
Gehirnteile erforderlich, nützlich ist, oder besser unterbleiben sollte.
Doch
warum jetzt diese Erörterung, die noch keineswegs zu Ende ist, über
Gehirn und Nervensystem? Nun, wir wollen doch wissen, warum wir was tun und ob
man dazu Geist, Erinnerung, Vorausschau oder gar eine Seele braucht. Wir wollen
wissen, was hält gesund, macht krank und wie kann man, wenn überhaupt
möglich, eine Krankheit, ich sage ganz vage, zum Guten hin, behandeln.
Können wir Krankheiten oder die Anlage dazu frühzeitig erkennen und
wenn ja, was nützt es uns?
Aber
was ist denn unser Gehirn überhaupt? Zumindest eine wahrscheinlich
kostbare Masse, sonst wäre sie nicht so geschützt von harten Knochen
des Schädels umgeben. Doch so war es schon bei den Neandertalern, bei den
Menschenaffen, bei Säugetieren wie Schwein, Hund, Rind, Ratten. Auch
Vögel und Fische haben ein Gehirn. Wo ist das Gehirn bei Muscheln, bei
Würmern? Auch die zuletzt genannten Wesen müssen doch zumindest so
etwas wie Nerven haben. Eine lebendige Muschel schließt sich, wenn man
auf sie klopft. Ein Wurm verkriecht sich wieder in der Erde, wenn man ihn beim
Umgraben aufgedeckt hat. Schweine geben, wenn man sie in einem Schlachthof auf
das Band zur elektrischen Tötung treibt, Laute von sich, die man nur als
Todesangst bezeichnen kann. Also können wir schließen; je höher
ein Wesen in der Evolution steht, desto differenzierter sind seine „Reizantworten“.
Und wenn wir ganz grob all die Wesen ansehen, merken wir, dass das Gehirn, im
Verhältnis zum gesamten Körper immer größer wird. Vor
allem sind es die so genannten Hirnlappen, die Hirnrinde, die bei den Tieren bis
zum Menschen, immer mehr zunehmen.
Wir
sollten nicht lange darum herum reden: Es ist der in der DNA niedergelegte
Bauplan, der auch unser Hirn zu dem werden ließ, was es ist. Und die DNA
hat auch das Gehirn von Affen, die Nervenstränge, die in einem Wurm das
Gehirn darstellen, also in abnehmender Folge der Evolution, das was wir als
Schaltzentrale eines Wesens ansehen, entstehen lassen. Vielleicht wird uns aber
daraus klar, dass wirklich Milliarden von Basenpaaren, die DNA in einer unserer
Zellen bilden müssen, dazu die verschiedene Kombination von Genen,
notwendig ist, nicht nur, um einen Organismen aufzubauen, sondern, um ihn in
einem funktionstüchtigen Zustand, und sei es nur für die
Fortpflanzung, zu erhalten.
Dass
die DNA seit der, die den ersten Plan für den Bau einer Zelle enthielt,
immer größer wurde, das heißt die Stränge immer
länger wurden, die Zahl der Chromosomen sich änderte, ist
verständlich. Verständlich auch, dass sich das Erbgut, also die DNA
zwischen Mensch und Schimpanse unterscheiden musste, auch wenn es nur um etwa
ein Prozent war. Dieses eine Prozent bedeutet bereits Millionen von Basenpaaren
und von Kombinationsmöglichkeiten. Und wenn sich das Mausgenom von dem des
Menschen um fünf Prozent unterscheidet, so ist das riesig. Aber wozu 95
Prozent mit der Maus gemeinsam? Ganz einfach: Jede Leber-, Muskel-, Nieren-,
Hirn-, Knochen- usw. -Zelle, muss im Bauplan der Maus-DNA genauso enthalten
sein wie in der menschlichen, weil eben Bau und Funktion, einer Niere zum
Beispiel, bis auf die Größe gleich sind.
Ich
will auf noch etwas kommen, was unser Gehirn und unser Leben überhaupt
betrifft: Es ist das, was wir Stoffwechsel nennen. Stoffwechsel ist auch die
Energiegewinnung aus Zucker, der Aufbau von körpereigenem Eiweiß aus
Fremdeiweiß. Dieser Stoffwechsel findet in den Leberzellen, auch in
Muskelzellen – hier über die Substanz ATP (Adenosintriphosphat)
statt. Auch das Gehirn hat einen Stoffwechsel. Es ist auf Sauerstoffzufuhr
über das Blut angewiesen. Wird diese nur einen Moment unterbrochen, bei
einem Kreislaufkollaps etwa, folgt ein sofortiger „blackout“, der
Betroffene wird ohnmächtig und fällt um. Die ausgefallenen
Hirnfunktion setzt gleich wieder ein, wenn wir nur beim dort Liegenden die
Beine anheben, wodurch die Blutzufuhr zum Gehirn ansteigt. Das ist allgemein bekannt.
Einen langsameren blackout, kenntlich
daran, dass die Orientierung verloren geht, Hilflosigkeit und
schließlich doch Bewusstlosigkeit eintritt, haben wir beim Absinken des
Blutzuckerspiegels, beim „Unterzucker“ eines Zuckerkranken. Wir
werden bald nochmals auf Besonderheiten des Stoffwechsels im Hirn
zurückkommen.
Zunächst
aber zu einer relativ neuen Untersuchungsmethode, der Kernspintomographie. Im
Prinzip geht es hierbei darum, dass sich die magnetischen Eigenschaften
verschiedener Gewebe nicht nur unterscheiden, sondern sich im Ablauf von
Stoffwechselprozessen ändern können. Man spricht daher auch von
Magnetresonanztomographie. Untersucht man, mit Hilfe eines relativ starken
Magneten die (Magnet)-Feldeigenschaften eines Körpers und dies noch sozusagen
scheibchenweise (daher Tomographie) so erhält man über
Computerberechnungen ein Abbild des Körpers oder dessen was man untersucht
hat. Bezogen auf den Menschen, den man dazu wie bei der
Computer(Röntgen)-tomographie in eine Röhre schiebt (es gibt inzwischen
auch offene Geräte) kann man die einzelnen Gewebe, also Knochen, Muskeln,
Herz, Lunge usw. darstellen. Im Gehirn sieht man unterschiedliche Gewebe, wie
Weiße und Graue Substanz, Ventrikel mit Flüssigkeit, auch
Geschwülste usw. Was aber die Sache sehr interessant macht ist, dass man
sich ändernde Gewebeeigenschaften darstellen kann. Und Gewebe, in dem
etwas abläuft, und seien es winzigste Stoffwechselprozesse, der Austausch
von Botenstoffen, das ist „aktiv“ und das kann man erfassen,
bildlich darstellen.
So war
es möglich, an freiwilligen Versuchspersonen zu erforschen, was passiert
und ob überhaupt und wenn dann wo im Gehirn, durch einen Reiz, sei es
durch Betrachten eines hingehaltenen Bildes oder durch Hören bestimmter
Musik, eine Emotion ausgelöst wird. Und man ist fündig geworden. So
konnte man eine Art Landkarte für die Aktivität bestimmter Hirnareale
bei wiederum bestimmten geistigen oder körperlichen Tätigkeiten
anlegen.
Gewiss
war schon früher eine Zuordnung bestimmter Hirnteile zu bestimmten
Eigenschaften möglich. Das Stammhirn, der evolutionär älteste
Teil des Gehirns, sorgt dafür, dass auch im Schlaf, Blutkreislauf und
Atmung funktionieren. Von welchen Teilen der Hirnrinde Muskelbewegungen
gesteuert oder Schmerzen lokalisiert werden, ist lange bekannt. Auch, dass im
Stirnlappen des Gehirns irgendetwas sitzen müsse, das Gedanken,
Gefühle, ja Wahn verarbeitet wusste man. Daher wurde bei schwerer
Schizophrenie, keineswegs immer mit Erfolg, eine so genannte frontale (frons =
die Stirn) Leukotomie, die Durchtrennung der weißen Substanz,
durchgeführt. Man ging, das sei nur nebenbei erwähnt, oft recht
großzügig mit dem Gehirn um, das ja meist das von anderen war.
Nun,
worauf es hier ankommt, ist nicht der Nachweis der Lokalisation von Prozessen, sondern
der Nachweis von Stoffwechselprozessen überhaupt. Und hier kommt wieder
unsere DNA und auch die RNA ins Spiel. Es ist sicher, dass ein bereits fertiger
Bauplan des Gehirns existiert. Jedoch wissen wir, dass das kindliche Gehirn bei
der Geburt keineswegs ausgereift sondern noch in Entwicklung ist. Diese Reifung ist, weil sie ja bei jedem Kind
in gleicher Weise abläuft, vorprogrammiert. Doch auch, wenn ein Gehirn
sozusagen ausgereift ist, ist es keine überdimensionale Platine eines
Computers, auf der jetzt mit binären Impulsen oder womit auch immer, das
verarbeitet wird, was man als input hinein gegeben hat.
Wie
schon gesagt, steuert ein evolutionär alter Teil unseres Gehirns, Atmung,
Kreislauf, Stoffwechsel usw. Es gibt Teile des Gehirns, die liegen unter der
Hirnrinde, dem so genannten Kortex, also „subkortikal“, was eben
unter dem Kortex heißt. Dieser hat, wie wir gleich sehen werden, viel mit
unserem Bewusstsein zu tun. Es muss aber Tätigkeiten geben, die wir gar
nicht mehr bewusst steuern oder zu steuern brauchen, die also subkortikal
ablaufen. So wäre es furchtbar, wenn man bei jedem Schritt jeden einzelnen
Muskel sozusagen kommandieren müsste. Dies allein gäbe, in eine
Computersprache übersetzt, weil man ja nicht nur Zustände sondern
Abläufe programmieren müsste, ein Programm gigantischen
Ausmaßes.
Aber
warum schreibe ich über solche oft für Banalitäten gehaltene
Abläufe? Nun, weil auch tatsächlich so etwas wie eine Programmierung
stattgefunden hat und zwar eine schon genetisch vorgegebene. Wenn nicht solche
Entwicklungen in der DNA eines jeden Kindes schon festgelegt wären, bevor
es laufen lernt, könnten sich einzelne Individuen von Kindern dazu
entschließen, ein Leben lang nur zu krabbeln oder zu hinken. Und diese
„Selbstverständlichkeiten“ sind in jedem Lebewesen der
gesamten Entwicklungsreihe seit den Einzellern vorgegeben. Auch bei Pflanzen
wachsen die Blätter für jede Art stets in gleicher Form.
Noch
klarer wird dies bei kortikalen Zellen, in denen unsere bewussten
Tätigkeiten, auch Erinnerungen, letztlich Emotionen gesteuert werden. Auch
hier ist der Plan, Zellen zu bilden, in denen solche Abläufe gespeichert
werden, bereits festgelegt. Ein
Beispiel: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Hirnzellen eine Information –
den Reiz von einer Nervenzelle der Netzhaut des Auges aufnehmen und
„verarbeiten“. Dies heißt, der Reiz wird, über
Nervenbahnen und Botenstoffe zur Sehrinde geleitet. Dort entsteht ein Abbild
dessen was zu sehen ist. Als Bild, also mit einer Bedeutung versehen, wird
dieses erst wahrgenommen, wenn der Impuls an andere Zellen gelangt, in denen zu
Beispiel „Haus oder Gesicht“ gespeichert ist. Dies geht aber nicht
über ein elektrisch leitendes Drähtchen an einen Akku oder
Kondensator, sondern kann nur über die Produktion eines ganz bestimmten,
für den Reiz spezifischen Eiweißkörpers über die RNA und
die Ablage an einer bestimmten Stelle des Gehirns gehen. So entstehen dann eben
im Laufe des Lebens, abhängig von der Intensität eines Eindrucks und
wie oft man ihn hatte, bei optischen Reizen Erinnerungen, die dann abgerufen
werden können. Aber diese Prozesse sind nicht unbedingt ein Automatismus
und vor allem, sie brauchen wie alle chemischen Reaktionen, Zeit und optimale
Umgebungsbedingungen.
Was ich
damit, nach langer Vorrede, sagen will, ist folgendes: Eine Emotion, auch eine
spätere Erinnerung, braucht mindestens fünf Minuten Zeit, bis eine
Matrix, ein Eiweißabdruck, im Gehirn entstanden ist. Banal gesprochen
sind die letzten Sätze eines Buchs, das beim Einschlafen gelesen wird, vor
allem, wenn man sofort in einen Tiefschlaf fällt, am andern Tage weg. Ich
denke, dass dieses Phänomen niemandem fremd ist. Aber offensichtlich wird
unter erschwerten Umgebungsbedingungen, das sind etwa eine Narkose, eine nicht
nur kurzzeitige Unterbrechung des Blutkreislaufs zum Gehirn, ein nicht zu
schweres Hirntrauma, eine Gehirnerschütterung, eine Information, die man
kurz zuvor hatte, nicht gespeichert. Um also in einem übergeordneten Depot
abgelagert zu werden, braucht es noch mehr Zeit. Es fehlen dann, nach einem
Trauma, Stunden oder Tage in der Erinnerung vor dem gewissen Ereignis. Als
Beispiel will ich einen meiner Patienten anführen, bei dem während
einer Operation ein kurzzeitiger Kreislaufstillstand eintrat, der aber vom
Anästhesisten sofort behoben wurde. Unmittelbar nach der Operation waren
Herz, Kreislauf und Atmung stabil. Nur, der Patient erwachte drei Wochen lang
nicht aus einem Coma. Er konnte ohne Hilfe atmen, der Blutdruck war stets
normal, wir ernährten ihn über eine Sonde. Nach drei Wochen erwachte
der bisher auf keinen Reiz reagierende Patient, innerhalb einer halben Stunde.
Seine Frau führte ihn nach einigen Wochen zu mir, damit er sich für
unsere Hilfe bedanken könne. Er kannte mich nicht, wusste nicht warum er
operiert wurde, warum wir ihn eingehend auf die Operation vorbereitet hatten.
Die letzten vier Monate seines Lebens waren in seiner Erinnerung
ausgelöscht. Alles andere, was vorher war, er war Direktor einer
großen, öffentlichen Einrichtung, war lückenlos vorhanden.
Und
noch ein Beispiel muss ich bringen: Der damals betrunkene Fahrer des Autos, in
dem die englische Prinzessin Diana und ihr Freund umkamen, und er, der Fahrer,
selbst schwer verletzt wurde, wird bis heute immer wieder nahezu bekniet, um
Erinnerungen aus ihm herauszuholen. Es müssen schwachsinnige Leute sein,
ob Ärzte, Psychologen oder wer immer, die glauben, auch nur irgendeinen
Gedächtnisfetzen aus diesem Menschen herauszuholen. Sie können ihm
allenfalls etwas so lange vorsagen, bis er selbst glaubt, dass es so war.
Wenn
ich hier zwischendurch ein Fazit ziehen soll, Statement kommt mir zu
aufgeblasen vor, dann muss ich sagen, dass der Mensch, wie bekannt aufgebaut
ist und offensichtlich – zumindest nach seiner Meinung – das
bisherige Endglied der Evolution darstellt. Er unterscheidet sich minimal, aber
wesentlich, von seinen unmittelbaren Vorfahren in der Evolutionsreihe, ist
jedoch nicht Produkt oder Krone irgendeiner Schöpfung. Eine Seele, worum
es hauptsächlich in diesen Erörterungen geht, hat er nicht oder er
hat sie soviel oder so wenig wie seine Vorfahren.
Ich
weiß nicht, ob das eben Geschriebene einen empörten Aufschrei oder
allenfalls ein müdes Lächeln hervor ruft. Vielleicht nichts von
beidem, was mich nicht kränkt. Jedoch muss ich die begonnenen Gedanken weiterspinnen,
schon zur Freude derer die weiterlesen wollen. Auch muss ich mich zunächst
allgemeiner Begriffe und Argumentationen bedienen, um dort weitermachen zu
können, wo viele aufhören.
„Also,
es ist doch wohl nicht möglich, dass der Mensch, dieses überaus
komplizierte und wahrhaft göttliche Wesen, ohne Gott, ohne Schöpfung,
ohne Seele, nur aus einer Laune der Natur, aus einem Eiweißknäuel,
einer DNA entstanden sein soll“. Zunächst, warum nicht? „Wenn
mir aber mein Gefühl, mein Glaube, mein Gemüt, mein Denken, meine
Moral, etwas ganz anderes sagt, dann kann doch dies nicht falsch sein“.
Warum nicht?
Das ist
vielleicht etwas viel auf ein Mal. Gefühl und so weiter. Gut, fassen wir
das Thema so wie wir es in der Schule, im Aufsatz, vor dem Abitur gelernt haben,
e contrario an. Wenn also das mit der DNA richtig sein sollte, müssten
alle Menschen gleich sein. Das sind sie aber nicht. Schon charakterlich
unterscheiden sich doch so viele, „wenn ich nur an Onkel Alois und Onkel
Friedrich denke“. „Auch wenn alle Menschen gleich sind, ich
möchte es nicht sein. Neger und Juden, wo kämen wir hin?“
„Es muss also doch eine verschiedene DNA geben. Sieht man doch“.
Also
gut, es gibt eine verschiedene DNA. Ich habe bisher nie etwas Gegenteiliges
behauptet. Von Genen, also DNA-Abschnitten, die auf Chromosomen sitzen, denen
verschiedene Eigenschaften (nicht Arten oder Unterarten) zuzuordnen sind, die
an- oder abgeschaltet sein können, usw., habe ich geschrieben. Und jetzt
muss ich sagen, dass noch viel hinzu kommt. Zunächst die Variabilität
von Eigenschaften. Ob man dies Charakter nennen soll, ist jetzt nicht
entscheidend. Es ist eben die Variabilität der Gene und der
unterschiedlichen und unzähligen Variationsmöglichkeiten der
Kombination, die diese bestimmen. Aber wir wissen schon, dass nicht ein Gen
immer eine bestimmte Eigenschaft ausmacht oder eine Eigenschaft nur durch ein
einziges Gen bestimmt wird. Denken wir an das Gesicht unseres Partners: Wir
würden ihn oder sie, sein oder ihr Gesicht, aus Millionen von Menschen herausfinden.
Auch „so lächeln wie sie, kann sonst keine“. Und trotzdem hat
von der Million der anderen, jeder nur zwei Augen, nur eine Nase, nur einen
Mund. Es muss also ein übergeordnetes Prinzip geben und dies ist das
menschliche Genom mit den unzähligen Eigenschaften, die menschliche DNA.
Doch
hier muss ich nachlegen: Wenn wir aus der Million Menschen alle gleichaltrigen,
geschlechtsreifen Individuen, unabhängig ob sie schwarz oder weiß,
Chinesen oder Indianer oder Eskimos sind, auswählen würden und sie ob
unter Zwang oder nicht, dazu brächten sich zu paaren, gäbe es sicher
eine Menge bunter Kinder. Das heißt also, dass es entscheidend ist die
DNA der Gattung oder Spezies Mensch zu haben, alles andere ist schon drin. Eine
Paarung zwischen Angehörigen verschiedener Spezies führt a priori zu
keinem Erfolg.
Ob
wieder ein Aufschrei erfolgt oder nicht, weiß ich nicht. Wenn alle
Menschen gleich wären, müssten doch alle so Klavierspielen
können wie Jewgeni Kissin. Na aber, wird man sagen. Geht doch nicht, der hat
es eben gelernt, seit dem dritten Lebensjahr, und gute Lehrer gehabt. Das
vielleicht auch. Doch ich kenne eine Menge Leute, die lernten und gute Lehrer
hatten und nie über ein allenfalls schönes Spiel hinauszukommen.
Kissin, so habe ich gelesen, habe im Flugzeug nach USA die Noten eines
Klavierkonzerts gelesen, das er noch nie gespielt hatte. Er habe aber gleich,
nur einen Tag später, das Konzert auswendig gespielt. Vielleicht war das
gut erfunden, doch ich habe Kissin spielen gesehen und gehört, auch als er
noch ganz jung war, und da konnte ich nur sagen: göttlich.
Bleiben
wir bei den Musikern: Ob ein Glenn Gould, ein Claudio Arrau, ein Maurizio
Pollini, ein Rudolf Buchbinder, ein Arturo Benedetto Michelangeli, alle mussten
etwas „in den Genen haben“, das sie, über einen unbedingten
Fleiß hinaus, zu oft unerreichten Größen machte. Gewiss,
Michelangeli ließ oft das Publikum vor dem Konzertsaal warten, weil er
unbedingt noch üben musste und Pablo de Sarasate schimpfte, dass man ihn
ein Genie nannte, wo er doch täglich mehr als acht Stunden übte.
Musikgene?
Ja, wahrscheinlich. Denken wir an die Familie Bach, in der auch die Söhne
große Musiker waren. Leopold, Wolfgang Amadeus und Nannerl Mozart, die Wunderkinder
des Musikervaters! Aber wir wollen nicht alles auf die Gene schieben, wenn wir
anscheinend nicht die richtigen haben. Und ist nicht manchmal, ohne dass ich
auch nur angedeutet und bildlich, den schon genannten Musikern „etwas am
Zeug flicken“ möchte, eine hervorragende Eigenschaft mit einer
anderen, die wir als negativ einstufen, verhaftet? Manchen Menschen kann man
absolut kein vernünftiges Zeichnen beibringen, aber sind sie schlechter,
allgemein minderbegabter als der, der die Banknoten der letzten Bank in der
Mongolei unvergleichlich nachmacht und fälscht? Und stellen wir uns einen
Menschen vor, bei dem alle „Musikgene“ abgeschaltet sind, nur die
für Brutalität, Aggressivität und Betrug disponierenden sind auf
„on“? Ein triviales und anekdotisches Beispiel: G. B. Shaw wurde
nachgesagt er sei von einer wunderschönen Frau, einer Diva, eingeladen
worden sie zu heiraten. Es müsste doch wunderbare Kinder geben, mit ihrer
Schönheit und seinem Verstand. Und Shaw habe geantwortet: Und was
wäre, wenn die Kinder meine Schönheit und ihren Verstand
bekämen?
Aber,
soviel ich weiß, hat die Hochzeit nicht stattgefunden. Und wenn sie es
hätte, wäre es nicht so schlimm geworden, weil es eben ein einzelnes
Gen für Schönheit so wenig gibt, wie eines für den Verstand.
Nun
nochmals: DNA hin oder her, es gibt ja auch noch unsere Kultur, unsere Kunst,
und nicht zuletzt unseren Glauben und was noch alles. Hat die
abendländische Kultur nicht vielleicht unsere Gene beeinflusst, sie gar
verändert? Unser Fühlen, Rezeption von Kunst, das ist in uns, in uns
Europäern zumindest. Das kann kein Neger, kein Asiat nachfühlen. Und
Lang Lang und André Watts, der eine Chinese, der andere 1946 als Sohn
einer weißen Mutter und eines schwarzen GI geboren? Beide hervorragende
Pianisten. Ich weiß nicht, ob er Klavierspielen kann, aber vielleicht hat
er andere gute Eigenschaften: Barack Obama, Präsident der Vereinigten
Staaten von Amerika.
Da
höre ich allerdings schon das Hauptargument gegen eine Meinung, welche
auch immer: „Aber das ist doch etwas ganz anderes!“ Das wohl kaum,
jedoch noch nicht genug des Nachlegens.
Was ist
eigentlich gut? Was ist schlecht? Was ist wann gut oder schlecht? Wann ist wer
gut oder schlecht? Gar nicht so einfach. Fangen wir beim Einfacheren an: wann
ist wer gut oder schlecht? Warum jedoch wann? Gut ist gut oder nicht gut, und
zwar immer.
Nehmen
wir an zwei kleine Kinder spielen in einem Laufstall mit Bauklötzen und
eines schlägt dem andern mit einem Klötzchen auf den Kopf. Es gibt
kein Geschrei, es war halt so und die Kinder spielen weiter. Nehmen wir an zwei
Männer sitzen bei einer Wanderung auf einem Steinhaufen, da nimmt der eine
einen großen Stein und schlägt damit dem andern auf den Kopf. Diese
sackt um, ist tot. Das Interessante ist, die beiden Männer waren die
beiden Kinder aus dem Laufstall, nur waren sie jetzt erwachsen. Ob dabei der,
der geschlagen hat, damals und jetzt der selbe war, ist gar nicht sicher.
Da gibt
es eine Menge Fragen. Also bei den Kindern war wahrscheinlich der Schläger
erblich belastet. Wieso? Weil es vielleicht ein Gen gibt, das aggressiv macht?
Kann sein, aber das schlagende Kind war gleich wieder ruhig (friedlich kann man
nicht sagen, weil es vorher gar nicht zornig war oder vielleicht sich für
einen vorher weggenommenen Stein rächen wollte). Aber was soll das? Das
ist eben so bei Kindern. Und bei Erwachsenen? Da braucht man einen Grund! Gehen
wir einmal davon aus, dass es sich bei Schläger und Geschlagenem um
männliche Individuen handelt.
War es
nicht so, dass der Schläger mit 14 Jahren in der Schule plötzlich mit
den Leistungen nachließ? Er soll andere Schüler verprügelt
haben. Und warum? Ist doch ganz einfach: die Pubertät. Na also, da wissen
wir es. Aber warum mit 14 Jahren?
Wohl wieder diese verdammte DNA? Genau. Es ist nicht nur in der DNA festgelegt,
dass ein Bärtchen zu sprießen beginnt, der Stimmbruch kommt, das
Interesse an Mädchen plötzlich da ist und er letztlich
zeugungsfähig wird und einiges mehr. Ja, es ist in der Tat so: Die Schläfer
in den Genen sind erwacht, sie waren nicht auf Sonnenstand oder warme
Jahreszeit programmiert sondern darauf, ab einem bestimmten Lebensalter die
Hormonproduktion anzuregen.
Hormone
sind, was wir schon kennen, Botenstoffe für ganz bestimmte Organe und
Zellen. So ist es auch letztlich bei Mädchen, nur etwa früher, dass
Hormone Brustwachstum, Menstruationszyklus und Gebärfähigkeit
bestimmen. Und all das nimmt seinen Ausgang in Zellen der Hypophyse, der
Hirnanhangsdrüse, die direkt Hormone zur Wirkung an Zellen oder an
Drüsen aussendet, die wiederum Hormone produzieren. Die Hypophyse ist
wiederum mit Teilen des Gehirns vernetzt, die Emotionen (dazu später mehr)
bestimmen und auch mit der Hirnrinde, so dass der Anblick eines möglichen
Geschlechtspartners durchaus „Frühlingsgefühle“ und einen
Hormonschub auslösen kann.
Damit
wir die Geschichte von den beiden Kindern und Männern nicht vergessen,
vielleicht gab es einen Grund für die „schreckliche“ Tat?
Eifersucht? Hatte der eine etwas mit der Frau des anderen? Vielleicht stimmte
das aber gar nicht, dann war die Tat furchtbar, schlecht. Wenn es aber wahr
war, die Geschichte da mit der Frau, dann war ja ein echter Grund da, dann war
die Tat des Stein auf den Kopf hauen gut? Das kann man aber doch nicht sagen,
in unserer zivilisierten Gesellschaft. Erstens hätte sich der
Steinschläger vergewissern müssen ob überhaupt und zweitens,
selbst wenn ja, hätte es noch andere Möglichkeiten gegeben, die Sache
„zu regeln“. Also war die Tat schlecht! Ja, was denn jetzt? Gut ist
gut und schlecht ist schlecht,
oder?
Aber
wären die beiden Männer Orientalen, aus dem vorderen Orient, gewesen,
dann hätte es schon die Ehre des einen erfordert den anderen umzubringen.
Bei der Gelegenheit hätte man übrigens gleich die Frau mit steinigen
können, selbst wenn es nicht so gewesen wäre. Doch wären die
beiden Männer aus Tibet gewesen, was dann? Dort kann eine Frau mit
mehreren Männern, in allen Ehren, so mit den Brüdern des einen
Mannes. Da wäre es doch dem einen nie eingefallen den Stein zu erheben.
Was folgert daraus? Vorderer Orient nix gut, Ferner Orient gut, oder umgekehrt.
Ich
denke, wir haben damit einige Variationsmöglichkeiten von Gut und Schlecht
durchgespielt. Es ist also eher eine Frage der Definition was gut und schlecht
ist. Jedoch wird man sagen: Das sagt einem doch das innere Gefühl, der
angeborene Sinn, das Empfinden für gut oder schlecht. Nachdem was wir
erörtert haben, eigentlich nicht. Offensichtlich bestimmt also die Kultur,
der Kulturkreis, die Moral, was gut und böse ist. Gibt es da etwa
verschiedene DNAs in den Kulturen? Wohl kaum. Aber es gibt Gesetze, die gemacht
wurden, die ein „von bis“ als normal, nach intuitiven,
statistischen Gesichtspunkten festlegten. Das, was die meisten machen, ist
anscheinend gut, was die anderen, die Außenseiter (+ 2 oder 5 %
der Normalen) machen, ist schlecht. Sicher hatte da auch der Hormonhaushalt der
gerade Mächtigen einen Einfluss darauf, wie das Gesetz ausfällt. Im
antiken Griechenland und im antiken Rom hätte niemand daran gedacht einen
angesehenen Mann, der sich seinen Lustknaben hielt, zu belangen. Das war
normal, gehörte zur Kultur.
Natürlich
kann man sagen: Das mit den Hormonen, das mag so sein. Auch das gehört zu
unserem Leben, auch das hat uns Gott gegeben. Keine Diskussion mehr über
Gott! Aber die Hormone gibt es ganz großzügig auch im Tier- und Pflanzenreich.
Selbstverständlich hat auch da diese DNA eine ihrer vielen Hände im
Spiel. Klar. Bären, die die meiste Zeit Einzelgänger sind, beginnen
sich nicht mehr selbst zu jagen, sondern zu paaren. Pflanzen sprießen
unter der Schneedecke hervor, entfalten farbige Blüten und verströmen
Duftlockstoffe, damit sie befruchtende Insekten kommen. Das ist so, das kann
man nicht verbieten, nicht unterdrücken, und wenn es nur die Natur ist,
die da innerlich befiehlt! Gemach, das kann man schon. So waren zum Beispiel
die Priester – natürlich die katholischen, weil es andere noch nicht
gab und Häretiker stets ausgemerzt wurden – bis ins 11. Jahrhundert
ganz legal verheiratet. Aber da muss was mit dem Hormonhaushalt von Benedikt
VIII durcheinander gekommen sein. Jedenfalls ordnete dieser Papst im Jahre 1022
auf der Synode zu Pavia,
gemeinsam mit Kaiser Heinrich II an, dass alle
Geistlichen nicht mehr heiraten durften, bereits verheirateten wurden Amt und
Besitz entzogen. Es sei u. a. darum gegangen, den Kirchenbesitz vor einer
Vererbung an die Kinder der Geistlichen zu bewahren. Und die Hormone, mit denen
die Priester ausgestattet waren, spielten die keine Rolle? Jain!
Denn so
neu soll das mit dem Zölibat gar nicht gewesen sein. Kaiser Konstantin der
Große, der Heilige, hatte den christlichen Priestern ja schon nahe gelegt
bei einer rechtmäßigen Frau zu bleiben. Es hatte noch so Konkubinen
gegeben, wie später auch, etwa zur Zeit von Papst Nikolaus II. wo durch die Lateransynode
von 1059 jenen Priestern die Teilnahme an der Messe verboten wurde, denen ein
notorisches Konkubinat nachzuweisen war. Gewiss gab es schon zuzeiten
Konstantins Christen, die sich so perversen Praktiken wie der Selbstkastration hingaben. Sie hatten unter dem Zwang der
Hormone gelitten, die ihnen stets eine Abkehr von der reinen Lehre eingaben.
Und der Heilige Augustinus hat sich erst mit einem Mädchen vergnügt,
so lange bis ein anderes, das aber noch nicht reif für die Heirat war,
dann mit Hilfe seiner Mutter, der Heiligen Monika, dann zu seiner Frau wurde.
Die andere war eben nur eine Zwischenlage oder so etwas. Das alles hat diesen
Augustinus nicht daran gehindert sich etwas später intensiv mit dem
Zölibat zu befassen. Aber, was soll’s.
Jedenfalls
damals, 1022, dachte man wohl nicht an die Hormone, von denen übrigens
niemand etwas wusste, weil sie eine neuzeitliche Erfindung der DNA sind. So
erging es auch Papst Benedikt IX. Er hatte keinerlei Drang durch die Hormone
verspürt, als er Papst wurde, da er ja erst zwölf Jahre alt war. Nach
einigen, wenigen Jahren hatte sich das aber radikal geändert. Es
heißt, er „begann ein zügelloses Leben“ und der
spätere Papst Viktor VIII beschuldigte ihn „aller menschlichen
Laster“. Nun gut, vielleicht ging es, als man das Zölibat
einforderte, neben dem Kirchenbesitz, noch um etwas anderes: die Sünde.
Sünde
ist das, was man tut, sogar gerne tut und was man nicht soll. Was Sünde
ist wird nach dem gleichen Verfahren festgelegt wie gut und schlecht, oder gut
und böse. Man muss es nicht wiederholen. Es ist auch schon gesagt, dass
Sünde etwas ist, was man vergeben kann und vor allem wer dies kann. Wenn
wir zudem bei den Hormonen bleiben, sieht es so aus: Die Hormone zwingen das
zweigeschlechtliche Lebewesen, auch Pflanzen, sich zu vermehren. So Mensch,
Affe, Alligator, Kamel usw. „Aber das kann doch nicht für den
Menschen gelten, das höchste Wesen! Der Mensch hat doch eine Moral, ein
Gesetz, er ist doch kein Tier!“ Doch. Und ein gewisses Gesetz haben die
Tiere auch. Da gibt es nämlich eine Rangordnung, wer, wann mit wem darf
oder muss. „Aber das ist doch pure Biologie, zum Zweck der Auswahl. Das
gibt es beim Menschen nicht!“ Doch. Geld heiratet zu Geld, Adel zu Adel,
auch Adel zu Geld und sogar der arme Schlucker darf unter seinesgleichen
heiraten.
Warum
aber dieses ewige Kreisen um Hormone, DNA, Zölibat, Sünde und was
noch alles? Weil darin die Treibfeder der Evolution, des Aufstiegs und
wahrscheinlich des Untergangs der Menschheit liegt. Wir können die Tiere nicht
fragen, wie das bei ihnen geregelt ist, aber wir können uns sehr vieles
ableiten, was noch kommt. Beim Menschen wissen wir vielleicht etwas mehr. Aus
der jüngeren Altsteinzeit stammt ein weibliches Idol, die Venus vom
Willendorf. Eine nur 11 Zentimeter große Steinfigur einer nackten Frau,
an der aber „alles wesentliche“ dran ist. Es muss also wohl
Menschen gegeben haben, die sich dafür interessierten. Ob es damals
Priester gab, die den Menschen verklickerten, wozu das alles ist, weiß
ich nicht. Ich sage dies deshalb, weil, sobald es eine näher zu fassend
Kultur gab, die Priester oder die Priesterkönige, sich stets intensiv mit
Frauenkulten, Zeugung, Geburt und gelegentlich auch mit dem Tod
beschäftigten.
Ob es
im alten Ägypten wirklich nur die Sorge um das „hochadelige
Blut“ (das ist aus dem Rosenkavalier von Hofmannsthal) oder sonst eine
Vorstellung war, dass es der Vater, der König, gleichzeitig mit der Frau
und den heranwachsenden Töchtern trieb, weiß ich nicht. In allen
Dynastien der Welt, ging es zwar um Macht, die man damit festigte, dass man
noch kleine Kinder untereinander oder auch Greise mit jungen Mädchen oder
Knaben mit sehr reifen Damen verheiratete. Ob es nur ein Mythos ist oder
Geschichte, dass Ödipus mit seiner Mutter Iokaste vier Kinder,
einschließlich Antigone zeugte, zeigt zumindest wie wichtig die Sache
damals war.
Und
beruht nicht das Christentum auf so einer Sexgeschichte? Jesus von Nazareth -
wir haben schon davon gehört – konnte unmöglich so banal wie
andere Menschen gezeugt worden sein. Schließlich war er zwar Mensch, aber
doch auch Gott. Dass es solche Stories schon vorher und noch später gab,
wissen wir bereits, wie wir wissen, dass es die Parthenogenese, die
Jungfernzeugung, als Mythos schon öfters gab. „Aber natürlich
gibt es die Jungfernzeugung“, wird man sagen, sogar bei höheren
Tieren! Richtig, bei bestimmten Haiarten zu Beispiel, wenn es keine
männlichen Haie gibt. Und warum soll es die nicht auch beim Menschen
geben? Das geht wieder nicht wegen der verdammten DNA und der Chromosomen.
Nehmen wir an, es hätte sich bei Maria so etwas getan wie eine
Reifeteilung, zwei Zellen mit dem halben Chromosomensatz, die sich dann wieder
vereinigt hätten oder es wäre gleich eine Eizelle von ihrem Eierstock
in die Gebärmutter gewandert, wie es ja ganz normal abläuft, und dort
hätte sich die Eizelle geteilt und wäre zu einem Embryo und noch
weiter gewachsen, so hätte allenfalls ein Mädchen Jesus herauskommen
können. Es geht nicht anders. Dass die Sache mit der Jungfernzeugung also
ein Schwindel ist, das hat die christliche Kirche erkannt und dafür einen
weiteren draufgesetzt. Aber was hat das mit der Sünde zu tun, von der ich
reden wollte? Sehr viel, aufgemerkt!
Das
Sich-paaren, das Vögeln, auch zwischen Verheirateten, ist Sünde!
Sogar wenn es nur zur, auch kirchlich vorgeschriebenen, Erfüllung der
ehelichen Pflicht und zum Zwecke der Kinderzeugung erfolgt. Wie könnte es
sonst sein, „dass Maria ohne Makel empfangen hat“? Diese Aussage
ist eine der unerhörtesten Schweinereien und Beleidigungen aus der
katholischen Kirche für alle Frauen und Mütter. Aber, da muss ich ja
noch von dem Schwindel reden: Weil man wahrscheinlich intuitiv erkannt hat,
dass aus einer Frau, auch einer Jungfrau, bei der Parthenogenese allenfalls
wieder eine Frau herauskommen kann, hat man für Maria einen Mann dazu
erfunden: den Heiligen Geist. Dies geschah zwar erst im 4. Jahrhundert n. Chr.
Aber Respekt. Dieser heilige Geist, lo spirito santo, war ja immerhin
männlich. Also hatte es Maria doch ein männliches Wesen, auf welche
Weise auch immer, besorgt, wie man das nennt. Also. Doch wenn ihr meint, es
habe auch schon im Judentum, unserer Wurzel – worunter ich nicht die
Wurzel Jesse verstehe – einen heiligen Geist gegeben, dann ist das
richtig. Der war aber weiblich. Also nix mit Parthenogenese und so. Damit sind
eigentlich der Heiligen Trinität, die fest auf drei Beinen steht, zwei weg
geschlagen. Der Sohn und der Geist.
Vielleicht
fragt man nun, ob ich nichts anderes zu tun habe als mich um die Zeugung Jesu
zu kümmern. Das ist eben das große Geheimnis Gottes. Das hat
nämlich ein deutscher Kardinal – er lebt nicht mehr, mir hat es
einer seiner Prälaten erzählt – einem fragenden
Priesteramtskandidaten geantwortet. Er soll wörtlich gesagt haben:
„Wenn Sie dieses Mysterium nicht verstehen und glauben, kann ich Ihnen
auch nicht helfen“. Mysterium, habe ich schon geschrieben, sagt man
immer, wenn man etwas nicht weiß oder etwas vertuschen will.
Nur,
wieso rede ich von Sex? Ist es nicht das Haupt- und Lieblingsthema der
Katholischen Kirche? Hat es nicht schon im alten Testament damit angefangen,
damals im Paradies? Da haben nach der Schlange-Apfelgeschichte Adam und Eva
erkannt, dass sie nackt waren und was man da vielleicht mit anfangen
könnte. Da hat das mit der Sünde angefangen. Und man hat angefangen,
das, was man aus der Evolution zumindest zur Erhaltung der Art bekam, in der
DNA präformiert, zur Sünde, zur Schweinerei zu erklären. Der
Heilige Augustinus, Kirchenväter, konnten sich nicht genug in der Erbsünde
suhlen. Gut, Augustinus und die Schreiber des Alten Testaments konnten von
Evolution, DNA, Biologie überhaupt, nichts wissen. Sie haben alle, auch
die späteren Adepten, im Sex nur das ewig kreisende und lohnende Thema zur
Menschenunterdrückung gesehen. Und wie ging das weiter? Über das
Zölibat haben wir schon genug gehört. Ging es da nicht auch nur um
Sex? Aber doch nicht mit einer Ehefrau! Klar, auch Päpste hatten Sex, und
sogar genug davon. Aber sie waren doch so anständig nicht zu heiraten. War
ja verboten.
Da
fällt mir, nur so am Rande, ein Bayerischer Ministerpräsident ein,
der sich auf sehr honorige Art von seiner Sexpartnerin samt gemeinsamem Kind
wieder zur Ehefrau zurückgeseilt hat. So ist es richtig. Maria, die
Patrona Bavariae, gab ihren Segen.
Damit
es „normal“ weitergeht: In der Inquisition war Sex mit dem Teufel
einer der Hauptgründe zur Verurteilung. Und wie war das dann, als man
quasi zur Zeugung bei einem Papst, bei Paul VI, dem Pillenpaul, um Genehmigung
nachsuchen musste? Und keine Kondome zum Schutz vor der HIV-Infektion, vor
Aids! Ein stets grienender Johannes-Paul II, Papst Wojtila, hat die meiste Zeit
damit zugebracht sich mit dem was man Sex nennt zu befassen. Und ist es unter
Ratzinger anders geworden? Dass diesen Leuten, von Ratzinger und den Kardinälen
abwärts, bis zu den Kaplänen (weiter hinunter geht nicht, weil ja
Ratzinger zumindest die Vorhölle abgeschafft hat) nichts anderes
einfällt als sich mit Sex oder Nichtsex zu befassen, obwohl sie das nichts
angeht, kann man nur mit Nichtwissen und ihrer mangelnden Allgemeinbildung
entschuldigen.
Doch
gewiss haben die Priester, auch Laien, den freiwilligen Verzicht auf
Sexualität sublimiert. Entweder sie kamen zu einer schier perversen
Marienverehrung wie der vorletzte Papst und viele Mitglieder von Marienkongregationen,
oder sie waren und wurden schlicht homosexuell. Das ist nun wieder keine Frage
der Hormone und keine auf die Kirchen beschränkte Eigenart. Dass lesbische
Beziehungen, also Sex unter Frauen, den Namen von der Insel Lesbos, die Sappho
mit ihren Freundinnen bewohnte, haben ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass
die Dame Sappho einen Mann und eine Tochter hatte, was man allgemein als normal
bezeichnen würde.
Der Sex
oder was es auch war, den man, nur beispielhaft angeführt, in einem Priesterseminar
in St. Pölten, in Niederösterreich pflegte, war nicht gerade
ästhetisch, allenfalls Ausdruck einer verzweifelten Ersatzhandlung. Und,
dass man schließlich einen Kardinal, weil er Verkehr mit Knaben hatte,
aus dem Verkehr ziehen musste, nach langem hin und her, das ist schon schlimm.
Wenn man schon einem irrationalen Gebilde wie der Religion anhängen muss,
vielleicht aus anfänglicher Gutgläubigkeit oder im Vertrauen auf den
Glauben, sollte man es den armen Kerlen von Priestern nicht so sinnlos schwer
machen und sie heiraten lassen. Die Erklärungen, dass sexuelle
Enthaltsamkeit notwendig sei, ist bei Priestern wie bei Laien letztlich das
Perverse.
Und
wenn man schon am Sex, vielleicht aus Frustration nicht öffentlich
mitmachen zu dürfen, etwas verdammen zu müssen glaubt, was man so
gerne täte, sollte man, sollte Papst Ratzinger nicht das Mittelalter als
Dogma durchzudrücken versuchen. Sexualität ist eine von der Natur,
von den Naturgesetzen vorgegebene Verhaltensart des Menschen, ja aller
Lebewesen. Wenn man davon nichts wissen will und kann, so muss man zum Dogma
Zuflucht nehmen.
Ich
habe mich da einem Thema vorsichtig genähert, das nach meiner
Überzeugung auch nur auf versteckter Sexgeilheit beruht. Ich habe den
Papst Benedikt XVI im Fernsehen gesehen, in einer Aufzeichnung, wie er ein
Seminar von Exorzisten besucht und dort die etwa 30 in Soutanen gekleideten,
ebenso schwarz blickenden Priester ermuntert, sich in den Praktiken des
Exorzierens gewissenhaft ausbilden zu lassen.
Ich
will anführen, dass dieser Exorzismus bis in unsere allerjüngste
Gegenwart vor allem an jungen Mädchen ausgeübt wurde, die den Teufel
an ihren vermeintlich schönsten Körperstellen sitzen hatten. Man hat
ja auch an Knaben und vielleicht an alten Frauen versucht, den Teufel
herauszuholen. Dass man sich dabei auf die Opfer knien, sie auch mal schlagen
musste, womit man ja nicht den Besessenen meinte, sondern den Teufel in ihm und
dass dabei eben mal die eine oder andere starb, mein Gott, das sind eben
Betriebsunfälle, die sogar zeigen wie hartnäckig der Teufel sein
kann.
Vielleicht
versteht man meine Aufregung gar nicht, weil doch schon Jesus Besessene geheilt
hat. Nur, es hat auch zu Zeiten eines Jesus keine Besessenen gegeben,
allenfalls Kranke und schöne Märchen ihrer Heilung. Es gibt eben
keine Besessenheit, auch wenn man noch so sehr an sie glaubt. Nicht weil sie im
Genom des Menschen nicht vorgesehen wäre, nein, es gibt durchaus
Erkrankungen unseres Gehirns, die sich zu irgendeiner Zeit manifestieren und mit
den seltsamsten Symptomen auftreten. Die Schizophrenie ist eine solche. Da
hören die Kranken unter anderem Stimmen, aus der Luft, aus der Wand oder
sonst wo her. Und da ist eben in den Leib der armen Kranken nicht etwas von
außen hinein gefahren und da kann man auch nichts mit größtem
Glauben und größter Gewalt wieder heraus holen. Aber man könnte
die Schweine von Exorzisten, samt ihrem Boss vor ein weltliches Gericht stellen
und sie wegen gefährlicher Körperverletzung, ob mit oder ohne
Todesfolge, für viele Jahre hinter Gitter bringen. Vielleicht wären
sie dann Märtyrer für ihren Glauben, wenn sie wieder heraus kommen.
Nun gut
oder weniger: Wenn in dieser Kirche, und man muss die anderen christlichen
Kirchen der Welt hinzurechnen, auch wenn von Rom dagegen Einspruch erhoben
wird, das Thema Sex und Frauen plötzlich nicht mehr aktuell wäre,
würde das ganze Machtgebäude – ich wollte erst schreiben
Gedankengebäude, was wohl nicht zutrifft – in sich
zusammenstürzen. Keine Wallfahrten mehr zu irgendeiner Madonna, keine
Kapuzen tragenden Männer, die eine Madonnenstatue schleppen, keine
Bürgermeister Honoratioren eines Kaffs oder einer Großstadt, die den
Himmel tragen müssen, kein Brimborium von einem Vatikanfenster aus, keine
kreischenden Nonnen und anderen Damen, einer Teresa von Àvila gleich, in
einen orgasmusähnlichen Zustand verfallend.
Nun,
ich schreibe nicht gerne über Sexualität, weil es mir vielleicht so
ein wenig Spaß macht. Ich muss darüber schreiben, weil es ja um die
Menschen geht, auch die armen, die straffällig werden. Diese fallen dann
der weltlichen Justiz anheim, zu Recht. Aber wie konnte zum Beispiel ein
Verbrechen geschehen, bei dem ein achtjähriges Mädchen von einem
erwachsenen, keineswegs jungen Mann, erst sexuell missbraucht und dann
getötet wurde?
Man
soll mich nicht missverstehen, wenn ich von armen Straffälligen
geschrieben habe. Ich werde das sehr genau begründen. Zunächst aber
ist der Missbrauch eines Mädchens und ihre Tötung ein Verbrechen, ist
Mord. Man kann es gar nicht beschreiben, was es aus der nicht mehr
möglichen Sicht des Opfers war. Ihm hilft auch die härteste Strafe
für den Mörder nicht mehr. Aber wir haben ja Gesetze, die a priori
schon potentielle Opfer schützen sollen. Aber hier geht es schon los. Je
nach Kulturkreis dürfen junge Mädchen, oft noch Kinder, auch Knaben,
von Älteren regelrecht gebraucht werden. Die Betroffenen werden weder um
ihr Einverständnis gefragt, noch könnten sie es ermessen. Sie dienen
nur, ob es ihnen Recht ist oder nicht, als Objekte.
In
unserem Kulturkreis, dem christlichen, hat man Altersgrenzen festgelegt und
Regeln, natürlich Gesetze, gegen Inzest und, sicher nicht zu Unrecht, auch
gegen Vergewaltigung bei erwachsenen Frauen. Ich will niemandem etwas
unterstellen, auch Religionen nicht, bei denen die Familie etwas
Abgeschlossenes, dessen internes Verhalten offen zu legen tabu ist.
Missbräuche sind deshalb ebenso zu verurteilen und keineswegs Recht.
Aber
bleiben wir bei uns. Wenn das Opfer bei einer Gerichtsverhandlung, falls man
den Täter gefasst hat, manchmal schon vergessen ist oder, weil nicht immer
Mord oder Tötung dabei sein muss, gibt es ein ungeheueres Durchleuchten
des Täters. Sicher muss dieser erst feststehen und es muss ihm die Tat,
falls er kein freies Geständnis abgelegt hat, nachgewiesen werden. Bei
Sexualverbrechen ist heute die DNA Analyse von Täter und Opfer nicht nur
wichtig und beweisend, sie kann auch zum Ausschluss zu Unrecht
Verdächtigter dienen. Aber nun hat ein Beschuldigter Anwälte, die,
wenn nicht seine Unschuld, zumindest für ihn in der Verantwortung
entlastende Umstände geltend machen müssen.
Fast
möchte ich sagen, was auch zutrifft, dass die DNA des Täters eine
entscheidende Rolle bei der Tat gespielt hat. Einzelne Gene nämlich, nicht
nur ein „Verbrecher-Gen“ entscheiden erheblich über seine
Steuerbarkeit zum Zeitpunkt einer Tat. Wir müssen da aber, was ich nicht
in extenso ausführen will, die Frage aufwerfen, „was ist normal und
was nicht mehr“. Bewusst habe ich nicht geschrieben pervers. Doch es gibt
so etwas wie Grenzbereiche. Auch diese sind genetisch bedingt. So hält man
heute einen Mann oder eine Frau für besonders sexy. Wäre dies im
Mittelalter gewesen, hätte man nach dem Scheiterhaufen gerufen. Manche
Kinder sind „frühreif“ und geradezu „verlockend“.
In manchen Familien geht man mit der Sexualität locker um, in der anderen
ist man bigott.
Aber
gerade hier setzt etwas ein, was man, vonseiten der Rechtsprechung und ihrer
sie beratenden Gutachter als idiotisch ansehen muss. Dies trifft gewiss nicht
auf alle Juristen oder Gutachter zu, wenn auch auf nicht wenige. Da konnte der
Täter doch nichts dafür, oder er war eingeschränkt
zurechnungsfähig, weil er „eine harte Kindheit hatte“. Weil er
selbst vom Vater oft geschlagen wurde, schlägt er jetzt als Erwachsenen
eben Frau und Kinder. Weil es eben in seiner Familie in dieser oder jener Art
schon immer so zuging, muss man annehmen, dass er gar nicht einsehen konnte
etwas Unrechtes zu tun. Weil der Vater schon die Tochter missbraucht hat, macht
das der Sohn jetzt auch, usw. Vielleicht ist einiges daran richtig, aber nicht
nach unserem Recht. Und gerade diesem Umstand muss man Rechnung tragen.
Gehen
wir zunächst von „harmlosen“ Fällen aus: Ein Trinker
schlägt, immer wenn er betrunken nachhause kommt, Frau und Kinder. Soll er
halt nicht trinken. Er weiß doch was passiert! Aber er kann anscheinend
nicht anders. – Schon während meines Studiums, als das Wort Genetik
gerade so mit Vererbung ganz allgemein gebraucht wurde, fragte der
Physiologische Chemieprofessor (Biochemiker gab es da nicht): „Ist der so
dumm weil er säuft oder säuft er, weil er so dumm ist?“ –
Nicht alle Zwölfjährigen trinken sich ins Koma, auch die nicht, die
später keine Abstinenzler werden. Und nun kommen die gescheiten Psychologen.
„Schwere Kindheit, familiäre Belastung, verderbliche Umgebung, zu
leichtes Herankommen an Alkohol usw. Das erklärt alles als vermindert
zurechnungsfähig.“ Aber dann kommt die Empfehlung: Psychologische
Betreuung, Gruppentherapie, am besten in einem Camp im Brasilianischen Urwald.
All das ist Unsinn und fehlender Sachverstand. Am schlimmsten wird es, wenn man bei
Rückfalltätern diese Maßnahmen als letzte Chance usw.
einräumt.
Der
Frau mit dem prügelnden Trinker kann man nur die Scheidung empfehlen, auch
wenn sie bei der Heirat „bis dass der Tot euch scheidet“ sagen
musste. Einen jungen Prügler wird man durch keine Therapie ändern und
es war mitnichten seine Umgebung schuld. Wir haben doch schon von den Hormonen
gesprochen, die eben in oder nach einer bestimmten Zeit Gene an- oder
abschalten. Man kann dennoch kaum – ich sage kaum – einen
Täter so einfach mit Hormonen behandeln. Sie sind eben die Auslöser
bestimmter Eigenschaften. Und das weiß man schon lange, bevor dass man
das Wort Hormon kannte. Es ist keine Böswilligkeit, wenn ich darauf hinweise,
dass man vor allem in der Barockzeit, sicher für die Erduldenden nicht
freiwillig, besonders stimmbegabte Knaben mit einem glockenreinen Sopran,
für den Chor des Erzstiftes oder des Doms einfach kastrierte, um diese
Stimme zum Lob Gottes oder zur Freude des Bischofs zu erhalten. Na halt damals.
Und was machen wir heute?
Als ein
junger Metzgergeselle, er hieß Bartsch, sich kastrieren lassen wollte,
weil er, nach bereits vier getöteten Knaben, den Zwang zum Töten
nicht loswerden konnte, starb er bei dem geplanten Eingriff an der Narkose.
Aber gerade solch ein Eingriff könnte für einen Täter die einzig
mögliche und helfende Therapie sein. Doch scheinen viele psychologische
Gutachter davon keine Ahnung zu haben. Immer wieder kommt es bei Verbrechern,
meist Mördern, ob Sexualmörder oder „gewöhnliche“,
zu einem Rückfall, das heißt einem neuen Mord, meist in kürzester Zeit nach der
Entlassung aus langer Haft, einschließlich einer „Therapie“.
Wer auch bescheinigt hat, dass jetzt keine Rückfallgefahr mehr bestehe, er
hatte keine Ahnung von der „Materie“ gehabt. Der
Rückfallmörder ist zwar in der Tat bei dieser nicht
zurechnungsfähig, aber dies ist ja der springende Punkt bei einer
Beurteilung. So lange er somatisch, das heißt in seiner
Körperlichkeit unverändert ist, wird er bei dem nächsten
Triggerereignis, etwa dem Anblick eines alleine laufenden Mädchens, alles
vergessen haben, was in den vielleicht vergangenen fünfzehn Jahren war. Es
wird eine neue Vergewaltigung oder einen neuen Mord geben. Es ist Unwissen,
wenn man glaubt – hier ist glaubt richtig – dass gutes Zureden,
Beschäftigungstherapien, Verhaltenstraining usw. den geringsten Effekt
haben. Auch Alter ist keine Form von Therapie.
Können
wir uns vorstellen warum im Internet ein schwunghafter Handel mit
Kinderpornographie herrscht? Vom ungelernten Arbeiter bis zum Akademiker nehmen
an dieser Form des Voyeurismus Menschen teil, denen die Misshandlung von
Kindern anzusehen oder vorzunehmen, Befriedigung ist. Natürlich
könnte man sagen, was ist schon dabei, wenn einer nur anschaut, - denkt an
die schönen molligen Putten, die nackt, meist Knäblein, an den Decken
von barocken Schlössern (Schloss Weißenstein bei Pommersfelden,
Würzburger Residenz) schweben? Hier wird und wurde ein Markt bedient.
Und bei
all den „Spielarten“ des Sexuellen oder verdrängten
Sexuallebens, sind im Extremfall, der einfach juristisch, gesellschaftlich,
definiert werden muss, entweder die genetischen Gegebenheiten zu
berücksichtigen oder man akzeptiert die Tatbestände als
„normal“ und damit beherrschbar, und man therapiert medizinisch,
oder bestraft, falls man nur eine Übertretung beherrschbarer Grenzen
sieht, juristisch.
So viel
zu Besessenheit oder Obsession, letztlich zum so genannten freien Willen. Was
ist dieser überhaupt? Wie wir gesehen haben, gibt es offenbar Handlungen,
die unter Zwang begangen werden, selbst wenn der, der sie begeht weiß,
dass er Unrecht begeht. Aber er begeht Unrecht, weil er außerhalb eines,
nicht von ihm, sondern der Gesellschaft abgesteckten Rahmens gehandelt hat.
Sicher ist der Spielraum dessen, was man darf und was nicht, sehr weit. Aber
das interessiert niemand. Nur die Randbezirke interessieren. Doch dazu
müssen zwei Begriffe einigermaßen geklärt werden: Das Gewissen
und das Gefühl.
Zunächst
zum Gewissen. Wir könnten alles, was ich bisher zu Gut oder Böse
schrieb vergessen, wenn es etwas wie das Gewissen a priori oder angeboren
gäbe. Aber gerade davon wird sehr häufig ausgegangen. Immanuel Kant
nennt das in der „Kritik der praktischen Vernunft“ den
Kategorischen Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime,
durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz
werde.“ Dazu braucht man jedoch zumindest Erfahrung, die erst im Laufe
des Lebens gewonnen werden kann. Ein kleines Kind kann nicht nach Maximen
handeln. Es hat keine. Wenn man später die Erfahrung macht, dass man unter
diesen oder anderen Bedingungen besser oder weniger angefeindet leben kann, könnte
sich etwas wie ein Verhaltenskatalog ausbilden. Es wäre vernünftig so
und so zu leben. So weit so gut. Kant meint dann, dass der Mensch als
Vernunftwesen frei und nach Grundsätzen der Vernunft handeln kann. Dadurch
könne er das instinkt- und lustgeleitete Handeln ebenso überwinden,
wie das aus pragmatischen oder taktischen Motiven.
Aber
das ist es gerade, was geht und auch nicht geht. Wenn man nicht pragmatisch
oder taktisch handelt, kann man nicht etwas zur Maxime oder Richtschnur
erheben. Und wie wiederum Instinkte, sprich Hormone und Gene, alles steuern, in
Grenzbereichen extrem und verheerend, das wissen wir. Kant hat dafür auch
heftige Kritik, u. a. von Nietzsche bekommen. Aber bis heute wird mit dem
Kategorischen Imperativ, passend zu allem, argumentiert. So 2008 von einem
Professor der Philosophie, an einer Philosophisch-Theologischen Hochschule auch
in der Erwachsenen-, Lehrer-, Priesterfortbildung tätig. Er stellt einem
Vortrag voran: Der “kategorische Imperativ” stellt eine unbestreitbare
Erfahrung dar – und ist einer Begründung nicht fähig, weil
nicht bedürftig. Er legitimiert sich aus sich selbst. Man muss sich nur
davon ergreifen lassen. Es gibt also nichts zu begründen. Wohl aber zu
verstehen.“ Und „Gott kommt bei Kant erst im Blick auf die Hoffnung
ins Spiel, ohne die dem endlichen Menschen die Kraft zum moralischen Handeln
fehle. Ist aber nicht schon dem zuvor die einzige “Theorie”, die
die Gewissenserfahrung erklärt, ohne sie wegzuerklären, das
religiös-theistische Verständnis?“ Kein weiterer Kommentar,
weil ich sonst ein schlechtes Gewissen bekomme.
Kommen
wir zum Gefühl. Das Gefühl für etwas, was Recht oder Unrecht
ist, was schön oder hässlich, was Ekel erregend ist oder nicht, was
gut und was böse ist, das ist doch angeboren, das liegt in der Seele des
Menschen, oder nicht? Vorsicht! Wir haben doch über Hormone, die erst im
Laufe des Lebens aktiv werden, auch wenn ihr späteres Entstehen schon bei
der Geburt genetisch angelegt ist, geredet. Wir wissen, dass das Gehirn des
Kindes erst noch reifen muss, dass koordinierte Bewegungen, wie das Laufen, das
Sprechen, erst gelernt werden müssen. So ist es mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch mit dem Gefühl. Es mag also sein, dass man, wenn
man an einer Brüstung oder einem Felsvorsprung steht, nicht einfach einem
daneben Stehenden einen Schubser gibt, mit dem man ihn ins Jenseits
befördert. Das sagt einem doch das Gefühl, dass man das nicht darf.
Oder muss man da erst überlegen, wie viel Gefängnis darauf steht?
Aber wenn ein kleines Kind ein anderes einfach mal so in den Swimmingpool
stößt, ohne böse Absicht, ohne Zorn, nur so, und das Kind
ertrinkt? Die Eltern, die vielleicht ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind, werden sich die
Haare raufen. Aber wird man das schubsende Kind bestrafen und wofür und
womit?
Natürlich
wird man sagen, das Gefühl entwickelt sich doch erst im Laufe des Lebens.
Heidegger schreibt da: „Gefühle betreffen ganz konkretes
Seiendes.“ Damit kann man sicher sehr viel anfangen. Er, Heidegger,
weicht dann etwas weitschweifig auf „Stimmung“ aus, die unser
Gefühl steuern soll. Stimmungen also. Und er assoziiert, dass man ja auch
ein Musikinstrument „stimmt“. Schön deutsch. Wie ist das im
Englischen, wo es doch auch eine Stimmung gibt? Mood. „ I have mooded my piano“ oder
„my piano is not in the mood“. Has Heidegger been in a dwarf
school?
Nun,
ich will damit niemandem etwas auswischen, aber raten, im Umgang mit Begriffen
und „Gefühlen“ vorsichtig zu sein. Und wenn wir sterben,
worauf ich noch komme, erlischt in uns jedes Gefühl und, um der unseligen
Seelendiskussion ein Ende zu machen, auch die Seele, sogar die, die es nicht
gab.
Warum
aber liegt mir so viel am Menschen, seiner Herkunft, seiner Entstehung in Laufe
der Evolution und an den Naturgesetzen, ohne die jene wieder nicht möglich
gewesen wäre? Es ist am wenigsten meine Herkunft, eher eine gewisse
Entwicklung und am meisten Beobachtung. Vielleicht kann man auch ein wenig
„Mitleid“ mit den Menschen dazurechnen, das eben aus der
beruflichen Erfahrung kommt. Und wenn ich so vieles in meiner Darstellung mit
DNA, Genen, Hormonen usw. begründet habe, dann nicht, um jemand zu
bekehren, zu belehren oder gar zu verdammen. Letzteres kann ich sowieso nicht,
auch wenn ich diejenigen, die im Namen einer Religion, eines Gottes, den Menschen
die kurze Zeit ihres Erdendaseins zur Hölle machen, in diese wünsche.
Wie war
das mit meiner Beobachtung und meiner Erfahrung im Beruf? Als ich mein
Medizinstudium anfangs der fünfziger Jahre begann, gab es die Begriffe DNA
und Erbinformation gerade eben. Natürlich nicht für Medizinstudenten.
Auch dass schon 1919 chemische Bestandteile der DNA identifiziert wurden,
wussten normale Ärzte, auch an den Universitäten kaum. Eine
Transformation von Eigenschaften der DNA, was offensichtlich nur durch
Genaustausch funktionieren konnte, was man aber nicht erklären, nur
beobachten konnte, war nicht allgemein bekannt. Für ihre Entdeckungen
über die Molekularstruktur der Nukleinsäuren und ihre Bedeutung
für die Informationsübertragung in lebender Substanz“ erhielten James Watson und Francis Crick zusammen mit
Maurice Wilkins 1962 den Nobelpreis
für Medizin. Natürlich kannte man
Stoffwechselerkrankungen, die auch vererbbar waren, aber wie etwas
funktionierte, war oft unbekannt. Die Grundlagenforschung, die Biologie und die
Biochemie waren zu sehr von der Medizin und manchmal untereinander isoliert. Die
Medizin war damals, was ja erst ein halbes Jahrhundert her ist, weitgehend eine
empirische Wissenschaft. Selbstverständlich hatte es seit Mitte des 19.
Jahrhunderts große Erkenntnisse und Fortschritte auf den Gebieten
Zellularpathologie (Virchow), der Physiologie (bezeichnender Weise wird der
Nobelpreis für Physiologie oder Medizin vergeben), der Bakteriologie (Koch
entdeckte die Erreger von Tuberkulose und Cholera), und der Medizinischen
Diagnostik (Röntgen, ein Physiker) gegeben. Aber es war alles, fast wie zu
Zeiten der Antike, seit Galen und Paracelsus, vom Gewicht und dem Ansehen der
Person, abhängig. Wenn Professor XY etwas zu einer Sache sagte, selbst
wenn er davon keine Ahnung hatte, so war das richtig und konnte als Wahrheit
zitiert werden.
Noch in
meiner Zeit als junger Arzt gab es ältere Kollegen, die nichts von dem
“neumodischen Zeug“ wie Röntgen hielten. Franz Chvostek jun.,
der 1911 Ordinarius für Innere Medizin in Wien wurde, hielt nichts von
dieser „Afterwissenschaft“. In meinen Jahren an der
Universität hielt ein aus Amerika zurückgekommener Kollege die
Handkante auf die Brust eines Patienten und meinte, dass ihm der hinter
Papillarmuskel des Herzens nicht recht gefalle. Ein anderer Kollege brachte aus
USA die Nachricht zurück, dass, was die Herzauskultation betraf,
„the heart not a musikbox“ sei.
Und ein
eigenes Erlebnis, das ich auch in „Schon wieder ein Essay“
beschreibe – denn wir haben schon viel über Hormone und
Verhaltensweisen gesprochen – aus meiner Zeit als junger Arzt: Vom Schwurgericht
in München wurde ein etwa 35jähriger Mann zur Begutachtung durch
einen Psychiater, in der Stadt, in der ich am Krankenhaus arbeitete, geschickt.
Er kam aus der Haftanstalt St. Adelheim – ich lernte von ihm diese
Bezeichnung für Stadelheim – in der er schon mehrmals war. Betrug
und Hochstapelei in wiederholten Fällen. Er hatte sich Titel zugelegt,
schon mehrmals einen Rembrandt oder einen Rubens, die er nie besaß, an
gutgläubige Neureiche verkauft, hatte sich bei einem Schneider fünf
weiße Smokings anfertigen lassen, die er nie bezahlte und noch einiges
mehr. Nun ging es darum, ob man den Mann als Wiederholungstäter, in
Sicherungsverwahrung, was letztlich damals lebenslange Haft bedeutete, nehmen
müsse.
Was die
Sache so prekär machte, war der Umstand, dass der Mann homosexuell war.
Man wollte seitens des Gerichts bei einer Verurteilung keinen Fehler begehen,
weil es ja möglich gewesen sein konnte, dass der Mann diese Taten wegen
seiner Lebensart, die damals noch unter das Strafrecht nach § 175 STGB (Unzucht
zwischen Männern) fiel, so gehandelt haben konnte. (Erst 1994 wurde der
Paragraph durch Einführung eines Schutzalters für Jugendliche in
Deutschland letztlich aufgehoben.) Der begutachtende Psychiater war in etwa
auch der Meinung des Gerichts und schickte mir den Mann zur internistischen
Begutachtung einschließlich Hormonanalyse. Meine Untersuchung – bei
der ich sehr viel gelernt habe – ergab, dass der Mann gesund und seine
Hormone (die Hormonkonzentration im Blut) „normal“ waren.
Nach
meinem schriftlichen Gutachten musste ich, ungewöhnlich für ein
Verfahren, zusammen mit dem Psychiater, der über mein Gutachten erstaunt
war, dieses vor dem Schwurgericht mündlich erläutern. Ich wurde vom
Vorsitzenden Richter gefragt, ob man nicht den Mann von seiner Homosexualität
heilen und somit weitere Straftaten ausschließen könne, wenn man ihn
mit männlichen Hormonen behandle. Es war mir nur mit vieler Mühe
möglich das Gericht davon zu überzeugen, dass der Mann hormonell
normal und keineswegs eine Frau war, der nur die männlichen Hormone
fehlten. Wie das Urteil für den Mann lautete, kann ich nicht sagen, weil
es üblich war, dass der Gutachter nach seiner Aussage das Gericht
verlässt und dieses weiter verhandelt.
Was ich
damit sagen will ist das, dass medizinische Erkenntnisse und die Folgerungen
daraus keineswegs allgemein geläufig sind und wenn schon, erst nach
einiger Zeit, meist nach Jahren und dann nur oft widerwillig akzeptiert werden.
So entdeckten im Jahre 1983 Barry Marshall
und John Robin Warren aus Perth, in Australien,
Helicobacter pylori, ein Bakterium, als Ursache für Magen- und
Zwölffingerdarmgeschwüre. Die Entdeckung wurde von der medizinischen
Forschung lange Zeit nicht ernst genommen, dann teilte sich die
Ärzteschaft, was die Medizin sehr nahe an die Religion bringt, in
„beliefer and nonbeliefer“. Erst 1989 glaubten dann alle. 2005 wurden Warren und
Marshall für ihre Arbeiten zu H. pylori je zur Hälfte mit dem Nobelpreis für Physiologie oder
Medizin ausgezeichnet.
1976,
als ich Chef einer Abteilung an einem Lehrkrankenhaus der Universität, an
der ich weiter Vorlesungen hielt, wurde und unbedingt ein Ultraschallgerät
für meine Abteilung wollte, erklärte mir der als
„Wissenschaftler von Internationalem Rang“ gefeierte Kollege, dass
er von dieser Methode, „die sich in einem Vierteljahr
überlebt“ habe, nichts halte. Ich bekam von der Leitung des Hauses
kein Gerät.
Es ist
heute in der Medizin ein wenig anders geworden. Durch die evidenzbasierte
Medizin, die auf Beweismaterial gestützte Heilkunde, die ausdrücklich
auf der Grundlage von nachgewiesener Wirksamkeit getroffen wird, verliert die
wissenschaftliche Autorität, die leider oft als Experte bezeichnet wird,
an Gewicht. Auch und gerade weil der Wirksamkeitsnachweis einer Behandlung
dabei durch statistische Verfahren erfolgt, ist eine gewisse Objektivität
gegeben. Aber, weil man weiß, dass man Statistiken manipulieren kann,
wenn die Ergebnisse nicht den Erwartungen der dafür bezahlenden Industrie
entsprechen, hat man sich auch einiges im Fälschen wissenschaftlicher Arbeiten
einfallen lassen.
Gewiss
sind Veränderungen in der Medizin, die auf neuen wissenschaftlichen
Erkenntnissen beruhen, nicht sprunghaft, gleichsam als Bruch mit dem Bisherigen
abgelaufen. Ein Nebeneinander ganzer Fächer und Disziplinen, die
historisch wenig verwandt sind, existiert noch. So beruht in der
„psychosomatischen Medizin“, die an jeder Universität
vertreten ist, manches, beileibe nicht alles, darauf, dass wir noch zu wenig
Kenntnisse über einzelne Krankheiten haben. Auch das zu erkennen, ist eine
Leistung. So hat in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts schon ein
bedeutender Psychosomatiker (Prof. Bräutigam) gesagt, noch bevor von
Helicobacter pylori und Magenerkrankungen ein Zusammenhang bekannt war, dass
man sich von der Vorstellung, dass Leiden wie Magengeschwüre nur auf
seelische Ursachen zurückzuführen seien, wohl verabschieden
müsse. Wie hat man, noch zu meiner Anfangszeit in der Pneumologie
(Lungenheilkunde), Asthmapatienten davor schützen müssen, nicht
sinnlos psychotherapiert zu werden, anstelle einer durchaus wirksamen
medikamentösen Behandlung. Dass auch damit die Krankheit nicht heilbar
ist, ist eine durchaus hilfreiche Erkenntnis. Immer noch wird aber von
Ärzten, die sich durchaus als seriös sehen, unter Berufung auf alte
Literatur, die schlicht falsch ist, behandelt. Schlichte Fehldiagnosen, wie die
psychotherapeutische Behandlung eines jungen Metzgers mit Leibschmerzen, der
aber einen mehr als faustgroßen Tumor (Geschwulst) im Bauch hatte, sind
kein Argument gegen Leiden, die sich in Organbeschwerden manifestieren und auf
exo- oder endogen bedingten, psychischen Veränderungen beruhen. Man muss
wissen und untersuchen, nicht annehmen!
Sigmund Freud (1856 - 1939) muss in der
Diskussion über den
Zusammenhang zwischen „Seele“, Körper und Krankheit
unbedingt genannt werden. Er war ein bedeutender österreichischer
Arzt und Tiefenpsychologe,
der als Begründer der Psychoanalyse gilt. Tiefenpsychologie bedeutet unbewusste oder
nicht mehr bewusste Vorgänge zu erkennen, die nicht augenfällig
zutage liegen, sondern in der Tiefe des Bewusstseins verschlossen sind und, um
durch sie hervorgerufene Krankheiten heilen zu können, ans Licht gebracht
werden sollen. Seine diagnostische Methode, die vor allem in der Exploration
(Ausforschung) auf der Couch, auch der Traumdeutung bestand, ist allgemein
bekannt und braucht nicht kommentiert zu werden. Ich will auch seine
therapeutischen Verdienste nicht schmälern. Jedoch, so hilfreich seine
Behandlung in vielleicht vielen Fällen war, so wenig war sein Schluss
berechtigt und wissenschaftlich, dass sich in vielen Krankheiten, ja in
manchmal nur auffälligen Verhaltensweisen, vorwiegend sexuelle auch
pseudoreligiöse, mystische Ursachen verbergen. Freud schuf die Begriffe
Es, Ich und Über-Ich, die oft in Widerspruch zueinander sind. Er lehrte
von „Komplexen“ wie dem Ödipuskomplex, vom „Penisneid“
der Mädchen und mehr. Auch religionsphilosophisch war er in vielen
Schriften sehr engagiert, wobei er die Religionen ablehnte und sie eher in
ihrer historischen Bedeutung schilderte. Freud wurde wegen seiner Lehren sowohl
sehr gefeiert als auch heftig, von medizinischer und psychiatrischer Seite,
abgelehnt.
Warum ich auf Freud und die Psychoanalyse eingehe, hat seinen
Grund darin, dass man auch heute immer noch und wieder versucht so genannte
seelische Krankheiten „durch das Liegen auf der Couch“ zu
behandeln. Es mag durchaus hilfreich sein, bei unbewussten Ängsten,
beruflicher Überforderung, Angst, trotz bester sozialer Verhältnisse
verhungern zu müssen, was man Neurosen nennt, diese zu erkennen und zu
behandeln. Es ist aber sinnlos und letztlich kriminell, echte psychotische
Erkrankungen, Psychosen, also Erkrankungen des Gehirns, die mit
Wahnvorstellungen einhergehen, mit Psychoanalyse und Psychotherapie behandeln
zu wollen. Freilich sind solche Krankheiten mit dem Odium der Vererbung
behaftet, was durchaus häufig so ist. Und gerade deshalb sollte eine
andere Ursache als die, „dass man so etwas in der Familie hat,“
gefunden werden. Unser Gehirn, das phylogenetisch jüngste und am weitesten
entwickelte Organ, mit den vielen Milliarden vernetzten Zellen, das darf nicht
krank sein, weil es unanständig ist.
Nun so viel zu Krankheiten und zu dem was wir darüber wissen
und nicht wissen, worüber wir uns in der Medizin, die sich zu einer
objektiven Naturwissenschaft entwickelt, aber Gedanken machen sollten. Es hat
sich Vieles zum Besseren gewandelt.
Freilich
existiert in der Medizin immer noch ein nicht ungewichtiges Schamanentum. Ob
man das Halbgott in Weiß nennen muss, sei dahingestellt. Es ist auch
verständlich, dass man einem schwer Leidenden, einem Patienten oder
Sterbendem nicht dadurch hilft, dass man ihm erklärt, dass bei ihm die
Apoptose, das Absterben von Krebszellen nicht funktioniert, dass seine Niere
wegen dieser oder jener Krankheit so verändert ist, dass sie nicht mehr
ausscheiden kann und, dass er letztlich an seinem Lebensende angelangt ist. Er
wird, was menschlich verständlich ist, nach einem Ausweg suchen. Der Arzt,
Angehörige oder wer auch immer, können bei ihm bleiben, ihm die Hand
halten, ihm das Nichtverlassensein vermitteln, ohne ihn zu belügen. Ich
bin gelegentlich dafür getadelt worden, bei einem Patienten zu lange
geblieben und dadurch zu diesem oder jenem Termin unpünktlich geworden zu
sein. Aber das gehörte zu meinem Job, den ich zu erfüllen hatte. Und
ich hoffe, dies auch meinen Mitarbeitern vermittelt zu haben, dass der Patient,
der Leidende, Vorrang hat. Denn, es gibt praktisch keine Situation, in der man
ihm nicht helfen könnte. Für den Patienten muss die Situation, und
wenn es sein Lebensende ist, erträglich sein. Dass das Sterben für
die Angehörigen sehr oft kein schöner Anblick ist, ist
verständlich, aber auch ihnen kann man klar machen, dass sterben nicht
gerade schön ist. Nur wird leider oft von dem Märchen ausgegangen,
dass der greise Vater seine Lieben um sich versammelte, sie segnete, die
Hände faltete und friedlich entschlief.
Kriminell
wird es in der Medizin und der Pseudomedizin, wenn man dem Kranken scheinbare
Hilfen und Therapien nicht nur verspricht, sondern nicht selten sogar
aufdrängt. Das beginnt von der Akupunktur und geht über die
Homöopathie bis zur schamanenhaften Besprechung und, nicht zweifelhaften
sondern sinnlosen Krebstherapien. Natürlich wird dann immer vom
„Strohhalm“ geredet und, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Aber
gewöhnlich wird der Anwender und der, der solche Maßnahmen Hilflosen
und Unwissenden als wirksam suggeriert, dafür gut bezahlt. Es gibt extra
einen Katalog von Leistungen, die die Krankenkassen wegen erwiesener
Wirkungslosigkeit nicht bezahlen. Gerade diese soll man dem Patienten gegen
Cash anbieten. Das nennt man dann Ethik. „Dem Patienten darf nichts
vorenthalten werden!“ „Es muss Therapiefreiheit herrschen“.
Das sind Schlagworte, mit denen Nichtwissen und wirtschaftliche Interessen
zugunsten einer nicht mehr vorhandenen Ethik gefördert werden.
Wenn
man, nur als Beispiel, von der Akupunktur ausgeht, so fehlt jeder objektive
Wirksamkeitsnachweis. Auch durch noch so viel Pseudogelaber über
Meridiane, Ying und Yang, wird man dadurch deren Existenz nachweisen
können. In einer Einführung zur Chinesischen Medizin (nicht von mir!)
heißt es: „Es gibt keine anerkannten Belege für eine Existenz
von Meridianen außerhalb der Vorstellungen von Menschen, die an sie
glauben“. Noch was? Und wenn noch so viele Leute erzählen wie gut
sie damit behandelt wurden: Es kommt vielleicht auf das Brimborium an, auf das
„original Chinesische.“ Heute las ich in einer Fachzeitschrift
darüber: „Stochern genügt“.
Und was
muss man über die Homöopathie sagen, an die so Viele glauben? Glauben
ist richtig, aber schon alles. Das Grundprinzip Hahnemanns „similia
similibus curantur“ hört sich zwar schön an, ist aber unsinnig.
Es geht dabei nicht um die Verdünnungen eines Stoffes, der als Arznei
gegeben wird, Verdünnungen in so genannten Potenzen, das wäre noch
nicht unwissenschaftlich, weil Substanzen auch im Nanobereich wirken
können. Aber es fehlt der Nachweis der Wirksamkeit einer solchen
Behandlung, die allein aus einer Vorstellung geboren wurde. Die Adepten der
Homöopathie weigern sich bis heute eine Untersuchung der Wirksamkeit ihrer
Maßnahmen nach Gesichtspunkten der evidenzbasierten Medizin vorzunehmen.
„Erst wenn man daran glaubt, stellt sich die Wirkung ein“. Das ist
keine Blasphemie gegen den Verstand, sondern nur Idiotie.
In
einer regelmäßigen Kolumne meiner Tageszeitung erscheinen
Ausführungen eines Tierarztes zu den Krankheiten seiner Patienten, den
Tieren, sei es über die Staupe, Würmer, Milbenbefall usw.
Kürzlich erschien von ihm ein Artikel über die Wirksamkeit
homöopathischer Behandlung bei Tieren. Diese Behandlung hilft durchaus,
meinte der Tierarzt, „nur der Halter des Tieres muss an die Wirksamkeit
der Methode glauben“. Noch was?
Es geht
nun nicht darum einzelne Methoden oder Fachrichtungen in der Medizin auf ihren
Wahrheitsgehalt, ihre Ehrlichkeit oder wenigstens Glaubwürdigkeit zu unterziehen.
Es ging zuletzt um die Stellung des Menschen innerhalb seines biologischen
Daseins, als Glied der Evolution. Dass dazu sein Sterben gehört, ist
selbstverständlich, wenn dies auch in der allgemeinen Wahrnehmung
verdrängt oder ausgeschaltet wird. Allenfalls wird man daran erinnert,
wenn man selbst oder beim Sterben naher Angehöriger betroffen wird. Hier
setzt dann das Seelengeheule, der Ruf nach Unsterblichkeit, wenn auch nicht
hier, dann zumindest im Jenseits ein. Dies ist dann wichtiger als alle menschliche
Fürsorge für den Sterbenden.
An
allen katholischen, konfessionellen Krankenhäusern, auch an der von mir
geleiteten Abteilung, gab und gibt es Anweisungen an das Pflegepersonal, in
einem akuten Notfall, etwa einer Lungenembolie bei einem Kranken, erst den
Geistlichen, damit dieser „versehen“ könne, dann erst den
Arzt, der durchaus lebensrettende Maßnahmen ergreifen könnte, zu
verständigen. Auch eine „Tröstung unserer Heiligen Mutter
Kirche“ gegen den Willen des Betroffenen gibt es durchaus. Dabei will ich
keinem Menschen, keinem Sterbenden, eine solche Maßnahme auch nur
ausreden oder vorenthalten, wenn ihm das eine Hilfe ist und er danach verlangt.
Aber
was ist an unserem Sterben so furchtbar? Sicher nicht allein die Art des Todes,
worüber wir schon geredet haben, denn ich betrachte ja mein Schreiben als
Dialog, mit dem der liest oder mit mir selbst. Was also ist das Sterben? Wir
haben im allgemeinen kein Problem damit, wenn es um das Sterben einer Kreatur
überhaupt geht, nur nicht um uns. Ein Tier sogar gewaltsam zu töten,
um es für unsere Ernährung zu gebrauchen, ist eine
selbstverständliche und für notwendig erachtete Handlung. Es ist
schizophren wenn im jüdischen Tötungsritual erst das Tier um
Verzeihung für seinen, für uns notwendigen Tod gebeten wird und man
ihm dann eine „humane“, rasche Tötungsart zugunsten des
Schächtens vorenthält, weil das eben zu diesem religiösen Ritual
gehört.
Man
weiß, wenn einmal der Blutkreislauf unterbrochen ist, sei es durch
auslaufen lassen des Blutes beim Tier, oder beim Menschen durch einen
Herzstillstand, also Pumpversagen, wird sehr rasch, unmittelbar, das Gehirn und
damit unsere Wahrnehmung abgeschaltet. Nehmen wir an, es wäre bei einem an
sich gesunden Menschen, etwa bei einem Unfall, zu einem starken Blutverlust
gekommen, der natürlich mit sofortiger Bewusstlosigkeit einher ging, und
man hätte, weil es zufällig möglich war, eine Bluttransfusion in
entsprechender Menge vornehmen können, wäre sein, nach nur Minuten
irreversibler Tod zu verhindern gewesen. Dies besagt aber, dass zunächst
hochsensibles Gewebe, wie das Gehirn, bei Ernährungs- hier
Sauerstoffmangel seine Funktion einstellt. Aber auch Eiweißstrukturen
werden in kurzer Zeit so verändert, dass sie nicht wieder herstellbar sind.
Wir sehen das an so genannten Wachkomapatienten, deren vitale Funktionen wie
Blutkreislauf und Atmung intakt sind, mit denen wir aber keinen kommunikativen
Kontakt bekommen können, weil wahrscheinlich ihre Wahrnehmung
ausgeschaltet ist.
Zellen und
ganze Organe, wie etwa die Nieren, könnten jedoch, bei einer vorher
vereinbarten Organspende des Verstorbenen, entnommen, gekühlt, um den
Sauerstoffbedarf der einzelnen Zellen, deren Stoffwechsel herab zu setzen,
durchaus anderen Menschen wieder eingepflanzt werden. Werden sie an dessen
Kreislauf angeschlossen, können sie ihre Funktion wieder aufnehmen. Es
geht dabei jetzt nur um das prinzipiell Machbare, weshalb ich auf
immunologische Reaktionen wie Abstoßung eines Transplantats nicht eingehe.
Aber was
hört denn nun auf beim Tod? Könnte man denn nicht – und
wäre es nur in Utopia – einem reichen Menschen immer wieder ein
versagendes Organ neu einpflanzen und ihn so ewig am Leben erhalten? Geht
nicht. Es ist wieder unsere DNA, die uns auf das Ereignis unseres Todes
vorprogrammiert hat. Schon das Alter, das Gebrechlichwerden eines ganzen
Organismus, ob Mensch oder Tier, ist vorher festgelegt. Ob und wann man graue
Haare bekommt. Und wie Zellen schon während des normalen Lebens zum
Absterben programmiert sind, wie zum Beispiel regelmäßig alle unsere
Blutzellen, um für neue, frisch nachwachsende Platz zu machen, so sind
letztlich alle unsere Zellen auf ein Ende vorprogrammiert. Apoptose nennt man
dies, was wir schon diskutiert haben. Ob dazu ein Anstoß von außen
kommt, durch Gewalteinwirkung, durch Krankheit, Reaktionen unseres Immunsystems
oder nur durch Einsetzen der altersmäßigen Vorprogrammierung, ist
unerheblich.
Nur,
und dessen muss man sich, so lange es noch geht, bewusst sein, es bleibt nichts
übrig wenn der Tod stattgefunden hat. Zellenzyme, letztlich chemische
Substanzen werden durch die Apoptose freigesetzt. Die Eiweißstrukturen
werden abgebaut, zerstört. Auch Krebszellen, die nur scheinbar immortal,
unsterblich sind, weil während des Lebens im Organismus die Apoptose nicht
funktioniert, sterben beim Ausbleiben der Nahrungsversorgung durch Blut und
Körpersäfte, ab. Bakterien spalten durch ihre Enzyme die
Eiweiße weiter und gewinnen daraus die für sie notwendige Energie zu
Wachstum und Fortpflanzung. Auch die Eiweißstrukturen, die einmal die
Speicher unserer Erinnerung waren, werden abgebaut bis letztlich zur Ursuppe,
aus der wieder neues Leben entstehen kann.
Ist das
so furchtbar? Stellen wir uns vor, es gäbe das ewige Leben. Das wäre
furchtbar. Es gäbe ja dieses Leben bei allen Organismen, bei Pflanzen und
Tieren. Und doch müssten wir den Tod dieser Organismen herbeiführen,
schon für unsere Ernährung. Und Abermilliarden von Menschen, die sich
gegenseitig erdrückend die Erde bevölkern, würden Abermilliarden
von Schweinen, Kälbern, Kaninchen auffressen wie Abermilliarden von
Löwen die Abermilliarden von Gazellen? Muss ich diesen Unsinn
weiterspinnen, vielleicht die Pflanzen einbeziehend? Fazit: Ohne den Tod
wäre das Leben unmöglich.
Nun
gut, im Prinzip ist die Medizin, und darum ging es in der bisherigen Diskussion
über Leben und Tod, durch die medizinisch-biologische Grundlagenforschung,
letztlich beruhend auf den Naturgesetzen, zu einer weitgehend objektiven
Naturwissenschaft geworden, auch wenn manches noch durch Schamanentum
überdeckt wird, wie schon gesagt.
Nun
leben wir aber auf der Erde, müssen auf ihr leben. Was kann uns Menschen
helfen diese winzige Zeitspanne, gemessen am Alter der Erde und des Kosmos,
auch nur annähernd erträglich, von würdevoll will ich gar nicht
reden, zu überstehen? Über die Medizin habe ich schon ein wenig
geredet, nicht weil ich dazu kompetent wäre, sondern weil es mein Beruf
war, aus dessen Sicht ich manches darlegen musste. Ich habe bisher versucht, vieles
zudem aus der Sicht der Physik, der reinen Naturwissenschaften eben, zu
erklären. Aber wozu könnten uns die anderen so genannten
Wissenschaften helfen?
Über
die Theologie haben wir schon gesprochen. Sie ist keine Wissenschaft, nur eine
Fiktion, die aus eigener Fantasie Erscheinungen der Natur und des Lebens zu
verpflichtenden Glaubensinhalten erklärt. Schon ihre Beschränkung auf
den Menschen – Opfertiere und manchmal auch Menschen als Opfer
ausgenommen – ist eine Ungeheuerlichkeit. Die Fiktion von Gott und Seele
ist Zeichen der Unwissenheit. Und durch Perpetuation wird eine Fiktion nicht
zur Realität.
Die
Philosophie? Wir haben schon viel darüber gesprochen: Sie könnte eine
Lebenshilfe sein, wenn sie erklärt und keinen Glauben verlangt.
Philosophie und Mathematik, ein Dualismus bei einigen bedeutenden Philosophen,
könnten eine Wohltat für die Menschen sein. Leider eiert ein
Großteil der Philosophie um völlig redundante Nichtigkeiten oder hat
ein ewiges Kreisen um einen Gott, der sie bestenfalls vom Einsturz ihres Gedankengebäudes
bewahrt, zum Inhalt ihres Daseins gemacht.
Ob wir
geistige Disziplinen wie Philologie, von Ursprachen wie Keilschrift,
Hieroglyphen, alten euroasiatischen Sprachen und allen Sprachen der Neuzeit bis
zu unserer eigenen, als Wissenschaft bezeichnen wollen, ist Definitionssache.
Sprechen mussten und konnten die Menschen – auch Tiere sind nicht ohne
Kommunikationsmöglichkeiten, die nur wir nicht völlig interpretieren
können – schon immer. Und es hat wohl schon immer Philologen
gegeben, die die Sprache der Stämme oder Sippen auseinander halten und
ineinander zu übersetzen wussten. Ohne diese ersten Philologen wären
wir wahrscheinlich, trotz mathematischer Erkenntnisse, heute noch auf einer
Kulturstufe mit den Neandertalern.
Die
Geschichtswissenschaften? Sie sind notwendig, auch wenn sie in ihrer reinsten
Form nur beschreibend sind. Dass die Menschen „nichts aus der Geschichte
lernen“, ist kein Versagen einer wissenschaftlichen Disziplin. Aber wenn
man nur Cato zitierend: „ ceterum censeo Carthaginem esse delendam“
wüsste und daraus ablesen könnte wozu man Geschichte brauchen und
missbrauchen kann, hätte die Menschheit schon einen Gewinn. (Cato, in Rom,
nach Hannibals Zeit, im Dritten Punischen Krieg, soll bei jeder Gelegenheit gesagt
haben: „im Übrigen bin ich dafür, dass Karthago zerstört
werden muss“)
Zur
Geschichtswissenschaft doch innig verknüpft mit den Naturwissenschaften,
muss man die Paläobiologie mit Paläobotanik, Paläozoologie und
Paläoanthropologie rechnen. Die Geologie und die Geographie sind
unentbehrliche Wissenschaftsdisziplinen, auch wenn sich die Politik ihrer, oft
nur zur Ölsuche und daraus sich ergebender Kriege, bedient.
Und was
sind die Rechtswissenschaften? Eigentlich so viel Wissenschaft wie die
Theologie, keine. Das heißt nicht, dass sie nicht notwendig sind. Sie
müssen das Recht definieren und sollten im wesentlichen die Menschheit
schützen, vor allem vor sich selbst, damit nicht „das Recht des
Stärkeren“ stets obsiegt. Gewiss geht es nicht ohne Rechtsgeschichte
im wissenschaftlichen Sinn. Aber wenn man sieht, wozu sich letztlich Recht und
Gesetze seit jeher missbrauchen ließen, wie etwa im Dritten Reich, wird
man vor allem an der akademischen Würde und Objektivität des Standes
und zumindest eines Teils seiner Vertreter erhebliche Zweifel anmelden
müssen.
Die
Politikwissenschaft? Ist sie ein Zweig der Rechtswissenschaft? Was ist ein
Politologe? Kann jemand, der Politikwissenschaft studiert hat, ein Examen
machen und sich dann Diplompolitologe nennen, eventuell sogar zum „Dr. pol.“
werden? Hat ein Politologe Anspruch auf eine bezahlte Anstellung und wo? Man
muss dies fragen, weil ja Gesetze durch Herrscher oder Parlament, was man
Legislative nennt, also durch die Politik, geschaffen werden, dort aber selten
Politologen – sind das jetzt Berufspolitiker oder nicht? – sitzen.
Denn Herrscher oder Parlament, das den eigentlichen Souverän in einer
Demokratie, das Volk, vertritt, haben gleichzeitig die Möglichkeit zum
Gebrauch von Macht durch Bestrafung, Strafvollzug, Polizei und Militär,
also die Exekutive, die die Einhaltung der Gesetze zu garantieren. Also nochmals: Kann man Politik lernen?
Gewiss, wenn Politiker nur ein erlernbarer Beruf wäre, wenn man nicht aus
jedem Beruf oder sogar ohne einen solchen, Politiker werden könnte,
wäre das ein Gewinn für die Menschheit. So aber beschloss ein Adolf
Hitler Politiker zu werden und wurde dieses, ohne dass ihn eine Macht aufhalten
konnte. Wo war und stand unsere geistige „Elite“ aus Religion,
Philosophie und Wissenschaft jeder Art, als ein verunglückter, von der
Akademie in Wien abgewiesener Postkartenmaler, den verhängnisvollen
Entschluss fasste? Sie stand nicht tatenlos abseits, nein, sie krochen dem Mann
in Devotion und Überheblichkeit, auf Vorteil bedacht, zu Füßen,
machten ihn zu einem der Schlächter der Menschheitsgeschichte. Gut, es
waren wenigstens keine Intellektuellen. Die gab es nicht. Zumindest keine
Politologen. Und heute? Ich denke, man kann ohne Verlust für die
Menschheit, die Politikwissenschaft als solche, für keine halten.
Vielleicht
hätte ich vor der Politik über die Kunst reden sollen. Schon wegen
des Unglücks mit Hitler, dessen spätere hypothetische Bilder man in
Wien, New York, Tokio, Berlin oder nirgends, hätte bestaunen können.
Man hätte ihn malen lassen sollen, womit er keinen Schaden angerichtet
hätte. Aber ich will damit nicht sagen was Kunst ist, allenfalls ein wenig
darüber reden. Warum? Nun, Kunst ist immer ein Phänomen der Zeit. Ob
in Malerei, Musik oder Dichtung. Wir sollten sie als solche ansehen und weder
gutheißen noch verdammen. Wir haben die Möglichkeit hin oder
wegzusehen, hin oder wegzuhören oder sie ganz zu ignorieren, was viele
Menschen tun. Kunst zu werten, was besser oder schlechter ist, ist unsinnig.
Gotik ist nicht besser oder schlechter als Romanik oder Renaissance. Ich kann
mich an der Ästhetik des Baus eines Doms erfreuen, auch an seiner
Ausstattung, ohne zum Bilderstürmer wegen meiner Meinung über einen
nicht vorhandenen Gott zu werden. Ein rotes Quadrat und ein blauer Kreis eines
mir unbekannten Malers, können mir Freude bereiten aber es kann mich
niemand zwingen das als objektiv schön und anbetungswürdig zu finden.
Es gehört sicher in die Geschäftemacherei, in die
„Promotion“, ob ein Künstler erfolgreich ist oder nicht. Das
hat keineswegs immer etwas mit der „Qualität“ seiner Werke zu
tun. Aber darin, in der Promotion steckt ja auch schon eine gewisse Kunst.
Dennoch
muss ich Kunst auch wieder im Zusammenhang mit Religion und Politik sehen: Ich
halte es auch für einen Frevel an der Menschheit und zudem nur aus
Dummheit und mangelndem Intellekt zu erklären, wenn man, wie die Taliban
in Afghanistan alte Buddhastatuen sprengt, weil sie von falschem Glauben sind
oder wie man in der Nachreformation Bilder aus Kirchen vernichtete. Auch das
Verbrennen von Büchern gehört dazu.
Vielleicht
fragt man jetzt, wenn man wohlmeinend mit mir ist und überhaupt fragt,
wozu diese ganze Schreiberei über Urknall, Naturgesetze, Evolution,
Religion und was sich noch Wissenschaft, auch Kunst nennt, nützlich ist?
Wozu? Wozu das sich Wetzen an einem Phantom wie Gott, Seele oder Glauben? Wozu,
- nicht ein Scherbengericht zu veranstalten, was ja ein einzelner Mensch nicht
kann, sondern - allenfalls Scherben zu produzieren?
So
genau kann ich selbst keine Antwort geben, denn, was ich auch immer als Grund
anführen kann, es ginge die Welt auch ohne diesen weiter. Doch vielleicht
kann ich einen kleinen, nützlichen Beitrag dazu leisten, die Zukunft ohne
Angst und mit Gelassenheit zu sehen, auch wenn sie wahrscheinlich nicht
schön sein wird. Vielleicht wird das Folgende doch ein wenig „Trost
in der Philosophie“, auch wenn ich der Philosophie sehr skeptisch
gegenüberstehe.
Also,
was wird sein und kommen und warum?
In der
Geschichte des Kosmos ist es nach dem Urknall zu systematischem Entstehen von
Sternen, deren Vergehen und erneutem Entstehen von Sternen, gekommen. Durch die
Naturgesetze, die überall im Kosmos gelten, war es möglich, dass in
einem System um einen Stern, unsere Sonne, auf einem ihrer Trabanten, der Erde,
in einem habitablen Abstand Leben entstehen konnte. Nur durch die
physikalischen Gegebenheiten war dies möglich und, falls es noch irgendwo
im Kosmos die selben Bedingungen gäbe, würde dort alles genau so
ablaufen.
Auf der
Erde ist Leben entstanden, das sich, in einem für ein Individuum nicht
vorstellbar langem Zeitraum, bis zum heutigen Menschen entwickelte. Wir, die
Menschen, nehmen an, dass wir ein bisheriger Endpunkt der Zivilisation sind,
schon auf Grund unserer Intelligenz, die uns, nach eigener Vorstellung, den
andern Wesen überlegen macht. Es sieht in der Tat so aus, als wären
wir die ersten Lebewesen, die bewusst die Oberfläche der Erde gestalten
können, aber auch die ersten, die in der Lage sind, wohl nicht den
Planeten, aber sämtliches Leben auf ihm, zu vernichten. Ob es jegliches
Leben ist oder nur „höheres“ und, nach einer planetarischen
oder kosmischen Katastrophe ein neuer Kreislauf beginnen könnte, ist wohl
zweitrangig. Was wir als Menschen zudem außer acht lassen können,
ist die Tatsache des Untergangs unseres Zentralgestirns, der Sonne, in
Milliarden Jahren, in dem auch die Erde in einem riesigen Glutball
verschwindet.
Gehen
wir also willkürlich von einem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte, dem
Jahr Null, vor oder nach Christi Geburt aus. Die Größe der
Weltbevölkerung wird für damals auf 170 bis 400 Millionen
geschätzt. Das Römische
Reich soll 57 Millionen Menschen gezählt haben, das Chinesische Reich 75 Mio. Einwohner. Vor
1000 Jahren lebten um 350 Millionen Menschen. Trotz Pest, Pocken und anderer Seuchen
im Spätmittelalter hat die
Weltbevölkerung vor 500 Jahren um 500 Millionen Menschen betragen.
1804
überschritt die Weltbevölkerung erstmal eine Milliarde
Menschen, innerhalb des 20. Jahrhunderts
hat sich die Weltbevölkerung fast vervierfacht: Über, 1927 mit 2 Milliarden auf
6 Milliarden Menschen 1999. Die 7-Milliarden-Marke wird voraussichtlich im Jahr
2012 erreicht sein, obwohl seit Ende der 80er-Jahre das
Weltbevölkerungswachstum in absoluten Zahlen abnimmt. Obwohl die Geschwindigkeit des Wachstums abnimmt,
wächst also die Weltbevölkerung dennoch, nur langsamer.
Mit der
Bevölkerungsexplosion in den vergangenen zwei Jahrhunderten, ging eine
ebenso explosionsartige Entwicklung der Technik einher. Die durchschnittliche
Lebenserwartung der Weltbevölkerung stieg deutlich an, vor allem wegen der
Abnahme der Kindersterblichkeit. Jedoch von einer auch nur annähernd
positiven Entwicklung zu sprechen, hieße das individuelle Schicksal der
Menschen völlig zu verkennen. Es ist nämlich ganz entscheidend wo,
geographisch, und in welchem Kulturkreis der jeweilige Mensch lebt.
Zweifellos
hat, durch die Naturwissenschaften erst möglich, die Technik auf allen
Gebieten den Stand erreicht, der es zuließ die Menschenmassen oder
wenigstens einen Teil davon, einigermaßen zu ernähren und sich
weiter zu entwickeln, das heißt sich fortpflanzen zu lassen. Ob die
Weiterentwicklung durch Agrartechnik mit neuen Anbaumethoden, durch Bautechnik,
dem Bau von Staudämmen zur Felderbewässerung, durch Entdeckung der
Antibiotika und ihre Einführung in die Therapie, durch den Bau von
Kraftwerken, einschließlich der von Atomkraftwerken, zur Deckung des
ungeheueren Energiebedarfs der Technik, durch Verbesserung von Infrastruktur
und Mobilität geschah, ist in der Einzelbedeutung nebensächlich, weil
nichts vom andern unabhängig, also nicht vernetzt, geschehen konnte.
Es ist
jedoch ein Irrtum anzunehmen, dass diese Entwicklung generell und überall
so war. Für die Bevölkerung von London, Stockholm, Tokio und Buenos
Aires, auch für andere Städte und sogar Landschaften, beispielsweise
die Getreideanbaugebiete in Niederbayern oder Kanada, mag dies zutreffen. Aber
in Afrika müssen Frauen immer noch einige Kilometer zu einem Loch mit
schmutzigem Wasser laufen und dieses als Trinkwasser für die Familie in
einem Blecheimer oder einem Tontopf nachhause tragen. Aber was hat das mit der
Entwicklung der Technik, mit einem doch wahrscheinlichen Benefit für die
Menschheit insgesamt zu tun?
Nun gut
oder weniger: Um das zu erklären kann ich gleich bei der Negerin mit dem
Wassereimer bleiben. Warum müssen die Frauen nach Wasser laufen,
während der Mann, der faule Neger, im Kral oder der Wellblechhütte
herumliegt und Schnaps säuft? Man kann, wenn man nur fleißig und
clever ist, auch in Afrika zu etwas kommen. In der Zentralafrikanischen
Republik brachte es ein M. Bokassa zum Kaiser, mit einem goldenen Bett.
Ich
weiß, dass ich jetzt damit ganz primitive auch unrichtige Vorurteile
– jedes Vorurteil, und sei es ein „noch so gesundes“, ist
unrichtig – bedient habe. Ich weiß auch, dass man in Tokio, London
oder Moskau heute noch verhungern kann. In China, Russland und Indien gibt es
Milliardäre und Verhungernde. Das ist eben so und wird es bleiben! Muss es
so bleiben und wenn ja, warum?
Gehen
wir zurück zum afrikanischen Wasserloch. Was soll die Frau, die vielleicht
noch einen Säugling in einem Tuch auf den Rücken gebunden hat,
machen? Kein Wasser holen? Was dann? Sie soll dem faulen Mann, der erst
kürzlich seinen Job in der Kupfermine verloren hat – auf dem
Weltmarkt ist der Preis für Rohkupfer gerade wieder zusammengebrochen
– den Wassereimer auf den Kopf schlagen und ihn zum Wasserholen schicken.
Er wird sie schlagen oder erschlagen. Doch warum sich darüber aufregen?
Das ist eben so bei den Schwarzen. Schließlich haben die ja auch so etwas
wie eine Regierung und Wahlen und sind nicht mehr ausschließlich
Menschenfresser. Und investiert nicht die westliche Industrie Millionen in den
Mangan- Kupfer- und Zinnbergbau? Ja, in den Bergbau und den eigenen Gewinn. Doch man hat nicht einen einzigen Cent zum
Vorteil für den Neger in das Land investiert. Allenfalls hat man die
herrschende Klasse, soweit sie nur das geringste zu sagen hatte, geschmiert. So
gehört heute das Land in Afrika und in den „unterentwickelten“
Ländern der Erde, irgendwelchen Firmen, die, sollten sie von der
Bevölkerung bedroht werden, von einem Bataillon Fallschirmjägern
geschützt werden, Und in „Schwellenländern“, zu denen
Indien und China längst nicht mehr gehören, sind Ressourcen,
Industrie und Infrastruktur längst in Händen einiger weniger.
Also, was
soll man machen? Vielleicht würde hier unsererseits ein mehrmaliges und
bedauerndes Achselzucken helfen? Ich habe noch keine Lösung dafür,
werde aber, etwas später, zu einer Antwort oder wenigstens zu einer
Erklärung zum weiteren Schicksals des Negers und der Welt kommen.
Zunächst aber eine weitere, hinterhältige Betrachtung:
Sicher
hat sich in China die Situation für das Volk insgesamt, also in Bezug auf
Ernährung, Wohnmöglichkeit, Komfort (Fernseher), Bildung (der Pianist
Lang Lang) durch die kommunistische Revolution gegenüber der Kaiserzeit
gebessert. Die verhungernden Wanderarbeiter, unter primitivsten
Verhältnissen lebende Land- oder Fabrikarbeiter, auf die jetzt immer
hingewiesen wird, hat es im Chinesischen Kaiserreich in weit höherem
Maße gegeben, nur wir wussten es nicht oder wollten es nicht wissen.
Nicht dass jetzt Mao Tse-tung (bitte aussuchen ob Mao Zedong besser ist) China
und seinen Menschen die Lösung oder Erlösung gebracht hätte.
Deng Xiaoping, der in Frankreich
kurzzeitig zur Schule ging und in Russland war, hatte bereits seine Lehren im
„liberalen“, westlichen Sinn verändert, blieb aber Kommunist.
Nur dadurch aber konnte China eine so ungeheuere Macht erlangen, die sie heute
als eine der führenden Industrienationen dastehen lässt.
Und nun unterdrückt China das Volk in Tibet und
dessen Religion und will außerdem Taiwan, das auch Formosa hieß und
einem Generalissimus Chiang Kai-shek als Rückzugsinsel vor dem Kommunismus
diente, wieder annektieren. Da sieht man es wieder! Erst gegen Japan Kriege
verlieren (was wollte Japan in China?), dann deutsche, britische und andere
„Besitzungen“ etwa Hong Kong, sich wieder einverleiben, typisch!
Ich hätte da beinahe wieder vergessen zu sagen,
dass es um die Macht geht. Es geht um die Macht für den einzelnen ganz
persönlich, die er, notfalls über den Weg der angeblichen
Fürsorge für das Volk und das Land, erreichen will. Auch die
Zerstörung der Macht des anderen, selbst ohne eigenen Machtgewinn, kann
eine Triebfeder zur Unterdrückung eines anderen – denn Macht ohne
Unterdrückung gibt es nicht – sein. Die Macht oder die Machtsucht
des einzelnen, ob Mann über Frau, ob Chef über Mitarbeiter, ob
Offizier über einfachen Soldaten, ob ein Land über ein anderes (durch
Machtrepräsentanten geregelt), will aber stets den eigenen Vorteil. So
beim Sex, auch über eine Mitarbeiterin, in der Befehlsgewalt für den
Offizier, dem ein größeres Stück Fleisch in der Kantine
zusteht, und was noch so alles. Macht hat auch der Löwe über Löwinnen,
der Affenhäuptling über die Äffinnen. Alle wollen Macht und
Vorteil. Sollte da etwa irgendetwas genetisch bedingt sein?
Das ist sicher eine erste Antwort und ich wage zu
behaupten, eine richtige. Doch gehen wir zurück nach Afrika. Als es den
Buren Hollands, sicher aus Not und Bevölkerungsdruck, und mit guten Waffen
ausgerüstet möglich war, Negerstämmen in Südafrika Land
wegzunehmen und dort überlegen zu siedeln, als Frankreich, England, auch
Deutschland im übrigen Afrika wie auch in Asien und Amerika entweder mit
Kanonenbooten oder mit wertlosen Glasperlen Kolonien erwarben, dann geschah das
nicht, um auch dem letzten Neger zu einem Quentchen Glück oder Wohlstand
zu verhelfen. Man hat die Neger, wenn man human war, für sich arbeiten
lassen, zu den eigenen, nicht zu deren Bedingungen, da diese keine zu stellen
hatten. Und als man in Amerika billigste Arbeitskräfte brauchte, um das
Land, das man den Ureinwohnern weggenommen, nicht abgekauft, hatte, um es zu
bearbeiten, ließ man Sklaven in Ketten aus Afrika bringen.
Nur
eines sollten wir doch nicht vergessen: Haben wir nicht den armen Heiden, nach
Nächten der Finsternis, als sie Menschen fressen mussten, das Licht der
Wahrheit, Gott, den wahren Glauben gebracht? Nun, vielleicht in etwas
verschiedener Verpackung, als Katholizismus, als Baptisten, Presbyter,
Lutheraner, Reformierte, weil, schließlich hatten die Neger vorher auch
keine einheitliche Religion, sondern viele Götter und wären
vielleicht verwirrt worden. Wenn etwas nicht so mit Kolonisation (die Religion
wurde ausgeklammert, weil ein Negerpfarrer Neger bleibt), wie bei den Hereros
in „Deutsch-Südwestafrika“ (heute Namibia, wo die Deutschen
noch angesehene Leute sind), klappte, ließ zum
Beispiel Generalleutnant Lothar von Trotha
den Aufstand 1904 niederwerfen. „Der größte Teil der Hereros
floh daraufhin in die fast wasserlose Omaheke-Wüste. Von Trotha ließ
diese abriegeln und die Flüchtlinge
von den wenigen dort existenten Wasserstellen verjagen, so dass Tausende Hereros mitsamt ihrer Familien und Rinderherden
verdursteten. Den so in die Wüste Gejagten ließ von Trotha im so
genannten Vernichtungsbefehl
mitteilen: „Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. […]
Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder
ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe
sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen.“ Die
Vorgänge kosteten bis zu 80 000 Herero das Leben. Wer
etwas über den ersten Völkermord im 20.Jahrhundert wissen will, kann
sich ja in einschlägigen Geschichtswerken informieren. Hier geht es leider
nur um Afrika und das war damals, schon lange her.
Doch was haben solch alte Geschichten,
Völkermord hin oder her, mit der heutigen Welt zu tun? Es hat insofern
damit zu tun, dass die alten Geschichten noch gar nicht zu Ende sind, sondern
in allenfalls etwas geänderter Form weitergehen. Aber versucht man nicht,
gerade die Staaten in Afrika, im Zuge der so genannten Globalisierung der
Wirtschaft, einzubinden? Richtig, das versucht man. Aber die Bedingungen, die
man den Staaten für einen Kredit stellt, sind so, dass sie nicht
erfüllt werden können. Der IWF, der Internationale
Währungsfonds, ein Instrument der Weltbank, die von den Industrienationen
beherrscht wird, stellt Kredite unter den Bedingungen von Handelsbarrieren und
Embargos für die oft einzigen Ausfuhrgüter eines Landes zur
Verfügung, die die bereits marode Wirtschaft vollends zugrunde richten.
Untereinander sichern sich Industrienationen durch Freihandelsabkommen die
Märkte, die die Preise bestimmen und schließen weniger potente
Staaten von ihnen aus. Von 2000 bis 2004 war übrigens der Deutsche Horst
Köhler, heute Bundespräsident, Direktor des IWF. Das soll nun nicht
heißen, Deutschland, Köhler oder die Globalisierung überhaupt
seien Schuld an einer Weltwirtschaftsmisere, an der wirtschaftlichen
Vernichtung eines Kontinents – und keineswegs dieses Kontinents alleine
– sondern ich will damit sagen, dass das Streben nach Macht, nach Beherrschung
eines Unteren durch einen Oberen, sei es Nation oder Individuum, direkt und in
absehbarer Zeit zu einer globalen Katastrophe führen wird.
Wenn der Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz in seinem Buch „Die Schatten der Globalisierung“
den IWF für seine angeblich blinde Verfolgung der Wirtschaftspolitik-Vorstellungen
des Washington Consensus kritisiert, in seinem
nächsten Werk „Die Chancen der Globalisierung“ die
Finanzmärkte weiterhin für ihre unmenschlichen Verhaltungsweisen
tadelt, so ist das alles hervorragend und pragmatisch bis ins Detail
formuliert. Ich habe daraus viel gelernt; in Zahlen über Afrika, Indien,
China, die USA und Europa. Aber seine Ratschläge und Mahnungen werden,
trotz Nobelpreis, bestenfalls interessant sein für diejenigen, die an den
direkten Hebeln der Macht sitzen, doch kaum etwas ändern. So lange die
Maximierung von Gewinnen und Macht letztlich das Ziel aller ist, wird, wie
schon gesagt, eine globale Katastrophe unausweichlich.
Ich muss hier, wie so oft in meinem Schreiben, eine
sehr traurige Geschichte dazwischen schieben. Von Primo Levi habe ich gelesen:
Die Verlorenen und die Geretteten; Ist das ein Mensch? (aus: Levi. Ist das ein
Mensch? – Die Atempause. Aus dem Italienischen von H. Ried, B. und R.
Pichet. Carl Hanser Verlag, München – Wien, 1991). „1944
lebten in Auschwitz von den alten jüdischen Häftlingen, von den
„kleinen Nummern“ unter Hundertfünfzigtausend nur noch ein
paar hundert; keiner von diesen war ein gewöhnlicher Häftling in
einem gewöhnlichen Kommando und mit gewöhnlicher Ration. Es blieben
nur die Ärzte übrig, die Schneider, Flickschuster, Musiker und
Köche, attraktive Homosexuelle und Freunde oder Landsleute irgendwelcher
Lagerautoritäten; darüber hinaus besonders rücksichtslose,
kräftige und unmenschliche Individuen, die sich [...] als Kapos,
Blockälteste und noch in anderen Ämtern behaupteten; und endlich
diejenigen, die [...] vermöge ihrer Durchtriebenheit und Tatkraft stets
imstande waren, mit Erfolg zu organisieren“. „Wer es nicht fertig
bringt, Organisator, Kombinator, Prominenter zu werden, der endet bald als
Muselmann.“
Muselmänner, im Lagerjargon, waren die
Unterlegenen, und dazu heißt es bei Levi: „Unterliegen ist am
leichtesten: Dazu braucht man nur alles auszuführen, was befohlen wird,
nichts zu essen als die Ration und die Arbeits- und Lagerdisziplin zu befolgen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass man solcherart nur in Ausnahmefällen
länger als drei Monate durchhalten kann. Alle Muselmänner, die im Gas
enden, haben die gleiche Geschichte [...], sie haben gar keine“.
Nun, es geht mir nicht darum eine furchtbare
Geschichte zu zitieren. Gleichsam ein Geschäft mit dem Grausamen zu
machen, liegt mir fern und wer sagt, dass ich vor nichts zurückschrecke,
will mich nicht verstehen. Aber etwas, was unter Extrembedingungen geschieht,
macht vielleicht „weniger grausame“ Vorgänge nicht gerecht,
erträglich oder hinnehmbar. Ich will auch nicht, selbst
wenn ich weitere Beispiele menschlichen und völkischen Handelns
aufführen muss, aufrechnen. Ich bin schließlich kein katholischer
Bischof. Es geht mir um die „Muselmänner“, um die wehrlosen
aber keineswegs dummen Menschen. Dumm kann sie sowieso nur der Gerissene, der
Charakterlose nennen.
Man
kann jetzt, und durchaus zu Recht, sagen, ich sei ein Utopist. Das ist wahr. Es
kann keine Wirtschaft gedeihen ohne zu wachsen, was sie nach Aussage eines
jeden Ökonomen muss. Gut, sei es so. Also muss man immer ein wenig
cleverer als der andere sein. Das geht auf Kosten der Armen, die entweder
wirtschaftlich in Not geraten sind oder in die Not hineingeboren wurden und nie
herauskommen können. Freilich kann man sagen: wozu? Wozu wollen diese
Menschen – genetisch sind sie wohl welche – aus einer Situation,
sagen wir aus der Armut, heraus kommen? Der Neger in Afrika soll das Wasser aus
dem Wasserloch eben abkochen, vor dem Trinken. Man kann Wurzeln ausgraben und
essen, irgendwelches Getier, falls es das noch gibt und es ein Oberer erlaubt,
jagen und essen. Man verhungert dann schon nicht. Und zum Leben braucht weder
ein Eskimo, noch ein Neger, noch ein mongolischer Hirte oder ein Hartz -Vier
– Empfänger einen Fernseher oder ein Auto und was das Volk alles
noch so will. Gewiss, das mag so sein. Aber vielleicht gibt es Arme, die wären
mit ihrem Schicksal, ihrem Stand, durchaus zufrieden. Sie sind nicht faul,
arbeiten, auch wenn sie wenig verdienen und sind dem Reichen oft gar nicht
neidisch. Ja dann soll man sie doch so lassen! Geht nicht. Nicht wegen einer
Gewerkschaft, die sich aus dem ihr eigenen Motiv darum kümmern muss. Nein,
es wird so sein, dass der Clevere, sich auf Kosten der Armen reicher macht. Ist
doch nicht meine Schuld, dass der Brotpreis steigt, sagt der Bäcker.
Schließlich muss ich auch mehr für Mehl bezahlen. Wenn der
Händler dem Bauern nicht mehr für sein Getreide gibt, und sagt, er
könne es verfaulen lassen, wenn er es nicht zum gleichen oder einen
niedrigeren Preis bekomme als im letzten Jahr. Was soll der Bauer machen?
Ärmer werden oder Revolution oder zur Gewerkschaft gehen. Gerhard Polt,
ein deutscher Kabarettist und Philosoph, hat gesagt: „Wenn ich mir
für einen Euro neunzig die Stunde, einen russischen
Universitätsprofessor zum Rasenmähen, für die Gartenarbeit und
für den Nachhilfeunterricht meines Sohnes leisten kann – ja was
wollen Sie denn noch mehr?“
Na ja,
Spießerkapitalismus, Neidgehabe, wird man sagen. Wir sind doch keine
Bestien! Das sind wir gewiss nicht, denn unser genetischer Code erlaubt es uns,
uns nicht tierisch zu verhalten. Nur ein Beispiel: Wildhunde jagen in Afrika
Gazellen. Aus dem Rudel bilden sich kleine Gruppen, die Gazellen von der Herde
trennen und reißen. Hat eine solche Gruppe eine Gazelle erlegt, wird ein
heulendes Signal an die anderen Gruppen gesandt, die Jagd einzustellen und zur dann
gemeinsamen Beute zum Fressen zu kommen. Was hat das aber mit uns Menschen zu
tun? Sind wir Raubtiere? Ach so? Raubtierkapitalismus, natürlich nur eine
Metapher und eine Beleidigung für wilde Hunde.
Und,
sagen wir es so: Die Armen haben keine Lobby. Nirgends. Wenn man sie braucht,
in jedem Land der Erde, als billige Arbeiter, als Sklaven, als Dumme, dann
benutzt man sie. Braucht man sie nicht, das heißt braucht man ihr Land,
ihr Vermögen (falls sie eines hatten) vertreibt oder tötet man sie.
Die Hereros sind ein Beispiel, die Armenier in der Türkei ebenso, der
Holocaust an den Juden. Wer arm ist und keine Macht hat, oder keine selbst
gebrauchen will, geht unter.
Es kann
niemand sagen, dass dies Utopien wären, meine Horrorszenarien. Utopien
können ja auch negativ besetzt sein. Und die Horrorszenarien waren
bitterste Realität. Und ich bin sicher, dass man jederzeit wieder
Konzentrationslager einrichten wird, - zudem hat man sie schon - in denen der
genetische Abschaum wütet, wenn es „die Umstände
erfordern“. Daraus sollte man eigentlich folgern, dass, wenn es
überhaupt möglich ist die Erde weiterhin mit Menschen zu
bevölkern, dies nur dadurch geht, dass man ein soziales System, in dem der
Stärkere dem Schwächeren hilft, ihn mitkommen lässt, etabliert.
Man wird nichteinmal verlangen, dass es keinen Unterschied geben dürfe.
Also es geht weder um einen Edelkommunismus (wer edel betont, will immer etwas
schlechtes aufwerten) noch um ein wirklich utopischen Urchristentum oder um die
entsprechenden Heilsverkündigungen anderer Religionen. Es sollte darum
gehen, ein einigermaßen ausgeglichenes, gerechteres System zu schaffen.
Aber ist das vielleicht doch eine Utopie? Wenn ja, ja wenn schon, dann in
Gottes oder wessen Namen auch immer, soll die Welt in ferner Zukunft eben
untergehen!
Nein,
hier geht es nicht um ferne Zukunft, sondern um einen absehbaren, für uns
überschaubaren Zeitraum, von einigen Jahren vielleicht. Ob es sich um
zehn, hundert oder tausend Jahre handelt, ist nicht zu sagen. Nach den technischen
Möglichkeiten, die erst in den letzten hundert Jahren exponentiell
gewachsen sind, müsste eine futuristische Betrachtung eher zu einem sehr
kurzen Zeitraum führen. Dies ist eine wohl nur scheinbar pessimistische
Aussage, die ich begründen will.
In den
allernächsten Jahren werden Wirtschafts- und Religionskriege die Erde
überziehen. Es ist dabei irrelevant ob Klimakatastrophen, die
wahrscheinlich von Menschen nur befördert, nicht allein technisch erzeugt,
hinzukommen oder aufgehalten werden. Solche, zweifellos als Katastrophen
ablaufende Ereignisse, die mit dem Untergang von Arten einhergehen, werden, wie
das Verhalten der Industrienationen während der letzten Finanzkrise seit
2008 zeigt, völlig zugunsten der so genannten Wirtschaftsförderung
ausgeblendet. Das heißt, vorher vereinbarte „Klimaziele“
werden sofort aufgegeben. Es interessiert sich beispielsweise niemand mehr
dafür, ob durch Abschmelzen von Polareis die Niederlande oder Inseln im
Pazifischen Ozean vom Meer überflutet werden oder nicht.
Um natürliche
Ressourcen, allen voran Öl, werden Kriege geführt werden, wie der
letzte Irakkrieg zeigt. Es wird dabei vom politisch und militärisch
Machbaren, das heißt schlicht von der Macht ausgegangen, mit der man in
der Lage ist, an die entsprechenden Rohstoffe zu gelangen. Die Macht
manifestiert sich in realen Truppen, sprich Soldaten, oder in einem durchaus
realistischen Drohpotential in Form von Vernichtungswaffen. Allein der
letztgenannte Begriff, der zur Legitimation des Irakkrieges diente, obwohl man
die Unwahrheit der Behauptung, betreffend das Regime Saddam Hussein, kannte,
zeigt wie wenig Hemmung vorhanden wäre, wenn es darum ginge sie anzuwenden
oder auszuschalten. Moralische Bedenken gibt es von keiner Seite. Lediglich die
Furcht des eigenen Untergangs, durch Reaktionen eines angegriffenen Gegners,
haben Großmächte wie die USA oder die ehemalige Sowjetunion davon
abgehalten, ihre Waffen gegeneinander einzusetzen.
Ist man
in der Lage allein mit wirtschaftlichem Druck etwa an Öl zu kommen, wie in
Nigeria, begnügt man sich mit diesem kleinsten Aufwand. Es wird nur eine
Frage der Zeit sein, bis ein Land wie Venezuela, das über viel Öl
verfügt, durch Umsturz seiner sozialistischen Regierung oder einfach durch
Krieg – ob zwischen Nachbarn oder in Form eines Guerillakrieges ist
gleichgültig – wieder in ein westlich-kapitalistisches System
eingebunden ist. Dass ein im Grunde sozialistischer Staat wie Kuba, trotz
massivster Drohgebärden seitens der UDSSR und der USA in den sechziger
Jahren, bis heute bestehen konnte, hat er weniger dem Patt der Bedrohung als
vielmehr seinen eher ärmlichen, natürlichen Ressourcen zu verdanken.
Dafür wäre von keiner Seite ein die Erde bedrohender Krieg in Kauf
genommen worden.
Was
für Öl gilt, gilt auch für Erz, Diamanten, Kohle (je nach
wirtschaftlich lohnendem Abbau) und Wasser. Doch wie gelangt man an diese
Ressourcen, besser, wer gelangt an sie? Wie gesagt, die Macht. Aber wer
wiederum ist das? Es sind die Reichen, die, die schon haben. Das mag sich
zunächst primitiv, oberflächlich gedacht, anhören, ist es aber
kaum. Wenn ich sage, etwa der frühere Präsident der USA, George W.
Bush, der mag zwar reich gewesen sein, aber er hat doch mit seinem privaten
Geld nicht den Krieg geführt, also muss er sich des Geldes des Staats bedient
haben. Stimmt. Doch, um das zu können, muss er erst einmal so viel Geld,
soviel Zaster aus dem Ölgeschäft seiner Familie in Texas,
zusammengetragen haben können, wie notwendig war, überhaupt an dieses
Amt zu kommen. Er und seine Vorfahren – worunter schon sein Vater
Präsident der USA war – müssen Indianern, Farmern oder
sonstigen Vorbesitzern das Land mit Tricks oder Gewalt abgeluchst haben, auf
dem dann Öl gefunden wurde, bzw. sie wussten es vorher, sonst hätten
sie es nicht von einem Dummen bekommen.
Das
geht aber genau so ohne texanisches Öl. Das ging schon zu Zeiten des
Adels, als ein Ritter ein Dorf zu eigen hatte, dieser Ritter in
Lehensabhängigkeit von einem Grafen, dieser von einem Herzog und der von
einem König war. Das wesentliche an der Geschichte ist, dass immer ein
wenig von Vielen nach oben weitergereicht wurde. Vielleicht hat man nach oben
nicht mehr zu viel gegeben, aber wenn, dann weniger als man von unten bekam,
weil man ja etwas für sich behalten musste. Aber ganz unten war da einer,
der konnte nicht mehr zu einem hinunterlangen, weil er schon unten war, im
Silberbergwerk in Tirol, in den Quecksilberminen Südamerikas. Und wie ist
es heute? Der Ölbohrer in Nigeria ist ein armer Neger, vielleicht hat er
mehr als ein nackter Buschmann. Der Neger in der Diamantenmine Südafrikas,
hat die Steine, die er findet weder als Klunker an der Hand, noch hat er auch
nur einen Bruchteil dessen was sie kosten, wenn sie verkauft werden.
Aber da
gibt es Leute, die hatten nie einen öligen Finger, hatten nie eine
Schaufel in der Hand, um nach Diamanten zu graben, aber denen gehörten das
Öl und die Steine. Sie saßen nur im Verwaltungsgebäude und
strichen Geld ein. Halt, halt, völlig falsch. Sicher hatte das
Direktorchen im Verwaltungsgebäude mehr Geld als der Minenneger, aber das
eigentliche Geld aus dem Verkauf hatte ein Mr. X. in London. Und als einmal Mr.
X. noch eine Mine, von der er gar nicht wusste wo sie war, kaufen wollte, und
im Moment nicht so viel im Portemonnaie hatte, ging er zur Bank, die ihm zum
Teil schon gehörte, und da bekam er welches geliehen. Der Banker hatte
zwar den Kopf geschüttelt, wegen der Summe, sagte sich aber, dass Mr. X.
im Vorstand ist und bei der Gelegenheit sich und mir Boni für meine
Cleverness zahlt und das Gehalt von 8 Millionen $ im Jahr. Und noch etwas: Mr.
X. kann den Bankkredit, und wenn es nur zum Teil ist, absetzen. Das heißt
er zahlt für das, was er dennoch verdient, weniger Steuer, oder, wenn es
ganz dumm kommt, bekommt er noch etwas heraus, zumindest wenn er in Deutschland
das Geschäft machen würde. Aber wir wollen nicht schwarz malen und
ungerecht sein. Mr. X. führt einen bescheidenen Lebenswandel. Er isst zum
Frühstück zwei Brötchen mit etwas Marmelade drauf. Dafür
zahlt er, allein für die Brötchen und die Marmelade, 16 Cent
Mehrwertsteuer wie jeder andere. Auch der Minenneger zahlt 16 Cent, oder
würde sie bezahlen, wenn er sie bekäme mit seinem immensen Lohn.
Vielleicht
sollte ich endlich aufhören über Kapital, Kapitalismus und Geld zu
reden. Schließlich geht es um den Menschen, unsere moderne Welt und ihre
Zukunft. Gewiss, darum geht es und es geht wieder um Macht, besser um die
nächsten Kriege. Weil es nicht anders zugehen wird in den ehemals
sozialistischen Ländern – viele Milliardäre in Russland –
als in den anderen, gibt es überall die gleichen Verhältnisse. Jeder
Staat will mächtiger werden, wodurch ein anderer schwächer wird.
Zunächst wird Bolivien Venezuela angreifen oder umgekehrt, werden wir
Afghanistan wieder besetzen, werden wir Bomben tschetschenischer Herkunft in
Moskau werfen, werden wir uns diese blöden Neger in Afrika samt und
sonders kaufen, wir werden Farmer enteignen, die uns zwar vorher das Land
genommen haben, aber „was draus machten“. Wir werden Südkorea
besetzen, wir Nordkorea, Tibet war schon immer chinesisch, wir werden Israel
ausradieren, das Jordanwasser gehört uns.
Es ist
sicher langweilig, wenn ich noch so weiter aufzähle. Rascher geht es doch
wenn wir in Afrika auf Aids setzen und auf Aushungern, auf Vernichtung von
Infrastruktur, was zu Missernten usw. führt. Man wird uns für
Hilfsprogramme nach Dürren die Füße küssen, wenn das
Programm nicht zugunsten eines anderen notfalls fallen gelassen wird. Wir
könnten ja schon mal eine Bombe, ihr wisst schon welche, und wäre es
nur probehalber, auf Israel werfen. Was ist in Nord- oder Südkorea schon
viel hin, wenn? China wird sagen, nach der Invasion in Taiwan, dass man sich
Einmischungen in seine Angelegenheiten verbitte. Aber das ist doch alles
Unsinn. Die Völker werden nicht übereinander herfallen.
Schließlich haben wir einen Gott und eine Religion. (Es braucht nun
niemand zurückzublättern).
Über Gott wurde schon genug gesagt. Und die
Religion? Sie dient zumindest als Begründung für jeden Frevel an der
Menschheit. Als der ehemals mächtige George W. Bush mit „we trust in
god“ argumentierte, erfolgte kein Aufschrei aus dem Christlichen Lager.
War ja auch Presbyter dieser Bush. Als der Mob in Pakistan wegen einer
Prophetenkarikatur, die er nicht kannte randalierte, schrie kein Mullah auf.
Als Ahmadinedschad verkündete den Staat Israel auszuradieren, hielt man
das für die freie Meinung eines Politikers. Dass er das Oberhaupt eines
islamischen Gottesstaates ist, hat anscheinend nichts mit der Religion zu tun.
Dass in allen Ländern der Erde, vornehmlich in den islamischen, Frauen
unterdrückt und misshandelt werden, die Scharia, jetzt erst in Somalia als
Recht wieder eingeführt, die Steinigung angeblich ehebrecherischer Frauen
erlaubt und fordert, ist eine Schweinerei. Jährlich werden an die 200
Frauen in der Türkei bei Ehrenmorden getötet. Jede dritte Frau
erfährt im Laufe ihrer Ehe brutale Gewalt (Nase abgeschnitten, mit
Messerschnitten usw. schwer verletzt) Kam in der Sendung
„Kulturzeit“ am 24. 2. 2009, um 19.20 Uhr. In 3Sat. Soll man eine
Religion, die diese Gräuel im Namen eines Gottes vertritt, tolerieren?
Nun
gut, die Päpste, nicht nur dieser jetzige, haben immer sehr viel
Verständnis für den Islam gezeigt und ihn als eine der großen
Bruderreligionen bezeichnet. Das ist verständlich, weil Luther ja nicht
Mohammedaner war. Doch was läuft im christlichen Lager, im Vatikan ab?
Dieser bezeichnet sich nicht als Sprecher aller, sondern er kommt mit einem
Alleinvertretungsanspruch daher. Abgesehen von einem völligen Negieren
jeder wissenschaftlichen Erkenntnis, der man einen irrationalen Glauben
entgegen setzt, ist man geradezu auf Machtzuwachs um jeden Preis aus. Der
Mensch ist neben den Interessen der Kirche eine völlig bedeutungslose
Figur, soweit sie nicht zur Indoktrination gebraucht wird. Die Kirche allein
ist wichtig. So hat der Heilige Vater aufsässige so genannte
Befreiungstheologen in Südamerika exkommuniziert. Den Bischöfen von
Argentinien, Chile und Brasilien kam das nicht ungelegen. Sie halten es eher
mit den seit den Konquistadores eingesessenen Familien, die schließlich
die Ländereien der Indiostämme benötigen.
Aber
warum rege ich mich auf? Ist doch alles Gottes Wille, der allerdings nicht
zuständig ist für die islamischen, für die hinduistischen, die
buddhistischen Länder und die Schamanen. Und alle diese, für die Gott
nicht zuständig ist, bilden ja die Mehrheit der Erdbevölkerung! Ich
habe da etwas von einer Bevölkerungsexplosion gesagt. Was denn? Bald
sieben Milliarden Menschen auf der Erde? Und da schreit niemand: Das Boot ist
voll! Aber warum denn? „Gibt der Herr das Häslein, gibt er auch das
Gräslein“. Es ist aber doch so: wie soll man die Millionen, ja
Milliarden von Hungernden ernähren? Auch wenn man durch Gentechnik und
ungeheueren Düngemitteleinsatz den Ertrag der Felder noch etwas steigern
kann, wird es nie für eine einigermaßen gerechte und ausreichende
Ernährung der Armen reichen. Alle Berechnungen über eine Verbesserung
von Transportwegen und die geforderte Beseitigung von Handelsschranken,
können das nicht ändern. Muss man nicht als erstes wenigstens den
weiteren Zuwachs der Erdbevölkerung stoppen?
Ja um
Gottes Willen, das ist doch Sünde! Grienende Päpste, völlig
verblödete Bischöfe, die nur ein salbaderndes Herleiern von Dogmen
für Wahrheit halten, schreien auf, wenn sie nur etwas von
Geburtenkontrolle hören. Ich will dabei noch zunächst nichts gegen
das Geheule bei der Schwangerschaftsunterbrechung sagen. Aber es können
Millionen von Menschen schon im Kindesalter in Afrika an Aids sterben, was aber
immer noch besser ist, als Verhütungsmittel beim Verkehr anzuwenden. Schon
die Aufklärung über Verhütung ist Sünde. Ist sich niemand
von den Purpurträgern und Schwarzkittel der Ungeheuerlichkeit eines
solchen Verhaltens, eines Frevels am Menschen, bewusst? Gut, Geist und Bildung,
kann man von Menschen, die nur den Heiligen Geist kennen, nicht erwarten.
Und
wenn man schon eine Geburtenkontrolle durch Verhütung denen verbietet, die
sich aus unverschuldeter Unbildung der Meinung der Vertreter ihres Gottes
beugen, muss man dann über Abtreibung zetern? Es ist nicht nur eine
ungeheuerliche Anmaßung und zugleich Blödheit (ich wollte
Geschmacklosigkeit schreiben, dabei hat dies alles nichts mit Geschmack zu tun)
wenn ein Bischof Mixa die Abtreibung eines Föten mit der Shoah, dem Holocaust
vergleicht. Welches Recht haben alte, vertrottelte Zölibatäre, hier
überhaupt ihre Meinung herumzuposaunen? Aber, der Sitz der Seele,
wahrscheinlich in der Scheide der Frau, ist doch das liebste Gedankenspielzeug
dieser unsäglichen Art von Menschen.
Aber,
was wird aus unserer Erde werden? Wenn es nicht gelingt, doktrinäre
Religionen auszurotten, was ich befürchte, werden Religionskriege
geführt werden und diese werden sich der allermodernsten Waffen bedienen,
einschließlich derer, die das Leben auf der Erde weitgehend vernichten.
Ob das Hand in Hand geht mit wirtschaftlicher Ausbreitung, also Kampf um
Ressourcen, und um die blanke Macht, kann niemand voraussehen. Es ist auch
möglich, dass die ganz individuelle Bestimmung des einzelnen Menschen durch
seine DNA, die eine durch Mode und Gesetze nur schwer zu steuernde Begrenzung
ermöglicht, zu so generell geändertem Verhalten führt, dass
gleichsam eine Apoptose der Spezies Mensch erfolgt. Die Neandertaler, die
wesentlich weniger Möglichkeiten der Selbstvernichtung hatten, sind
schließlich auch ausgestorben.
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