Wolfgang Schmidt
Schon wieder ein Essay über Gott und
die Welt?
Eigentlich wollte ich, wie schon
öfters, ein Vorwort schreiben. Aber wozu ein Vorwort? Ich bin da in einem
Dilemma: Denn, alles was ich jetzt schreibe, gleicht einem Vorwort, das sich
schier endlos dahin zieht. Auf allen Seiten dieses Schreibens, wie ich es
zunächst nennen will, zähle ich auf worüber ich mich aufregen muss und warum es
so und nicht anders war, und ist, und kommen wird.
Nur, worum geht es überhaupt? Ist
dieser Text ein schnodderiges Geplauder über alles, was gerade passiert, ein
Erlebnisbericht? Gewiss nicht. Wenn es vielleicht ein Essay sein soll, dann
über kein bestimmtes Thema, sondern über eine Fülle von Themen und Tatsachen,
ja über Gott und die Welt, wobei ich eigentlich nur die Welt zu behandeln
beabsichtige. Diese ist wahrlich so riesig und mit ihren unzählbaren Fakten und
Ereignissen nie umfassend zu beschreiben. Doch auch Gott kommt noch genügend
vor, selbst wenn er nur eine Figur des menschlichen Handelns sein wird. Also es
wird, wie ich meine, ein Essay geben, wissend, dass ein Essay eine kurze
Abhandlung eines Themas sein soll. Kurz wird es aber gewiss nicht. Und
vielleicht bin ich in Gedanken noch bei meinem letzten Essay, nur Mensch, nur Kreatur, und will das im
Wesentlichen Wissenschaftliche, in eine pragmatische Vulgärsprache übersetzen.
Immerhin hatte ich aus meiner Fangemeinde von drei bis vier Mann, ein positives
Echo bekommen. Und wenn ich von Vulgärsprache oder vulgär rede, dann heißt dies
nicht ordinär, sondern, wie auch in Wörterbüchern definiert, nicht ganz
wissenschaftlichen Ansprüchen genügend. Außerdem habe ich beim wiederholten
Lesen des Textes – inzwischen sind es schon 77 Seiten – bemerkt, dass ich
vieles schon in nur Mensch, nur Kreatur bereits
ausführlich beschrieben habe. Ich perseveriere also wie manche alten Männer,
die nicht merken, dass die Alzheimerkrankheit von ihnen langsam Besitz nimmt.
Es gibt nun in diesem Essay keinen
geplanten Aufbau, keinen Zweck, keine Schlussfolgerung, keine Lehre, die man
daraus ziehen könnte, auch keine Gebrauchsanweisung, für irgendetwas. Nur so
wird man verstehen können, dass hunderte von Handlungen keine ergeben, auf die
man als Auflösung vielleicht wartet. All dies, keinen Zweck zu verfolgen, ist
die Absicht dieses Essays. Absicht sage ich bewusst, um das Wort „den Sinn“
dieser Abhandlung zu vermeiden, denn Sinn ist der Ausdruck, der immer gebraucht
wird, wenn man in Wirklichkeit nicht weiß wozu etwas Schlechtes gut ist. Wenn
ein kleines Kind stirbt, fragen Idioten welchen Sinn seine Krankheit hatte; für
es selbst, für die Eltern oder für wen? Es gibt zu viele Dinge, die keinen Sinn
haben und gerade deshalb versucht man ihn hinein zu erklären. Steuern senken,
damit der Staat mehr Geld für seine Ausgaben einnimmt. Dieses Faktum bedarf der
Erklärung des Sinns.
Dazu will ich nicht auf ein Terrain der
Philosophie, der Hermeneutik oder der Exegese ausweichen, sondern auf dem Boden
nachweisbarer Tatsachen bleiben. Als früherer Naturwissenschaftler, soweit man
einen Arzt als solchen bezeichnen kann, bin ich mir bewusst, dass nicht alles
erklärbar ist, was man nicht oder noch nicht weiß. Aber ich bin ganz sicher,
dass dieses Nichtwissen natur-wissenschaftlicher Phänomene, nicht durch
Philosophie, Religion, oder bestimmte autoritäre Meinung, stichhaltig,
nachvollziehbar und wiederholbar zu erklären ist. Dies ist so, selbst wenn ich
oft nicht in der Lage bin, Fakten, also Tatsachen definitiv zu erklären, was an
meinem mangelnden Wissen oder Verständnis liegt. Ohne mich je vergleichen zu
wollen, weiß ich, dass Einstein nicht alles wissen konnte, was für seine eigene
Arbeit erforderlich war. Er holte sich zum Beispiel Hilfe bei dem Mathematiker
Minkowski.
Zu meinem Schreiben will ich noch
anmerken, dass ihm manchmal ein etwas eigenartiger, fremder Stil anhaftet. Das
ist gelegentlich gewollt, weil das Nonkonforme oft mehr ausdrücken kann, als
das an den Regeln in beckmesserischer Art Haftende. Ich will keinen Stil
nachahmen, auch nicht den von James Joyce, selbst wenn ich vom Hundertsten ins
Tausende springe und es zieht sich keineswegs durch alles was ich schreibe, der
von mir wirklich für blöde gehaltene rote Faden hindurch. In dem nachfolgenden
Konvolut von Schrecklichkeiten wird kein roter Faden zu erkennen sein, es sei
denn der vom Blut der Menschheit. Was mir trotzdem Sorge macht, ist meine
indirekte Rede, zumal sie Schrecklichkeiten ausdrückt, als ob ich sie so sagen
und meinen würde. Ich hoffe, dass man versteht, wenn ich der allgemeinen
Meinung etwas unterstelle oder unterschiebe, auch wenn nicht jedes Mal
Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt sind. Mir ist eben dieser etwas
flüssigere Stil sympathischer als das ewige Anführen und das „Zitat Anfang und
Zitat Ende.“ Ich wer mich eben falsch versteht oder verstehen will, der soll es
meinetwegen.
Und noch ein Pferdefuß: Man soll, wenn
man über Ereignisse, in die andere Menschen verwickelt waren, immer exakt
recherchieren, bevor man schreibt. Das ist durchaus richtig. Gewiss habe auch
ich mich um eine objektive Betrachtung der Tatsachen, über die ich schrieb
bemüht. Allein, wenn es um so genannte historische Fakten geht, wäre nicht nur
ein langes Leben, sondern auch eine professionelle, das heißt berufliche
Bildung notwendig. Diese kann ich nicht mehr nachholen. In einem Alter von
beinahe 80 Jahren, hat die Natur ein Limit gesetzt, das keine unendliche
Planung, keine akribische Materialsammlung mehr erlaubt. Ich kann nicht mehr
wie früher eine Quelle mit Jahrgang und Seitenzahl zitieren. Wenn ich dazu in
der Lage bin, tue ich es trotzdem und wenn eine Quelle exakt angegeben ist,
dann ist dies auch tatsächlich so. Versichern will ich außerdem, dass nichts
einfach nur so, vielleicht sogar in böser Absicht, um jemandem etwas
anzuhängen, erfunden wurde. Es gibt Lexika, Wikipedia, Brockhaus zum Beispiel,
die ja darauf ausgelegt sind zu informieren. Dieser Hilfsmittel bediene ich
mich gerne, um eine Jahreszahl exakt wiedergeben zu können, eine Verbindung
zwischen Personen und Ereignissen, den Tatsachen entsprechend, zu schildern. Dies
ist meines Erachtens kein Plagiat, wie Abschreiben des Textes eines
Schriftstellers ohne Quellenangabe, was sonst ein Zitat sein könnte.
Doch sollte ich angesichts der eigenen
Unvollkommenheit schweigen, wo man greisen Päpsten die höchste Kompetenz in allen
Dingen zuspricht? Mit demselben Recht wie ein Papst, kann und muss ich etwas
sagen. Doch will ich nicht dem Muster vieler evangelischer Theologen folgen,
die in ihren Predigten, etwa über 2. Korinther II.12, usw. davon redeten, „wie
uns der Dichter doch so schön sagt“, was heiß, dass sie keine Ahnung von diesem
Dichter hatten und allenfalls aus einem Zitatenlexikon herausklauben konnten.
Für eine Predigt mag das ausreichend sein
Jetzt aber will ich mit der, nicht nur
von mir, viel gescholtenen Philosophie fortfahren: Im Oktober oder November des
vergangenen Jahres war es, als ich nicht daran dachte mich wieder ans Schreiben
zu machen, dass ich in der Universität Mainz, einen Vortrag im Rahmen des
Studium generale besuchte. Der Titel des Vortrags, wie ich später
recherchierte, lautete „In Geschichten verstrickt“. Es ging um den Philosophen
Wilhelm Schapp, (1884 – 1965) der mir nicht bekannt war – schließlich bin ich
kein Philosoph -, dessen Geburtstag sich wohl zum 125. Mal jährte und dessen
auch schon älterer Sohn bei der Veranstaltung zugegen war. Die Quintessenz des
Vortrags über einen Teil der Arbeit des Philosophen war, dass alles in der Welt
„verstrickt“ sei. Er sei Heidegger nahegestanden, dieser Philosoph, was einige
Gebildete, offenbar Profis, mit begeisterten Bemerkungen registrierten. Mir
schien das banal, denn selbstverständlich geschieht nichts, besonders nicht in
der Naturwissenschaft, ohne Auswirkung innerhalb oder außerhalb eines Systems.
Außerhalb dann, wenn das System in direktem Kontakt mit anderen steht.
Ich brauchte einige Wochen, bis ich die
Bedeutung dieser philosophischen Erkenntnis, die sich ursprünglich nicht nur
auf Geschichten und Geschichte bezog, so einigermaßen verstand. Natürlich, und
das war die Erkenntnis des „Verstrickt seins“, ist dieses nicht, wie gemeinhin
angenommen, nur auf einer Ebene gegeben. Es gibt ein Verstrickt sein auch nach
oben und unten, was bedeutet, dass aus der Darstellung verschiedener
philosophischer Ansichten, unterschiedliche Auswirkungen etwa auf den
Arbeitsmarkt, das Strafrecht, die Gemüsepreise und was noch, resultieren
können. Man kann das nicht gleichsetzen mit der Chaostheorie, die eher in eine
Richtung tendiert. Aber das „Verstrickt sein“ ist wohl nicht ganz so banal, wie
ich zunächst annahm. Es scheint also von Bedeutung, dass Ereignisse, die auf
einer bestimmten Ebene ablaufen, dort auch vernetzt sein, kaskadenartig
ablaufen können. Sie berühren durchaus andere Ebenen, durchdringen sie, ohne
dass dies wahrgenommen wird. Dieses Nichtwahrnehmen geschieht in einigen Fällen
glaubwürdig, also annehmbar, wahrscheinlich wohl unbewusst, in den meisten
jedoch bewusst und absichtlich.
Es sind Verdrängungsmechanismen, die,
bei Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang, stets in der meist aggressiven
Antwort „das ist doch etwas ganz anderes“ enden. Ich habe von einem „möglichen“
Zusammenhang gesprochen, was heißt, dass nicht jeder und alles tatsächlich
gegeben ist. Das bezieht sich nicht nur auf Homonyme, die keinerlei
Verwandtschaft zueinander haben.
Zu den Verdrängungsmechanismen bei der
Betrachtung von historischen oder sonstigen Ereignissen des Lebens auf unserer
Erde, letztlich im All, kommen noch drei wichtige Bedingungen hinzu: „Wer,
wann, wo?“ Dazu muss ich, einflechtend sagen, dass, wie die nachfolgenden
Beispiele und Ausführungen zeigen, dies eine sehr menschliche Folgerung aus
diesen Bedingungen und keineswegs nur meine subjektive Meinung ist.
„Wer“ bedeutet, wer etwas gemacht hat,
warum und an wem es das tat, was an Lebewesen oder Sachen sein kann. Es ist
eine Gewichtung, die noch dazu direkt mit dem wo und dem wann verknüpft ist.
„Wann“ ist ebenfalls eine Gewichtung,
die scheinbar mit der Zeit abnimmt. Der höchste Grad der Abnahme der Bedeutung,
wann etwas stattfand, ist die Amnesie, das Vergessen. Das Vergessen ist, so
unglaublich es klingt, eine Triebfeder des Fortschritts, auch jeder Gemeinheit,
jeden Gräuels. Ein Mord vor hundert Jahren verblasst, ist „etwas ganz anderes“
als der Mord von gestern, und dieser wird in acht Tagen bei acht neuen Morden,
weniger interessant sein. Und hätten wir nicht alte, uns unangenehme Dinge
vergessen oder verdrängt, hätten wir nie „zu neuen Ufern“ aufbrechen können.
„Wo“ ist verknüpft mit dem wer und
wann: Ob in Europa ein Volk untergeht, eine Tierart, ein Wald ausstirbt, ist
nicht gleichzusetzen mit dem selben Geschehen in Afrika oder Asien. Meint man.
Ob in Rom der Papst erschlagen wird oder ein gleichaltriger Negerhäuptling im
Innern Afrikas, wird wohl weltweit sehr unterschiedlich gewichtet werden. Ob man
am Amazonas Wälder rodet oder in Mitteleuropa, wohl ebenso.
Ich will einmal diese Zusammenhänge an
einem einfachen Beispiel darstellen: Die Milchbauern in Bayern, in Deutschland,
in der Europäischen Union vielleicht, streiken oder streiten. Die Milch, die
aus einer nahezu industriell aufgestellten Reihe von Kühen, mit Melkmaschinen
herausgeholt wurde, kam in Eimer und wurde, im Beisein des Fernsehens, das man
vorher verständigte, demonstrativ in Gullys oder auf die Straße geschüttet.
Warum? Nun, die Bauern bekamen zu wenig Geld für ihre Milch, sagten sie. Die
Gestehungskosten für den Liter Milch, also für Futter, Maschinen, Pflege und
Nachzucht von Vieh, Gebäude, Arbeitszeit, Steuern an den Fiskus und was noch
alles, seien höher als der ihnen dafür von der Molkerei gezahlte Preis. Von
einem Gewinn gar nicht zu reden. Da müssen viele Milchbauern ihren Hof, ihren
Beruf aufgeben.
Gewiss, sagt man, das ist eben so. Aber
könnten die Bauern nicht rationeller produzieren? Könnten sie dann nicht doch
einen Gewinn erzielen, wenn sie mehr Kraftfutter, Fischmehl, Antibiotika,
Hormone verfüttern, viel automatisieren, um Arbeitszeit zu sparen? Wäre dann
aus einer Kuh, mit dem gleichen Aufwand nicht mehr an Litern herauszuholen? Die
Futterhändler, die Maschinenbauer für Melkmaschinen, die Eisenindustrie, der
Bergbau, könnten dies durchaus nachvollziehen. Aber es geht nicht! Die
Milchquote! Der Bauer darf nicht so viel an Milch produzieren wie er könnte
oder möchte, von der Rentabilität einmal abgesehen. Die Molkerei nimmt ihm nur
einen bestimmten Betrag an Litern ab. Und diesen Betrag auch nur zu dem Preis,
den sie, die Molkerei, zahlen kann, den der Markt hergibt.
Na gut also. Aber man hat doch den
Bauern zugesagt, dass man die Milch zu einem bestimmten Preis abnimmt. Wer hat
das gesagt? Ja und nein, die Politik oder die Politiker? Hat sich in Berlin ein
Minister Seehofer nicht besonders mit Bauern, Milch und Milchpreis befasst? Das
schon, aber das hat eigentlich nur Zusagen und damit für ganz wenige Wochen
Ruhe gebracht. Keine Milch wurde mehr demonstrativ ausgeschüttet. Und
überhaupt: Es hätte ja gar nicht zu Interventionen oder wenigstens Versuchen
dazu, seitens unserer Politiker kommen müssen, wenn nicht Brüssel und die
Europäische Union deutsche Extrawege gebremst hätten. Wieso kam es dazu? Wegen
der französischen, belgischen, spanischen und italienischen Bauern, die gerade
mal keine Milch wegschütteten und nicht mit Traktoren vor ihre Rathäuser
fuhren? Europäisches Recht und keine oder nicht so viel Subvention wie bei uns?
Wir würden ja gerne den Bauern mehr für ihre Milch zahlen, aber wir dürfen
nicht, sagen die Politiker.
Doch warum streiken die anderen
europäischen Milchbauern nicht? Ach so, gerade mal nicht. Ja, das ist so eine
Sache. Die Wahlen in den einzelnen Ländern finden zu unterschiedlichen Zeiten
statt. Ach so. Und überhaupt (nicht zum letzten Mal): Man kann den Milchbauern
gar nicht mehr Geld für die Milch geben, weil die armen Leute sie sonst nicht
mehr bezahlen können, die Unterernährung zunimmt, wie auch die Kinderarmut. Und
schließlich der Markt! Letztlich würde sich alles gut regeln, wenn man dem
Markt freies Handeln gestattete.
Hat es nicht Mitte des Jahres 2007
plötzlich fast keine billige Milch mehr gegeben? Und warum? Weil Indien und
China plötzlich die gesamte Milch auf dem Weltmarkt aufgekauft hatten. Wie
kommen diese verdammen Inder und Chinesen nur dazu, so etwas zu machen? Nun,
gut, hat ja auch nur drei oder vier Wochen gedauert, dieser Zustand. Länger
hätte man sicher die Menschen nicht für so blöde verkaufen können. Macht
nichts. Vergessen!
Aus einem im Internet abrufbaren Blog
habe ich folgende Information zum Milchpreis 2007: „In den letzten Wochen
machte eine Nachricht die Runde: Der Preis für Milch und Milchprodukte
explodiert! Die Branche nannte die extrem erhöhte Nachfrage aus asiatischen
Ländern wie China und Indien dafür verantwortlich. Diese Exporte machen
allerdings nur 0,1% der Exporte aus. Die Gesamt-Exportzahl der Milch und
Milchprodukte aus Deutschland beträgt 2,9 Milliarden Euro. Der Großteil der
Exporte geht ins EU-Ausland. Das Argument der erhöhten Nachfrage aus Indien und
China ist also nicht haltbar“. China und Indien decken ihren Bedarf komplett
selbstständig ab - jedoch hat der durchschnittliche Milchproduzent in Indien im
Durchschnitt gerade mal 3 Milchkühe.
Der erhöhte Milchpreis in Deutschland
hat also EU-interne Ursachen, dazu zählen auch ein erhöhter Spritpreis
(Logistik-Kosten), sowie die konstante Erhöhung der Löhne, die sich nun langsam
auf die Produkte auswirkt.
In den ersten beiden Quartalen von 2007
wurden 3000 Tonnen Milch(produkte) aus Deutschland nach China exportiert, nach
Indien nur 25 Tonnen. Die Panikmache, Indien und China würden uns “die Butter
vom Brot nehmen” ist also völlig unbegründet.“
Nun denke ich allerdings, dass die
Erklärung der hohen Milchpreise durch Logistik-Kosten und Löhne auch in die
Kategorie „wer, wann und wo, das ist ja was ganz anderes“ fällt. Der Milchpreis
ist ja jetzt plötzlich herunten. Bei den Bauern in jedem Fall. Haben unsere
Discounter die Logistik verbessert? Brauchen die Lastwagen weniger Sprit? Sind
die Löhne gesunken?
Ja, wahrscheinlich. Denn es gibt
schließlich noch die billige Butter. Immer wieder, immer neu, im Supermarkt, dort,
wo man auch die ganz billige Milch bekommt, die offenbar jetzt die Chinesen und
die Inder nicht mehr brauchen. Wird nicht der „Butterberg“ von allen
finanziert? Der Steuerzahler profitiert doch davon, dass ihm, durch das
Entgegenkommen des Staates, mit seinem, des Steuerzahlers Geld, der Einkauf
billiger Butter erst möglich wird. Und warum schreien dann die Milchbauern? Die
müssten doch dann, zumindest indirekt, mehr für ihre Milch bekommen? Nein, das
geht nicht, weil man so rückwirkend nicht agieren kann. Schon die Lagerhalter,
die großen Molkereien, diejenigen, die mit solchen Mengen an Butter erst
richtig umzugehen wissen, die bekommen das Geld, damit sie eben die Butter so
billig abgeben können. Der Bauer hat sein gerechtes Geld ja schon bei Abnahme seiner
Milch bekommen. Er hätte sie ja, wenn ihm der Preis dafür zu niedrig war,
behalten, in den Gully schütten können. Ach, an dieser Stelle waren wir schon
einmal.
Nun, dass ich es nicht vergesse: Es
wäre den Großmolkereien, der Milchindustrie gar nicht möglich erfolgreich zu
wirtschaften. Sie nehmen sowieso 40% der Gesamtmilchproduktion für die
Verarbeitung zu Trockenmilchpulver. Das können sie natürlich nur, wenn sie
nicht den Bauern unverschämte Preise für die Milch bezahlen müssen. Deshalb
wurden vor Jahren doch die Bauern aufgefordert sich auf reine Milchwirtschaft
umzustellen und man gab ihnen Garantien dafür, dass sie beste Preise für ihre
Milch bekämen. Warum hatte ein Bauer, der zum dürftigen Erhalt seines Hofes
früher vier Kühe in einem dunklen Stall hatte, dann 80 Stück Rindvieh in einer
neuen Halle mit automatischer Fütterung und Mistabfuhr stehen? Ich will jetzt
noch nicht auf den CO2 - und Methangasausstoß durch die Rinder eingehen.
Die 40% Trockenmilchpulver, die unsere
europäische Industrie produziert, die wird, mit Sicherheit gewinnbringend,
exportiert. So zum Beispiel, wie ich 2010 im Fernsehen erfahren konnte, nach
Burkina Faso. Dort haben zwar, wie früher bei uns, Bauern Kühe, die sie noch
dazu für die Feldarbeit einsetzen, und die sie auch melken. Der Liter Milch
kostet dort, frisch, von den Bauern, das Doppelte wie die aus Milchpulver
hergestellte. Natürlich können die Frauen dort für ihre Kinder nicht die teuere
Milch kaufen, wie wir etwa die von den Bergbauern oder aus der uralten Klosterbewirtschaftung
von Weihenstephan (Keine Sorge, ich weiß wem diese Betriebe, zumindest gerade,
gehören). Die Frauen in Burkina Faso kaufen also Milchpulver und rühren es an.
Und da sieht man wieder die Verzahnung
der Wirtschaft, die Globalisierung: Der Bauer in Burkina Faso ist der
Tierquälerei leid. Seine Kühe müssen nicht mehr auf dem Feld arbeiten, einen
Traktor hatte er sich sowieso nie leisten können, für die Milch bekommt er
nichts, also schlachtet er sie, die Kühe. Er hätte ja seine Milch zum gleichen
Preis wie Trockenmilch verkaufen können, aber dann hätte er vielleicht erst
vier Wochen später schlachten müssen. Wer weiß ob der zwar einmalige Preis für
Fleisch von alten Kühen dann noch so hoch gewesen wäre? Mit dem auch einmaligen
Geld kann er sein karges Land verlassen und davon für einige Zeit in einer
Wellblechhütte oder einem Kral am Rand der Großstadt leben. Auch die, eine
Großstadt, gibt es in Burkina Faso. Schlingensief will dort ein Opernhaus
bauen. Eine Prognose dazu, will ich, von Berufs wegen, nicht abgeben.
Aber noch zur Trockenmilch in Burkina
Faso: In der Großstadt mag es eine gute Wasserversorgung geben, aber wenn die
Afrikanerin mit einem Kind, auf den Rücken gebunden, erst zu einem Wasserloch
gehen muss, um das Wasser zum Anrühren der Milch zu holen, entstehen Probleme.
Ist das Wasser sauber? Könnten wir nicht mit Hilfe unserer Techniker Brunnen in
der kargen Landschaft bohren, um frisches, sauberes Wasser zu finden oder
Wasseraufbereitungsanlagen liefern, letztere sogar für Meerwasser, falls
Burkina Faso am Meer liegt, was man durch eine Nachfrage beim Auswärtigen Amt
klären könnte.
Ach, da fällt mir noch ein Beispiel
ein, das ich im Fernsehen gezeigt bekam: In einem Westafrikanischen Land – ich
weiß nicht mehr welches – hat ein Hühnerhalter, der 600 Hühner hatte, also ein
reicher Mann war, seinen Betrieb aufgegeben. Die Hühner, auch Hähne
eingerechnet, dienten nicht nur der Eiergewinnung – von Industrie kann man hier
nicht sprechen, nur in Bayern scheint dies möglich, wo der frühere
Ministerpräsident Stoiber vor einem Abwandern der „Eierindustrie“ warnte –
sondern auch der Fleischgewinnung, dem Huhn im Kochtopf. Immerhin hatte ja vor
Jahrhunderten bereits ein französischer König seinem Volk jeden Sonntag ein
Huhn im Kochtopf versprochen. Der Hühnerhalter hatte gerade noch, als er im
Fernsehen gezeigt wurde, etwa zehn Hühner. Die Leute hier, sagte er, kaufen
tiefgefrorene Hühnerflügel und andere Kleinteile, die aus Westeuropa importiert
werden, zu einem Preis, für den sich hier das Schlachten eines Viehs nicht mehr
lohnt. Hühnerbrüste und Schenkel sind im Gefrierfleisch nicht dabei, denn diese
wollen die Europäer selbst haben. Natürlich kostet das Gefrierfleisch auch
Geld, aber weniger als die Leute früher selbstverständlich für ein Huhn zahlten
und zahlen konnten. „Durch das, was unser Land an billigen Importen bekommt,
wird es nicht reicher, sondern ärmer. Wir, die früher etwas Wohlhabenden haben
Steuern bezahlt, jetzt können wir auch das nicht mehr, “ sagte der Hühnerbauer.
Aber was soll das alles, wird man
fragen. Sollen wir vielleicht Afrika sanieren, damit sich die Häuptlinge wieder
goldene Betten und Throne leisten können? Damit der Präsident von Südafrika
sich mehr als drei Frauen gleichzeitig leisten kann? Natürlich könnte man einen
fairen Handel mit diesen Ländern treiben, ihnen die wenigen Produkte, die sie
haben, etwa Bodenschätze, zu einem vernünftigen Preis abnehmen und sie nicht
ausbeuten. Es gibt ja etwas aus diesen Ländern herauszuholen, sonst hätten sich
nicht reiche Gesellschaften aus den Industrieländern der Welt dort die Schürf-
und Ausbeutungsrechte gekauft und wirtschaften mit Hungerlohnarbeitern und
modernsten, importierten Maschinen, was eben gerade billiger kommt. Und was
sagt man dazu? Wir haben die Rechte rechtmäßig erworben. Was können wir dafür
wenn der Präsident, der Häuptling, der Clanchef das Geld dafür nimmt und es
nicht an seine Leute, sein Volk weitergibt. Sollen wir Afrika retten, wenn es
nicht einmal die dort selber machen? Und schließlich, wenn wir den Negern dort
keine Arbeit geben, auch wenn wir nicht viel bezahlen, sie hätten doch dann gar
nichts, wenn wir nicht wären. Und sind andere besser?
In Ostafrika gibt es Länder mit
fruchtbarem Boden und oft mehr als einer Ernte im Jahr. Und was ist? China
kauft sich dort im größten Stil Land und baut für sein chinesisches Volk, aber
auch für den Export, Getreide und andere
Lebensmittel an. Hätten das die afrikanischen Länder nicht selbst machen
können? Ja, hätte das Land oder sein Präsident nicht sagen müssen: Unser Land
bebauen wir selbst und für uns? China zahlt bei diesem Deal sicher nicht drauf!
Aber bin ich denn blöd, wird man wieder
sagen? Habe ich Aktien oder Investmentzertifikate, die in Betrieben in Afrika
oder sonst wo angelegt sind, egal ob es über Nestle oder einen anderen
Marktbeherrscher geht, gekauft, um keine Rendite, keine hohe zu haben? Und wenn
ich selbst in einem großen Konzern arbeite, der wiederum die Neger ausbeutet,
ist mein eigener Arbeitsplatz weniger wert als der des Negers? Ich werde gut
bezahlt, bin angesehen, den Teufel werde ich tun. Wenn mir die Großmolkerei
gehört oder ich dort mein gutes Geld verdiene, der Abgeordnete oder der
Minister sich dort selbst von der Qualität der Arbeit überzeugt hat, das
Steueraufkommen, den Erhalt der (paar) Arbeitsplätze, das Exportaufkommen von
Milchpulver lobte, warum sollte ich etwas für die Sanierung der Wirtschaft in
Afrika oder Südamerika ausgeben oder mich einschränken? Warum sollte ich mich
hier für die Milchbauern stark machen, die mit den niedrigen Milchpreisen, die
sie bekommen, meinem Chef und mir das gute Einkommen garantieren? Warum soll
gerade ich als Milchbauer meine Milchmenge zurückfahren, die mir zugestandene
Quote nicht ausnutzen, nur damit es einem Neger besser geht? Gut, wenn unsere
Regierung in der EU, in Brüssel mehr für uns, die Milchwirtschaft herausholt,
könnte ich etwas nachgeben, wenn ich wüsste, dass nicht wieder nur die
Molkerei, die Fabrik, der Discounter davon profitieren. Aber so?
Und was ist jetzt? Wer redet noch von
den dummen Milchbauern? Hätte unsere Regierung wirklich keine anderen Sorgen
als diese mit der Milch? In China hat es auch einen Milchskandal gegeben.
Molkereien haben da mit irgendetwas außerhalb der Kuh selbst Milch produziert.
Einige Babys sind daran gestorben. Was ist das, bei Milliarden von Chinesen?
Gut, man hat dann auch einige dieser Milchpanscher geköpft. Was ist das, bei
Milliarden von Chinesen?
Was ist mit den Millionen, die in Indien hungern? Ihre Regierung wird ihnen helfen, wie auch wir dies tun. So hat doch eine ehemalige Investmentbankerin und Schwiegertochter des indischen Stahlmagnaten Lakshmi Mittal, die etwas wackelnde deutsche Modefirma Escada in München übernommen. Der deutsche Chef, Bruno Sälzer, hat dies sehr begrüßt. Das ist eben Globalisierung, Verstrickung. Man hilft da, wo die Not am größten ist.
Nun, reden wir nicht mehr von der
Milch, von Milchbauern oder einer Modefirma. Wieso? Das tut doch längst keiner
mehr. Ach ja: Jetzt kommt endlich das Wann, die Amnesie, das Vergessen zum
Zuge. Das Vergessen ist, so unglaublich es klingt, die Triebfeder allen
Fortschritts, auch jeder Gemeinheit, jeden Gräuels. So steht es schon weiter
oben. Wir können uns wieder wichtigeren Dingen zuwenden; den brennenden
Problemen dieser Welt! Wirklich?
Also wenden wir uns den wichtigen
Problemen der Welt zu: Den Erdbebenopfern im Iran und in China. Was?
Hanebüchener Unsinn soll das sein? Warum, nur weil es jetzt auch, 2010, ein
großes Erdbeben in Haiti gegeben hat? Gewiss, das waren und sind arme Menschen.
Schon vor dem Beben waren sie arm. Gut dass die UNO dort schon stationiert war,
bevor die Erde bebte. Leider ist halt auch deren Hauptquartier mit beschädigt
worden, so dass sie die allgemeine Organisation, jetzt die Verteilung der
Hilfsgüter, nicht übernehmen konnte. Die USA sind daher eingesprungen. Wenn wir
diese Feuerwehr der Humanität nicht hätten! Ich weiß zwar nicht was dann wäre,
denn es haben sich ja viele Nationen fast darum gerissen, auch vor Ort präsent
zu sein. Auf jeden Fall muss man den Leuten helfen, auch wenn sie schon vor dem
Erdbeben arm waren, vielleicht wegen des Hurrikans, der die Insel – sie haben
ja nur einen Teil davon – regelmäßig heimsucht. Man soll nicht gleich übertreiben
– wie in jedem Jahr heimsuchte. Und vielleicht sind die Leute dort das Leben
ohne großen Reichtum gewöhnt? Nimmt man ihnen nicht ihren Stolz, ihre
Identität? Sie sind zwar Neger, aber sprechen immerhin Französisch. Wer kann
das schon bei uns? Aber, man wird über kurz oder lang nicht mehr von ihnen
reden, wenn die nächste Katastrophe kommt. Haben die Erdbebenopfer im Iran und
in China die Hilfe bekommen, die man ihnen großzügig und unbürokratisch
versprochen hat? Ach so, das waren nicht unsere Organisationen, nicht unsere
Regierung. Unsere Regierung ist nobel, generös, wenn es dabei auch um unsere
Steuergelder geht, mit denen man hilft.
Dass wir helfen, haben wir bewiesen.
Wir haben nach ein paar Tagen den Wert unserer Hilfe auf eine Million Euro
aufgestockt, vielleicht sogar auf noch etwas mehr. Da kann man doch in Haiti,
vielleicht ein ganzes Haus, wenn auch nicht gleich den Präsidentenpalast oder
ein großes Hotel hinstellen. Und, dass wir eben gleich so viel gespendet haben,
eine Million! Der wievielte Teil von 3,8 Milliarden Euro ist das eigentlich?
Ich denke da an die Bayerische Landesbank, die diese 3,8 Milliarden, die
letztlich auch Steuergelder waren, bei ihrem Geschäft mit der Hypo-Alpe-Adria
so einfach in den Sand gesetzt hatte. Für einen Euro hat die bayerische Bank
ihre Beteiligung an der „Reitenden Gebirgsmarine“, für die sie die 3,8
Milliarden gezahlt hatte, hergegeben. (Ich muss zugeben, dass der Ausdruck
„Reitende Gebirgsmarine“ nicht von mir ist. Gut ist er trotzdem).
Aber das ist doch etwas ganz anderes!
Ich weiß das. Das steht schon auf Seite drei dieser Ausführungen. Hier greift
außerdem die Argumentation „wer und wo“. Und Äpfel mit Birnen vergleichen? Kann
man. Ist alles Obst. Und ist nicht eine Million für Haiti genauso Geld, wie das
von der Bayerischen Landesbank in den Sand gesetzte? Ich will hier nicht sagen
das veruntreute Geld, auch wenn es um Steuergeld geht, mit dem man einen
eventuellen, eher wahrscheinlichen Schaden, wieder gut machen muss. Weil ich
juristisch eben nicht so bewandert bin, mit Begriffen wie veruntreut oder ganz
legal, durch Expertisen abgesichert, will ich hier kein Urteil abgeben,
allenfalls eben mal so fragen.
Sicher bin ich allerdings, dass es
einen Zusammenhang zwischen dem Erdbeben auf Haiti und der Bayerischen
Landesbank gibt. Denn bei letzterer wird demnächst auch die Erde beben. Die
Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen! Das ist zum Beispiel der, wie
hieß er doch gleich? Oder sicher wird man den – nein, der hatte ja nur auf
Weisung gehandelt. Auf alle Fälle wird der – eigentlich hatte der keinen Grund,
sich nicht auf die ihm gegebenen Informationen zu verlassen. Und im Übrigen
greift hier die Argumentation „wer und wann“. Schließlich hat hier keine
Supermarktkassiererin einen 60-Cent-Bon verkassamatukelt, oder eine Pflegehilfe
ein paar übrige Maultaschen, die man sonst hätte wegwerfen müssen, mitgenommen.
Hier haben ehrenwerte Herren, die von sich selbst vertrauensvoll gewählt
wurden, die die Höhe von Abfindungen, zum Beispiel beim Ausscheiden eines
verantwortlichen Sparkassendirektors festlegen, gehandelt. Du Idiot, wird man
sagen, und mich meinen, das war doch schon vorher festgelegt. Ach so.
Dass man mich recht versteht: ich bin
nicht dafür dem kleinen Mann oder der kleinen Frau so Unkorrektheiten, ein
bisschen Mausen, so Mitgehenlassen, einfach zu erlauben, auch wenn man sagen
wird, dass mich das einen feuchten Kehricht angeht. Niemand wird sich nach
meiner Meinung richten. Und außerdem ist das gar nicht so. In der Stadt, in der
ich lebe, zum Beispiel, gibt es einen Kunstverein. Sein Vorsitzender, ein
ehemaliger Kunsterzieher oder Zeichenlehrer, der einen, dem renommierten Museum
der Druckkunst angeschlossenen Laden für Druckerzeugnisse leitete, Druckkurse
für Kinder veranstaltete, der hat in diesem Laden aus so kleinen Spenden eine
schwarze Kasse angelegt. Für sich hat er das Geld dieser Kasse nicht genommen,
was man ihm bestätigte. Aber irgendwie hat man davon Wind bekommen, von der
schwarzen Kasse, deren Inhalt er eigentlich an die übergeordnete Dienststelle
hätte weitergeben müssen. Als der Mann das hörte, was man gegen ihn vorbrachte,
ließ er sofort seinen sowieso unbezahlten, also ehrenhalber ausgeführten Posten
als Vorsitzender ruhen und erstattete Selbstanzeige. Er wollte wissen, ob das,
was er für seinen Laden gemacht hatte, zum Beispiel etwas anzuschaffen, ohne
einen schriftlichen Antrag zu stellen, ein Vergehen sei.
Die Staatsanwaltschaft erließ einen
Bescheid, der rechtskräftig allerdings erst nach einer Richterlichen Festsetzung
wird: „Ein halbes Jahr, sechs Monate, Freiheitsstrafe zur Bewährung und ein
Bußgeld in noch unbekannter Höhe.“ Schließlich waren in der schwarzen Kasse
1200 Euro.
Also, man lässt nicht nur die Kleinen,
die Kassiererin, die Pflegerin nicht laufen, man macht sich auch an die Großen,
wie den Vereinsvorsitzenden heran. Schließlich hat man auch den Hessischen
Ministerpräsidenten, Roland Koch, als er so schwarze Kassen in Millionenhöhe
aus dem Vermächtnis verstorbener Holocaustüberlebender füllen konnte, furchtbar
bestraft. Ach, ihr meint er wurde gar nicht bestraft, ein wenig nur sein
inzwischen verstorbener Schatzmeister gerügt? Stimmt, denn man hätte ihn ja gar
nicht bestrafen können, den Herrn Koch, das Geld war gar kein Vermächtnis von
Holocaustüberlebenden.
Nun soll man aber nicht so kleinlich
sein. Alle wird die gerechte Strafe ereilen. Wenn man den Arbeitsplatz der
Kassiererin (sie soll ihn nur 30 Jahre gehabt haben), der Pflegerin und das
halbe Jahr Gefängnis für die schwarze 1200 Eurokasse des Vereinsvorsitzenden in
Relation setzt zu den 3,8 Milliarden Euro, die die Herren von der Bayerischen
Landesbank in den Sand setzten oder in den Ofen schürten, wie man eben will, so
wird es ja Gefängnis in Tausenden von Jahren hageln. Und bei so hohen Strafen kommt
doch eine Bewährung gar nicht mehr in frage. Ich habe dabei natürlich
berücksichtigt, dass nicht ein einzelner Herr dem Bayerischen oder Deutschen
Steuerzahler die Sache eingebrockt hat, sondern mehrere Herren, so dass auf den
einzelnen höchstens ein paar hundert Jahre Freiheitsstrafe kommen. Vielleicht
kommen sie sogar nach Verbüßung eines Drittels der Strafe, wegen guter Führung,
wieder aus dem Knast.
Eine Änderung dieses Szenarios wäre
allerdings möglich wenn das Argument „das ist doch etwas ganz anderes“ oder die
Bedingungen „wer, wann, wo“ zum Tragen kommen. Außerdem haben die Herren gar
nicht gewusst, was sie da machen und sie waren eben in Bezug auf das
Raffinement mit dem die befreundete Gegenseite vorging, unwissend. Und, dass
Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, ein juristischer Grundsatz ist, der nur
für die Kleinen gilt, die man auch zu Recht henkt, während man die Großen
laufen lässt, das weiß doch jeder.
Wieder auf einer anderen Ebene unserer
Vernetzung oder Verstrickung, sind natürlich die Millionenspenden für die
Erdbebenopfer in Haiti, die aus den Spendengalas im Fernsehen kommen. Da konnte
man mal wieder Schauspieler und andere Prominente sehen, die sicher für n’Appl
und n’Ei, Geld einbrachten. Und wenn man bedenkt, dass alles nach Haiti geht,
weil die Opfer früherer Erdbeben doch schon alles haben, da möchte man direkt
einmal dort Urlaub machen und auf das nächste Beben warten.
Ein Frage, die mich da beschäftigt: Wie
hoch oder tief oder wie viel ist überhaupt der Wert eines Menschen? Wir müssen
da schon dran denken, wenn wir von Katastrophen und wer weiß noch was reden.
Ist ein Eskimo mehr wert als ein Neger? Wahrscheinlich, weil er zumindest fast
weiß ist. So zwischen Mongole, Indio in Südamerika, oder Kirgise, wird der Wert
liegen. Aber dabei geht es ja um den Eskimo, Neger, Mongolen usw. schlechthin.
Nicht zum Beispiel um den Präsidenten von Kirgisien, den Stammeshäuptling von
irgendwo oder sonst eine hochgestellte Persönlichkeit.
Also es geht um den so genannten Irgendeinen.
Um einen bestimmten Irgendeinen kann es natürlich nicht gehen: um einen
Deutschen. Wenn man vernimmt, in den Nachrichten, dass glücklicherweise keine
oder bedauerlicherweise auch Deutsche unter den Opfern des Flugzeugabsturzes
oder des Schiffsuntergangs waren, dann kann man nur schließen, dass es nur oder
zumindest auch weniger wertvolle Menschen erwischt hat. Dass es bei dem
Tsunami, der Indonesien, Thailand, Sri Lanka und noch andere Staaten betraf,
vor Jahren, auch sehr viele Deutsche, meist Urlauber, betraf, war furchtbar.
Nach fünf Jahren dachte man auch hier im Land besonders daran. Aber es ging
eben um viele Deutsche. Gut, ich will noch nicht auf die Genetik kommen – erst
später – denn es hat viele persönliche Verbindungen, Verwandtschaften, Freunde
und Bekannte zu den Opfern gegeben. Vielleicht sollen durch Nachrichten, dass
keine oder viele Deutsche unter den Opfern einer Katastrophe waren, Angehörigen
unnötige Nachfragen bei Regierungsstellen erspart bleiben oder es ihnen
ermöglichen, sich wegen irgendwelcher Hilfen zu erkundigen. Wir wollen dies
einmal annehmen.
Und die Zahl der Opfer? Auf der
Autobahn zehn Tote: Katastrophe, furchtbar, bei einem Wohnhausbrand ebenso
viele: Katastrophe, furchtbar. Man wird lange nicht darüber hinweg kommen. In
China, bei einem Bergwerksunglück 400 Tote: Chinesen. Gut, es mag hier vor
allem die Bedingung „wo und wann“ greifen, denn nach kurzer Zeit wird sowieso
niemand mehr nach diesen Ereignissen und diesen Toten fragen.
Doch vielleicht muss man nach einer
„Eigenbeteiligung“ am Tod, am Unglück, fragen? Was soll nun das wieder? Ich
werde es erläutern: Ein Skiläufer fährt, trotz Lawinenwarnung über einen Hang,
löst eine Lawine aus und er und noch andere Skiläufer, die allerdings auf einer
freigegebenen Spur unterhalb des Hangs waren, wurden verschüttet und waren tot.
Wahrscheinlich werden die Angehörigen
des, die Katastrophe auslösenden Skifahrers, wegen dessen Schuld, nichts mehr
mit der Sache und der Leiche zu tun haben wollen. Sie werden sagen: Verscharrt
ihn einfach dort wo er ist, seine Frau wird sowieso wieder einen anderen Mann
finden. Wäre doch logisch, ist es aber nicht. In seinem fernen Heimatort wird
man den Skifahrer in allen Ehren begraben. In der Traueranzeige wird stehen,
dass er in seinen geliebten Bergen starb. Niemand, außer den Angehörigen der
anderen Lawinenopfer, wird sagen, dass ein leichtsinniger Irrer sich und andere
in den Tod riss. Und so einfach kommen die anderen Toten des Lawinenunglücks
auch nicht davon. Warum mussten sie dort in den Bergen Skilaufen? Nur, weil sie
es sich leisten konnten? Die Armen, die zuhause bleiben müssen, kennen kein
Wintervergnügen. Wären sie doch auch zuhause geblieben, wo jeder weiß, dass es
gerade dort so viele Irre gibt, die sich an keine Regeln halten. Gut, es ist
wahrscheinlich niemand gezwungen worden dorthin zum Skilaufen zu fahren.
Aber wie ist das, wenn ich Bergmann
bin, deutscher oder chinesischer, ist egal. Jeder von ihnen ist gezwungen
einzufahren, in den Stollen, vielleicht sogar in dem Bergwerk in China, in dem
es nicht das erste Unglück war, das passierte. Der Bergmann muss sich und seine
Familie ernähren. Er hat und bekommt keine andere Arbeit dort, wo er gerade
ist. Er kann auch nicht sagen: „Herr Bergwerksdirektor, mir ist das zu gefährlich.
Ich mache jetzt etwas anderes“, wenn es das nicht gibt. Es nutzt dem
chinesischen Bergmann und seiner Familie nichts, wenn der Direktor, weil die
Missstände im Bergwerk bekannt waren, geköpft wird.
Doch vielleicht ist das alles etwas
anderes, weil manche Menschen müssen, manche nicht müssen und manche sogar
dürfen oder nicht. Und außerdem ist das ein ganz schlechtes Beispiel, das mit
einem Bergmann, wo jeder weiß, dass der Beruf gefährlich ist. Doch könnte man
statt Bergmann nicht einfach Mensch einsetzen? Wahrscheinlich nicht. Was macht
man da? Man depersonalisiert und sagt Soldat oder man versachlicht sogar und
sagt Material.
In allen Kriegen ist es so, dass
Menschen sterben. Auch die Bevölkerung erleidet Verluste. Frauen und Kinder
sagt man da weniger gerne, weil es so rührend, so theatralisch klingt; und
Männer zählen hier sowieso nicht, weil sie Soldaten zu sein haben. Als zu
Beginn des Zweiten Weltkriegs, am 17. September 1939 durch Torpedos des
deutschen U-Boots
U 29 der britische Flugzeugträger Courageous
versenkt wurde und als es dem Kapitänleutnant Günther Prien mit seinem
Unterseeboot U47 gelang in den Hafen von Scapa Flow einzudringen und das
britische Schlachtschiff HMS Royal Oak mit 1.400 Mann Besatzung zu
versenken und danach den Hafen wieder unversehrt zu verlassen, da jubelten die
meisten Deutschen. Einen Flugzeugträger, ein Schlachtschiff! Ein U-Boot
versenkt einen Flugzeugträger und ein Schlachtschiff! Wen ich jetzt sage, kein
Schwein dachte an Menschen, dann mag das vielleicht gar nicht so daneben
gegriffen zu sein. Freilich kann man sagen, dass man von den Deutschen nicht
verlangen kann, dass man sich über die 3000 Menschen auf dem Flugzeugträger und
dem Schlachtschiff, die noch dazu Engländer waren, viele Gedanken macht. Sie
sind eben mit abgesoffen. War ihr Berufsrisiko, das sie sich allerdings nicht
ausgesucht hatten. Sie gehörten zur Gruppe Menschen, die müssen. Wieso? Heißt
nicht Soldat gegen Geld, gegen Sold, zu kämpfen? Vom Wort her schon. Aber hat
man schon einmal etwas von Allgemeiner Wehrpflicht, von Desertion, von
Standgericht, von einem Marinerichter Filbinger gehört?
Ist egal, bleiben wir beim U-Boot,
deutsch, tapfer. Weiß man wie es in einem U-Boot zugeht, wenn Wasserbomben
fallen, Wasser ins Boot eindringt, wenn es Nacht ist, weil es keinen Strom mehr
gibt, weil man weiß, dass man jetzt absäuft oder zumindest Angst hat nicht mehr
nach oben zu kommen? Menschen? Berufsrisiko? Ein U-Boot?
Und hat man in Russland, im letzten
Weltkrieg, nicht tausende von russischen Panzern abgeschossen? Davon sprach und
spricht man. Nicht von vier- oder fünfmal so viel Tausenden von Menschen, die
in den Panzern waren? Aber was sollte man machen? Es war doch Krieg. Sonst
hätten die Panzer unsere Landser im Dreck des Schlammlochs erdrückt, mit ihren
Kanonen sie in Fetzen geschossen. Gewiss, arme Schweine haben arme Schweine
umgebracht. Menschen waren sie einmal, als noch nicht Krieg war.
Aber das ist doch etwas ganz anderes.
Krieg ist eben Krieg und der hat eigene Regeln. Es hat ja auch immer einer
angefangen. Gewiss. Klar, dass niemand will, dass der Feind einfach so in sein
Land hineinspaziert. Man legt ihm deshalb Minen in den Weg. Wenn der Feind
darauf tritt, explodiert die Mine und er fliegt in die Luft, zerfetzt. Es kann
auch sein, dass der Feind die Minen legt, um bei einem Rückzug nicht so leicht
verfolgt werden zu können. Ist ja egal, wer was machte. Aber in dem Land wird
man sagen: „Wir haben jetzt da draußen ganze Felder und Wiesen voll von Minen
liegen. Was machen wir damit? Wie bringen wir sie wieder aus dem Boden?“ Im
Krieg zwischen dem Iran und Irak hat man das Problem elegant gelöst: Man hat
Kinder in die Minenfelder geschickt. Und zerfetzte die losgetretene Mine ein
Kind, war es automatisch ein Märtyrer, verlor es nur ein Bein, bekam es
vielleicht eine Prothese.
Nun, was haben wir, auch ich selbst,
als Kinder gemacht, im Krieg? Zwischen zwei Tieffliegerangriffen auf einen
liegen gebliebenen Eisenbahnzug, sind wir über die Wiesen gerannt und haben die
Patronenhülsen der Maschinengewehre der Tiefflieger gesammelt. Und als gerade
dieser Zug ein paar Tage später von Bauern der Gegend aufgebrochen wurde und
man Lebensmittel, die tonnenweise darin waren, fortschleppte, haben wir Kinder
mitgeschleppt, auch wenn die SS Stunden später mit Erschießen der Plünderer
drohte und die Bauern selbst von den Lebensmitteln schon gar nichts wussten.
Nun gut, das war so. Krieg.
Und als man in Afghanistan Kinder und
Männer, vielleicht auch Frauen losschickte, die Benzin aus zwei von den Taliban
gekaperten Tanklastwagen holen sollten, Benzin, umsonst, von den Deutschen oder
den Amerikanischen Soldaten im eigenen Land, und dann Flugzeuge kamen und mit
Bomben Menschen und Tanklastwagen zerfetzten und verbrannten, da gab es einen
furchtbaren Aufschrei in der Ferne. Da sagte niemand, dass doch Krieg sei. Es
war, in der Ferne allerdings nur, fast verboten von Krieg, dort in Afghanistan,
zu sprechen. Der Oberst, Klein, der den Flugzeugeinsatz anforderte, habe, sagte
man, keineswegs erlaubt und völlig überzogen, gehandelt. In der Ferne sagte man
das. Es war doch kein offizieller Krieg, nur eine Friedensmission, die dort im
Gange war. Hätte der Oberst, der wohl schon einige Leute durch Friedensschüsse
verloren hatte, sich nicht erst genau erkundigen müssen? Hätte sein Kommando
nicht lauten müssen: „Frauen und Kinder weg vom Friedensschauplatz! Die Taliban
bleiben hier und warten bis die angeforderten Flugzeuge kommen. Ich lasse mir
doch nicht einfach zwei Tanklastwagen voll Sprit klauen!“
Es ist die Verlogenheit unserer
Politik, der Politiker und auch der Menschen, die sie dazu ermächtigten sie als
Wähler wieder zu gängeln, so dass sie letztlich jede Schweinerei einfach in ein
Schlachtfest mit Blut- und Leberwürsten, mit Kesselfleisch und Kraut
umfunktionieren. Grad lustig ist es, auch dort in Afghanistan, weil ja dort
kein Krieg ist (inzwischen fast schon) und man sich doch fröhlich die Hand
hätte reichen können und was noch alles. Und vor allem: Wer hat denn eigentlich
was gewusst, es nicht zugegeben, es vor den anderen verheimlicht, es dann doch
gewusst, für gut und nicht gut erklärt (ob man angemessen sagt oder nicht, ist
egal)? Das Parlament hat man belogen, und den noch, und den andern noch, und
nicht zugegeben oder zu spät! Da war das Parlament letztlich der
Kriegsschauplatz für eine Herde von Schwachköpfen.
Wenn man mich Pazifisten, mit Hilfe des
lieben Gottes und unserer christlichen, abendländischen Parteien (das sind sie
ausnahmslos alle) nach Afghanistan geschickt hätte, und ich hätte, als Soldat,
weil Krieg war, und ich Flugzeuge gehabt hätte, die Bomben auf die gekaperten
Tanklastwagen werfen können, ich hätte sie werfen lassen! Ich halte alles,
nicht wie zeitweise unser Verteidigungsminister „für angemessen“, sondern alles
für richtig, im Krieg, wie man es eben im Krieg macht. Nur, warum macht man
Krieg?
(Den Abschnitt über Oberst Klein,
Taliban und Tanklastwagen, habe ich am 8. 2. 2010 fertiggeschrieben. Am 9. 2.
kam in den Nachrichten des Fernsehens und in der Tagespresse die Nachricht,
dass Oberst Klein vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin, die Richtigkeit
seiner Entscheidung verteidigt hatte, wofür man ihn dann, für die Verteidigung
der Entscheidung, sehr lobte. Ich bin kein Prophet, auch wenn Ereignisse, die
ich nur spekulativ angehe, sich kurz darauf bewahrheiten).
Aber wenn schon der Krieg oder die
Friedensmission etwas ganz anderes ist, eigene Regeln und Rechte gelten, wie
das Völkerrecht zum Beispiel, und der Tod der Menschen meist akut, plötzlich
eintritt, nicht relativ langsam, etwa durch Völkermord, bei dem zwar der Tod
des Einzelnen akut ist, sich bei dem Kollektiv Volk insgesamt so dahin ziehen
kann, so wird doch in einigen Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten, niemand
mehr davon sprechen. Wir brauchen uns nur an „wer, wann, wo“ zu erinnern.
Allenfalls heißt es: “Ach ja, damals, na, ja.“
Was haben es doch heute, in unserem
Sozialstaat, getragen von der Solidarität Aller, so genannte Hartz IV-Empfänger
wunderschön, verglichen mit Soldaten. „Aber das ist doch etwas ganz anderes“.
Natürlich. Nur, da sagt jetzt ein Parteivorsitzender, der auch Außenminister
unserer Republik ist, ich glaube er heißt Westerwelle (man muss sich den Namen
nicht merken), dass diese Hartz IV-Empfänger so was wie faule Hunde seien. Gut,
sie sitzen ja zu Hause herum, erhalten vom Staat ein wenig Geld, das immerhin
reicht, dass sie nicht verhungern oder akut sterben. Die wären doch schön blöd,
wenn sie etwas für ihren Lebensunterhalt selbst täten, etwa arbeiten. Gerade
das aber will der Herr W. Denn der Staat, sagt er, der das Geld für diese Leute
bezahlt, wer ist denn das? Ja, das sind doch wir, wir Verdiener, wir
Steuerzahler! Vor allem sind das wir, die Besserverdienenden, ja, wir. Wir
müssen die anderen durchfüttern.
Gewiss, da hat er doch Recht, der Herr
W. Wir müssen das ändern. Diejenigen, die schon monate- und jahrelang zu Hause
sitzen, müssen jede Arbeit, die man ihnen zuweist, annehmen und ausführen. Sie
bekommen dafür ja gutes Geld. So „Ein-Euro-Jobs“, bei denen man ja mehr als
einen Euro in einer bestimmten Zeit verdient, die muss man annehmen. Wir
Besserverdiener, wenn wir zum Beispiel ein Geschäft haben, nehmen auch viel
lieber so einen Jobber als einen Arbeiter, dem wir einen gesetzlichen Lohn
zahlen und für den wir anteilig diese gottverdammten Lohnnebenkosten zahlen
müssten. Gewiss sieht das Gesetz hier vor, dass der in einem Unternehmen
zuständige Personalrat darauf sieht, dass keine regulären Jobs durch diese
Minijobs ersetzt werden. Es ist doch völlig klar, dass dann der Betriebsrat bei
Lidl oder sonst wo der Geschäftsleitung gehörig auf die Finger haut, wenn!
Ob ich von einem anderen Stern bin,
wird man fragen, wenn ich mit Betriebsrat, Gewerkschaft und anderen
Wirtschafts- und Arbeitsplatzvernichtern komme? Herr W. sieht das wohl auch so.
Eine Krankenversicherung etwa, die muss der Staat, natürlich von unserem Geld,
bezahlen und man kann gleichzeitig dadurch sparen, dass man nicht alles was
medizinisch machbar ist, bei diesen Leuten gewährt. Es gibt viel Überflüssiges.
Also, es kann doch so ein älterer Ingenieur Regale in einem Supermarkt
einräumen oder sich an die Kasse setzen, Schnapsflaschen über den Scanner
ziehen. Das muss doch nicht ein junger Mann oder eine junge Frau machen. Die
können doch höher qualifizierte Arbeit, auch solche, die Kraft braucht,
leisten. Solche Arbeit gibt es doch genug. Und überhaupt: Ingenieure werden
doch gesucht. Ach so, ältere nicht.
Ich habe schon vor Jahren, als noch
Wohlstand unter dem Wiedervereinigungs-kanzler Helmut Kohl herrschte und es nur
vier Millionen Arbeitslose gab, gesagt, dass man dagegen etwas unternehmen
müsse. Ich weiß nicht mehr, ob ich gegen den Wohlstand, gegen Kohl oder die
Arbeitslosen gemeint habe. Jedenfalls hat mir ein Chefarztkollege, der sogar
mir gegenüber ein Besserverdiener war, gesagt, dass es keine Arbeitslosen
sondern nur Arbeitsunwillige gäbe. Er hat das bei einer Ärztebesprechung
gesagt, vor vielen Mithörern, so dass das wohl keine Erfindung von mir ist.
Doch wer redet heute noch davon? Das
ist doch etwas ganz anderes. Und was hat dieser Sozi, dieser, jetzt bereits
Altbundeskanzler, Schröder, getan? Die Zahl der Arbeitslosen halbiert? „Das ist
gar nichts anderes“ und von diesem Flop redet man noch. Da gesellt sich zu den
Bedingungen „wann und wer“, gerade bezogen auf das Vergessen, die Amnesie, eine
Nuancierung, das selektive Vergessen. Wenn es unangenehm ist kann man
vergessen, wenn es, für einen andern vielleicht, nützlich ist, man es braucht,
das gleiche Geschehen, vergisst man eben nicht.
Und, dass ich es nicht vergesse, es
kommt noch was hinzu, gerade zu den Arbeitslosen, die unter Schröder nicht
halbiert wurden: Das ginge jetzt in etwa! Das geht so: Diese Arbeitslosengeld
II – Empfänger, was ja Hartz IV ist, die fallen doch, wenn sie nur einen
geringen Job, falls sie ihn bekommen, annehmen, aus der Arbeitslosenstatistik
heraus. Also haben wir auch, dank Hartz IV, weniger Arbeitslose. Ein bisschen
tricksen muss man da natürlich können. Mir ist schwindlig geworden, als ich
über Regeln und Gesetze zu Hartz IV, Arbeitslosengeld, 1-Euro-Jobs, frühere
Ich-AG usw. gelesen habe. Man hat ja auch lange daran gebastelt, bis über Hartz
I bis III, endlich Hartz IV heraus kam. Und es hat beileibe nicht dieser Peter
Hartz, dessen arbeitsmarktpolitische Aktivitäten sich bis Südamerika ausgewirkt
haben sollen, an diesen Gesetzen gestrickt (vielleicht verstrickt), es war eine
riesige „Expertenkommission“ von Präsidenten, Professoren, Gewerkschaftern usw.
beteiligt, so, dass man fast hätte meinen können einen Adelskalender vor sich
zu haben. Ich meine damit nicht einen Adelskalender wie ihn ein ehemaliger
Bewohner von St. Adelheim (Stadelheim) bei München als Begriff gebrauchte. Eher
sollte hier von „wer und das ist doch was anderes“ die Rede sein.
Damit soll aber nicht von den faulen
„Hartzvierern“ abgelenkt werden. Sie sollen arbeiten und können es auch, wenn
sie nur wollen. Zwei Prozent dieser Leute, habe ich heute gelesen, wollen, laut
Statistik jedoch gar nicht arbeiten, weil sie mit rund 365 Euro zurecht kämen.
Sie sollten sich, wie die übrigen 98 Prozent, die arbeiten möchten, ein
Beispiel nehmen an dem Mann, von dem jetzt die Rede sein wird.
Seht an, da ist 2007 ein Österreicher,
ein Manager, der früher in der Pharmaindustrie war, gekommen, von dem bestimmt
niemand wusste ob er arm oder reich war. Jetzt, 2010, zählt er zu den
Einkommensreichen. Und was hat er getan? Er hat die Ärmel (fast hätte ich
geschrieben die Armen) hochgekrempelt, den Siemenskonzern umgekrempelt und aus
ihm etwas gemacht. Er hat vielen Faulpelzen Feuer unter den Arsch gemacht, sie
gefeuert, so dass es niemand löschen konnte, das Feuer. Er wusste was er tat,
weil er ja Löscher heißt. Er hat den Konzern gesund gefeuert, an Mitarbeitern.
Tausende von Arbeitsplätzen konnte er so einsparen. Man muss also nur wollen
und Kompetenz mitbringen wie etwa Minister, die heute Justiz oder Wirtschaft
können und morgen Verteidigung oder Familie.
Und jetzt hat dieser Herr Löscher schon
wieder ein kleines Feuerchen entfacht. Er macht da in dem Siemenswerk, in Bad
Neustadt an der Saale, 840 Arbeitsplätze platt, sagt er. In Erlangen übrigens
nur 300. Die Produktion von Hausgeräten werde nach Tschechien verlagert. Na
und, was ist da schon dabei? Da gibt es doch nur Vorteile. Zunächst für
Siemens. Statt einem kalkulierten Stundenlohn in Bad Neustadt von, sagen wir 40
Euro, weil den der Arbeiter sowieso nicht erhält (er bekäme sonst mehr als 6000
€ im Monat), zahlt man dem Tschechen 10 bis 15 Euro. Da freut sich der
Tscheche, der wahrscheinlich auch keine zehn Euro bekommt, bisher nur
arbeitslos war und faul herumgehangen ist und von Hartz IV lebte. Aber
vielleicht heißt das dort nicht so, vielleicht heißt es Benes oder Dubcek VI
oder IX? Also ist ja egal.
Und der deutsche Siemensianer in Bad
Neustadt? Der kann doch eine andere Arbeit annehmen. Im Dezember 2009 hat
Siemens dort, in Bad Neustadt, sogar eine (1) Stelle für einen
wissenschaftlichen Mitarbeiter in der Fertigungstechnik angeboten. Warum nimmt
die keiner von den 840 zu Feuernden? Ach so: nicht qualifiziert. Da haben wir
es wieder: Nichts für die Bildung getan, nur gesoffen und gefressen und will
jetzt seinen viel zu teuren Arbeitsplatz behalten. Außerdem könnte man ja ein
bisschen flexibel sein. Die tschechische Grenze ist doch gar nicht so weit weg
von Bad Neustadt, höchstens 120 Kilometer. Noch nie was von Pendlern gehört?
Ach so, das Werk, das in Tschechien gebaut wird, das die Fertigung aus Bad
Neustadt übernehmen soll, das liegt ganz hinten, fast an der slowakischen
Grenze, weil dort die Löhne noch niedriger sind als in Prag oder Pilsen, wo das
Bier so teuer ist. Ach so.
Nun gut, die 840 und die, die noch so
dranhängen, Märkte, wahrscheinlich Aldi und Lidl, andere Geschäfte, Wirthäuser,
vielleicht sogar ein Puff, die werden schon irgendwie einen Job finden.
Ein-Euro-Job, ja und? Wenn man einen solchen bekommt? Die Preise geben sicher
nach, auch im Freudenhaus. Das gleicht sich alles irgendwie aus. Und bei dem
bisherigen Wohlstand werden die Gefeuerten doch etwas auf die Seite gebracht
haben, um die Durststrecke bis zu Hartz IV durchzustehen. Dann können sie
wieder in Saus und Braus leben und sogar eine Arbeit annehmen, die Herr
Westerwelle für sie bereit hält.
Sagt man nicht: Wir brauchen keine
Schmarotzer, keine Leistungsnehmer mehr, sondern Leistungserbringer. Leistung
muss sich wieder lohnen!? - Wenn man sie erbringen kann, wenn man Arbeit hat.
Ätsch. Sollen doch die Arbeiter von Bad Neustadt die vielen freien Stellen bei
Quelle in Fürth, was doch auch in Franken liegt, übernehmen. - Ich scheine da
etwas durcheinander zu bringen: Offene Stellen, freie Stellen für Arbeiter,
freigestellte Arbeiter. Bei so vielen Arbeitern muss es doch auch Arbeit geben,
oder nicht?
Ich nehme an, dass Herr W. mit einem
Köfferchen nach Bad Neustadt reist und dort mit Zetteln und Verträgen die neuen
Arbeitsplätze verteilt. Vielleicht ist in der Hotelbranche etwas zu machen?
Nur, wer fährt zum Vergnügen nach Bad Neustadt? Und geschäftlich, wenn Siemens
dicht ist?
Apropos Siemens. Was bleibt so einem
Konzern und dessen Chef und den Aktionären anders übrig, als rigoros Kosten
abzubauen, um endlich wieder noch mehr Gewinne zu machen, um aus einem
negativen Image herauszukommen? Die Belastungen, die der Konzern, doch wohl nur
für die Erhaltung teuerer Arbeitsplätze bezahlen musste, waren enorm: 2007
wurden 1,3 Milliarden Euro Schmiergelder gezahlt, eine Rekordstrafe von 479
Millionen Euro von Brüssel aufgedonnert, wegen Kartellrecht und so, 255
Millionen Euro für ein daneben gegangenes Geschäft mit Handys und BenQ. Und das
sind nur Ausschnitte aus dem reichen Geschäftsprogramm von Siemens. Im Internet
etwa, kann man noch viel mehr lesen, sowohl was Summen als auch Affären und
Leute betrifft. Aber wer spricht davon noch?
Jetzt könnte ich sagen: „Aber das ist
doch etwas ganz anderes“. Nämlich, wenn man überlegt, dass Schmiergelder
bezahlt wurden, für ein Italiengeschäft, von Siemens zum Beispiel, und dadurch
immerhin dieses Geschäft zustande kam und Gewinn erbrachte. Ist das
verwerflich? Also vom Gesetz her schon. Aber Siemens hätte doch auch hergehen
und unserem Staat, der Politik, einen Deal anbieten können. Man hätte sagen
können, wenn wir weniger Steuern zahlen müssen, dann behalten wir soundsoviele
Arbeiter. Bestimmt hätte der Staat da gespart. Auch wenn er weniger an Steuern
eingenommen hätte, wäre nicht so viel mit Hartz IV draufgegangen. Vielleicht
hätte man das gemacht, aber man konnte das doch nicht, weil Schmiergeld und
Bestechung verboten sind, wovon ja Siemens ein Lied singen kann. Und unser
Staat ist unbestechlich.
Da hätte man eher eine Spende in die
Parteikasse legen müssen. So in die Kasse der FDP. Dass zwischen dem Spender,
einem Großhotelier, der FDP, ihrem Vorsitzenden Westerwelle und dem Absenken
der Mehrwertsteuer für das Hotelgewerbe, nicht für so kleine Gaststätten, ein
Zusammenhang besteht, ist natürlich nur zeitlich gesehen so, wahrscheinlich
nicht ursächlich. Vielleicht hat Herr W. auch gedacht, dass, wenn er die
Einnahmen des Staates durch Steuern senkt, werden die türkischen Putzfrauen in
den Hotels und die Zimmermädchen nicht mehr aus billigen 400 Euro-Jobs bezahlt,
sondern zahlen dann selbst wahnsinnig viel an Steuern und so muss unser Staat
nicht mehr so viel Geld für Faule ausgeben und macht noch viel Gewinn. Also,
ich weiß nicht recht ob das richtig ist. Mir kommt das alles so
spätrömisch-dekadent vor. Das hat Herr W. allerdings auch gemeint.
Heute, man schreibt den 15. Februar
2010, zerreißen sich in der Presse viele Leute, Politiker, das Maul. Heiner
Geißler, einstens CDU-Generalsekretär und in der Wortwahl keineswegs zimperlich
gegen Sozis und so Volk, ist jetzt doch sehr sozial eingestellt und findet die
spätrömische Dekadenz gar nicht so gut, zumal der Spätrömer Caligula, - er war nach Augustus der dritte Römische
Kaiser, also nicht spätrömisch, was Herr W. nicht wissen kann – einen Esel zum
Konsul ernannt haben soll und damit Volk und Politik verhöhnte. Laut Süddeutscher
Zeitung vom selben Tag, habe Caligula aber sein bestes Pferd und keinen Esel
dazu ernannt. Nun, wir wollen nicht streiten, weil das etwas anderes ist und
schon lange (wann) her ist und einen Kaiser (wer) betraf. Und dass alle,
Zeitung und Geißler, einem „späterrömischen“ Geschichtsschreiber, Sueton,
aufgesessen sind, das spielt schon überhaupt keine Rolle. Da könnte ja jeder
mit Geschichte daher kommen!
Was ist der Unterschied zwischen einem
Hartz IV-Empfänger und einer vergewaltigten, halbverhungerten Frau in Darfur?
Von letzterer spricht man gar nicht mehr. Nun ja, immerhin findet man im
Internet einen Aufruf vom 4. Februar 2010, in dem um Unterstützung für Darfur
geworben wird und auch gesagt wird, dass die Flüchtlinge dort die Wahlen im Sudan
boykottieren sollen. Aber wie war das denn eigentlich? Worum ging es da? Die
Staaten Tschad und Sudan streiten seit Beginn des Darfur-Konflikts im Jahr 2003
miteinander. Wir müssen gar nicht wissen worum sie streiten, höchstens, dass im
Süden des Sudan, an den Tschad grenzend, Reitermilizen des Sudan, auch reguläre
Truppen beider Seiten, die Bevölkerung vertrieben. Man spricht von einem
Genozid, also Völkermord. Das darf nicht sein, auch wenn die Bevölkerung
dunkelhäutig ist.
In diesem Konflikt, den man auch
Bürgerkrieg nennt, sind die UNO, USA, China, Russland, sämtliche Afrikanische
Staaten engagiert. Auch stimmte am 22. April 2005 der Deutsche Bundestag einem Einsatz von
Militärbeobachtern im Süden und Osten des Landes im Rahmen der UN-Mission UNMIS zu. Gebracht hat es
nichts außer Not und Elend. Hunderttausende sind getötet worden, 2,7 Millionen
Menschen sind vor Milizen und Soldaten geflohen
Am 4. März 2009 wurde gegen Präsident al-Baschir im Zusammenhang mit der
Darfur-Krise Haftbefehl beim Internationalen Strafgerichtshof
in Den Haag erlassen. Von der Afrikanischen Union (AU) wurde der Haftbefehl
nahezu einhellig abgelehnt. Bashir ist seither mehrfach in afrikanische Länder
gereist, um damit zu zeigen, dass er nicht mit Gefangennahme rechnen müsse.
Lediglich Tschad und Botswana erklärten Anfang Juli 2009, dass sie sich nicht an
den AU-Beschluss halten und Bashir auf ihrem Territorium verhaften würden. "Präsident Bashir will sich einer
weiteren strafrechtlichen Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof
entziehen. Dieser kündigte letzte Woche an, eventuell wegen des Vorwurfs des
Völkermordes gegen das sudanesische Staatsoberhaupt zu ermitteln",
Es gibt noch einen, in diesem Konflikt:
Präsident Deby aus dem Tschad. Er sei umstritten, da er Menschenrechte
systematisch missachte. Willkürliche Verhaftungen, Folter und Erschießungen
blieben ungesühnt. "Immer wieder lege aber Frankreich schützend seine Hand
über die Regierung Deby. Menschenrechtsorganisationen hätten bislang vergeblich
an Paris appelliert, zum Beispiel nicht länger zu den Umständen der
Verschleppung 2008 und mutmaßlichen Ermordung eines ehemaligen Ministers zu
schweigen“.
Ich habe einige Absätze aus Wikipedia,
dem freien Internetlexikon, in etwas abgewandelter Form übernommen. Damit will
ich nur sagen, dass die Gräuel in Afrika keine eigene Erfindung meinerseits
sind. Doch warum schreibe ich darüber? Warum rege ich mich auf? „Das ist doch
alles etwas ganz anderes“ als unsere Sorgen mit der spätrömischen Dekadenz.
Das ist sehr einfach, warum ich mich
aufrege: Weil es immer nur um das gerade aktuelle und vor allem passende
Problem geht. Alles andere, die früher so unsägliche und aufrüttelnde Not ist
Schnee von gestern. So auch hier: Es geht doch nur um einfaches Volk,
Ungebildete, Arme, ohne besondere Bodenschätze (Der Erlös aus dem Ölexport des
Sudan wird nicht, wie gefordert, für die Kosten humanitärer Hilfe verwendet)
und überhaupt um das ferne Afrika. Weiter zeigt sich, dass politisches
Geplänkel, wie der Einsatz von UN-Friedenstruppen, die Arbeit humanitärer
Hilfsorganisationen, eher einem Schaulaufen in einer Arena gleichen, so lange
die Macht, und das sind Regierungen, Staaten mit ihren speziellen Interessen,
die Politik schlechthin, gar nicht den Willen haben etwas zu ändern, außer es
entspräche ihrem eigenen. Und diese Lachnummer den Präsidenten des einen
Staates vor Gericht zu bringen, vor ein internationales, während der des
anderen einfach aus Staatsräson einer auswärtigen Macht gedeckt wird! Da half
und hilft kein Kofi Annan, falls den noch jemand kennt. Und selbst als die NATO
auf Bitte der Afrikanischen Union 2005 eingriff, stellte ihr Generalsekretär
klar, dass die Allianz keine Truppen in das Gebiet schicken werde. Vielmehr
gehe es vorläufig um Planungskapazitäten und Logistik. Aber das ist doch etwas
ganz anderes.
Und, vielleicht gibt es den Schreihals,
Herrn W. noch weiterhin, kann sein, dass er nicht mehr Außenminister ist, aber
er und zumindest sein jetziges Geschrei um Hartz IV und die Dekadenz, werden
vergessen sein.
Ein etwas höherer Verwaltungs(fach)mann
hat in einer Besprechung, an mich gerichtet, als ich ihn auf die Einhaltung von
Abmachungen hinwies, gesagt: „Jetzt kommt der wieder mit seinem alten Käse“.
Damit war klar, dass frühere Abmachungen so wenig zählen wie Versprechungen vor
Wahlen.
Vielleicht fragt man nun, was er, was
ich, eigentlich will, mit diesem alten Käse – Hartz IV, Darfur, Milchbauern,
Siemens und was noch alles. Vor allem, wo wir doch jetzt ein weltweites
Superereignis haben, die Finanzkrise. Sie ist beinahe so wichtig wie die
möglicherweise klemmenden Gaspedale in den Autos von Toyota.
Während ich jetzt schreibe, läuft
draußen in Mainz der Rosenmontagszug. Das Motto der Fastnacht 2010 lautet: „Bei
uns in Meenz gilt die Devise, die Fassenacht kennt keine Krise“. Also geht
doch, mit Krise und so. Man hat alles was man braucht und muss sich die
Lebensfreude nicht vermiesen lassen. Alle sind Menschen, alle sind gleich, vor
Gott Jokus, der so etwas wie ein Fastnachtsheiliger ist. Da kann man nicht
verstehen, warum man denn auf den so gebeutelten Bankern immer noch so herum
hackt. Leiden sie nicht viel mehr als ein Hartz-IV-Mann, der nicht fürchten
muss künftig erst nach drei Jahren erfolgreicher Arbeit Boni zu bekommen? Bisher
hat er stets Prozente an jedem Geschäft kassiert, der Banker, auch wenn dieses
negativ war, in die Hose ging. Jetzt steht der Banker auf einer Stufe mit Hartz
IV. Er bekommt nur noch sein Fixum wie jener, ja nicht einmal bei Bedürftigkeit
einen Gutschein für ein neues Auto, wie dieser vielleicht für eine
Waschmaschine.
Über die Bayerische Landesbank und die
Hypo-Alpe-Adria haben wir ja schon gesprochen. Lächerliche 3,8 Milliarden. Um
wie viel zig Milliarden ging es bei Lehman Brothers, Goldman Sachs und anderen
Banken oder wie viel Milliarden mussten für die Rettung von Banken, ja von
Staaten aufgewendet werden? Es ist klar, dass es da um ganz, ganz viel geht.
Dieses Geld, das letztlich dem Steuerzahler gehört – sagt der Staat
gelegentlich – darf nicht kaputt gehen. Es ist systemrelevant und es ist auch
klar, dass man bei diesen Summen nicht mehr auf die 10 000 oder 20 000 Euro
eines Sparers oder Häuslebauers achten kann. Wenn dieses Geld, das nicht
systemrelevant ist, hin ist, muss sein ehemaliger Besitzer noch lange nicht dem
Prekariat angehören.
Doch einmal Ernst beiseite: Wie konnte
es überhaupt so weit kommen? Leben wir nicht, in der westlichen Welt
wenigstens, in einem System, gefestigt von der abendländisch-christlichen
Tradition, letztlich beschützt von Gott? Und da machen Menschen so was. Geld
regelrecht verbrennen oder in den Sand setzen, mutwillig, so aus reiner Gier.
Nun, warum sollten sie nicht, wenn es der Markt hergibt? Und Gier? Das Wort
wird in letzter Zeit ja viel gebraucht. Aber ist Gier denn eine Sünde? Gewiss,
in den Zehn Geboten kommt die Gier nur verklausuliert vor, in der deutschen
Übersetzung. Das Original vom Stein kann ich leider nicht lesen. Also Gier ist
höchstens in „Du sollst nicht begehren deines nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh
usw.“ Das usw. ist von mir. Begehren, Begierde, Gier, da haben wir es.
Und doch sind die Gebote, in denen die
Gier steckt, von einem Herrn mosaischen Glaubens, ja vielleicht von diesem
Herrn Moses selbst, den Menschen gegeben worden. Da haben wir es schon wieder.
Wussten nicht alle Generationen, so lange sie nicht selber welche waren – ihr
wisst schon – wer an allem schuld ist? In einer christlichen Gesellschaft, in
der Geldverleih, Wucher und wer weiß was noch verboten, ja unmöglich ist, hätte
es so etwas nie gegeben. Alan Greenspan, Lehman, Goldman. Jetzt haben wir die
Krise.
Natürlich kann kein Staatswesen ohne
Banken oder Ähnlichem auskommen. Auch das weiß man seit Generationen. In den
Christlichen Ländern hatte man deshalb eben diejenigen mosaischen Glaubens, die
Geld verleihen, gewähren lassen. Das hatte den Vorteil, dass, wenn man Schulden
bei ihnen hatte, sie erschlagen konnte. Dann waren Schulden und sogar deren
Wuchergeld fort. Aber, das war nur der Pöbel, der das tat, wie einige Magistrate,
Adelige usw., meist sogar mit kaiserlicher Erlaubnis. Pogrome nannte man das.
Das Christliche Abendland hingegen hatte keine christlichen Wucherer, nur
Fuggerer. So hießen sie. Nein, nur Fugger, reiche, fromme, christliche
Augsburger Kaufleute. Die Welser, auch von dort. Und so gab es viele. In
Italien hatte man die Medici in Florenz, die verschiedene Könige, Kaiser und
Päpste samt deren Kriegen und Prunksucht finanzierten. Und natürlich stellten
diese Medici selbst Päpste. „Aber das ist ja etwas ganz anderes“. Weiß ich.
Wahrscheinlich haben meine eben
genannten Überlegungen auch schon andere Menschen gehabt, fromme, christliche
und sind darüber sehr erschrocken. Wem soll man da noch vertrauen, wenn man
letztlich den Hebräern nicht mehr alles in die Schuhe schieben kann, wenn sich
christliche Tugenden gar nicht mehr als solche erweisen? Da hat u. a. ein
deutscher CDU-Politiker Ende 2009, die Lösung gefunden: Die Scharia und der
Islam. Wenn man in Deutschland, wenigstens für Geldgeschäfte, die Schria
einführt, nach welcher Zinsnahme nicht erlaubt ist, könnte man den ganzen
Zahlungsverkehr doch risikolos abwickeln.
Nicht dass man jetzt glaubt, das sei
wieder so eine meiner Erfindungen: In der Süddeutschen Zeitung vom 19. 12. 2009
stand: „Mit dem Segen Allahs im Ländle. Kein Zins, keine Spekulation: Die
"ethische Verwahrlosung" der Bankenlandschaft erfordere neue
Lösungen, findet CDU-Mann Löffler - und lobt die Scharia. In islamischen Banken
wachen Korangelehrte über die Einhaltung der Regeln der Scharia - das soll auch
in Deutschland der Fall sein. Reinhard Löffler ist eigentlich kein untypisches
Mitglied der CDU im Stuttgarter Landtag: Ein Jurist, der gerne Spätburgunder
trinkt und die katholische Kirche als einen "Ankerpunkt" in seinem Leben
beschreibt. Löffler hat einmal bei IBM gearbeitet, sitzt in zahlreichen
Aufsichtsräten und lobt als wirtschaftspolitischer Sprecher gerne den
Mittelstand.
Es war nicht unbedingt abzusehen, dass
Löffler einmal den Kapitalismus in seiner jetzigen Form in Frage stellen würde.
Und dazu Sympathien für die Scharia erkennen lässt. "Islamische
Finanzierung: Dritter Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus?", heißt
ein kleines Papier, das Löffler geschrieben hat. So weit ist es schon
gekommen.“ „Löffler will so einer Anlageform in Deutschland zum Durchbruch
verhelfen, die weltweit Wachstumsraten von 15 Prozent erzielt. Vor allem in
arabischen Ländern, aber auch in Großbritannien wollen Muslime ihr Geld im
Einklang mit der Religion anlegen. In England gibt es seit 2004 die Islamic
Bank of Britain mit 50000 Kunden“.
„Bei den Banken wacht ein Scharia-
Board von Korangelehrten über die Einhaltung der Regeln. Es gilt Zinsverbot:
Will sich ein Kunde ein Haus kaufen, erwirbt die Bank das Haus für ihn und
lässt ihn den Kaufpreis mit Aufschlag in Raten abbezahlen, bis ihm dann das
Haus gehört“.
In den letzten drei Absätzen habe ich
die SZ zitiert. Ich könnte mit dem Zitieren über Scharia, Geld, Islam auch so
weiter machen, will es aber nicht. Und, wenn ich das erfunden hätte, was man
mir zutrauen könnte, hätte man mich gesteinigt, was nach der Scharia als Strafe
erlaubt ist. Doch warum bohre ich immer in so Geschichten herum, in Geschichten
von Bankern, Politikern, Krise, Milchbauern und wer weiß noch alles? Das wird
noch kommen!
Kommen wir zu etwas anderem: Im
Fernsehen wird man darüber informiert, dass sich die Finanzminister der
Euro-Staaten treffen, um darüber zu beraten wie man Griechenland aus dem Wasser
ziehen könnte, ohne dass der Euro dabei absäuft. Die Griechen haben nämlich,
als sie sich der Europäischen Union anschließen wollten und es auch taten, weil
es sehr viele Vorteile für sie brachte, die Bilanzen ihres Staatshaushalts
schlicht gefälscht. Dass dies in der Wirtschaft, in der Finanzwelt, im
Strafrecht, ein ziemliches Vergehen, ja Verbrechen ist, das wussten die
Griechen, besser ihre Regierung, so gut wie die übrigen Staaten. Einen kleinen
Geschäftsmann, der etwa bei einer Bank um einen Kredit nachsucht und man
entdeckte, dass er seine Bilanzen fälschte, würde man wahrscheinlich hart
bestrafen. Einen Kredit bekäme er dann sowieso nicht. Also wird man wohl auch
Griechenland hart bestrafen, es aus der Eurozone werfen, seine Menschen wieder
mit wertlosen Drachmen zahlen lassen und was noch alles.
„Aber das ist doch etwas ganz anderes“
wird man wieder sagen. Man kann weder die Menschen Griechenlands noch den
ganzen Staat einsperren. Noch dazu haben nicht die Menschen schlechthin,
sondern nur einige, die erst gewählt wurden – schließlich ist Griechenland die
Wiege der Demokratie, wo man Wahlen und Scherbengerichte erfunden hat – dieses
Desaster verursacht. Aber die kann man auch nicht einsperren, weil sie
Politiker sind und eine Immunität haben. Da wird man wohl oder übel das
einfache Volk durch Sparmaßnahmen an Schulen und ähnlichem zur Kasse bitten
müssen. Man wird dies zu Recht tun, weil ja die Leute um Athen, die Armen
sicherlich, die großen Waldbrände gelegt haben, um Grundstücke zur Bebauung von
Villen zu schaffen. Dass diese Waldbrände, deretwegen man Griechenland in seiner
Not schon international helfen wollte, gelegt worden waren, hat man ja erst
später erfahren. Aber auch das ist ja jetzt griechischer Schnee von gestern.
In drei Jahren, sagt man jetzt, muss
das Haushaltsdefizit von derzeit zwölf auf drei Prozent gesenkt sein. Wenn das
nicht geht, hat man, wie man jetzt schon hinter vorgehaltener Hand sagt, immer
noch den übrigen europäischen Steuerzahler, falls nicht der Dominoeffekt mit
der Insolvenz Spaniens, Portugals, Irlands und sicher noch anderer Staaten, alles
gänzlich anders macht. Wir könnten doch überhaupt den Euro abwerten, wodurch
sogar alle Haushalts-, Bank- usw.- Schulden viel geringer werden und auch der
Sparstrumpf der Oma im Eimer ist.
Und was hat das alles mit uns zu tun?
Griechenland? Gibt es bei denen Hartz IV? Haben dort die Sozis den Karren an
die Wand gefahren? Wir haben für Griechenland schon genug getan. Haben wir
ihnen nicht den Otto Rehhagel, den sie sogar Rehhakles nennen geschickt, um
einmal die Europameisterschaft im Fußball zu gewinnen? Im 19. Jahrhundert
erhielten sie sogar einen Bayern als König, auch einen Otto. Ist das gar
nichts? Reicht das noch nicht, um die allgemeine Verstrickung, die politischen
Zusammenhänge, die Globalisierung aufzuzeigen? Und was ist jetzt? Die
Griechischen Massen, deren seriöse Presse, regt sich furchtbar auf über ein
Titelblatt des ebenso seriösen „Focus“, das die Venus von Milo mit dem
Stinkefinger zeigt. Deshalb macht man in Griechenland auch so eine Zeitung, auf
der die „Goldelse“ nehme ich an, auf der Siegessäule in Berlin, ein Hakenkreuz
hochhält. Auch will man jetzt Reparationen für die Ruinen, die die Deutschen im
letzten Krieg in Griechenland hinterließen. Man hat es als Kalauer im
Bayerischen Fernsehen gebracht, dass darunter nicht die Ruinen der Akropolis
von Athen fallen. Also was soll es! Eines ist sicher: Die kleinen Leute werden,
in welchem Land auch immer, die Zeche jeder Krise, eines jeden Kriegs und jedes
Verbrechens zahlen. Da bekommen unsere Hartzer weniger und auch die Griechen
weniger Drachmen. Ach so, die haben ja auch den Euro und wenn die, die
Griechen, den Bach runter gehen und andere mit, dann müssen sich unsere
Schmarotzer aber gehörig einschränken. Das wurde auch schon gesagt.
Aber wozu das ganze Theater? Da sagt
endlich einmal einer, Herr W. den Deutschen, den Europäern, der Welt, wo es
lang geht: Die Sozialisten, was durchaus als Schimpfwort zu verstehen ist,
haben doch in den vergangenen Jahren, eben mit ihrer sozialistischen Politik,
das ganze Unheil angerichtet. Und jetzt brauchen wir, sagt Herr W. einen neuen
Sozialstaat. (Heute, am 17. 2. 2010, in einem Interview, das in meiner Zeitung
abgedruckt ist). Ist da nicht ein wenig viel „sozial“ drin und noch dazu an den
falschen Stellen?
Und hat er nicht Recht? Schon fangen
die ersten Politiker aller Couleur, aber wirklich aller, ein wenig verhalten
noch, mit dem Kopf zu nicken. Die Frau Kanzlerin sagt „hhhhhmmmnm“. Beim
politischen Aschermittwoch meint sie, dass das nicht ihre Worte seien, sondern
die von Herrn W. Nur Herr Wowereit, fährt ihm eine Breitseite hin, aber schon
so, vielleicht oder auch.
Im Grunde sind diese Sozialisten an
allem schuld; an Hartz IV und was jetzt kommt. Ich habe nämlich in der heutigen
Zeitung gelesen, was allerdings „etwas ganz anderes ist“, denn da geht es
darum, dass erst durch die sozialistischen Zustände - wie opulentes Hartz IV -
Unheil entsteht. Man muss die Umstände sehen. So kann man einem katholischer
Priester, einem Jesuiten, nicht vorwerfen, er hätte an einer Schule Knaben
missbraucht. Warum schicken auch Eltern ihre Söhne dorthin? Bischof Mixa von
Augsburg hat eben gesagt, wie in der Zeitung stand, dass keineswegs das (oder
der, je nach Veranlagung) Zölibat an diesem Missbrauch schuld sei, sondern die
„sexuelle Revolution“ (wörtlich). Es würde viel mehr Missbrauch durch
verheiratete Männer, auch in der Familie geschehen, als etwa durch Jesuiten.
Experten hätten auch gesagt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Zölibat und
Pädophilie gebe. Ja wenn das so ist? Im Grunde sind das natürlich wieder die
Sozis, die durch ihre Freizügigkeit, Wohngemeinschaften, Oswald Kolle, selbst
dem gläubigsten Jesuiten, etwas zu schaffen machen.
Ich denke, dass bald bei einigen Leuten
das verhaltene Kopfnicken einsetzt. Hat er denn nicht Recht, der Bischof? Der Jesuitenorden
weist bereits eine generelle Entschädigung zurück. Ist ja auch richtig so.
Diese vielleicht jetzt schon älteren Knaben sollten doch einen Einzelnachweis
erbringen, wie oft, wann, wo? Dann kann man vielleicht entschädigen. Für einen
Tag im Konzentrationslager hat es, nach dem Krieg auch eine Entschädigung von
fünf Reichsmark gegeben. Nachher.
„Aber das ist doch geschmacklos,
ungeheuer, den Missbrauch einiger Knaben, eine sexuelle Abnormität, mit dem
Konzentrationslager zu vergleichen!“ Gebe ich zu! Ich bin nur darauf gekommen,
weil dieser Bischof Mixa die Abtreibung mit dem Holocaust gleichgesetzt hat.
Die sechs Millionen durch den Holocaust Umgekommenen seien durch die
Abtreibungen längst übertroffen worden, hat der Bischof gemeint. Das hat zwar
damals, als er es sagte, eine ganz kleine Entrüstung hervorgerufen, aber was
soll das? „Wer, wann, wo?“ Ist doch alles Schnee von gestern. Wer redet noch
davon. Der Herr Bischof befasst sich ja nicht zum ersten Mal mit Themen der
unteren Region, auch Sexualität genannt. Diese Sozis, mit ihrer Revolution!
Kann ein Bischof nicht schweigen? Ein Mal wenigstens?
Vielleicht beziehe ich mich mit dem
Schweigen zu sehr auf diesen einen Bischof, denn die Kirche, das heißt die
Bischöfe, können bzw. kann durchaus schweigen. Lange Zeit hörte man kein
Sterbenswörtchen zu Jesuiten, Knaben, Internaten, anderen Orden und Schulen
usw. Man wollte erst die Bischofskonferenz abwarten, hieß es. Nun hat der neue
Obersthirte Zollitsch gesprochen, aber auch so donnernd, dass ich glaubte, es
wäre der Mixa. Er hat um Verzeihung gebeten – ich nehme an um die der früheren
Opfer und gleichzeitig hat er gesagt, dass das Zölibat nicht daran schuld ist
und, dass man ja ganz überrascht sei; so in etwa.
Wahrscheinlich hat der Erzbischof zum
ersten Mal von so einer Sache gehört. Wer kümmert sich auch um den Schnee von
gestern, der längst vergessen ist, wie der Umstand, dass der Kardinal von Wien,
Groër, bevor er dieses hohe Amt 1988 bekam, ein etwas niedrigeres an einem
Knabeninternat in Hollabrunn bekleidete. Dass er später, als man ihn bereits in
die Verbannung in ein Kloster geschickt hatte, die Menschen um Verzeihung bat,
war wohl das Menschlichste an der Sache. Die Justiz hat sich dafür nicht
interessiert. Man hat es sich nicht einmal gerichtet, wie man in Österreich
sagt.
Nun bei uns ist ja nahezu eine Lawine
abgegangen: Eine Knabenschule, ein Jesuitenkolleg nach dem andern, auch das
Kloster Ettal, konnte mit solchen Ereignissen aufwarten. Eine gewiss neutrale
Person, Rechtsanwältin und Frau, ist mit der Untersuchung beauftragt. Und
außerdem hat sich unsere Justizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
über den Erzbischof aufgeregt, dass er die Justiz nicht genug mit der
Strafverfolgung der Knabendelikte (heißt das Delikte von oder an den Knaben?)
beauftragte. Der Erzbischof hat zurückgebissen und ein Ultimatum gestellt und
jetzt ist wieder eitel Sonnenschein. Worum ging es eigentlich? Ach so, die
Knaben.
Ich kann da nicht aufhören. Nicht weil
mir dieses Thema gefällt, im Gegenteil. Denn es gehört zu meinem Generalthema –
was man noch sehen wird – wenn man über Genetik usw. sprechen muss. Es ist, was
mich fast geschockt hat, dass, als es auch die tapferen Bayern mit ihrem
Kloster Ettal und den Abt, früher selbst Internatszögling, der von nichts
wusste, erwischt hat und er gehen musste, dass die Eltern der Internatskinder
für ein Bleiben des Abts waren. Jetzt wüsste man doch Bescheid.
Ich will zwei Anekdötchen bringen, weil
ich es nicht lassen kann: Die erste hat was mit Geschmack zu tun. Der Gauleiter
von Würzburg, im Dritten Reich, hat seinen Hund Kilian, wie den Heiligen der
Franken, genannt. Gut, der Gauleiter, ungebildet. Die jetzige Justizministerin,
Frau L.-S., hatte einen Hund, den sie „Doktor Martin Luther“ nannte und rief.
Kam in Bayern gut an. Aber was soll es. Ist halt eben so. Das zweite
Anekdötchen geht auf meine wahrscheinlich schmutzige Fantasie zurück. Als ich
nämlich mit den Mainzer Fastnachtern eine so genannte Kulturfahrt unternahm und
wir das Schloss Weißenstein in Pommersfelden besichtigten, - das war lange vor
der letzten Jesuitenaffäre - machte ich auf die zahlreichen Putten, aus Stein,
im Treppenhaus, gemalt an Decken und Wänden, aufmerksam. Alle diese Putten, die
ja als kleine Kinder, als Englein umher saßen oder schwirrten, waren Knäblein.
Alle mit kleinem, lustigen Zipfelchen, unbedeckt von einem zufällig wehenden
Tuch, direkt niedlich. Mädchen gab und gibt es in dieser Funktion nicht. Warum
nicht? Werden kleine Mädchen keine Englein?
Und nun muss ich eine erste Zäsur
machen. Diese insofern als ich täglich mit neuem „Material“ zugeschüttet werde.
Ich wollte eigentlich nur ein paar wenige Beispiele bringen, nur so aufzählen
wie im Ulysses, um ein Fundament für einen größeren Turmbau zu haben. Wie der
Turm in Babylon auf Sand, aus Steinchen und schließlich Quadern erbaut wurde,
so wollte ich mit Beispielen höher hinaus. Man sollte auch den Krach beim
Einsturz hören, wenn ich denn soweit komme.
Ich werde aber, wie ich jetzt schon weiß, wieder mit der kleinen Politik
weitermachen müssen, um später wenigstens etwas wissenschaftlicher werden zu
können, wozu sich Politik nicht eignet, auch wenn es Politikwissenschaft geben
soll wie es auch Religionen gibt.
*
* *
Jetzt ist der 20. Februar 2010. Der
Katastrophenwinter hat eine Pause gemacht, weil, zu Ende sei er noch nicht,
sagt man. Es hat so um die Null Grad. Plus oder minus Null? So genau lässt sich
das nicht sagen. Was ist überhaupt Null? Bei den mathematisch so versierten
Indern, aber auch bei den Römern, gab es den Zahlenbegriff Null nicht. Später
natürlich schon, als die Inder noch keine solchen und die Römer keine mehr
waren. Aber, völlig abgeschnitten von der „zivilisierten“ Welt, kannten die
Inkas und die Mayas schon die Null als Begriff zum Rechnen. Im Vorderen Orient
und während der friedlichen Ausbreitung des Islam, auch in Europa, begannen die
Araber die Null zu gebrauchen. Wahrscheinlich, wenn sie in ihren Bazaren die
Leute beschissen und ihnen für Geld ein Nichts eingepackt hatten. Wir wissen doch
wie die das machen. Hingegen wir, die aufgeklärten, abendländischen Christen,
wir kämen heutzutage ohne unsere Nullen gar nicht mehr aus.
Wie komme ich jetzt auf Nullen, wo ich
doch mit dem Winter begonnen hatte? Ach so, weiße Weihnachten. Wieder nicht gewesen,
obwohl man doch einen gewissen Anspruch darauf zu haben scheint. Weihnachten
ist eine Realität in unserem wirtschaftlichen und kulturellen Gefüge, wie eben
die Null. Nur Gottlose können sich über Weihnachten hinwegsetzen.
So ist etwa im Herbst des letzten
Jahres ein Deal mit einer Luftnummer geplatzt. Da haben doch die Amerikaner im
Zug der Finanz- und Wirtschaftskrise so getan, als wollten sie das ihnen
gehörende Opelimperium von General Motors so einfach verkaufen. Alles hat
gehofft, besonders die Arbeiter in Rüsselsheim und sonst wo, weil, da würden
sie zwar auch gefeuert, bei einem Verkauf, aber eben anders. Da sagten die
Amerikaner: Nix und No. Wir behalten. Und da sagte der Deutsche
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, „dass die Amerikaner so was machen,
so mit den Deutschen Arbeitern umgehen, ausgerechnet vor Weihnachten.“ Da kann
man sehen wie ein deutscher Minister kompetent und bürgernah, mit einem
wirtschaftlichen Problem umgeht. Hätten die Amerikaner ihren Entschluss nicht
ein andermal mitteilen können, nicht ausgerechnet vor Weihnachten? Am
Karfreitag etwa, wo doch schon einiges den Bach hinunter gegangen ist. Ich
weiß, dass man nicht so pietätlos spricht, wo es um das Heiligste geht. Na ja.
Noch so eine kleine Entgleisung ist meines Erachtens dem besagten Minister
Brüderle passiert: Um seine tiefe Verbundenheit mit seinem Ministerkollegen
Schäuble zu zeigen, sagte er in etwa, was ich im Fernsehen sah: „Wir sind sehr
miteinander verbunden, auch wenn ich, der Ältere stehen muss und er darf
sitzen“. Er stand da neben dem im Rollstuhl sitzenden Schäuble. Ohne dass ich
jetzt meinerseits eine mächtige Sympathie für Herrn Schäuble aufbauen möchte,
muss ich doch sagen, dass ich auf diesen geschmacklosen Witz nicht gekommen
wäre. Wieso Witz? Der Herr Minister ist weder witzig noch ist er geschmack-
oder pietätlos. Er ist nur dumm.
Warum komme ich nur weitschweifend auf
einen Minister? Nun, ich möchte einfach zur Kenntnis bringen, dass man zu den
beiden Äußerungen dieses Herrn, über Weihnachten und Herrn Schäuble, dann
nichts mehr hörte. Der Wirtschaftsminister, der sich, nach Angaben in unserer
Zeitung, im Land eher in den Wirtschaften als in der Wirtschaft auskennt, wurde
in dieser Sache nicht mehr zitiert. Hier greift also das Prinzip „wer und wann
und das Vergessen“. Bei hochgestellten Peinlichkeiten – gibt es so was? – macht
man rasch „Schwamm drüber“. Und wer soll das gesagt haben und wann? Ein
Minister und welcher? Unmöglich. Außerdem hatte ich von einer Null gesprochen.
Aber, weil wir gerade bei den Ministern
sind, lasst mich oben anfangen: Bei der Kanzlerin. Es wäre wahrscheinlich
unfein, auch wenn es in Bezug auf die Politik diesen Begriff kaum gibt, jetzt
auf die arme Frau einzuschlagen, weil sie wenig Fortune zeigt. Das hatte sie
schon immer, keine Fortune, jedoch fiel es nicht so auf. Im Aschermittwoch der
Kabarettisten im Bayerischen Fernsehen sagte einer der Akteure: „Was kommt
schon heraus, wenn sich eine geschiedene, evangelische Pfarrerstochter aus der
Uckermark [oder Mecklenburg-Vorpommern] mit einem schwulen Rheinländer aus der
Nähe von Bonn und einem Bigamisten aus München zusammentut?“ Auf diesen Punkt,
zu dem noch der schon öfters genannte Herr W. und Herr Seehofer hinzukamen,
möchte ich es nicht bringen. Auch das halte ich für unfein. Aber, wie ist das
denn mit der großen Politik und der Wahrhaftigkeit? Wahrhaftigkeit? Dieser
Begriff kam bis jetzt nicht vor und ich denke, man sollte ihn, wie es so schön
heißt, auch außen vor lassen. Doch nehmen wir einmal an, wie es ja passierte:
Die Bundeskanzlerin stößt dem Chinesischen Staatspräsidenten wegen der
Menschenrechte in seinem Land und wegen der Tibetfrage, die für diesen gar
keine ist, so richtig Bescheid. Also, da ist der große Chinese schon so sauer
und vielleicht ängstlich, weil er noch gar nicht weiß wie sehr er von ihr wegen
der Wichtigkeit seines Landes als Handelspartner gelobt werden wird. Da lächelt
er dann, aus dem Land desselben. Und Siemens bekommt einen Großauftrag für den
Bau einer Transrapidbahn vom Einstieg Hauptbahnhof von Shanghai zum Flughafen
Franz-Josef-Strauss, einschließlich Transfer. Wenn mir da auch einiges
durcheinander geraten sein sollte, Siemens, Shanghai und Transrapid stimmen
schon, nur fehlt der Kommentar von Herrn Stoiber. Da kann man natürlich nicht
sofort wieder auf die Menschenrechte pochen, weil dann viele chinesische
Arbeitplätze verloren gingen, und die Menschen – die Chinesen zählen nach
Milliarden – von Hartz IV leben müssten, was Herrn W., der ja jetzt neben allem
auch dafür zuständig ist, sehr erzürnen müsste. Und was ist mit unseren
Milchbauern, weil doch die Chinesen damals, ihr wisst schon. Ach so, fällt
nicht nur unter „wer, wann und vergessen“ sondern obendrein unter dreiste
Ausrede und Lüge. Ja dann.
Da wäre noch die Sache mit dem Dalai
Lama. Ihn empfängt die Kanzlerin, zwar nicht in ihrem Regierungssitz, sondern
woanders, weil sonst wahrscheinlich eine chinesische Bombe fällig wäre. Aber
warum sollte sie nicht? Arbeitsplätze in China hin oder her, hier geht es um Menschenrechte!
Außerdem kann man sagen, „ich habe ja, und vor allem, weil es sowieso, das
sollte man bedenken“. Und da lächelt der Chinese, weil el diesel Splache nicht
mächtig ist. Schließlich hat auch der Herr Ministerpräsident Roland Koch den
Dalai Lama empfangen, zumal dieser sein persönlicher Freund ist. Allerdings
macht mir dieser Umstand, Freund von Roland Koch zu sein, den Dalai Lama
keineswegs sympathisch.
Wir kommen da noch später drauf, mit
welchem Recht und warum sich China vor Jahrzehnten Tibet einverleibt hat. Und
betrifft das nicht auch Menschenrechte, wenn in Tibet eine Frau mehrere Männer
haben muss, so wie die Moslems, der Bin Laden zum Beispiel, mehrere Frauen
haben dürfen? Wäre dies keine Unterdrückung der Frauen, die Polyandrie, die Polygamie?
Also hier sollte man schon unterscheiden, weil wir ja wissen, dass dies etwas
ganz anderes ist. Bei uns eben, werden die Frauen unterdrückt, weil sie kein Öl
haben, wie bei den Saudis und in Tibet müssen sie sogar mehrere Männer haben,
weil es dort überhaupt kein Öl gibt. Und haben nicht bei uns auch viele Frauen
oft viele Männer, am Tag und bei Nacht, wofür die Männer dankbar sind und dafür
zahlen. Bei den Saudis ginge das nun wieder nicht, zumal bei denen
Eigenschaften mit denen man bei uns Außenminister werden kann, mit dem Tode
bestraft werden.
Also da ist, war ja wieder, sehr viel
„was anderes“, und ist durcheinander gebracht worden. Und überhaupt gelten die
Menschenrechte auf der ganzen Welt, sofern ihnen nicht wirtschaftliche
Interessen entgegenstehen. Und die Kulturkreise! Ja, ja, haben wir noch gar
nicht bedacht!
Menschenrechte, Menschenrechte; gibt es
auch Tierrechte? Was soll jetzt das wieder? Natürlich gibt es auch Tierrechte,
so wie es sogar Pflanzenrechte gibt. Auch da erscheinen natürlich die
Kulturkreise wichtig. Nehmen wir die Pflanzenrechte vorweg: Es gibt gesetzlich
geschützte Pflanzen wie Edelweiß, Frauenschuh und andere Orchideen, die man
nicht einfach so abrupfen darf. Höchstens, wenn es keiner sieht. Auch den
Enzian darf man nicht und doch abrupfen, je nachdem um welche Art es sich
handelt und wo das ist. Wenn der Enzian dummerweise auf einer Almwiese blüht,
in Massen, und dort seit Jahrhunderten abgemäht wurde, dann ist das seine
Sache, wenn er wieder abgemäht wird. Wenn man die letzten Exemplare einer
Pflanzenart bei uns ausrupft, dann ist das ein Frevel, weil die Art bei uns
ausgestorben ist, auch wenn sie in Asien noch massenhaft vorkommt. Wenn man
aber die letzten Exemplare einer Art, die es sonst nirgends mehr auf der Welt gibt
abrupft, dann ist dies ein ungeheuerer Frevel.
Je nach TV-Sender oder Partei, ob nun
öko- oder industriefreundlich, je nach Wissenschaftsinstitut, sterben täglich
bis jährlich soundso viele Arten auf der Welt aus. Ist ja schade. Auch wenn
immer wieder neue Arten entdeckt werden, die vielleicht erst entstanden sind,
was hin ist, ist hin. Und ist es nicht so, dass die Wüsten immer größer werden?
Da wollen wir aber gar nicht untersuchen warum, denn es könnte ganz
Erstaunliches herauskommen.
Und im Tierreich gar: Die armen, süßen
Dinos gibt es nur noch in den Jurassic Parks, das Mammut, der Höhlenbär, der
Säbelzahntiger sind über die Wupper gegangen. Öde und leblos unsere Wälder und
Auen. Na ja, ein paar Rehe gibt es noch, die allerdings im Winter die Triebe
verbeißen. Ein Wunder, wenn die Jäger ihre Abschussquote nicht erfüllen! Doch
man muss die bedrohten Tiere schützen. Den Tiger in Bengalen und auf Sumatra,
in Sibirien wieder heimisch machen und halten.
Die Elefanten in Afrika muss man: Was muss man da? Seit man zu ihrem
Schutz den Elfenbeinhandel unterbunden hat, zertrampeln sie ganze Farmen. Da
muss man sie doch abschießen. Schließlich ist das das Land der Menschen, die
dort leben. Ach so.
Aber gerade was die Menschen betrifft,
ist doch der Mensch ein Teil des Ökosystems. Und ob der Mensch durch seine
Industrialisierung das Klima ändert, oder ob er nichts gegen die Austrocknung
des Tschadsees und nichts gegen die Versteppung Afrikas unternimmt, stets ist
die Folge eine ungeheuere Trockenheit. Nun wandern große Elefantenherden quer
durch den Kontinent auf der Suche nach Wasser. Viele Tiere, ganz junge und ganz
alte, sterben auf diesen Märschen. So wird das Wachstum der Elefantenpopulation
wenigstens teilweise geregelt.
Ja was soll das Gejammer um die Elefanten?
Die Mammuts sind auch ausgestorben und die Welt ist nicht untergegangen. Sollen
wir den Elefanten Wassertöpfchen hinstellen? Wir haben für die Menschen schon
nicht genug Wasser. In Darfur zum Beispiel, wo wir Brunnen für sauberes Wasser
graben müssten, wenn kein Krieg dort wäre. Übrigens: Vor zwei Tagen war im
Internet zu lesen, dass die Rebellen in Darfur, die jetzt leider in drei
Provinzen geteilt sind, mit der Regierung des Sudan über einen Waffenstillstand
verhandeln. Vielleicht gibt das sauberes Wasser für Darfur und indirekt eine
Rettung für die Elefanten. Aber was haben wir mit Darfur zu tun? Längst
vergessen; außerdem haben wir unsere Pflichtentrüstung bereits absolviert.
Bleiben wir in Afrika, am Horn
desselben und der Umgebung. Ist es nicht furchtbar und eine Dreistigkeit, dass
Rebellen, eben so Neger, an der Küste Somalias, einfach Schiffe überfallen,
kapern und erst gegen Lösegeld wieder herausgeben wollen. Unsere Schiffe! Nun
gut. Da wäre jetzt ein ganzer Band über Somalia, Äthiopien, den Islam und mehr
zu schreiben. Aber nur so viel zu den Schiffen, der Küste und den Menschen: Die
Schiffe fuhren entlang der Küste auf den kürzesten Wegen. Große Schiffe mit
mächtigen Maschinen und Schrauben. Die Somalischen Fischer aber fuhren dort hinaus
aufs Meer und fingen immer weniger Fische, die die Hauptnahrung für die
Menschen waren. Schließlich fingen sie gar nichts mehr, die Fischer. Da
überlegten sie, wurden flexibel, um nicht Hartz IV in Anspruch nehmen zu
müssen, nahmen sie jeden Job an, der sich ihnen bot und wurden Piraten. Sie
konnten, trotz der Kriegsschiffe der reichen Staaten, die zum Schutz der Tanker
und Frachter dort patrouillierten, das ein und andere Schiff kapern usw. Was
machen dann die cleveren Mächte? Sie umfahren die Küsten sehr weiträumig, wohin
die Piraten nicht mehr kommen. Doch obwohl die Piraten jetzt das Nachsehen
haben und man ihnen die neuen Arbeitsplätze wegnahm, können sie ihrem alten
Beruf, dem des Fischers, wieder nachgehen. Die Fischbestände haben sich, seit
die großen Schiffe dort nicht mehr fahren, wieder erholt. Das ist angewandte
Ökologie in Krisenzeiten.
Und wenn wir zurückgehen, nach Europa,
nach Bayern, wie ist es da? Da hatte man früher das Königshaus, um dem edlen
Weidwerk zu huldigen, die kapitalen Hirsche abzuschießen und auch einmal eine
Gämse (neue Rechtschreibung von Gemse). Bären gab s ja schon lange nicht mehr.
Die kapitalen Hirsche und sogar Bären, konnte sich, seit es das Königshaus
nicht mehr gibt, nur noch das Kapital leisten, indem es etwa in Jugoslawien,
das es jetzt auch nicht mehr gibt, dieselbigen abschoss.
Nun kam aber, wahrscheinlich aus Tirol,
vielleicht sogar aus Italien, jedoch nicht gesponsert vom Papst, ein Bär
herangetrabt. Er hieß Bruno. Das allein macht einen Zusammenhang mit dem Papst
unwahrscheinlich, schon wegen des namensgleichen Giordanos. Also doch Tirol und
Österreich. Nur hatte dieser Bär einen Haken: Er war kein normaler Bär, so mit
Knopf im Ohr und kuschelig, sondern ein Problembär. Das haben selbst der
Ministerpräsident und sein Umweltminister so gesehen, zumal Bruno Schafe riss,
wenn auch nicht das Lamm Gottes, aber immerhin. Und, weil aus Österreich schon
mal einer kam und von Bayern aus dann großen Schaden im Reich anrichtete, hat
man gesagt: Nichts mit fangen, einsperren und Festungshaft, weil es nichts
hilft, sondern gleich erschießen. Das hat man dann gemacht.
Aber das ist doch wieder was ganz
anderes. Was soll der Artenschutz bei uns? Was sagen die Schafzüchter dazu?
Jetzt gibt es endlich Schafskäse aus Schafmilch, was die Quote der Milchbauern
(sic!) nicht beeinträchtigt und da kann man einen Bären nicht einfach so
hineinhauen lassen. Und wenn der Bär unsere Kinder angreift? Die Kinder haben
ein Recht im Waldkindergarten zu spielen, auch wenn das Zoff mit den Jagdpächtern
gibt, was man im Fernsehen ausführlich zeigte. Sie verscheuchen das Wild, aber
wahrscheinlich keinen Bären. Da muss man eben abwägen: Kinder, Bär, Schafe,
Jagdpächter. Irgendeiner muss auf der Strecke bleiben. Wer hat die geringste
Lobby? Der Bär!
Wie man also sieht, scheint doch alles
verstrickt und noch dazu auf verschiedenen Ebenen. Die Staaten, deren Menschen,
vielleicht auf einer horizontalen Ebene. Geht man in Hintergründe, Ökologie,
Kulturkreise, Tier- und Pflanzenreich, werden vertikale Zusammenhänge sichtbar.
So käme man, um nicht noch weiterzugehen, schon vom Hundertsten ins Tausendste.
Und dennoch gibt es da noch was, das noch gar nicht angesprochen wurde, aber
bedacht werden muss.
Wenn schon alles verstrickt sein soll,
wer strickte die erste Masche, woher kam der Faden? Endlich hat er sich
verraten, wird man sagen. Jetzt haben wir ihn! Triumph, Triumph, er ist in die
eigene Falle getappt! Wer war es denn? Ganz einfach: Gott.
Aber welcher? Ja, das ist doch noch
einfacher, unserer natürlich. Wer sagt das? Wir natürlich. Wer sind wir? Diese
Frage habe ich in dem Essay „Nur Mensch, nur Kreatur“ bereits auf den ersten
Seiten gestellt.
Um nicht wieder beim Urknall
anzufangen, will ich dies bei Gott und den Menschen und ihren Vorfahren tun.
Die Menschen hat also Gott erschaffen. So? Wann? Sagen wir vor so einigen
tausend Jahren, etwas mehr als sechstausend. Steht doch in der Bibel, in der
Genesis. Genesis muss also etwas mit Erschaffung, mit Gen zu tun haben. „Jetzt kommt
der wieder mit seinen Genen“, wird man sagen. Wir wissen das längst, zur
Genüge. Seit Jahrhunderten schon, steckt das in unserer Sprache. Gen, Gender, das Geschlecht, im Englischen, Gene, General, Genossen, genial. Also das ist doch albern,
Wortgeblödel, wo man doch alles jetzt so genau kennt.
Ja wenn das so ist, dass man alles so
genau kennt, warum hat man dann den alten Mann, den lieben Gott, noch bis in
unser Jahrhundert mit Lehm herumbatzen lassen, um nur einen einzigen Mann, den
Adam zu machen, die Frau, Eva, dann aus dessen Rippe? Nach einer anderen
Version (so wie es bei Computer-Programmen verschiedene Versionen gibt), hat
er, der alte Mann, sogar weiter mit Lehm, diesmal an der Eva selbst, herumgebatzt.
Das alles hat doch ER, nach dessen Ebenbild wir sind, nicht aus Jux und
Tollerei gemacht. In USA, und nicht nur dort, will man daher aus den
Schulbüchern und aus den Schulen, die Sache da, mit den Genen und mit dem Affen
Darwin, wenn nicht ganz verbannen, so doch mindestens und allenfalls neben dem
Biblischen Wort bestehen lassen.
„Aber das ist doch etwas ganz anderes“,
wird man sagen. Warum soll der Mensch neben seiner Erkenntnis, nicht auch noch
Platz für den Glauben haben? Gut, soll er. Aber wenn Medikamente, sowieso zu
unverschämten Konditionen und nur über „faithbased“ Organisationen, an arme
Menschen in Afrika abgegeben werden, dann scheint dieses Nebeneinander von
Wissen und Glauben sehr zu stinken.
„Also das ist schon eine
Unverschämtheit, den Glauben, Gott, Medikamente und Neger, in einen Topf zu
werfen, wo sich unsere Missionare aufopferungsvoll um die Armen kümmern. Und
wenn man schon hilft, warum soll man nicht erst den Schwestern und Brüdern im
Glauben helfen?“ Und wenn schon, sage ich: Sagte nicht Jesus „dein Glaube hat
dir geholfen?“ Geht doch, hilft doch! Und außerdem ist sich jeder selbst der
Nächste. Aber ich will jetzt keine Debatte über den Glauben lostreten. Jetzt
noch nicht, zumal ich ja nur mit mir selbst debattieren kann.
Warum aber Andrea Nahles mit ihrem
Buch: „Frau, gläubig, links“ katholisch, in meinem Hirn auftaucht, kann ich
jetzt selbst nicht verstehen. Wahrscheinlich hat das mit meinem „spirituellen
Empfinden“ zu tun. Da hat nämlich, wie in der Süddeutschen Zeitung vom 11. 2.
2010 zu lesen war, ein Psychobiologe von der Universität Udine herausgefunden,
dass da im Scheitellappen des menschlichen Gehirns etwas passiert, was für ihn,
aufgrund seiner Studie „der erste Beweis, dafür ist, dass es eine Verbindung
zwischen Hirnfunktionalität und Selbsttranszendenz“ gibt. Selbsttranszendenz
sei, so wird berichtet, die Fähigkeit, über das Ich hinauszublicken und sich
als Teil des Ganzen zu sehen, so wie es in extremer Form im mystischen Erleben
geschieht. „Endlich versteht man das einmal“ hätte Emil Steinberger
wahrscheinlich dazu gesagt. Und ich, fürchte ich, werde später doch noch darauf
zurückkommen müssen.
Schon wieder ist da also einiges, was
bestimmt in den Augen einiger etwas ganz anderes ist, aufgetaucht. Was, das
kommt noch. Zunächst eben wieder zum lieben Gott und der Genesis: Fragen wir
doch einmal einen Weisen aus China, einen auch naturwissenschaftlich
gebildeten. Er wird sagen, dass das mit den Genen und den Menschen durchaus
seine Richtigkeit hat, nur das mit dem Lehm und der Genesis, ist natürlich
nicht richtig, nur ein Mythos. Ob er sagt, dass vielleicht die große Mondgöttin
die Sonne gefressen hat und dabei die Erde ausspie, weiß ich nicht. Es könnte
sein. Eine Erklärung, wie die Welt, die Erde geschaffen wurde, haben bestimmt
die Mayas, die Azteken, die Maori, die Schamanen der nomadischen Steppenvölker
in Asien, auch gehabt. Die Japaner sind sicher mit einer Erklärung zur Hand,
die vielleicht Buddha, Zen, Laotse und Ahnen, die in einem heiligen Schrein
sitzen, umfasst. Auch dem Ding mit den Genen können sie sicher einiges
abgewinnen, zumal sie ja hervorragende optische Instrumente bauen, mit denen
man sogar solche Gene, auch auf welchem Locus irgend ein Defekt sitzt, sehen
kann. Nur, das mit unserer Genesis werden sie mit einem höflichen Lächeln zur
Kenntnis nehmen, zumal wir Handelspartner sind. Alle haben also eine Erklärung
für die Genese der Welt oder irgendeiner Daseinsform, die ein wenig von der der
Genesis im1. Buch Mose abweicht. Sie werden uns oder andere deretwegen die
nicht ganz ihrer Meinung sind, kaum steinigen. Sie sind ja weder Christen noch
Mohammedaner.
Jetzt weiß ich natürlich nicht, wer der
Erste war, der auf den Trichter mit einem Gott gekommen ist. Hier fehlt es mir
an der nötigen Bildung, weil ich kein Theologe bin, schon gar kein Jesuit, ein
Abkömmling des Ignatius, Ignaz, von Loyola. Ob nun Ignaz oder ein Theo log,
weiß ich auch nicht, aber eines ist sicher: Vor dem Ersten gab es immer noch
einen, also einen Gott vorher.
So war Marduk im 3. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien noch unbekannt und stieg als „eingewanderter“ Gott über den Rang eines unbedeutenden Stadtgottes zur Hauptgottheit der babylonischen Religion und Oberhaupt des babylonischen Pantheons auf. Wir wissen das aus keilschriftlichen Aufzeichnungen. Auch erfahren wir, dass man offenbar als Gott auch Karriere machen kann und, dass es später mehrere Götter dort gab. Es gibt sogar einen Stammbaum von Marduk, bis zu seinem Sohn Nabu (das ist nicht der Naturschutzbund). Ich habe mir diesen Marduk herausgegriffen, weil es doch einige Parallelen, nicht nur zum Gott Abrahams bzw. der Mosaischen Religion gibt, sondern zu allen. Es gibt da einen Sohn, der nicht Jesus hieß, der einen Stammbaum hat, wie er im Neuen Testament vorkommt und, dass es wohl auch dort mehrere Götter gab. Letzteres geht im Alten Testament schon daraus hervor, das der alte Herr sich in seinem Ersten Gebot verbeten hat, andere Götter neben ihm zu haben.
Nun gut, ich sehe schon wie einige Theologen kopfschüttelnd sagen, dass diese Götter doch metaphorisch gemeint sind, wie Alkohol, Rauchen, Sex, Geiz und was noch alles. Und wie war das mit dem Goldenen Kalb?
Ich habe in „Nur Mensch, nur Kreatur“ schon darauf hingewiesen, dass die menschliche Kultur nicht mit einem Ereignis vor etwa sechstausend Jahren begonnen haben kann. Denn, ob nun Sumerer, die alten Ägypter, die Vorderasiatischen Völker wie Phönizier, selbst Juden, später Perser, Inder, Griechen, Römer, die Mayas, Azteken, alle sind uns bereits als Hochkulturen überliefert, als sie erstmals in Erscheinung traten. Alle müssen also Vorläufer gehabt haben, die, weil wir es nicht wissen, keineswegs „niedriger“ oder primitiver gewesen sein müssen. Denken wir an die Höhlenmalereien, vor allem in Europa, die bis um die 30 000 Jahre vor der Jetztzeit entstanden. In Amerika gab es vor Inkas und Mayas schon Kulturen, die man auf 20 000 Jahre älter schätzt.
Aber irgendwann muss doch ein Beginn der menschlichen Kultur gewesen sein, wird man fragen. Ich will dazu antworten, ohne auf die heute allgemeingültige Annahme, der Mensch kam aus Afrika, einzugehen, dass wir es nicht wissen und, dass es auch nicht entscheidend ist, wann es war und ob man überhaupt von einem Beginn der Kultur reden kann. Trotz der vielen religiösen Vorstellungen, Theorien und Dogmen wissen wir nicht wie es war, aber wir wissen bestimmt, dass es so nicht war, wie es zu glauben verlangt wird.
Vielleicht muss ich wieder einmal eine Zäsur machen, um zu demonstrieren, wo wir uns, zeitlich, in der Erdgeschichte befinden, um einen Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zu haben. Dabei müssen wir wirklich nicht mehr über ein „ob es das gegeben hat“, wie die Erdzeitalter Karbon, Perm, Jura usw. diskutieren, sondern können uns an Versteinerungen, Dinosaurierresten, an Kohle und Öl, dem Jahrmillionenerbe, das wir jetzt verprassen, orientieren. Wenn hirnvernagelte Gläubige trotzdem zweifeln, seien ihnen die Zweifel vergönnt, weil Blödheit nicht auszurotten ist.
Also gehen wir vom Urknall aus und denken uns bis heute, also in die Zeit, seit wir einen Menschen als solchen annehmen. Nach allem was ich über vorher und davor sagte, will ich, in Bezug auf Kultur, ganz willkürlich einen Pflock 50 000 Jahre vor den Sumerern einschlagen. Hier begann die Kultur oder sagen wir die Menschheit. Das sind 0.00065 Prozent der Erdgeschichte. Zur leichteren Vorstellung: Wenn man von einem Punkt in Hamburg zu einem in Berlin geht, das sind 250 Kilometer, hat man die ganze Strecke bis auf 2 Millimeter abgelaufen; erst dann ist man dort. Sollte ich mich verrechnet haben, dann tut es mir leid und es muss korrigiert werden. Es wird aber so sein, wie wenn ein Mann, der den Mond von der Erde aus beobachtet, diesen viel deutlicher sieht, wenn er auf einen Stuhl steigt. Und 50 000 Jahre der Menschheit sind außerdem 1 666 Generationen. Das ist wohl ein wenig länger als die Wurzel Jesse.
Ich will mit dieser nicht so wichtigen Rechnung weder jemand zu irgendwas bekehren noch Skeptiker belehren. Es soll nur gezeigt werden wie klein die Zeitspanne ist von der wir reden, im Vergleich zur Erdgeschichte und doch wie groß im Vergleich zu einem Menschenalter. Und noch eine Zeitspanne will ich herausheben: 500 Jahre etwa, die Zeit seit Kopernikus.
Es ist mir gleich, wenn man sagt, dass ich jetzt verrückt sei. „Jetzt bringt er Urknall, Erdzeitalter, Menschenalter, Kilometer und den Mond, wie Äpfel und Birnen durcheinander. Das ist doch alles etwas anderes“. Gewiss, das wusste ich. Deshalb will ich es entwirren, das etwas andere.
Dass es sehr sinnvoll ist wenn ich über die Sumerer oder die alten Ägypter hinaus, zeitlich zurückgehe, denke ich nicht. Also nehmen wir an die Sumerer machten sich Gedanken über die Welt. Sie waren ja nicht dumm, noch nicht einmal ungebildet und sie hatten eine Kultur in der es bereits eine Schrift gab. Sie beobachteten den Himmel, hatten Bauwerke, die nach den Sternen ausgerichtet waren, Ähnlich war es im Alten Ägypten wo man in den Pyramiden über Lichtschächte zu einer bestimmten Zeit den Stern sah, der eine heilige Bedeutung hatte. Ob zu dieser Zeit oder später, gab es in Stonehenge Bauten oder bestimmte Steinstellungen, die auf die Sonne zu genau festgelegten Zeiten gerichtet waren, oder besser: man legte die Zeit nach dem Stand des Gestirns in Bezug auf den Bau fest. Ob die Menschen danach ihre Politik oder die Saat- und Erntetermine festlegten, ist nebensächlich. Jedenfalls bestand eine keineswegs primitive Kultur. Und, was sehr bedeutend ist: Sie stellten Berechnungen aus dem Stand der Gestirne an, die sie offensichtlich genau beobachtet hatten und nach denen sie handelten. Sie erfanden keine Regeln und keine Gesetze, sondern leiteten sie sich aus ihren Beobachtungen ab. Hätte sie nicht so gehandelt und einen Bau, etwa Stonehenge ganz anderes, wie es gerade jemandem einfiel, hingestellt und dann der Sonne befohlen durch diesen oder jenen Spalt zu einem bestimmten Zeitpunkt zu scheinen, wären sie wohl mit dieser Idee auf die Nase gefallen.
Gehen wir zu Sonnen- und Mondfinsternissen. Schon Thales von Milet, der mit dem Halbkreis, soll eine Sonnenfinsternis vorausgesagt haben, die dann eintrat und einen Krieg beendete. Sonnenfinsternisse wurden im Altertum beobachtet und beschrieben. Inwieweit sie tatsächlich vorhergesagt waren, ist ungewiss. Eine Sonnenfinsternis allerdings, die bei der Kreuzigung Christi aufgetreten sein soll, lässt sich als einfache Erfindung rekonstruieren, da es, schon wegen der Festlegung des Passahfestes (Ostern) nach dem Mondstand, nicht möglich war die Sonne durch den Mond zu verdunkeln.
Nun gut. Die Menschen aller Erdteile und Kulturen beobachteten die Gestirne, die Jahreszeiten, die Klimakatastrophen mit Dürren und Überschwemmungen. Die letzteren waren ein alljährliches Geschenk durch Göttin oder Gott Nil. Es ist auch für uns heute verständlich, dass sie das was sie sahen, besonderen Mächten zuschrieben. Wie hätten sie erklären sollen, warum eine Ernte in einem Jahr durch die Dürre ausfiel, im andern bei guter Witterung überreichlich war? Wer hat die Dürre gemacht, wer das Prachtwetter?
Da gab es jedoch Schlaumeier, die wohl zunächst nicht die dümmsten waren, die Priester. Sie ernannten das, was sie sehen konnten, wie Sonne und Mond, zu Göttern und sich selbst zu ihren Dienern und Vermittlern. Vielleicht waren das diejenigen, die die Steine von Stonehenge auszurichten wussten, die genau die Sockel und Schächte der Pyramiden berechneten, aber wahrscheinlich waren es in der Mehrzahl einfach gerissene Gauner. Sie erfanden für jede Gelegenheit einen Gott, der besänftigt oder geschmiert werden musste. Sie erfanden das Opfer.
Ob man Jungfrauen, kleine Kinder, Gefangene, glücklicherweise später Tiere, die sich nicht wehren konnten, auswählte und sie tötete, hing von der Vorstellung des Kultes, der Religion, ab. Sie fraßen sich auch an den Opfergaben satt. Und jemand, der dagegen vorging oder sich wehrte und keine ausreichende Macht gegen die Priester hatte, der wurde bedroht, eingeschüchtert, verfolgt. Und das übrige Volk, dem man sagte, dass dieser oder jener schuld sei, woran auch immer, das verfolgte oder tötete ihn, den Frevler.
Man erfand schöne und schreckliche Geschichten von den Göttern. Dass sie nicht wahr sein konnten, haben wir ja schon gehört, allenfalls war die eigene Geschichte wahr. So entstand in jeder Kultur eine Religion. Wo sich Kulturen freundlich begegneten, konnte es schon mal zum Austausch von Göttern kommen. Man konnte auch zu den andern schielen und sagen, was die können, das können wir auch. Jungfrauengeburt, mehrere Götter in einer Person, Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit genannt, ein Obergott, viele Götter für viele Zuständigkeiten und noch mehr.
Kam es zu feindlicher Berührung und damit zur Furcht der einen Priesterkaste durch die andere um die Pfründe gebracht zu werden, wurde brutal verfolgt. Natürlich nur, weil man das Wahre, die Wahrheit, die eigene Religion, verteidigen wollte. Die Wahrheit, die nie eine solche war, sondern seit ihrer Erfindung eben als solche feststand. Man musste sie verteidigen und die, die etwas anderes für Wahrheit hielten, bestrafen. Ketzer, wie sie seit dem frühesten Altertum genannt wurden, die es in allen Religionen gab, wurden erschlagen oder verbrannt. Wurden Menschen, ob zu Recht oder zu Unrecht der Ketzerei bezichtigt, befragte man sie zur Wahrheit auf das Heftigste. Man nannte es Inquisition. Nicht überall natürlich, weil ich weder weiß wie dies oder auch Folter, auf Sumerisch, Ägyptisch, Griechisch, Kirgisisch, Chinesisch, Serbisch, Türkisch, Arabisch heißt, noch ob die Methoden tatsächlich vergleichbar sind.
Man hat die Methode der Folter zur Wahrheitsfindung bis in unsere Zeit beibehalten und wendet sie jetzt durchaus noch an, was natürlich etwas ganz anderes ist. Das macht allerdings die Folter oder ein feierliches Autodafe, auch durch die Anwesenheit des Königs, seit ihrer ersten Anwendung bis heute, nicht zur glorreichen Errungenschaft der Menschheit, allenfalls zu einer liebgewordenen Gewohnheit.
Schließlich gibt es noch den Krieg, den Vater aller Dinge. Er ist der Vater des Tötens, der Opfer, der Ehre, der Aufopferung, der Gerechtigkeit und des Unrechts. Obwohl er sich, seit dem ersten Mal, was keineswegs die Story von Kain und Abel ist und von der Tötung des einen durch den anderen oder ganzer Völker untereinander, bis heute nicht unterscheidet, will ich zunächst nur bis zum Beginn der so genannten Neuzeit, dem Kopernikanischen Zeitalter, gehen
Was ist eigentlich Krieg? Was ist ein gerechter, was ein ungerechter? Ich weiß, dass das alles etwas anderes ist, dass es auf das „wann, wo und wer“ ankommt. Doch sieht man in die Geschichte der Völker, der Menschheit, so ist diese in der Hauptsache durch Kriege bestimmt. Sumerer, Babylonier, Assyrer, Ägypter haben Kriege geführt, entweder um das Nachbarvolk zu unterwerfen oder, um nicht unterworfen zu werden. Die Helden der Völker sind Krieger. Gilgamesch, Ramses, Achilles, Alexander, Caesar, Karl der Große, waren Krieger. Die Chinesischen und die Mongolischen Kaiser Chinas waren Kriegsherren, die andere Reiche eroberten. Die Hunnen und die Awaren überzogen ihre Nachbarn, ganz Europa, mit Krieg. Ihre Helden waren Attila, Tamerlan, Dschingis Khan. Nachdem das aus Kriegen entstandene Römerreich zusammengebrochen war, in der Völkerwanderung, die keineswegs ein Familienausflug der Völker, sondern Krieg waren, kamen Städte wie Byzanz und Venedig an die Reihe, durch Brutalität ihren Besitz- und Machtanspruch zu wahren.
Die antiken Helden wurden, soweit sie es nicht a priori schon waren, wie die Pharaonen, zu Göttern erhoben wie Achill. Sie konnten ja aus der Geschichte, der Religion ihrer Kultur, den Göttern zusehen wie sie untereinander Krieg führten, wie sie gegen Titanen kämpften oder wie sie untereinander Krieg führende Menschen unterstützten. Apoll die Trojaner und Athena die Griechen.
Kein einziger der Helden, auch kein Siegfried der Nibelungen, keine Stadt, keine Macht, kein Gott, war eine reine „Lichtgestalt“, war anständig. Von vielen ist nur der Name übrig geblieben. Sie leben als kraftstrotzende Helden, als Schlitzohren, als Schreckensgestalten, in Sagen und Dichtung fort. Und hinterließen sie Bauwerke, die mit ihrem Namen verbunden waren, wie die Pyramiden, die Aurelianische Mauer in Rom, die Chinesische Mauer oder Dome und Kathedralen, so hatten sie nicht einen Finger gerührt, sondern Sklaven, in Kriegen gefangen oder zum Schuften verdammte Knechte, die der Macht des Klerus gehorchen mussten, abkommandiert.
Vielleicht werfe ich da wieder einiges durcheinander: Krieg, Sklaven, Gefangene, Elend, Pracht und Wohlstand für wenige. Ich fürchte aber, dass es kein einziges Beispiel gibt, bei dem ein Krieg zu rechtfertigen war, der zumindest nicht auf einen früheren Anlass oder Grund, vielleicht auch Recht und Unrecht, zurückging.
Ich will jetzt nicht damit kommen, dass seit der Antike, seit es Menschen und damit Religionen gibt, die Waffen, die Krieger, die Toten, gesegnet und verehrt wurden. Es war der Job der Priester, das zu tun. Sie waren weder Erfinder noch je Verhinderer von Kriegen. Aber wer hätte auch Kriege verhindern können?
Doch ist der Krieg eine menschliche Erfindung? Doch, ja, aber auch nein. Gehen wir in der Evolution des Lebens auf der Erde einmal zurück. Auch wenn man sagt, dass dies doch etwas ganz anderes ist und die Menschheit doch nicht mit „niedrigeren Wesen“ zu vergleichen ist, werde ich dennoch diesen Schritt tun. Wir müssen nicht zu weit zurück, nicht bis zur DNA – wen dies interessiert, der kann in „Nur Mensch, nur Kreatur“ nachlesen. Beginnen wir bei den Pflanzen: Sie kämpfen einen ewigen Kampf ums Licht und um Wasser. Gedeihen sie, wie Bäume und Büsche, geht dort, wohin sie kein Licht lassen, das Leben ein. Gewiss hat jede Pflanzenart ihre Nische erobert! Und es gibt auch Pflanzen, die machen es sich, auf Kosten anderer bequem, wie die Mistel, ein Schmarotzer.
Es sag mir jetzt keiner, die Mistel und andere wären „Das Hartz IV der Pflanzen“. Die Mistel kann und konnte sich im Laufe der Evolution nicht aussuchen, ob sie denn nicht lieber eigenständig, vom Boden aus, wachsen und gedeihen wolle, so wie der liebe Gott sie geschaffen hatte. Ihre Gene zeichnen ihr Leben vor. Das hat ja in gewissem Sinn auch ein Thilo Sarrazin gemeint, als er sagte, dass Intelligenz so vererbbar sei, wie auch weniger Intelligenz. Ich will jetzt, mitten im Dschungel mit den Pflanzen, keine Debatte darüber losbrechen. Ich komme aber noch darauf zurück, weil es ja auch um Krieg, einen sozialen, geht.
Also gehen wir ins Tierreich. Vielleicht kann man einen Hund mit Reissuppe ernähren. Er ist domestiziert und fällt nicht gleich sein Herrchen an, um ihm ein Stück Fleisch aus der Wade zu beißen, nur um seinen Eiweißbedarf zu decken. Aber Eiweiß braucht er, sonst geht auch ein Hund ein. Eiweiß braucht übrigens auch ein Vegetarier, ein Veganer. Gut, man behilft sich mit pflanzlichem Eiweiß. Ein Wildhund, ein Dingo, wird aber nicht anders leben können, als sich seinen Eiweißbedarf über die Hetze und den Verzehr von Hasen oder Mäusen, auch Rehen und anderem Getier, das ihn nicht selbst frisst, zu besorgen. Vielleicht sind mehrere Dingos so schlau, sich zusammen zu tun, einen Haufen von Kriegern zu bilden, um erfolgreicher auf die Jagd zu gehen. Außerdem wird man einen Dingo, dem man keine Reissuppe hinstellt und nichts anderes zu fressen gibt, durch kein noch so lautes „pfui“ von der Jagd abhalten können.
Wie ist es mit Löwen? Sie fressen nur Fleisch, die Herren lassen die Damen jagen und bedienen sich dann als erste. Wenn die Löwinnen eine Gazelle gerissen haben, wird diese, die Beute, entweder zum Löwen geschleppt oder dieser kommt. Etwas Merkwürdiges passiert nicht: Wenn die Löwinnen eine Gazelle gerissen haben, lassen sie diese nicht mal ein wenig liegen und jagen, bis sie einen Haufen zusammen haben, sozusagen auf Vorrat. Nein, sie fressen alle, der ganze Clan, wenn auch nach einer Rangordnung, bis sie satt sind, oft auch mit Pausen, in denen sie Geier und Hyänen verscheuchen. Letztere hatten vielleicht sogar vor den Löwinnen die Beute gerissen, die ihnen aber dann abgenommen wurde.
Doch ist das Krieg? Krieg zwischen Gazellen und Löwen, eventuell unter Einbeziehung der verbündeten Hyänen? Zum Krieg gehören doch mindestens zwei Parteien, die einen und ihr Gegner. Aber ist die Gazelle der Gegner des Löwen? Wie hat dieser ihr den Krieg erklärt und welche Waffen hatte sie zurückzuschlagen?
Gehen wir zu unseren nächsten Verwandten im Tierreich, zu den Affen. Sie gebrauchen schon Werkzeuge, um an Nahrung zu kommen. Sie sind bei der Nahrungsbeschaffung nicht zimperlich und die größeren Arten, wie Schimpansen oder Paviane, fressen schon einmal kleinere, manchmal sogar Artgenossen. Das Verspeisen von Artgenossen soll es ja auch bei den Menschen in Afrika gegeben haben und soll es, abhängig von Lebensumständen überall noch geben. Man nennt das schlicht Kannibalismus.
Nun mehr oder weniger grauslich, und soweit eine andere Spezies gefressen wird auch verständlich. Der Mensch isst ja auch Rind oder Schwein, je nach Moslem oder Inder, wenn er beides nicht ist, isst er beide. Ich weiß, dass es auch Inder gibt, die Rindfleisch essen, aber nicht von der Heiligen Kuh.
Natürlich ist das alles Quatsch, das Fressen der Tiere und von Tieren. Und überhaupt ist das etwas anderes ob ich ein Tier esse, oder Krieg führe. Eine Verbindung zwischen beidem gab es zwar im Zweiten Weltkrieg, im Russlandfeldzug, als das Fleisch der zerfetzten und dann gefroren, im Graben liegen gebliebenen Pferde, sehr begehrt war. Doch wir sind ja Menschen und unsere übliche Nahrungsbeschaffung basiert nicht auf Kriegen und nicht auf Instinkten oder anerzogenen Verhaltensweisen! Das hört sich zwar gut an, jedoch ist es haargenau so.
Das Pferd von hinten aufgezäumt: Ob ich Schweine-, Rind-, Hunde-, Straussen-, Wal- oder Schlangenfleisch esse, hängt von meiner Kulturzugehörigkeit ab. Ob ich als Staatsmann trachte beim Nachbarn die Getreidevorräte zu plündern, hängt davon ab, wie stark der Nachbar und seine Verbündeten sind und ob es mir möglich ist, durch Handel daran zu kommen. Notfalls verhungert eben, unter Wahrung meiner persönlichen Existenz, mein Volk, kann ein Herrscher sagen. Obwohl das alles auch heute noch gilt, wollen wir uns auf die Zeit bis Kopernikus beschränken. Bis dahin konnte man wenigstens, unter Hinweis auf Gott oder die Götter, auf den Glauben, den Bedarf an Sklaven oder an Beutegut, dem Krieg eine gewisse Natürlichkeit oder Unvermeidlichkeit nachsagen. Man kann sagen, dass die Menschen nur ihren natürlichen Instinkten, ihren genetischen Determinationen folgten. Aber es war leider, wie schon gesagt, nicht nur damals so.
Aber was hat das mit den Instinkten oder gar mit der Genetik zu tun? Schließlich sind wir Menschen und man kann uns noch nicht einmal mit den so genannten nächsten Verwandten, den Affen vergleichen. Doch, man kann. Wir wissen ja, dass keine Spezies, angefangen von Einzellern (was sogar noch weiter zurückgeht) ihr Erbgut ab der ersten Aminosäure selbst aufgebaut, neu konstruiert hat. Schon in „Erbgut“ steckt das Erbe. Das heißt, jede Eigenschaft wird innerhalb einer Art von Generation zu Generation weitergegeben. Entsteht durch Mutation eine neue Spezies, eine neue Art, so ist zwar die Fortpflanzung mit der frühere, verwanden Art, aus der vielleicht sogar die neue hervorging, nicht mehr möglich. Die neue Art hat aber von früher, grob geschätzt, 98 bis 99 Prozent des Erbguts, der früheren. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Anlage, der Aufbau, die Ausreifung und Funktion einer Niere oder des Darms schon festgelegt oder „bekannt“ ist.
Ebenso ist klar, dass man die auch genetisch determinierten vegetativen Funktionen wie Hungergefühl, Durst, Aggressivität, Jagd- und Streitlust, nicht erst lernen muss. Man muss in der Wildnis kein Kalb lehren von der Mutter zu trinken. Man muss keinen Löwen lehren, rohes Fleisch zu fressen. Aber jede dieser Eigenschaften wurde auf uns übertragen, so wie wohl die notwendigste und arterhaltende, die Sexualität.
Diese ist angelegt, determiniert, von frühester Jugend, bis ins hohe Alter, auch wenn, ebenfalls genetisch festgelegt, die Möglichkeit und der Zwang zur Fortpflanzung erst später, mit der Pubertät, einsetzen. Denn wir sind nicht die Schöpfung ab ovo, vor der nichts war, nicht die erstmals mit der Gnade der Liebe oder einfach dem brutalen Zwang zur Arterhaltung konfrontierten Spezies. Mit dem Zwang zur Arterhaltung ist jedes Lebewesen, schon ab Aminosäure und Einzellern ausgestattet oder begnadet, wie ebenso mit dem Untergang des Individuums durch Apoptose und Tod. Die Lust, die durch die Einwirkung von Hormonen bei Mensch und Tier, quasi als Belohnung für die Fortpflanzung erzeugt wird, ist so vorgegeben wie die Entwicklung farbenprächtiger Blüten und Düfte durch Pflanzen, die auf die Bestäubung durch Insekten warten.
Weil das so ist, ist auch die Sehnsucht mancher Menschen nach Unsterblichkeit verständlich, zumal ihnen dies von den meisten Religionen, wenn auch in einem Jenseits, versprochen wird.
Wenn wir den uns vorgegebenen Abschnitt der Menschheitsgeschichte bis Kopernikus ansehen, so ist er, wie schon gesagt, gekennzeichnet durch Kriege und Elend, durch die Pest und Hungersnöte. Kann man der Menschheit, die, wie ich meine unter einem biologischen Zwang stand, nur deshalb, weil dies bis dahin schon immer so war, seit dem Trojanischen Krieg und den Kriegen davor, bis zum Ende des so genannten Mittelalters (später natürlich auch), dafür einen Vorwurf machen? Es war (und ist) der Ablauf von Fressen und Fortpflanzen. Ob man trotzdem, und auf welche Weise, Paläste, Pyramiden, Dome baute, ist mehr als zweitrangig. Dass die Menschheit durch die Triebe gesteuert wurde, und dass Religionen mit Hekatomben von Priestern, den Ablauf des Weltgeschehens, ob bewusst, konform mit ihrem Glauben oder unbewusst, beeinflussten, ist wahrscheinlich. Dies umso mehr, als sich Religionen und Priester den politischen, geografischen und anderen Gegebenheiten anpassten. Daher rührt auch, dass immer der Stärkere, was oft der Gottesstaat selbst war, oder der von Gott auserwählte, siegte. Wäre sonst er oder sein Gott nicht der Stärkere? Für die Priester war das selbstverständlich, auch wenn es ein Zirkelschluss war. Und war ein Idol, ein Gott, scheinbar unterlegen, auf welche Weise auch immer, wie etwa beim Kreuzestod Christi, so zeigte sich schon dadurch, dass dieser den Tod besiegte, auferstand, seine Stärke und Macht.
Ich will letzteres, besonders das Beispiel nicht ausspinnen, weil es ja eine Diskussion ohne Substanz, nur auf Behauptung und Annahme gegründet, wäre.
Wenn in Europa – was auf der ganzen Welt für alle Religionen schlechthin gilt – die Päpste, die Stellvertreter Christi, nicht selbst eigene Truppen hielten und letztlich als weltliche Feudalherren auch einsetzten, hetzten sie durch entsprechende Bündnisse Länder und Völker aufeinander. Diese führten dann im Interesse der Päpste die Kriege gegeneinander. Dies war der Gebrauch der Macht, die sich von Gott herleitete. Die perfideste Art von Krieg waren jedoch die Kreuzzüge. Nicht wegen des Ziels, die Heiligen Stätten von Ungläubigen zu befreien, sondern wegen der seelischen Vergewaltigung Armer, die sich damit von Sünden freikaufen konnten, wenn sie sich diesen wohl so gemeinten Himmelfahrtskommandos anschlossen. Von den Kinderkreuzzügen will ich hier gar nicht reden. Jedenfalls kamen von über einer Million Menschen, die an den Kreuzzügen teilnehmen mussten, weniger als die Hälfte wieder in ihr Land zurück.
Und wie erging es den Opfern der Kreuzzüge, im Heiligen Land, auch im Nordosten unseres Landes, den slawische Wenden etwa? Die Kreuzritter handelten nach dem Motto des Bernhard von Clairvaux „Ausrottung oder Bekehrung“. Und wer sich nicht freiwillig bekehren ließ, was offensichtlich die wenigsten des Volkes der Wenden wollten, der wurde umgebracht. So wurde ein ganzes Volk ausgerottet. Zwar nicht der erste, aber doch einer größeren christlichen Genozide. Und als im ersten Kreuzzug ab 1096 Jerusalem erstürmt wurde, hat man gleich mehr als 50 000 Juden und Araber regelrecht abgeschlachtet. Übrigens hat man, weil man beim Kreuzzug von Frankreich aus an der Rhein kam, so im Vorbeigehen, gleich die Juden der dort ansässigen Gemeinden erschlagen. Ich sage daher: der Heilige Bernhard war, schon durch sein Motto und die Anstiftung zu den Kreuzzügen, ein Schwein, vielleicht ein heiliges.
„Aber um Gottes Willen [hier bringe ich Gott ganz gerne], das kann man doch nicht sagen. Ein Heiliger! Man kann doch einen Heiligen kein Schwein nennen! Der hatte doch ganz andere Motive (Motiv im Gegensatz zu Motto), der war doch nur von seinem Glauben beseelt und wollte diesen verbreiten. Und überhaupt ist das etwas ganz anderes und spielt für die heutige Zeit, weil es schon so lange her ist, gar keine Rolle mehr.“ Ich weiß das.
Was hätten die Menschen aber allgemein den Priestern, die ihnen von Göttern, von einem Gott, der sie auf ewig verdammen, sie in einer Hölle, einem Fegefeuer schmoren lassen konnte, erzählten, entgegnen sollen? Sie, die Priester waren meistens die Gebildeten, die des Schreibens Kundigen. Sie hatten einen mentalen Vorteil vor dem übrigen Volk. Und konnte ein Gelehrter aus dem Volk, ein Laie, schlicht ein Zweifler, den Priestern das Gegenteil ihrer Aussagen, ihrer ritualgeschwängerten Prophetie, beweisen? Wenn er das konnte oder nur versuchte, war er Ketzer und wurde verbrannt. Es war dabei gleichgültig, ob er andere Götter empfahl oder den Ritus des einen, der gerade en vogue war, bezweifelte.
Gut, wenn er stark war, der Laie, König oder Kaiser, konnte er dem Priester sagen wie die Religion auszusehen hat. Aber das war ein schwieriges Unterfangen wie man schon daran sieht, wie Echnaton, der den Sonnekult, die Sonne als oberster Gott, einführen wollte, gegenüber den Amonspriestern letztlich scheiterte. Doch konnte nicht ein später heilig Gesprochener seine Macht über die Religion demonstrieren? Es war der Heilige Konstantin, der Kaiser, der dem christlichen Glauben zum Sieg verholfen hat! Seine ganze Vita aus christlicher Sicht, ist mehr als eine Geschichtsklitterung. Menschlich verkörperte er alle Eigenschaften, die ich aufgeführt hatte, die man heute Sex und Crime nennen könnte. Er ließ nicht nur seine Frau, eine davon, und einen seiner Söhne (wie Löwenmännchen ihre männlichen Nachgeborenen oft auffressen) umbringen, und zudem natürlich noch vielen andere. Auch einen christlichen Bischof an seinem Hof, der ihm mit seinen Vorhaltungen über seinen Lebenswandel auf die Nerven ging, ließ er hinrichten. Doch er war der Heilige Konstantin der Große, da ist das etwas ganz anderes. Entspricht er nicht dem „Fressen und Fortpflanzen“?
Auch Karl der Große, der weder lesen noch schreiben konnte, regelte die Sitte an seinem Hof so, indem er die Damen, neben seiner angetrauten Frau, einfach Kebsweiber nannte. Kein Bischof hat ihm deshalb Vorhaltungen gemacht und ich mache sie ihm am wenigsten. Wer die Macht hat kann Sitte, Moral, ja Religion bestimmen. Das ist die nur ganz selten mögliche Umverteilung der Macht von geistlich auf weltlich. Auch Karl den Großen hat man heilig gesprochen.
Und warum handeln die Kirchen, die Religionen, die Wächter über Sitte und Moral, bei den Mächtigen und Reichen anders als sie sich den weniger Mächtigen, den Armen gegenüber verhalten? Sie handeln nach der bekannten Maxime: Wen du als Feind nicht besiegen kannst, den mache zum Freund. Richtig, so geht es auch! Der Sieger ist immer der gleiche.
Dass solches Verhalten, das man Kirchendiplomatie nennt, auch sehr schmutzig sein kann, habe ich schon in „Nur Mensch, nur Kreatur“ beschrieben. Zur Erinnerung: Als der Staufer-Kaiser Friedrich II endlich ein Kreuzzugsgelübte einlöste und in Jerusalem weilte, übergaben die Tempelritter, Anhänger des Papstes Gregor IX, dem Sultan einen Brief, in dem stand, wo er den Kaiser mit geringem Gefolge antreffen und töten könne. Den Brief schickte der Sultan dann an den Kaiser. Ob die päpstliche Denunziation geschah, weil man Friedrich nachsagte einen Harem zu haben und glaubte auf die Moral achten zu müssen? Und, weil man ihn nicht selbst besiegen konnte, trotz des eigenen Heeres, oder der Truppen, die der Papst besaß, begann man deshalb einen interreligiösen Disput? Und wenn schon. Was ist daran verwerflich?
Nun muss ich, nicht zum letzten Mal, ein wenig verschnaufen. Wollte ich nicht darlegen warum die Geschichte der Menschheit, nicht nur in Europa, bei uns, sondern eben weltweit so verlief? Gewiss, auch wenn dies ein ungeheuerer, vielleicht vermessener Anspruch ist, auch wenn ich zunächst nur bis Kopernikus gehen wollte. Denn, haben nicht Historiker von Rang die Geschichte bis ins kleinste Detail, bis auf manche entscheidende Sekunde, durchleuchtet? Aber ich habe schon gesagt in welchen zeitlichen und biologischen, evolutionsbedingten Dimensionen ich rechne. Dies ist also keine Schilderung der Ereignisse auf einer horizontalen Ebenen, einer Vernetzung, sondern der Versuch, diese ursächlich, vertikal, also „verstrickt“ zu zeichnen. Dass ich wahrscheinlich in vieler Hinsicht Fehler begangen habe und begehe, ist mir bewusst.
Doch wie geht es weiter? Die Neuzeit, die doch etwas ganz anderes ist? Was ist anders? Nichts. Die Zäsur mit Kopernikus ist zwar nicht ganz willkürlich, denn es kam ja zu umwälzenden Entdeckungen, die erstmals die Meinung der Weisen und der Schamanen, auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar machten. Es hätte zur Reformation, nicht im lutherischen Sinn, denn Luther wollte nur die Kirche, nicht das Weltbild reformieren, auf der ganzen Welt kommen müssen. Aber das war einfach unmöglich und ob es heute, im 21. Jahrhundert n. Chr. Möglich ist, muss sich erst noch zeigen.
Nur, warum konnte sich letztlich nichts ändern? Die kausal bedingte Antwort ist einfach: Weil weiterhin der Trieb zu Fressen und Fortpflanzung bestand und besteht. Was ich Trieb nenne, ist die ganze Evolution seit dem Lebensbeginn auf der Erde, nicht nur seit Beginn der Menschheit, aber auch und gerade dieser. Und was war die Antwort auf die fällige, aber nicht stattgehabte Reformation? Das Dogma, die Parteidisziplin, die durch Tradition geprägte Weltanschauung.
Natürlich waren die neuen Erkenntnisse und Entdeckungen der kopernikanischen Ära keine singulären Ereignisse, also plötzlich da und mussten nur angewandt werden. Auch sie hatten eine gewisse Tradition, es bestanden Vorkenntnisse. Kopernikus war nicht der erste, der eine Kugelgestalt der Erde annahm. Er konnte sagen dass die Sonne, nur infolge der Erdrotation auf und untergeht und dass sie der Mittelpunkt des Planetensystems, einschließlich unserer Erde ist. Dass er auch annahm, die Sonne sei der Mittelpunkt des Weltalls und dass die Planetenbahnen erst seit Kepler genauer zu berechnen waren, tut seiner Entdeckung, nicht Erfindung, keinen Abbruch.
Doch hatte sich Kopernikus nicht gescheut seine ebenfalls bedeutenden Berechnungen eines neuen Kalenders in Rom selbst vorzutragen? Dass dieser Kalender, wie auch der anderer Wissenschaftler, von Rom abgelehnt wurde, war zu erwarten. Vielleicht hatte er die schlichte Angst nur ein bisschen als Ketzer verbrannt zu werden. Dies hatte er vor allem, als es um sein Buch „De Revolutionibus Orbium Coelestium“ ging. Er wollte es nicht zur Zeit seines Entstehens, bzw. der Fertigstellung veröffentlichen, aus Angst vor der „Fachwelt“, die gläubig war, ausgelacht zu werden. Erst zu seinem Tod erschien dann das Buch, aber nicht nur, weil die Druckkosten so spät gesichert waren.
Was die Kalendermacherei des Kopernikus und anderer betraf, so führte diese letztlich zur Einführung des „Gregorianischen Kalenders“ durch Papst Gregor XIII ab 1582. Ein deutscher Jesuit, Christophorus Clavius, half dabei sehr. Die Reformation Luthers war da längst gelaufen, Luther schon lange tot.
Erstmal war die Erde berechenbar und in ihrer Bedeutung, auch den antiken Philosophen gegenüber, keine Scheibe mehr. Dass auch Kolumbus und andere Seefahrer von der Kugelgestalt der Erde ausgingen und den Seeweg ins ostwärts gelegene Indien durch ein Segeln nach Westen suchten, schon bevor Kopernikus „De Revolutionibus“ die Drehung der Erde und der Gestirne beschrieb, sagt, dass die Entdeckung sozusagen in der Luft lag.
Und es war noch zu einer anderen Entdeckung gekommen: zu der Amerikas. Dass der Name für diesen neuen Doppelkontinent von einem Seefahrer, nämlich Amerigo Vespucci kam und das die Bewohner, Menschen mit hohen Kulturen, den Namen Indianer oder Indios aus der fälschlichen Annahme des Kolumbus und anderer doch Indien erreicht zu haben stammt und sie diese deshalb so bezeichneten, ist Allgemeinwissen, zumindest für viele Europäer. Was nicht zum allgemeinen Wissen gehört, ist die Tatsache, dass damit einer der größten Genozide der Menschheitsgeschichte eingeleitet wurde. Es war nicht der erste und nicht der letzte.
Aber was soll das? Was ist geschehen, warum sich aufregen? Und wenn es schon passiert ist, ja Gott, wann war das und wer hat das wo gemacht? „Wir jedenfalls sind da nicht beteiligt gewesen. Und überhaupt ist das etwas ganz anderes, was damals passiert ist, und hat mit der heutigen Zeit nichts zu tun“. Meint man.
Nun gut, als ab 1492 die Schiffe der Spanier und Portugiesen auf den Inseln der Karibik, in Mittel- und Südamerika landeten, etwas später die der Briten, der Niederländer und der Franzosen in Nordamerika, hatte man längst die Scheibenerde seitens der Seefahrer ad acta gelegt, aber keine weitere Überlegung daran geknüpft. Man blieb in der geistigen Tradition verhaftet. Niemand hat gefragt (allenfalls Einzelne nicht öffentlich) ob denn, wenn das mit der Scheibe nicht wahr ist, alles andere, was man sich darum herum erzählt, wirklich wahr sein kann? Wenn sich schon nicht mehr die Sonne um die Erde dreht, wie ist das mit der ganzen Schöpfung?
Bleiben wir zunächst in der Historie und denken an Fressen und Fortpflanzung. Also es entstiegen den Schiffen Männer, denn Frauen waren anfangs ja nicht dabei. Die Männer trafen an Land auf Frauen und Männer, also die Indios, und – unter welchen Bedingungen, ob freiwillig oder unter Zwang, also Vergewaltigung – man vögelte. Als Andenken brachten die rückkehrenden Männer, die Seefahrer, eine gewisse Krankheit mit, die Syphilis. Man bekommt diese nicht, im Gegensatz zur Meinung frommer Klerikaler, auch Evangelikaler, wie ich aus deren eigenen Erzählungen weiß, durch Trinken aus einem schlecht gespülten Bierglas. Man holt sich die Krankheit auf natürliche Weise. Später haben sich die Indianer mit noch einer Errungenschaft „gerächt“, mit dem Tabak, den sie in der Form des Rauchens, den Eroberern schmackhaft machten.
Aber was sage ich da von „gerächt“. War es Infamie oder Absicht der indigenen Bevölkerung, ihre Krankheit, von der sie weder Ursache noch den weiteren Verlauf kannten, an der sie nicht schuld waren, als Vergeltung für die Vergewaltigung übertragen zu haben? Kann man Taten von Menschen an Menschen gegeneinander aufrechnen? Vergewaltigung gegen Ansteckung? Kann man Krankheiten, die rein geografisch von einem Volk ausgehen, nicht durch dieses Volk verschuldet sind, auch wenn sie die ganze Welt überziehen, gegen den Tod von Völkern verrechnen? Das „geschieht Euch Recht-Prinzip“, das man aus der Welt verbannen müsste, ist hier wie nirgends anwendbar. Was konnten die Indianer für ihre Entdeckung? Was hat sie ihnen gebracht und war dies ein „Segen“ für sie? Ich weiß, dass dies etwas anderes ist und werde deshalb, scheinbar blödsinnig, weil es überhaupt etwas ganz anderes ist, abschweifen und in meiner Hinterhältigkeit später darauf zurückkommen.
Weil ich mich zunächst nicht bei den Indianern festbeißen wollte, eine Frage: Was ist überhaupt ein Volk? Was ist ein Stamm, ein Clan, eine Familie? Und wieder vom Großen beginnend: Was ist Völkermord, was Krieg, was Mord und Tötung überhaupt?
Es gibt da von Gunnar Heinsohn, unter rororo-aktuell erschienen, ein Buch das heißt „Lexikon der Völkermorde“. Es ist ein schreckliches Buch, was seinen Inhalt betrifft, nicht die Art seiner Darstellung. Und als Völkermord wird in dem Buch der Mord oder der versuchte Mord an einem Volk bezeichnet, der nicht als Krieg vonstatten geht. Wäre es der Krieg, der ein ganzes Volk auslöschte, wäre es kein Völkermord. Der Autor belässt es jedoch nicht bei dieser Definition, sondern er nimmt das Vorhaben, den Plan eines Krieges, mit in den Tatbestand des Völkermordes hinein. Wenn also ein Krieg geführt wird, „nur“ um ein anderes Volk auszulöschen, wie etwa Hutu gegen Tutsi, dann ist dies Völkermord, auch wenn Kriegserklärungen erfolgen, territoriale und wirtschaftliche Gründe vorgeschoben werden. Allein die Zugehörigkeit des einzelnen zu einem Volk ist für den des anderen die Begründung oder das Recht zur Tötung.
Der Autor, Heinsohn, schreibt auch, dass nach der „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 1948 durch Internationales Strafrecht ethnische, nationale, rassische und religiöse Gruppen geschützt werden sollen. Außerdem bringt er – nicht von ihm selbst erfunden – die Begriffe Ethnozid, was den Stamm, ethnos, betrifft und Demozid, von demos, Volk, was alle „Megatötungen“ außer Krieg umfasst, in die Aufzählung der Gräuel an Menschen, auf die ich noch eingehen werde. Es gibt hier sehr viele Überschneidungen, Begrenzungen auf bestimmte Räume, so den Genozid der Türken an den Armeniern, die alle Angehörige dieses Volkes auf ihrem Gebiet, der Türkei, ausrotteten oder auszurotten trachteten. Der einzige Plan eines weltweiten Genozids, laut Heinsohn, und nach meiner Meinung auch der Realität entsprechend, war der Hitlers an den Juden. Er wollte alle Juden nicht nur aus und in Deutschland, sondern alle in der Welt auslöschen. Durch diese Einmaligkeit ist weder eine Relativierung der übrigen Massentötungen, noch eine Abwertung der Opfer des Volkes der Juden gegeben.
Ich muss den vorangegangenen Satz deshalb besonders betonen, weil ich durchaus Gefahr laufe, als Antisemit, was ich nie war, oder als Verharmloser und Erklärer scheinbar natürlicher Gegebenheiten zu gelten. Wenn ich Volk, „Rasse“ Menschen besonderer Anschauung, Gene, Vererbung und ähnliche Begriffe bespreche, so dient dies der evolutionären Erklärung, keinesfalls der Rechtfertigung auch nur irgendeines der schrecklichen Geschehnisse.
Ich bin ausgegangen von „Fressen und Fortpflanzung“, und da bin ich sicher, dass, außer des üblichen Einwands, dies sei schließlich nicht so lapidar zu sagen, weil es darauf ankomme wer etwas getan habe, wann und wo das geschah und ob nicht doch eine gewisse Berechtigung dazu bestand, auch der kommt, dass ich dafür gar nicht legitimiert sei. Das mag bis zu einem gewissen Grad stimmen, aber ich will es trotzdem versuchen.
Wie ist das mit den Genen? Gehen wir zunächst ins Tierreich, zu den Hunden und zu den Rassen, weil es vielleicht ungefährlicher und unverfänglicher erscheint, über diese Begriffe zu reden. Durch die Gene ist festgelegt, zunächst, ob ein Hund als Rüde, männlich, oder weiblich geboren wird. Dies ist, bis auf biologische Aberrationen, Fehl- und Missgeburten, nicht verhandelbar. Wie groß der Hund ist, wie sein Fell, seine Eigenart, ob er eine blaue Zunge wie Chow-Chows, oder andere Eigenschaften hat, kommt auf seine Eltern an. Sind diese einander sehr ähnlich, im Aussehen usw. das heißt, entstammen sie der gleichen Rasse, der gleichen Züchtung – Chow-Chows etwa sind in China seit tausend Jahren v. Chr. bekannt – so ist anzunehmen, dass ihr Genpool ziemlich ähnlich ist. Der Hund ist dann „reinrassig“. Kreuzt man zwei ebenfalls reinrassige, aber verschiedenen Rassen angehörende Hunde, so ist zwar die Reinrassigkeit dahin, aber Hunde bleiben die Nachkommen trotzdem. Sie müssen keineswegs weniger „gute Eigenschaften“ haben, oft ist das Gegenteil der Fall und sie können sich untereinander und mit anderen Hunden anderer Rassen oder Mischungen durchaus vermehren. Was wertvoll an einem Hund ist oder was nicht, bestimmt allein der Mensch, der Züchter oder der Besitzer. Dem Hund dürfte das ziemlich egal sein. Ein „Zusammengehörigkeitsgefühl“ werden die Hunde nur entwickeln, wenn sie einander zu Paarungszeiten begegnen, was oft, wegen der Domestizierung und dem Gehen mit Herrchen an der Leine, ohne Folgen bleibt.
Nehmen wir ein Rudel Wölfe, so ist ihr Genpool dem von Hunden wohl ähnlich, aber sie sind durch ebenfalls genetisch festgelegte Eigenschaften, zu Rudelbildung, Jagdinstinkt und Leben in besonderen klimatischen Räumen, gekennzeichnet, vermehren sich untereinander und das Rudel verteidigt gemeinsam den Nachwuchs gegenüber Feinden. Auch gegenüber anderen Rudeln. Sind das nun Völker, Stämme?
Wie ist es beim Menschen? Bevor man von Volk oder Stamm reden kann: seit wann gibt es den Menschen überhaupt und wer oder was ist er? Ab wann ist der Mensch Mensch? Die Paläontologen diskutieren darüber, seit es sie, die Paläontologen, gibt. Muss man die Hominiden, schon wegen des Namens, bereits zu den Menschen zählen? Gehört der Australopithecus, zu dem das „Kind von Taung“ und „Lucy“ zählen, nur wegen des wahrscheinlich aufrechten Gangs zu echten Menschenvorläufern? Wir können das nicht sagen, nur soviel, dass ihr Genpool sehr viel mit unserem heutigen gemeinsam haben muss. Ob eine direkte „Weiterentwicklung“ oder eine parallele, aus einer noch älteren Vorstufe erfolgte, ist dabei unerheblich.
Die Zeit von der an man davon ausgehen kann, dass es so etwas wie den Menschen schlechthin gibt, wird mit von einer Million bis 250 000 Jahren angegeben. Es sei der Homo sapiens, der als erster Mensch bezeichnet werden könne. Zu diesem Homo sapiens wird eine Reihe von Unterarten gerechnet, wie der Cro-Magnon-Mensch, der Homo erectus oder Heidelberger Mensch und der Neandertaler. Es soll sogar noch einen Urmenschen geben, der in Asien vor 30 000 Jahren gelebt haben soll, von dem man bisher aber nur ein Fingerglied fand. Die heutige Menschheit, die mit höchster Wahrscheinlichkeit aus Afrika stammt und sich von dort ausbreitete, der Homo sapiens sapiens, soll sich, obwohl es offensichtlich zum Zusammenleben etwa von Neandertalern und den neuen Einwanderern kam, nicht mit jenen vermischt haben. Dies sei, wohl genetisch bedingt, nicht möglich gewesen. Letzteres wird, nach neueren Forschungsergebnissen, wiederum angezweifelt. Für diese Betrachtung ist es sowieso unerheblich.
Doch wie ging das weiter? Hätte sich, wie es wohl war, der Mensch aus einer einzigen Art in Afrika ausgebreitet, müssten dann nicht alle Menschen gleich aussehen? Keineswegs. Es gab und gibt ja laufend Veränderungen im Erbgut (Genom) auf verschiedenen Ebenen sozusagen, wie schon in der DNA, woraus etwa verschiedene Blutgruppen beim Menschen resultieren. Auch diese Eigenschaften sind vererbbar und ändern sich nicht innerhalb eines Individuums, wie sich auch Hautfarbe und Aussehen eines Menschen, wenn sie einmal durch sogenannte Polymorphismen, Sprünge auf Genen im Erbgut, entstanden sind nicht ändern. Dass also Änderungen im Erbgut auftreten und zu unterschiedlichen Eigenschaften bei den Nachkommen führen können, ist verständlich. Es lassen sich so gewisse „Stammbäume“ von Menschen erkennen. Ob man das als „Rassen“ definiert oder nicht, ist eine Frage der Bezeichnung. Fest steht aber, dass alle heutigen Menschen sowohl der Gattung Homo als auch der Art Homo sapiens sapiens angehören. Nur diese Art kann sich untereinander fortpflanzen, unter Übertragung ihres gesamten Erbmaterials. Im Internet habe ich bei Recherchen in Wikipedia gelesen, dass man ein genetisches Profil des Golfspielers Tiger Woods erstellte. Dieser sei afrikanischer, indianischer, chinesischer, thailändischer und europäischer Abstammung. Das heißt, Afrikaner, Indianer, Chinesen usw. konnten und können sich untereinander vermischen und fortpflanzen.
Auch wenn das genetische Profil von Tiger Woods etwas viel an verschiedener Abstammung enthält, heißt das allenfalls woher seine Vorfahren stammen. Und wir wissen auch, dass keine „Eigenschaft an Abstammung“ nur durch ein einziges Gen, sondern meist durch unterschiedliche Allele auf einem Gen oder verschiedene Gene zustande kommt. Nehmen wir an, dass der Ururgroßvater eines Menschen ein dunkelhäutiger Bantu aus Afrika war, dessen Frau und die Frauen aller späteren Nachkommen aber „Weiße“, so wird man doch DNA dieses Ururgroßvaters im Genom dieses Menschen finden, auch wenn er keine schwarze Hautfarbe mehr hat.
Aber bleiben wir beim Ururgroßvater. War er dumm? Dumm vielleicht weil er schwarz war, nicht lesen konnte und kein Klavier besaß, auf dem er Chopin spielte? Davon können heute nur noch offene und heimliche Rassisten, im Sinne und Geist der Nationalsozialisten ausgehen. Doch warum überhaupt diese ganze, selbst angezettelte Diskussion? Weil es darum geht, ob ein Volk mit bestimmten Eigenschaften existiert, die durch genetische Merkmale, abgesehen von Haut- oder Augenfarbe, bedingt sind, ob diese eine bestimmte Mentalität und Charaktereigenschaften bedingen und wenn ja, welche sind „höherwertig oder überlegen“.
Sicher war man bei uns, den Germanen oder Deutschen, lange Zeit der festen Überzeugung, dass – wie es ihnen in Karl Mays Büchern, die eine ganze Ära prägten, vorgesagt wurde und wie sie glaubten – andere Menschen und Rassen nie die europäische und besonders die deutsche Musik verstehen oder gar produzieren könnten. Die Chinesen etwa, die nur ein jämmerliches Geheule auf ihren Instrumenten hervorbrachten, konnten es nicht besser, beneideten uns um unsere hohe Musikkultur. Ich denke doch, dass diese verbreitete Ansicht nicht mehr vorherrscht, seit hervorragende Geigerinnen, Geiger und Klaviervirtuosen aus Japan und China, die Konzertsäle erobert haben, seit indische Dirigenten in Europa Wagners „Ring“ oder den „Tristan“ als Maßstäbe setzend herausbringen.
Meine Antwort auf all diese Fragen, ob überhaupt und wenn ja wie wertig eine genetisch bedingte Eigenschaft ist, ist folgende: Es gibt Menschen verschiedenen Aussehens, auch Menschen mit unterschiedlicher Intelligenz, Menschen mit unterschiedlichen Begabungen und Charakteren, aber keine wertvollen und weniger wertvollen Menschen. Dass unterschiedliche Charaktereigenschaften bestehen, die aber individuell sind und nicht einen so genannten Nationalcharakter prägen, ist unbestreitbar. Aber gerade die individuellen, oft miesen Charaktereigenschaften, können bei Heerführern, Priestern, Politikern dazu führen, dass sie ganze Nationen, Völker oder Volksgruppen zu Massenmördern instrumentalisieren und diese, die Völker es sich lassen. Denn das Volk selbst ist dabei nicht unschuldig. Schon dadurch, dass es sich verführen, instrumentalisieren ließ, ist es schuldig. Und schuldig ist letztlich das Individuum, das den genetischen Grundgegebenheiten folgend, dem Zwang von Fressen und Fortpflanzung unterliegt, übersetzt der Arterhaltung, der Besitzstandswahrung, dem Anspruch auf das ausschließlich eigene Wohlergehen, was ihm von den Regierenden versprochen wird.
So bin ich jetzt, nach der Zäsur bei Kopernikus, über diesen selbst, über Krieg, Volk, Völker, Gott, Götter und Priester, vom Hundertsten ins Tausende gekommen. Ich habe ja schon gesagt, keinen roten Faden zu haben, den ich durch alles durchziehen lassen kann. Nur so viel: Warum soll jetzt, nach Kopernikus, eine neue Zeit, die Neuzeit anbrechen und verändert diese tatsächlich unsere Welt? Und weil ich noch dazu unter unserer Welt die gesamte, alle Völker, alle Kreatur, den Erdball verstehe, ist das nicht ein bisschen viel auf ein Mal?
Also wenn jetzt die Erde keine Scheibe mehr ist, die Sonne nicht mehr auf- oder untergeht, was nachweisbar, berechenbar, demonstrierbar ist, so kann ich dies nicht dadurch ungeschehen machen (was vor 13 Milliarden Jahren mit der Geburt des Sonnensystems begann, was man im 16. und 17. Jahrhundert noch nicht wissen konnte), indem ich es negiere, einfach nicht glaube. Es könnte jemand durch inbrünstigsten Glauben bis in eine religiöse Ekstase kommen, und es würde sich trotzdem nichts an den Tatsachen ändern. Auch die Weigerung des Einzelnen – ich muss hier sagen des Ungebildeten, des Dummen von heute - die Tatsache des jetzigen Weltbildes zur Kenntnis zu nehmen, mit dem Hinweis: „Wer sagt das denn? Könnte es nicht auch anders sein? Wenn ich es nicht glaube, wer beweist mir das Gegenteil?“ ändert nichts am Sonnensystem, am Universum.
Nun hat aber im 16. Jahrhundert, zunächst in Italien, eine Geistesrichtung eingesetzt, die Renaissance. Diese bedeutete aber Wiedergeburt der Antike mit ihren Göttern, ihrer Kunst und ihrer Philosophie. Die Kirche bekam so eine erhebliche Konkurrenz durch antike Götter, die man nun neben ihren Heiligen darstellte. Allerdings war das nicht sehr schlimm, weil eben auch Päpste und die Kurie der neuen Geistesrichtung huldigten. Und die Darstellung eines Phaethon, wie er mit den Pferden seines Papas, des Helios, einen Sonnenaufgang inszenieren wollte und dabei den ganzen Sonnenwagen zuschanden fuhr, unterschied sich nur wenig von bunten, glorreichen Triumphen der Kirche über irgendwelche Heiden in der Kuppel eines Doms oder einer reichen Kirche. Ob Götter, Heilige, Putten und Engel umherflogen, war allemal ein besonderes Spektakel, das sich bis zum Barock und das Rokoko fortsetzte. Nur ein Spektakel wollte man nicht wahrnehmen: Zum Beispiel die Jupitermonde, die ein gewisser Galileo Galilei mit einem selbstgebauten Fernrohr zeigen konnte. Es gab sie nicht, die Jupitermonde, schon dadurch nicht, dass sich Geistliche, bis zu Kardinälen, weigerten in so ein Ding wie ein Fernrohr zu schauen. Und überhaupt hatte ja dieser Galilei die Sache mit der Erde, die sich drehen soll behauptet.
Aber die Kleriker der Renaissance in Rom und sonst wo, waren doch nicht ungebildet? Sie konnten, meistens wenigstens lesen und schreiben, lateinische Messen lesen und philosophieren. Sie konnten wirtschaftlich denken, so zum Beispiel, dass die Aufgabe des Ablasshandels mit großen Einkommensverlusten einher ginge. Sie konnten sogar soweit denken, dass, wenn man diese neuen Lehren, die eigentlich keine waren, sondern Erkenntnisse, dass dann ihr System, ihr Glaube, ihre Kirche, sich verhielten wie ein Kartenhaus, dem man den ganzen Tisch auf dem es aufgebaut war, umgekippt hätte.
Und was war die Konsequenz? Man sagte nicht: „Ja wenn das so ist, müssen wir wohl unsere Geschichte und noch Einiges überdenken“, nein, man arrangierte sich auch nicht mit den „Freigeistern“ und fand zu einer vielleicht möglichen Symbiose. Nein, man verfolgte, negierte und verbrannte. Angefangen bei Galilei, über Giordano Bruno, bis zur Inquisition, ja bis heute. Im Grunde aber machte und macht man nichts anderes als dem Trieb zu fressen und sich fortzupflanzen zu folgen. Den Besitzstand wahren und die Art zu erhalten. Dabei ist die Fortpflanzung nicht abwegig, worauf ich später noch komme.
Was ich für die Kirche, zunächst für die Allein-Selig-Machende (mein automatisches Korrekturprogramm hat mir sofort angeboten „Allein-Selig-Lachende“), die Römisch Katholische gedacht hatte, gilt ebenso für die Orthodoxen Kirchen und alle aus diesen und jenen hervorgegangenen. Es gilt aber auch für die anderen Religionen und für politische Ideologien, die alle keine andere Physik für sich reklamieren können. Für alle gab es weder einen eigenen Urknall noch einen Alles-Schaffenden-Demiurgen.
So feiern alle Christen Kreuzigung, Auferstehung und Geburt Christi, schwenken Weihrauchfässer, vergeben Sünden, die sie erst erfinden müssen, kreuzigen selbst oder lassen kreuzigen und alles wie es in der Bibel, besonders im Neuen Testament steht. Man forscht, welcher Art der Stern von Bethlehem war, wann genau und woher er die Heiligen drei Könige führte und mehr. Man jungfernzeugt und versucht alles als wahr und natürlich zu erklären und, wenn das nicht mehr geht, spricht man von Mysterium und Göttlichem Geheimnis. Aber die christliche Unschuld, die sich als Glaube manifestiert, die ist spätestens mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts defloriert worden. Man muss das so sagen, weil zu dieser Zeit spätestens der letzte Jesuit verstanden haben muss, welche Schlacht da um den Glauben geschlagen wird. In Amerika, im Land des Christenmischmasch, ist der Glaube an einen Gott, nach Art der jeweiligen Kirche, so verpflichtend wie es der Stolz auf die größte Militärmacht der Welt ist.
Und hier muss ich, gewiss nicht zum letzten Mal, auf den Islam kommen. Allein der Umstand, dass auch diese Religion nur die Erfindung eines wahrscheinlich verrückten Kaufmanns und Wanderpredigers ist, der sich bei Juden und Christen bediente, um das Jahr 600 nach deren Anfang, besagt, dass für ihn, den Islam gilt, was für die Christen ab der Renaissance gesagt werden muss. Wenn ich diese Äußerung in einem streng islamischen Land machen würde, könnte es mich den Kopf kosten. Aber allein das bestätigt die Richtigkeit meiner Aussage.
Für das Judentum gilt das Gleiche wie für den Islam. Auch eine Geschichte von 6000 Jahren macht Mythen nicht zu objektiv nachprüfbaren und reproduzierbaren Tatsachen. Doch wird durch diese Feststellung die Judenverfolgung, der Antisemitismus schlechthin, auch nur erklärt, geschweige denn auch nur in einem Gran von Wahrheit gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung für Völkermord oder Mord und Verfolgung überhaupt, gibt es nicht.
Nehmen wir eine virtuelle Versammlung von prupurgekleideten Kardinälen, einschließlich des Papsts, von goldbehangenen orthodoxen Metropoliten, von schlicht in Schwarz gekleideten evangelischen Bischöfen, von beturbanten Ayatollahs und Mullahs, von auch schwarz gekleideten Oberrabbinern, so wäre keiner von ihnen im Besitz der Wahrheit. Keiner stünde als Mensch, und fühlte er sich noch so gesalbt oder eingesetzt von irgendeinem Gott, über dem andern.
Und was ist mit den anderen Religionen? Man badete und badet noch im Heiligen Ganges, wäscht sich von Sünden rein, verfolgt Andersgläubige, obwohl man Universitäten, hervorragende Mathematiker hat. Im Buddhismus laufen die Tempelrituale wie seit fast 3000 Jahren ab. In Tibet drehen sich die Gebetsmühlen seit eh und je und ein Dalai Lama saß früher im Potala in Lhasa und meditierte und heute, nachdem er vor den Chinesen aus dem Land floh, tourt er durch die Welt und meditiert auch.
Wir können und sollten jedoch keinem Schamanen, ob in asiatischen Steppen oder im afrikanischen Busch, keinem Indiopriester im Amazonasurwald, den Vorwurf machen, in seiner Religion, seinem Schamanentum, seinem Stamm gegenüber, die Physik seit Kopernikus oder Newton zu verheimlichen. Er kennt sie selbst nicht. Und wird er nicht sogar durch den Erfolg seiner Heilungen und Prophezeiungen bestätigt? Er ist nicht primitiv, unlauter und unwahr. Das wäre er nur, wenn er in Oxford studiert hätte.
Und wie ist es mit den angeblich religionslosen Völkern, wie China? Sie haben einerseits ihre Ideologien, oft keine hundert Jahre alt und müssen sich nicht um die Schaffung der Welt, eine Schöpfung, kümmern. Sie haben ihre Atom- und sonstigen Bomben und sind gute Handelspartner. Sie tolerieren aber auch jede Religion, so lange sie nicht ihren Staat angreift. Wie aber soll man christliche Missionare im China zu Beginn des letzten Jahrhunderts beurteilen? Sie werden heute, einer wenigstens, als Heilige der Römischen Kirche geführt. Musste er nicht verkünden, dass Gott die Welt vor etwa 6000 Jahren schuf, dass es nur diesen einen Gott gibt und sonst keinen? Musste er nicht Glauben an Stelle einer Erkenntnis predigen? Und was taten die Chinesen, schon früher, als Jesuiten ihnen den „wahren Glauben“ verkündeten? Sie tolerierten sie, so wie heute noch christliche Religionen in China toleriert werden. Gewiss, ich weiß, dass man chinesische Bischöfe unter Arrest stellte, weil sie gegen den Staat waren, Weisungen aus Rom empfingen und weder Marx, Engels noch Mao als Heilige verehrten. Letzteres habe ich erdacht. Ich weiß auch, dass sie, die Chinesen, brutal alles unterdrücken, was sie als gegen den Staat, die Ideologie gerichtet empfinden, auch wirtschaftliche Vergehen, das macht sie, ihr Volk, ihre Regierung, zu Angehörigen unserer Menschheit.
Ich will jetzt China weder verteidigen oder gar für irgendetwas loben, noch aufrechnen. Aber entspräche es der Wahrheit, was nicht richtig ist, dass Papst Johannes Paul II, Karol Wojtyła, den Sturz des Kommunismus in Osteuropa bewirkte oder wenigstens entscheidend vorantrieb, wäre es verwunderlich wenn eine Chinesische Regierung, die immer noch kommunistisch orientiert ist, sich katholische Bischöfe, mit Weisungen aus Rom, möglichst vom Hals hielte? „Aber das ist doch etwas ganz anderes!“ Weiß ich auch.
Trotzdem will ich kurz beim Sturz des Kommunismus in Osteuropa, sprich Russland, eine Pause machen: Kein Karol Wojtyła, kein Helmut Kohl oder sonst einer unserer westlichen Politiker, hat auch nur ein Quäntchen zum Sturz des Kommunismus auf diese Weise beigetragen. Es war allein das Verdienst von Michail Gorbatschow und seiner wenigen Mitstreiter, dass eine so riesige Weltmacht ohne Blutvergießen, ohne ewige Diadochenkämpfe, liquidiert wurde. Dies ist in der Geschichte der Menschheit sicher einmalig und es wird deshalb wohl auch totgeschwiegen. Wohl weil es gegen „Fressen und Fortpflanzen“ ist? „Aber das ist doch etwas ganz anderes!“ Stimmt. Diesmal glaube ich es fast auch, selbst wenn es schwer fällt, keinen Krieg, den Vater aller Dinge, nicht Mord und Totschlag als Triebfeder menschlichen Handelns anzusehen.
Muss mir hier nicht – obwohl ich zugegebener Maßen schon lange daran dachte – unsere Heilige Mutter Kirche einfallen, die sich um das Seelenheil der Indios und Indianer kümmerte? Wie hat sie geholfen Kulturen und Staaten zu liquidieren? Als die Schiffe der Konquistadoren die Küsten Süd- und Mittelamerikas, die der Pilgrimfathers Nordamerika erreichten, hatten sie ihre Missionare an Bord oder bestanden sowieso aus lauter heiligen Glaubensleuten. Und was geschah? Man predigte den armen, unwissenden Naturvölkern die Liebe Gottes, die unendliche Liebe, die Vergebung von Sünden – von denen sie gar nichts wussten – und zwar so sehr und mild, mit feiner, fast brüchiger Stimme, „dass sie ihrer Bekehrung nur so entgegen fieberten“. Ich weiß, dass es Joseph Ratzinger, alias Benedikt XVI war, der dies bei einem pastoralen Besuch in Brasilien, erst 2009, sagte und sich damit doch einiges an Empörung einhandelte. Auch wenn dies etwas ganz anderes ist, kann jemand seine Unwissenheit, die, dass die Erde keine Scheibe mehr ist, dass die Physik seine Glaubensbasis ad absurdum führte, nicht wenigstens durch Schweigen kaschieren?
Jedenfalls begannen schon im 16. Jahrhundert die Kriegs- und Eroberungszüge gegen die ansässige Bevölkerung. Von 1519 bis 1521 wurden die Azteken in Mexiko durch Hernan Cortes unterworfen, ab 1532 die Inkas in Peru durch Francisco Pizarro, die Mayas mit einer bereits 4500 Jahre alten Kultur zur Zeit der ersten Konquistadoren, wurden, ab 1519 auch durch Cortes, in einem sich später fortsetzenden Krieg bis 1697, ihrer Identität beraubt.
Es ging in diesen so genannten Kriegen ja nie darum Seelen dem Christentum zuzuführen, sondern nur um Gold, Schätze und Macht. Die Heilige Mutter Kirche ließ in ihren Kirchen die Decken aus dem Gold der Inkas vergolden. Die Bekehrungen, die stets unter Zwang und mit der Alternative Tod erfolgten, dienten bestenfalls der Rechtfertigung der Gräuel und der Gewinnung von Sklaven. Natürlich wird hier immer auf die Opferpraktiken der Azteken hingewiesen, die vielen Tausenden, zum Opfer bestimmten Gefangenen, den Tod brachten. Aber diese Opfer, die von den Missionaren beschrieben wurden, waren nicht der Grund, um sie endlich zu beenden.
Es hat einen gewaltigen Genozid in Mittel- und Südamerika gegeben, der eigentlich am wenigsten durch Kriege zwischen Eroberern und Indigenen geführt wurde, als vielmehr durch Kriege, die die einzelnen Völker, unter Anleitung oder als Verbündete der Spanier, gegeneinander führten. Und noch mehr Opfer unter der Bevölkerung forderten die Seuchen, wie Pocken und andere, die ihnen die Eroberer mitgebracht hatten. Gewiss gibt es noch bis heute Angehörige der Inkas, Mayas und Azteken, die als arme Christen, einige auch als Anhänger irgendwelcher Naturkulte dort leben. Arm und geschunden sind sie allemal.
Und in Nordamerika, in USA und Kanada, leben auch heute noch Nachkommen der „echten Indianer“, in Wellblechhütten und mit einem alten, aber eigenen Auto. Sie blieben übrig von der Maxime der „We trust in God“ - Menschen, für die „the best Indian [is] a dead Indian“ war. Aber ich muss mich darüber nicht aufregen, zumindest nicht weil jemand davon sprach, dass sie einer Bekehrung entgegen gefiebert hätten. Wäre ja auch ein bisschen schwierig gewesen bei Baptisten, Methodisten, Anabaptisten, Christian Science, Lutheranern, Katholiken, Zeugen Jehovas, Unitaristen usw. Nur will ich damit sagen, dass die Menschen untereinander, trotz, oder gerade wegen ihrer Religionen, mit teils strengen sittlichen Einstellungen, an Bekehrung, Vernichtung, Genozid doch letztlich nur an Fressen und Fortpflanzung festhielten.
Mehrmals habe ich schon die Geschichte von Las Casas vor Karl V erwähnt. Sie geht auf eine Erzählung von Reinhold Schneider zurück. Danach hatte Las Casas, ein Dominikanermönch, vom Kaiser erbeten, dass die Indios nicht mehr in den Bergwerken, arbeiten sollten, was sie sowieso nur zwangsweise taten. Las Casas war schon ein wenig befugt, darüber mit dem Kaiser zu reden, denn er hatte 1512 an der spanischen Eroberung Kubas unter Diego Velázquez de Cuéllar teilgenommen. Er erwarb in Kuba zunächst Boden, eine Goldmine und indianische Sklaven. Sowohl aus humanitären als auch aus weitsichtigen politischen Gründen behandelte las Casas seine Indiosklaven menschlich und kam bald in den Ruf der Heiligkeit. Las Casas wurde als 60-jähriger 1544 zum Bischof von Chiapas geweiht. Später ging er wieder nach Spanien zurück in ein Kloster. In dem besagten Gespräch mit Karl V soll er für die Bergwerksarbeit anstelle der schwächlichen Indios (in Bayern und Österreich würde man sagen der Krepiererl) die stärkeren Negersklaven empfohlen haben. Mit Sicherheit hat er aber nicht den Handel mit Negersklaven organisiert, da dieser zu seiner Zeit bereits fest etabliert war.
Aber könnte man nicht sagen, dass vielleicht doch so etwas wie ein Krieg zwischen den „Rassen“, zwischen verschiedener DNA stattfand? Spanier, die Weißen, sicher mit etwas unterschiedlichem, genetischem Genom, unterwarfen die „von Natur aus unterlegenen“ Indios, weil diese ein anderes Genom hatten? Und nahmen sie nicht die kräftigeren Negersklaven (mit sicher etwas anderen Genen oder Allelen). Gewiss nicht, auch nicht mit dem Argument, dass es eben doch einen Unterschied gibt. Denn wie wir wissen beruht die „Wertigkeit von Genen“, nur auf Vorurteilen und wäre dies nicht so, könnte man bei den Spaniern getrost von den „Schmutzigweißen“ wie die Abkömmlinge der südeuropäischen Völker von den „nordischen“ Europäern schon genannt wurden, ausgehen. Aber dies alles, überlegene, wertvolle Rassen und Völker, führt nur zu Ausreden und zur Rechtfertigung von Unrecht.
Nun, was könnte man daraus ableiten? Erstens: Ich, der Autor dieses Machwerks, „schrecke vor nichts zurück, um die Kirche in irgendwelche krummen Dinge hineinziehen zu können“. Ich denke das stimmt nicht, denn es wäre eher eine Tautologie, die Kirche in ein krummes Ding hineinzuziehen. Zweitens könnte man folgern, dass es für einen Diener der Kirche des Gottes aller Menschen bereits genügt seine Sklaven menschlicher zu behandeln, um in den Geruch der Heiligkeit zu kommen. Und drittens, auch wenn dies wieder etwas ganz anderes ist, verdanken wir der Vermischung von frommen oder unfrommen Weißen mit Indios, mit Negern und allen untereinander so schöne neue Völker wie Mulatten, Kreolen und Mestizen. Nachdem man die Länder leer gefressen, das Gold heraus geholt, hatte man sich wenigstens noch ein wenig um die Vermehrung gekümmert. Die Kreolinnen sollen besonders schön sein. Aber das ist wieder etwas ganz anderes.
Aber warum mein ganzer giftiger Eifer? Dass da ein paar Neger, Indios oder sonst wer umkamen? Ja das ist der Lauf der Welt! Es ist ja auch schon so lange her. Und wurde die Welt nicht immer humaner, gab es nicht zu der Zeit, in der man anderswo Krieg führte, bei uns den Humanismus, im Gefolge der Renaissance? Ich will da keine geistigen Verrenkungen machen und ein markiges Jain anstelle eines Ja, aber,, sagen, nur schüchtern darauf hinweisen, dass 1618 der Dreißigjährige Krieg begann. Gewiss nicht weil es mir Spaß macht, will ich, wie ich im Lexikon der Völkermorde gelesen habe, das größte „Einzelmassaker“ dieses Krieges zitieren. Es war „die Ausmordung des protestantischen Magdeburg durch den katholischen General Tilly am 10. Mai 1631.“ Das Massaker forderte 30 000 Tote und übertraf selbst „das der Türken an 20 000 Griechen und Venezianern auf Zypern 1571“. Und da verwundert es nicht, dass der „katholische General Pappenheim [..] dem Kaiser zu Wien verkündet, dass „seit Trojas und Jerusalems Zerstörung solch ein Sieg nicht sei gesehen worden.““
Ich nehme an, dass sich die DNA der Bevölkerung Magdeburgs seit der Reformation und mit dem Übertritt vom Katholizismus zum Protestantismus, nicht geändert hat. Das heißt, man braucht gar nicht den Versuch zu unternehmen, ein „andersartiges Volk“ als Erklärung anzuführen. In diesem Fall müsste zudem das Opfervolk, die Protestanten, andersartig sein, den Katholiken bliebe die genetisch gegebene Triebhaftigkeit und Mordlust Aber was soll das alles? Magdeburg hat sich doch offenbar wieder erholt. Hätte sonst Otto von Guericke 1649 seinen berühmten Halbkugelversuch, bei dem zwei einander anliegende, luftleer gepumpte, eiserne Halbkugeln, auch von etlichen Pferden, nicht auseinander zu ziehen waren?
Ich denke, ich muss nicht ein Massaker nach dem andern anführen, nur um zu zeigen, dass es für den Völkermord unter den Menschen, weder im aktiven noch passiven Sinn, keine genetische Determination geben kann. Aber könnte man, mit irgendeinem Hintergedanken, den Religionen, insbesondere dem Katholizismus, wegen der Ketzerverfolgung, der Inquisition, auch dem eben angeführten Massaker von Magdeburg, einen „glaubensbedingten Zwang“ zur Verfolgung anders denkender oder glaubender Menschen, zubilligen? Dies wäre dann eine quasi entschuldigende Erklärung. Nicht dass man so etwas nicht praktizierte. Jedoch ist es nicht ganz so einfach und auch nicht etwas ganz anderes. Denn man hat ja nicht nur Andersgläubige verfolgt, man hat auch dem Töten der Gleichgläubigen, von Katholiken zugestimmt. Man könnte fragen wo und wieso? Im Krieg etwa. Denken wir an die sinnlosen und furchtbaren Kämpfe zwischen italienischen und österreichischen Gebirgstruppen in den Dolomiten im Ersten Weltkrieg. Die Feldgeistlichen, die Feldkuraten beider Seiten haben nicht nur die Waffen, die Soldaten, die Toten gesegnet, sondern für den Sieg der eigenen Truppen gebetet.
Waren die Gebete für den Sieg nur Scheingebete – was ist dann ein Gebet überhaupt – weil es eigentlich nur darum ging wenigstens die Toten gut geölt in den Himmel fahren zu lassen, in dem es keine nationalen Unterschiede mehr gibt nur noch Katholiken? Man muss hier nichts böswillig konstruieren. Das Nachdenken allein genügt völlig. Und warum ich, vielleicht, ohne Auftrag, im Interesse der Menschheit, mich errege und gegen diese „Heilige Mutter“ agiere? Ich will der Kirche die Unschuld und die Selbstverständlichkeit ihres Handelns nehmen.
Aber, gehen wir nur einmal von Deutschland aus: Die Selbstverständlichkeit eines menschenverachtenden, ja genozidalen Handelns durch die Politik, kam in unserer Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts zum Vorschein. Es war selbstverständlich Kolonien zu erwerben (von wem erwerben, wem gehörten sie?) und sie, was Bodenschätze, Agrarprodukte, vor allem aber menschliche Arbeitskraft betraf, auszubeuten. In Deutsch-Ost-, und Südwestafrika, in Togo und Kamerun, baute man Städte für die Weißen, Eisenbahnen und Straßen, aber mit Negern als Sklavenarbeitern, angetrieben von einem rohrstockbewehrten Aufseher. Maschinen gab es da nicht. Die etwas besser gestellten Häuptlinge erhielten etwas minderwertiges Geld oder einen Revolver vor die Nase gehalten. Und als ein Volk, ein Negervolk in Südwestafrika, die Hereros, dies nicht mehr hinnehmen wollte, wurde es von den gut ausgerüsteten Kolonialtruppen in die Wüste getrieben. Dort, ohne Wasser und Nahrung, ließ man eben mal 15 000 Menschen umkommen. Insgesamt starben 80 000 Hereros, das waren 80 Prozent dieses Volkes. Auch das war ein großer Sieg der Deutschen. Sie hatten einen Aufstand, den Herero-Aufstand, niedergeschlagen. An ein von Grund auf bestehendes Unrecht, dachte hier niemand, da es sich letztlich um Neger handelte. Zudem waren die Neger auch keine Christen, was erschwerend für sie hinzu kam. Die Kirche, sowohl katholisch als auch evangelisch, sandte deshalb ihre Missionare mit den Truppen in die Kolonien. Nicht etwa, um etwas gegen die sklavenartigen Zustände zu unternehmen, nein, nur um zu bekehren. Menschen im eigentlichen Sinn wurden sie nicht, die Neger. Sie blieben Neger in unseren Kolonien und wenn sie fromm und bekehrt starben, kamen sie in den Himmel. Schließlich brauchen die Engel und die guten Weißen im Himmel jemand der ihnen die Schuhe putzt. Wir hienieden – ich erinnere mich gut an meine Kindheit – hatten den schönen „Nickneger“ und den Kolonialwarenladen.
Ich weiß, dass wir nicht das einzige Volk waren, das sich Kolonien schuf. Um ein Haar hätten wir sowieso den Anschluss verpasst. Aber ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll, wenn man mir sagt, dass dies etwas anderes ist. Nun gut, es waren vielleicht andere als wir, nur unsere großen Altvorderen. Und ein gewisser Hitler, der schon tot sein soll, hat ja gesagt, dass ein Volk wie das deutsche, ohne Kolonien nicht denkbar sei.
Nun muss ich einen Sprung bis 20. Jahrhundert machen. Nicht dass es seit der Inquisition, dem Dreißigjährigen Krieg, dem Genozid an Indianern, keine Gräuel mehr gegeben hätte. Es gab die Französische Revolution, in der man das Töten mit Hilfe der Guillotine rationalisierte. Es gab die Napoleonischen Kriege und nicht zuletzt den Ersten und den Zweiten Weltkrieg selbst. Dass ich die Kriege in meine Horrorszenarien einbeziehe geschieht deshalb, weil sie ja auch Massentötungen an Menschen sind und so nicht eo ipso besser als definierte Völkermorde sind. Aber bleiben wir zunächst bei diesen.
Von den Armeniern, die auf genaueste Anweisung der türkischen Regierung, auf türkischem Hoheitsgebiet nicht etwa vertrieben, sondern ausgerottet, getötet werden sollten und wurden, habe ich schon berichtet. Italien überfällt 1935 Äthiopien und setzt, als es zu einer unerwarteten Niederlage gegen die dortigen Truppen zu kommen droht, Senfgas ein, tötet in regelrechten Massakern die dann technisch unterlegenen Äthiopier, verwüstet das fruchtbare Land und gewinnt somit einen Krieg. Der Völkerbund verhängte Sanktionen, ein Jahr lang! Und Italien trat dann 1937 aus dem Völkerbund aus. Der faschistische General Badoglio war für den Gaseinsatz verantwortlich. Er wurde für seine Verdienste im Äthiopienkrieg vom damaligen Italienischen König Vittorio Emanuele III in den erblichen Adelsstand erhoben und nannte sich Herzog von Addis Abeba. Dieser General war es, der dann, von den Alliierten hoch gefeiert, nach Mussolinis Sturz, 1943, kurzzeitig die Macht in Italien übernahm.
Dass ich über Badoglio schreibe, hat einen Grund darin, dass Menschen verachtendes Handeln keineswegs etwas mit Ächtung zu tun haben muss. Badoglio war bis zu seinem Tod und darüber hinaus, ein geachteter Mann. Die Italiener sind stolz auf ihn. Das ist ja auch verständlich, weil es etwas ganz anderes ist. Denn erstens ist es schon lange her, zweitens muss auch der Handlanger des Todes eine imposante Persönlichkeit, una bella figura, sein und drittens handelte es sich um sehr schwarze Abessinier.
Ich möchte aber mit Badoglio nicht missverstanden werden: Ich suche keinen mit dem ich „aufrechnen“ kann, keinen „der ja auch“. Am wenigsten soll wertend mit Hitler, Stalin, Mao oder anderen verglichen werden. Wer das will, vergleichen, kann dies im Lexikon der Völkermorde, von Gunnar Heinsohn, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998, Seite 56, tun. Dort ist auch eine Rangordnung nach Anzahl der Opfer zu finden. Doch ist es nach meinem Ermessen nicht bedeutend „welchen Rang“ einer der Genannten einnimmt, auch nicht, ob man die Opfer von Hungersnöten in den Herrschaftsbereichen dieser Diktatoren zum Genozid hinzurechnen soll oder nicht.
Freilich, wenn man von Hitler über Mao bis Stalin Zahlen von über 20, fast 39 bis 43 Millionen Toten liest, je nach Zählweise noch unterschiedlich, kommen einem die 150 000 Toten, die man Slobodan Milosévič zurechnet, fast „verschwindend gering“ vor. Aber es geht nicht um Zahlen, sondern um die Beweggründe, die ganze Völker, Volksgruppen oder Menschen in besonderer Stellung, wie Polizisten oder Soldaten, veranlassten, andere auszulöschen.
Ich habe schon darzulegen versucht, dass es genetische Unterschiede zwischen Völkern nicht sein können, die den Völkermord erklären oder gar verständlich machen können. Unter Stalin kamen Angehörige aller Volksgruppen seines Riesenreiches allein aus politischen Gründen, oder weil man sie abweichender Gesinnung auch nur verdächtigte, oder, weil man ihnen solche aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit, ihrer angeblich traditionellen Eigenart, einfach zutraute, in Lagern, Massenerschießungen und Umsiedlungsaktionen, zu Tode. Es ist sicher nicht bösartig, wenn ich behaupte, dass hier die Ideologie an die Stelle der Religion, die es offiziell nicht mehr gab, trat. Die Verbrennung von Ketzern, auch angeblichen, ist nicht anderes als am Rande eines Massengrabs erschossen zu werden. Und sowohl Ketzer als auch ideologische Abweichler wurden doch von Angehörigen ihrer eigenen Volksgruppe oder ihres eigenen Volkes, ermordet.
Deshalb muss ich zwei Fakten noch aufgreifen: Wenn die Ideologie, die ja ebenfalls eine Art Glaube oder Programm ist, zum Totalitarismus wird, muss sie Anhänger haben, die widerspruchslos ausführende Organe sind und die Gräueltaten, um die es hier geht, eigenhändig begehen. Man mag auch hier wieder nach einer genetischen Komponente fragen, die Einzelne dazu „befähigt“ etwa einen Säugling an die Wand zu werfen, um ihn zu töten. Doch es gibt kein mir bekanntes Gen, das selektiv dazu drängt in einem Lager Säuglinge einer bestimmten „Rasse“ an die Wand zu werfen, um dann nach Hause gehen zu können, und die eigenen Kinder zu streicheln.
Ich weiß, dass es wieder etwas ganz anderes ist, wenn ein SS-Mann oder ein Soldat einen Häftling im Konzentrationslager oder einen ahnungslos auf ein Klingeln die Tür öffnenden vermeintlichen oder tatsächlichen Kollaborateur – wie geschehen – ohne langes Fragen einfach erschießt. Schließlich haben sie doch nur ihren Befehl ausgeführt und gar nicht gedacht etwas Unrechtes zu tun. Dies sagten und sagen heute noch treuherzige Greise, denen man Verbrechen vorwirft. Manchmal erscheint dies sogar verständlich, wie im ersten Auschwitzprozess 1963 der Angeklagte Oswald Kaduk ausführte, der meinte zu Unrecht angeklagt zu sein, während seine Anstifter wie Adenauers Staatssekretär Globke, als angesehene Männer frei herumlaufen.
Freilich erscheint es heute vielen Menschen bei uns unverständlich, immer wieder von alten Verbrechen gegen die Menschheit hören zu müssen, womit sie doch selbst nie konfrontiert waren. Sie wollen nicht hören was hier geschah und was letztlich ihre Urgroßväter, Großväter und allenfalls die Väter zu verantworten haben. Und vor wem verantworten? Vor der Geschichte, dem abstrakten Aufzählen von Helden- und Untaten, von Kriegen und abermaligen Kriegen? Der Geschichte, aus der niemals etwas gelernt wurde? Was die heutige Zeit bei uns betrifft, ist die Geschichte vergessen worden. Dafür haben schon die genannten Ur- und Großväter gesorgt, die ein zwölfjähriges Inferno für die gesamte Welt, einfach totschwiegen. Und haben nicht die Alten diese neue und schöne Welt erst aufgebaut? Hatten sie selbst nicht verdient, in Ruhe gelassen zu werden? Nach ihrer Meinung schon. Sie haben sich selbst exkulpiert. Hat nicht ein Franz Josef Strauss wörtlich gesagt: „Ein Volk, das nach dem Krieg solche Leistungen hervorgebracht hat, das hat es auch verdient, einmal nichts mehr von Auschwitz zu hören“? Und die heutige Geschichtsauffassung ist es, seinen Geist anerkennend zu beschwören.
Sicher ist das wieder etwas ganz anderes: Der Krieg, die Nachkriegszeit und unser heutiges Land. Was soll hier verstrickt sein? Nach dem Krieg wurde doch wieder bei Null angefangen. Die Nachkriegszeit war eigentlich von einer unbeschreiblichen Aufbruchsstimmung geprägt, also gut. Das bekamen die Jungen täglich zu hören. Und als sie selbst nicht mehr die Jungen waren, sondern die, die das Sagen hatten, meinten sie – wenigstens viele von ihnen - zu wissen wie die Vergangenheit war und erklärten, dass man mit ihnen das mit Krieg und so, nie gemacht hätte. Aber haben sie damit nicht eigentlich Recht? Schon 65 Jahre in Deutschland kein Krieg mehr. Davor Kriege 1866, 1870, 1914, 1939. Also geht doch auch ohne! Das führt doch meine These von Fressen und Fortpflanzen ad absurdum! Könnte man meinen. Nur, wir hatten doch genügend zu fressen und das mit dem Fortpflanzen ließ sich sogar planen, mit der Pille, ohne dass ein Trieb unterdrückt zu werden brauchte. Gewiss, bei uns schon, meistens.
Jetzt muss ich aber wieder ein Stück zurück gehen in unserer glorreichen Geschichte. Ich kann es weder mir noch anderen ersparen vom Holocaust zu reden. Aber, was heißt hier ersparen? Kann man denn nicht endlich ruhig sein, davon zu reden? Da wären wir wieder einige Seiten weiter oben, etwa bei Franz Josef Strauss. Es geht nicht mit „verdrängen“, auch nicht mit dem „wann, wo, wer“. Und etwas ganz anderes ist es auch nicht. Denn etwas anderes als was? Ach so? Da haben doch die Russen, die Sowjets unter Stalin viel mehr Menschen umgebracht. Die Türken haben die Armenier, und wir wissen das ja alles. Insofern wurde doch auch von mir schon alles gesagt, oder nicht? Nun, dann könnte ich auch sagen, dass es stimmt, das nichts anderes sein. Denn stets sollte ein Menschenleben so wertvoll sein wie das andere. Ja, und den Tod erleiden, erleiden und ihn nicht als naturgegeben hinzunehmen, gar als Erlösung betrachten, das kann man bei keinem Genozid, und um einen solchen handelt es sich auch hier, beim Holocaust.
Aber wenn schon der Holocaust nichts anderes ist, als alle Genozide? Muss man nicht weiter fragen nach dem wann, wo und wer? Also gut oder schlecht: fragen wir. Es war doch im Dritten Reich, unter Hitler. Es ist also zumindest schon länger her und sollte aufgearbeitet sein. Und wenn man bedenkt, dass dies nicht der erste, vielleicht etwas einfach gesagt, Pogrom war und, dass es in allen Völkern Europas, Asiens und Amerikas, mehr oder minder ausgeprägt, Pogrome gab? „Das ist eben der Antisemitismus, den es überall gibt und mit dem muss man halt leben.“ Ich habe eben die allgemeine Meinung der so genannten Intellektuellen bei uns zitiert. Wenn man damit hätte leben können? Nein, man wurde erschlagen und vergast.
Ein gewisser Hitler, den heute angeblich nur noch einige Skinheads und rechtsgerichtete, angeblich demokratische Parteien, für verehrungswürdig halten, hatte ja den Antisemitismus zu seinem Lebensinhalt gemacht. Nicht viele, sondern nahezu alle im Reich, hatten ihm dabei geholfen, seiner wohl menschlich perversen, jedoch keineswegs als solcher empfundenen Idee zu frönen. Nach dem Krieg, also nachdem der Holocaust etwa sechs Millionen Juden das Leben gekostet hatte, begann umgehend, soweit man überhaupt davon redete und die schon Toten nochmals totschwieg, die Erklärungswelle.
Erstens war zu klären, ob es überhaupt sechs Millionen (tote) Juden waren und nicht vielleicht doch etwas weniger, was ein ehemaliger SS-Offizier, später Rechtsanwalt in Salzburg, Lionsclub-Mitglied, „wenigstens um der Wahrheit Willen“, fragte. „Ob es nicht vielleicht nur fünf Millionen waren“ und er fügte dann den oft gehörten Satz hinzu, „dass schon ein Jude zuviel gewesen wäre“. Es gab kaum ein Schuldgefühl ob der Schrecklichkeit. Die deutsche Bevölkerung fühlte sich von den Alliierten schikaniert dadurch, dass die Juden, die die Konzentrationslager überlebt hatten, bevorzugt Lebensmittel erhielten. Ein Radiokommentator des Bayrischen Rundfunks bezeichnete die Möhlstraße in München, wo aus den Lagern überlebende Juden den Schwarzen Markt organisierten, als „Hitlers Unvollendete“. Gut, man hatte wenigstens offiziell so viel Schamgefühl den Kommentator zu feuern. Nur ein Jahr vorher wäre er, für den „gelungenen Witz“, mindestens im Konzentrationslager Dachau gelandet.
In den Schulen wurde wieder Geschichte gelehrt, von den Römern bis Bismarck. Was später war, darüber musste eben erst die Geschichte entscheiden. Um aber nicht ganz die letzten Jahre zu verschweigen, wurden wir – ich selbst musste mit meiner Schulklasse, von 15 bis 16jährigen Schülern, dazu in ein benachbartes Lyzeum (Labenwolf-Schule in Nürnberg) marschieren – über die jüngste Geschichte unseres Volkes aufgeklärt. Auf wessen Veranlassung diese eigenartige Aktion war, kann ich heute nicht mehr sagen. Jedenfalls erklärte uns ein evangelischer Pfarrer namens Kreusel, warum es in Deutschland eine Judenverfolgung gab und in anderen Ländern nicht. Denn, als einmal eine Kompanie italienischer Soldaten vor dem Krieg durch Nürnberg marschierte, denn wir waren ja mit Italien verbündet, und die Kompanie war zu einem offiziellen Besuch abgeordnet, rief eine am Straßenrand stehende Frau: „das sind ja lauter Juden“.
Damit wussten wir Bescheid. In den südlichen Ländern, auch in Frankreich, eben in den nicht germanischen – nicht germanisch sagte man nicht ausdrücklich – gab es deshalb keine Judenverfolgung, was zwar nicht der Wahrheit entsprach, weil die gesamte Bevölkerung dort so aussah wie Juden. Hätten bei uns die Juden nicht so jüdisch ausgesehen, wären sie nicht verfolgt worden.
Als ich etwas später, nach dem Abitur, während einer Ferienarbeit im Kreis der Arbeiter, in der Kantine mein Entsetzen über die Vernichtung der Juden äußerte, wurde ich als Nestbeschmutzer sehr beschimpft. Vor allem einer der Arbeiter, vielleicht zehn Jahre älter als ich, brüllte, „dass er sich nicht ins eigene Nest scheiße“. Ein alter Meister nahm mich nachher beiseite und erklärte mir die Erregung des andere damit, dass dieser ein ehemaliger höherer SS-Mann sei, der für einige Zeit bei ihnen, in der Fabrik untergetaucht sei.
Die genannten kurzen, persönlichen Beispiele, betrachte ich heute als symptomatisch für die Einstellung eines ganzen Volkes. Es ging ja letztlich um das Argument „wer“, und eben um Juden. Was soll da schon bei einer Geschichte von Pogromen, „Judenslagen“, Vertreibung, Duldung, noch ungewöhnlich sein?
Als nach dem Krieg dem ehemaligen Partei- und SS-Mitglied, dem Staatssekretär Ernst von Weizsäcker, von den Alliierten der Prozess gemacht wurde, in einem Verfahren im Anschluss an die eigentlichen Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg, verteidigte dieser seine Unterschrift unter Deportationsbefehle für Juden aus dem besetzten Frankreich ins Konzentrationslager Auschwitz damit, dass er der Meinung war, diese seien dort weniger gefährdet als in Frankreich.
Und, dass ich eine letzte Petitesse anführe: Als nach der Aufführung von Rolf Hochhuths „Stellvertreter“ die Diskussion zur Stellung der katholischen Kirche im Kriege, insbesondere zur Judenverfolgung, einsetzte, bekam man eine äußerst einleuchtende Erklärung zu hören. Der Papst, Pius XII, so hieß es, habe, obwohl er von der Judenverfolgung und der Tötung der Juden wusste, dazu geschwiegen, „um nicht das höhere Rechtsgut, die Kirche, zu gefährden.“
Warum nun die ganzen persönlichen und allgemeinen Erfahrungen im Umgang mit dem Holocaust? Genügt es nicht, dass wir ein riesiges Mahnmal in Berlin haben, dass wir den Staat Israel, als eine Art Entschädigung, mitfinanzierten, dass man sich offiziell über antisemitische Äußerungen erregen darf?
Wenn das ganze Thema nicht so furchtbar wäre, würde ich einfach sagen: Nein. Denn es berührt ja nicht nur die Schuld, die Verantwortung einiger weniger, vielleicht auch eines ganzen Volkes, unseres, sondern auch die der gesamten Menschheit. Dies kann nicht als Ausrede, Relativierung oder Übertragung auf viele Schultern verstanden werden, sondern führt zu meiner Basisthese vom Fressen und Fortpflanzen.
Es gibt in Echternach eine so genannte Springprozession: Drei Schritte vorwärts, zwei zurück. Auch wenn ich Prozessionen für groben Unfug, nur brauchbar für die Volksknebelung halte, muss ich mich ihrer als Metapher bedienen. Ich muss wieder ein Stück zurück.
Über Kopernikus sind wir bis ins 20. Jahrhundert gekommen. Die Erde war keine Scheibe mehr. Schließlich kam Einstein, der die Behauptung eines Giordano Bruno, das Weltall sei unendlich, in Zahlen berechenbar machte. Es gab die bisher unwiderlegbaren Erkenntnisse vom Urknall, bis zu dem, jedoch nicht ganz bis zum Knall, ein Papst, Johannes Paul II, zu forschen gnädig erlaubte. Aber ungeachtet dessen ging die Verfolgung und Tötung von Menschen, die die Konsequenz aus diesen neuen, naturwissenschaftlichen Kenntnissen zogen, weiter.
Wenn man annimmt, dass die Menschen, hier die römisch-katholische Kirche, auch die oströmische, orthodoxe, sogar die unmittelbar nachreformatorische lutherische, von der Gültigkeit und Wahrheit der Bibel, auch des Alten Testaments, soweit es die Juden betrifft, überzeugt waren, weil ihnen niemand widerlegen konnte, was sie selbst nicht zu beweisen vermochten, dann könnte man verstehen – wobei ich verstehen nicht im rationalen Sinn meine – dass man Ketzer verfolgte und tötete. Es war die reine Angst vor dem Machtverlust, die die gesamte Gesellschaft, Klerus und Adel, dazu trieb. Dass man sich dafür immer eine Exegese bereit hielt, war der Selbstschutz vor eigenen Zweifeln oder Erkenntnissen. Dass ich, außer Klerus und Adel, vielleicht noch deren höhere Vasallen meine und nicht auch das Volk, liegt daran, dass letzteres das Opferlamm aller sein musste, das mit seinem Fleisch und Blut, wörtlich, und im übertragenen Sinn, die andern ernährte.
Auch vor Kopernikus war die Menschheit also nicht unschuldig. Aber man kann ihr heute nicht nachweisen, wider besseres Wissen gehandelt zu haben, denn ein besseres Wissen hatte sie nicht, hatte niemand. Was aber tut die Menschheit, die Kirche, seit Kopernikus bis heute? Sie ignoriert und verfolgt wie in vorkopernikanischer Zeit. Man spricht vom Christlichen Abendland, von Gott und lässt auf die Bibel schwören. Haben Kopernikus, Kepler, Galilei, Einstein, Planck, nie gelebt? „Aber das ist doch etwas ganz anderes!“ Ja was denn?
Nach 1500 nach Christus, dessen Zeugung, Geburt und Leben allenfalls und höchstens eine mehr oder weniger schöne Geschichte war, die sowieso erst nachträglich zurecht gezimmert wurde, kann man sich doch nicht auf den Wahrheitsgehalt von Bibel und der von ihr abgeleiteten Einrichtungen berufen. Dass man es trotzdem tut, beweist die Ignoranz aller sich darauf Berufenden. Die Erde wird keine Scheibe mehr, die Juden haben allenfalls einen der ihren, einen religiösen Phantasten, einen Ketzer der eigenen Religion, umgebracht.
Vielleicht klingt dies hart, anmaßend. Aber sind nicht diejenigen, die die Menschheit zu vertreten vorgeben, Päpste, Staatpräsidenten, Ministerpräsidenten, Diktatoren, Parteiführer, Stammeshäuptlinge und letztlich alle, die sich über anderen dünken und sich dabei, zur Legitimierung von Macht und Gewalt, auf Gott oder sonst ein Höheres Wesen berufen, nicht anmaßend im eigentlichen Sinn? Es ist keine Entschuldigung, wenn sie in gutem Glauben zu handeln vorgeben. Und, sollte dies in der Tat so sein, dass sie unwissend von Geschichte, selbst der neuesten so handeln, sind sie abgrundtief dumm, idiotisch. Wenn ein so Handelnder, sich nur auf Tradition, Dogmen, die eigene Geschichte, unter Ausklammerung der Realität sich Berufender, auch zahlreiche akademische Titel besitzt, ist er entweder ein Scharlatan oder ein schlichter Trottel. Dies gilt, nicht nur aus meiner Sicht, etwa für Päpste und hohe Geistliche aller Konfessionen, die Lehrstühle an Universitäten innehatten. Gäbe es Lehrstühle für Skatregeln, in Bayern für Schafkopf oder Warten, für Astrologie oder Lottovorhersage, hätten sie die gleiche Berechtigung wie Lehrstühle für Dogmatik oder Liturgie.
Ich weiß, dass dies alles etwas ganz anderes ist. Gut. Nur, um beim Christentum zu bleiben: Auch wenn man riesige Bibliotheken mit Schriften vollstopfte und sich auf Vorgänger, die man erneut interpretiert, beruft, entsteht keine Basis, die absolutes Wissen darstellt. Auch wenn man es noch so oft zitierte, und wenn und aber und vielleicht doch, unter besonderen Umständen, wenigstens transzendent, anführte, konnte der Heilige Filippo Neri nie fliegen. Ach so, das sollte nur eine Metapher sein? Nicht wirklich? Beruht dann alles was man predigt, auf einer Metapher? A propos Filippo Neri: Ich hätte zu dessen Zeit niemandem raten mögen, an seinen Flugkünsten zu zweifeln. Das wäre sicher schon Häresie und ein bisschen folterungswürdig gewesen. „Schließlich gibt s doch das Mysterium, das Geheimnis!“
Und wie ist es damit: „und Gott erschien Jakob im Traum“? Ich will hier nicht über Gott reden, sondern über Jakob. Was er nicht in seinem Gehirn an phantastischen Vorstellungen und Wünschen hatte, konnte niemand in dieses im Schlaf hineinstopfen. Wir wissen ja, dass Träume im Gehirn abgespeicherte Eiweißmoleküle sind, die dann im Schlaf unkontrolliert und unzensiert, über Nervenverbindungen kommunizierend, Bilder, wie ein Film ablaufen lassen.
Damit ich aber nicht ständig auf Päpsten und Priestern „herumreite“, was mir alles andere als Spaß macht, will ich nochmals ganz nahe politisch werden. Die SPD, die mir von Grundprogrammen her am meisten geeignet schien auch für die so genannten kleinen Leute zu sprechen, das heißt so sozial wie irgend möglich war, befindet sich in einem desaströsen Zustand. Viel besser stehen dagegen die christlichen Parteien da. Haben diese also doch den Segen von oben? Das wohl nicht, aber wenn schon ihre Politiker auf die Bibel schwören und das christliche Abendland repräsentieren, müssen sie sich doch letztlich mit der Erde als Scheibe und mit der Ignoranz der Realität identifizieren. Der Zulauf bestätigt die Richtigkeit ihrer Existenz und ihres Verhaltens, was wiederum bedeutet, dass das Volk die Politiker, die es hat auch verdient, denn Nachdenken, Intellekt, kann man weder von diesen noch vom Volk selbst erwarten.
Wie ist das aber mit der SPD heute? Warum hat sie so ein schlechtes Ansehen, dass sie nur noch unterschwellig vom Wahlvolk wahrgenommen wird? Nun, ich denke, es liegt an ihren Vertretern, die selbst nicht gerade für diese Partei zu werben imstande sind. Ihre derzeitige Generalsekretärin, Andrea Nahles, habe ich schon zitiert. Sie sieht sich in ihrem Buch als „Frau, gläubig, links“ und auch katholisch, immerhin als Repräsentantin der Partei und der Parteiführung. Sie rechnet mit ehemaligen Politikern ab, wie Schröder, der bei seinem Eid, anlässlich der Amtseinführung als Bundeskanzler, den Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ nicht sprach, ab. Aber, war nicht Schröder zumindest ehrlich, nicht einem Popanz zu huldigen? Ist Andrea Nahles nicht abgrundtief dumm? Sie kann doch im nachkopernikanischen Zeitalter nie den Gedanken von der Entstehung der Welt, zu Ende gedacht haben. Sie bedient ein unwissendes Volk, dem man die Unwissenheit eigentlich nicht verübeln oder vorwerfen kann, denn es bekommt ja auch von den meisten Vordenkern, meist Akademikern in allen Parteien, nur den Unfug von den Werten des christlichen Abendlandes vor gesetzt.
Man soll zwar, nach meiner Meinung, nicht versuchen das Volk, auch das Parteivolk, zu einem rationalen Denken zu bewegen. Das ginge sicher schief. Aber man sollte sich, wenn man schon die Stimmen des Volkes bei den Wahlen braucht, einfach zurückhalten, schweigen und sich nicht in Weihrauch gehüllt und mit Heiligem Öl gesalbt anbiedern. Da könnten die Parteigenossen sich wirklich bei ihren christlichen Parteikontrahenten ein Beispiel nehmen und „listig wie die Schlangen“ sein. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat seine Stellung als Angehöriger der evangelischen Kirche einmal sehr diplomatisch und pragmatisch dargelegt, in dem er die Institution Kirche als notwendig bezeichnete und er deshalb, nach reiflicher Überlegung, nicht einfach aus dieser Kirche ausgetreten sei. Deshalb wird wohl Andrea Nahles, die allenfalls klug daherredet, diese Partei nicht mehr nach vorne bringen, so wenig wie dies der Katholik Thierse fertig bringen wird. Wie furchtbar das alles ist, werde ich leider noch schildern müssen.
Auch wenn es nur wenig mit der SPD zu tun hat, trotzdem einige Anmerkungen: In den Jahren nach 1860 hat sich, aus einigen regionalen Parteigründungen, die Sozialdemokratische Partei herausgebildet. Es war eine Partei, die den „Klassenkampf“ führte, denn es gab ja, wenn überhaupt ein Wahlrecht, dann ein Dreiklassen-Wahlrecht. Die SPD vertrat die Arbeiter, die im Gründerzeitalter die Hauptlast an Elend und Armut zu tragen hatten. Die Kindersterblichkeit war hoch, die Geburtenrate ebenfalls. Tuberkulose und andere Infektionskrankheiten, gegen die es keine wirksamen Medikamente gab, nur langsam zunehmende hygienische Verbesserungen, ließen die Gesamtzahl der Bevölkerung nur langsam ansteigen. Aber, wenn auch langsam, die Weltbevölkerung, auch die Einwohnerzahl in Deutschland, nahm zu. Auf dem Land gab der Boden, nicht mehr so viel her, dass, außer dem Erben des Hofes oder der Kleinstlandwirtschaft, alle Kinder ernährt werden konnten. Die Industrialisierung mit dem Bedarf an Arbeitskräften, führte zur Landflucht und zur Verstädterung, allerdings unter elenden Bedingungen, während ein kleiner Teil der Bevölkerung, seien es Junker auf dem Land und von Handwerkern zu Industriellen in den Städten Aufgestiegene, ein nach damaligen Maßstäben luxuriöses Leben führten.
Wenn heute die Arbeiterschaft im allgemeinen, was etwa hygienische, sanitäre Verhältnisse betrifft, sich besser stellt als höhere Beamte oder Industrielle damals, so ist das nicht dem „Mitkommenlassen“ der so genannten besseren Gesellschaft zu verdanken, sondern dem Kampf mit Streiks, aber auch dem Einsatz der Arbeitervertreter in den Regierungen. Aber selbst heute noch ist das Vermögen in unserem Land auch nicht annähernd gleichmäßig verteilt. In Wikipedia kann man nachlesen: Während im Jahr 2003 die „unteren“ 50 Prozent aller Haushalte zusammen 3,8 Prozent des Gesamtvermögens besaßen, verfügten die „oberen“ zehn Prozent der Haushalte über 46,8 Prozent des privaten Vermögens in Deutschland. Bis heute ist das nicht anders; im Gegenteil geht die Schere zwischen arm und reich stets weiter auseinander.
Ich habe eingangs von „Hartz IV“ gesprochen, was jetzt gar nicht mehr einzeln zu erörtern ist, denn, wir bleiben insgesamt gesehen, ein relativ reiches Land. Aber wie ist das mit den Wellblechhütten in Südamerika, den Strohhütten in Afrika und Indien? Dort wird die Bevölkerung insgesamt immer ärmer, einige wenige immens reicher. Aber warum?
Als ich Mitte des vergangenen Jahrhunderts Abitur machte, schätzte man die Weltbevölkerung auf etwa zwei Milliarden Menschen. Sie hatte in anderthalb Jahrhunderten, seit 1804, als man von einer Weltbevölkerung von einer Milliarde ausging, um das doppelte zugenommen. 1927: 2 Milliarden, 1960: 3 Milliarden, 1974: 4 Milliarden, 1987: 5 Milliarden und 1999: 6 Milliarden Menschen. Die 7-Milliarden-Marke wird voraussichtlich im Jahr 2012 erreicht. Wir sind jetzt im Jahr 2010. Und, muss man sich nicht fragen, wie viele Menschen kann die Erde ernähren? Ich habe darauf keine Antwort. Aber, ich muss sagen, dass ich, - dass wir -, wieder bei Fressen und Fortpflanzen angelangt bin.
Warum, wir müssen uns doch alle ernähren? Auch die, die zusätzlich zu den schon Lebenden geboren werden. Nun gut, eine alte Nonne hat mir gesagt: „Gibt der Herr das Häslein, gibt er auch das Gräslein“. Aber der Herr scheint mir nicht für Indien, China, Südamerika und Afrika zuständig zu sein. Überall auf der Welt gibt es nämlich noch Hunger, verhungern Menschen sogar. Doch Gott wird schon wissen warum das so ist. Und, sind gerade die hungernden Menschen katholisch? Nein, zwar auch und überhaupt ist das etwas anderes. Was?
Wollen wir das Ganze mal pragmatisch, nüchtern betrachten: Was können wir, in Deutschland, in Europa, überhaupt in den zivilisierten Ländern, dafür, dass es uns überwiegend besser geht als den Menschen der übrigen Welt? Es gibt eben Unterschiede und die müssen doch sein, weil es sonst gar keine Reichen und keine Armen gäbe, wenn alles gleichmäßig verteilt wäre. Das wäre ja purer Kommunismus, und das darf nicht sein. Und bemühen wir uns im Zuge der Globalisierung nicht, dass der Wohlstand zu allen Menschen kommt? Gewiss, dazu muss man allerdings das, was ich über Afrika schrieb und noch so einiges mehr, bereits vergessen haben. Vielleicht ist es besser, man sieht da gar nicht hin. Die Erde gibt es schon so lange – das sagen doch die Gottlosen – dass es sie auch noch weiter gegeben wird. Und wieso ist es zu dieser so genannten Bevölkerungsexplosion gekommen? Jetzt, auf einmal?
Man schätzt, dass zum Ende der Letzten Eiszeit, vor 10 000 Jahren, etwa 10 Millionen Menschen die Erde bevölkerten. Um die Zeit von Christi Geburt waren es schon etwa 300 Millionen, das blieb so bis etwa zum Jahr 1000, und stieg bis zum Jahr 1500 auf 450 Millionen an. Also sehr, sehr grob gesprochen könnte man sagen, dass sich die Weltbevölkerung alle 1000 Jahre verdoppelt hatte, bis zum Jahr 1800, als eine Milliarde erreicht wurde. Dann ging es rapid, in nur 100 Jahren verdoppelte sich die Anzahl, um schließlich zu explodieren, denn ab 1920 vervierfachte sich die Zahl der Menschen auf der Erde.
Aber warum ging das bis, sagen wir zum Jahr 1900, so gut? Was heißt gut? Es gab Seuchen wie die Pest, die Pocken und andere, gegen die man kämpfte und schließlich siegte. Pest, Aussatz (Lepra) und sicher Ruhr, Typhus und andere verschwanden durch hygienische Maßnahmen oder aus unbekanntem Grund. Jenner ließ die Pocken durch Impfung verschwinden. Solche Seuche bräuchten wir eben wieder, in Afrika zum Beispiel, wo man jetzt zwar Aids hat, aber was ist das schon. Und die Tuberkulose und die Malaria, die Millionen jährlich fordern? Was ist das schon, wenn jährlich 15 Millionen daran sterben, aber 80 Millionen im gleichen Zeitraum neu geboren werden? Vielleicht sollte man das dem einsam in einer Hütte in Afrika an Malaria oder Aids Sterbenden einmal sagen. Ich bezweifle, dass ihn das tröstet, ein Teil eines sowieso versagenden Regulativs zu sein. Und wir, haben wir nicht schon genug Sorgen mit unseren meist erhöhten Cholesterinwerten? Müssen wir uns jetzt auch noch in Afrika und Asien einmischen, in die Gesundheit, in Hunger und Sterben? Genügt es nicht, wenn wir uns im Zuge der Globalisierung wirtschaftlich, finanziell, kaufmännisch einbringen? Aber, das ist doch etwas ganz anderes. Was?
Ich weiß nicht, ob es Pandit Nehru oder ein anderer indischer Politiker war, der einem Wissenschaftler, der zu bestimmten Maßnahmen riet, mit denen man jährlich vier Millionen Menschen, die bei Naturkatastrophen umkommen, retten könnte, sagte, ob er ihm auch sagen könnte, womit er diese vier Millionen Menschen ernähren soll.
Und, als die Bevölkerungsexplosion bei uns nur aus Presse und Rundfunk wahrgenommen wurde, dacht man in Indien schon etwas weiter. Man klärte das Volk in Bezug auf die Geburtenregulierung auf. Auf Plakaten sah man eine Familie, Mann, Frau und zwei Kinder. Wohlhabend, weil nicht zu viele Münder gestopft werden mussten. Und was sagten die Leute auf dem Land? „ Oh Gott (oder oh Wishnu, ich weiß das nicht so genau) die armen Leute. Nur zwei Kinder!“ Später wurde es besser, als sich Männer, die sich zur Geburtenregulierung die Samenstränge durchtrennen ließen, dafür ein Transistorradio bekamen. Bis jetzt hat aber diese Maßnahme den Geburtenanstieg bei den 1,17 Milliarden Indern nur sehr unwesentlich gebremst.
Eigenartigerweise hat China, mit seinen 1,34 Milliarden Chinesen das bevölkerungsreichste Land der Welt, seinen Geburtenzuwachs anscheinend in den Griff bekommen. Die Ein-Kind-Familie ist dort das Ideal. Ausgerechnet die Chinesen, mit dem derzeit größten Wirtschaftswachstum, wollen uns da etwas vormachen. Erst begeht Mao einen der größten Völkermorde, am eigenen Volk! und dann das. Natürlich, das sind doch Kommunisten, die dürfen das. Dabei ist der Chinese, wie wir wissen, mit einer Schale Reis am Tag, zufrieden. Hat er damit meine These vom Fressen und Fortpflanzen widerlegt? Vielleicht, wenn man von Chop Sue und all dem Zeug aus dem Wok genug hat, will man sich nicht mehr fortpflanzen? Merkwürdig. Aber alles in allem ist die Weltbevölkerung explodiert und sie wird immer weniger satt, immer ärmer und einige werden bald im Luxus ersticken. Hoffentlich.
Und was sagt man in Deutschland, in Europa dazu? Ja hier ist es doch gar kein Problem. Und warum? Weil wir die Angelegenheit auf ganz infame, verbotene Weise regeln, die uns nach Bischof Mixa, zu Übertreffern des Holocaust macht. Auch der oberste Chef, Benedikt, hat da ein Wörtchen mitzureden. Warum eigentlich? Was hat die Kirche mit fressen und fortpflanzen zu tun? Gut, für Fressen haben wir Misereor oder Brot für die Welt, aber Fortpflanzen? Ist das Zölibat nicht die beste Geburtenregelung? Und mit Sex hat die Kirche sowieso nichts zu tun! Wenn man jetzt sagt, ich sei zynisch, hämisch oder lästerlich, dann stimmt das.
Sex, die Sexualität, ist das umfassende Lieblingsthema aller Religionen. Natürlich wusste man nichts von Vererbung, von Genen, von DNA und Hormonen, lediglich, dass man vom Vögeln Kinder bekommen kann. Aber es scheint doch der Vorgang des Sexes, auf welche Weise auch immer, der Grund zu mystischer Verklärung bis zu orgiastischer Freude gewesen zu sein. Der Pharao der Alten Ägypter pflegte ihn mit Frau und den eigenen Töchtern, diese auch mit den männlichen Geschwistern. Mag sein, dass man da, wenn schon was passiert, man Kinder bekommt, wenigstens das Blut, das königliche, rein hält. Die Sexszenen an den Tempeln Indiens und Hinterindiens, die Malereien in Büchern der Chinesen und Inder, zeigen Sex in aller Deutlichkeit und nicht unter einer Decke im finsteren Zimmer. Es ist also der hormongesteuerte Trieb, der, wie ich sagte, von Hingabe bis Brutalität, das Leben der Menschen, und das will ich betonen, auch aller Lebewesen, beherrscht. Die Sexualität ist ein Zwang, dem alle Menschen unterliegen.
Und im Alten Testament wird, nachdem der liebe Gott Himmel und Erde so aus dem Nichts gemacht hat, so ganz asexual, unmittelbar danach mit dem Sex begonnen. Aber wahrscheinlich hat doch der Alte Herr da schon so etwas wie Sex eingebaut gehabt, denn er muss ja die Äpfel, die am Baum der Erkenntnis hingen, irgendwie präpariert haben, denn sonst wären Adam und Eva, nach dem Genuss der Frucht, kaum ein Licht aufgegangen, dass sie nackt waren und was man in dieser Art der Kleidung wohl am besten machen könnte. Und es ging ja dann weiter mit Abraham und seinen Damen; David und Salomon ergötzten sich. Und schließlich kam noch ein Jude, ein gewisser Jesus, der zwar weder im Alten, wo er sowieso nichts verloren hat, noch im Neuen Testament über Sex redete, aber sich immerhin mit der Ehe und einer Ehebrecherin befasste. Es wird heute gerätselt, ob er mit einer gewissen Maria Magdalena so etwas gehabt hat. Möglich wäre es, denn sie hat ihm immerhin die Füße gewaschen, was heißt, dass er zumindest sich nicht grundsätzlich die Weiber vom Hals hielt. Immerhin soll er nach Matthäus 19,12 gesagt haben: Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es.
Den jüdischen Ritualen war Jesus ebenso unterworfen, wie jeder andere Jude. Er war beschnitten. Und bis heute stellt das jüdische Bad für die Frauen, in Bezug auf die monatliche Hygiene und was darum herum ist, einen sicher sexbezogenen Ablauf des Lebens dar.
Nach dem Tod Jesu kamen die Apostel, besonders einer, Paulus, und brachten einen eher unschönen, verklemmten Zug in die Sache. Aber das war dann wohl das Ende mit der Religion, Sex und Gott, weil ja letzterer gerade den Sex, seinem Partner, dem Heiligen Geist, der das Ding dann mit Maria der Jungfrau drehte, überließ. An dieser Stelle hätte Tucholsky gesagt: „Denkste“. Jetzt ging es erst richtig los. Sex, Jungfrau, kein Sex, waren und sind die beherrschenden Themen der Kirche, zunächst von Rom aus, oder der Kirchen allgemein, bis heute.
Wir wissen es noch zu wenig, und es ist auch gar nicht notwendig es zu wissen, was in den ersten zwei Jahrhunderten des Christentums in Bezug auf die Sexualität, geschah. Ein beherrschendes Thema muss es gewesen sein, denn um nicht durch den Drang zum Sex vom wahren Glauben abgelenkt zu werden, kastrierten sich nicht wenige Männer unter den noch heimlichen Christen im alten Rom, selbst. Ob sie sich da auf Matthäus 19,12 beriefen, kann ich nicht sagen. Jedenfalls haben sie da einiges, für sie passend, ausgelegt. Es war dann wohl ein böses Erwachen, als das Christentum unter dem Heiligen Konstantin als gleichberechtigte Religion zugelassen wurde – erst unter Theodosius wurde es Staatsreligion – und dann die Selbstkastraten nicht nur von geistlichen, christlichen Ämtern, sonder sogar aus der Gemeinde ausgeschlossen wurden. Über das Leben des Heiligen Konstantin, der eines der großen Schweine der Geschichte des Abendlandes war, muss man sich hier nicht mehr auslassen. Das lohnt nicht.
„Im Jahre 1022 ordnete Papst Benedikt VIII. auf der Synode zu Pavia gemeinsam mit Kaiser Heinrich II. an, dass alle Geistlichen künftig nicht mehr heiraten durften. Da es für Priester üblich wurde, die Heilige Messe täglich zu zelebrieren, spielte dabei vor allem die kultische Reinheit eine Rolle, aber auch die Tatsache, dass sonst Kirchenbesitz an die Kinder der Geistlichen vererbt worden wäre. Verstöße gegen den Zölibat wurden mit Kirchenstrafen belegt, und bereits verheirateten Geistlichen wurden Amt und Besitz entzogen.
In Deutschland wagten nur drei Bischöfe, die römischen Dekrete zu verkünden. Der Bischof von Passau wäre vom Klerus beinahe gelyncht worden und wurde schließlich vertrieben. Gerade Geistliche des niederen Klerus waren besonders betroffen, und zu Tausenden protestierten sie gegen die neuen Gesetze. Allein in der Diözese Konstanz waren 3600 Geistliche auf einer Synode“. Die beiden letzten Absätze habe ich direkt aus Wikipedia übernommen. Das darf man und ist legal. Man darf auch Inhalte in Wikipedia hinzufügen, verändern, usw. Ich weise deshalb darauf hin, weil sich sehr Interessierte im Detail, über das Internet, informieren können. Da kann man die tollsten Verrenkungen lesen, die man über den Zölibat (man darf auch umgangssprachlich das Z. sagen) überhaupt zustande bringt. Vor allem ist das Zölibat schon wegen der „kultischen Reinheit“ ungeheuer wichtig. Und eigentlich habe es das Zölibat schon immer gegeben, und wahrscheinlich war auch das Leben Christi schon zölibatär. Außerdem heißt zölibatär zu leben nicht unbedingt ohne Sex, sondern nur ohne Ehe; wegen möglicher Kinder, die ja sonst Kirchengut erben könnten. Andererseits könne man als Priester, zum Beispiel ein konvertierter Evangele, verheiratet sein und Priester bleiben, wenn man enthaltsam lebe.
Nun, kurz und gut; bis heute ist doch die Sexualität das Lieblingsthema der Kirche, auch wenn man ununterbrochen betont, wie wenig man sich dafür interessiere. Allein der gesamte Marienkult, der einen Mann wie Papst Johannes Paul II zu schier verzückten „Verehrungen“ führte, ist furchtbar. Aber wahrscheinlich ist ein Papst gar kein Mann; auch die Kardinäle und Bischöfe nicht. Hat sich schon einmal eines dieser salbadernden Unwesen darüber Gedanken gemacht, was es bedeutet, wenn auf dem Altartuch eines Marienaltares steht. „Maria, heilige Jungfrau, ohne Makel empfangen“? Wenn Maria unbefleckt empfangen hat, ist dann jede Frau, die den Samen für ein Kind empfängt befleckt? Natürlich werden die Kirchen, für die Sex kein Thema ist, hier ein entschiedenes „Jaaaiiinnn, aber das ist doch etwas ganz anderes, sagen“. Was denn? Wenn man von Vater, Sohn und Heiliger Geist ausgeht, und davon, dass dieser Heilige Geist, der ja eigentlich Teil dieser Dreieinigkeit ist, mit sich selbst oder so, einen Sohn gezeugt hat, und man feststellen muss, dass dies eigentlich nicht geht, dann haut man dieser heiligen „Dreibeinigkeit“ doch ein Standbein weg. Und wenn man einem dreibeinigen Tisch ein Bein weg haut, steht er nicht mehr! Aber vielleicht steht im Kirchensex auch etwas auf zwei Beinen? An die Wand gelehnt?
Ich will jetzt nicht der katholischen Kirche, die derzeit gebeutelt wird, nicht alles was mit Sex zu tun hat, in die Schuhe (des Fischers) schieben. In der evangelischen Kirche, wo seit Luthers Zeiten die Kindlein in den Pfarrhäusern, von Schutzengeln bewacht, aufwachsen, ist es nicht anders. Glaubensbekenntnis heißt das, was in jedem Gottesdienst gebetet wird, was jeder Christ damit bekennt, was er glaubt: u. a. „Geboren aus Maria der Jungfrau“. Gewiss, alles in diesem Gebet ist nichts anderes als das wörtlich übersetzte Credo der katholischen Kirche. Ändert das etwas an der Sache?
Gewiss versuchen die Kirchen auch hier zu retten was zu retten ist. Jede Nachricht von der Jungfernzeugung im Tierreich, wird mit einem sic, sic! kommentiert. Erst kürzlich war wieder zu lesen, dass bei einer bestimmten Haiart offenbar eine Jungfernzeugung möglich ist, wenn männliche Haie in einem Schwarm von weiblichen Haien fehlen. Es gibt dann viele, nur weibliche Nachkommen. „Und einmal sei sogar ein kleiner männlicher Hai dabei gewesen“, las ich. Also man versucht doch immer wieder, „ob nicht vielleicht einmal doch“. Dass es eben einfach nicht geht, dass aus einem X-Chromosom ein Y-Chromosom entstehen kann, habe nicht ich, sondern die gesamte Wissenschaft wie Genetik, Physiologie und Biologie hinlänglich bewiesen. Doch wenn es nicht geht, dann macht das nichts, dann glaubt man eben und dann geht es doch.
Ich habe, als ich über die „Jesuitenaffäre“, Kloster Ettal und einiges über Knabensex schrieb, auf die Genetik, die hier zu besprechen sei, hingewiesen. Das kommt jetzt. Es steht ja in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zölibat, mit dem Sex und Kirche überhaupt. Fast selbstverständlich wird das Zölibat von der Kirche verteidigt und es wird auch betont, dass die nun leider und überhaupt und vielleicht waren die Opfer selbst die Täter und schuld, an den bedauernswerten Verfehlungen nichts mit dem Zölibat zu tun hätten. Im Übrigen, wird gesagt, käme es in den Familien öfters zu Missbrauch als von Geistlichen verübt und zudem sei die „sexuelle Revolution“ der Fünfziger und Sechziger Jahre schuld an allem.
Ich will mit Letzterem beginnen (unüberlegter Weise wollte ich erst schreiben „von hinten anfangen“): Durch die sexuelle Revolution, die eigentlich eine ganz natürliche Aufklärung in einer verklemmten Welt war, wo die unbefleckte Empfängnis als heilig galt, konnte man, keineswegs erstmals, nackte Frauen und Männer, auch beim Sex dargestellt sehen. Und nun wurde die Welt geil und viele fanden das endlich gut und man redete kaum mehr von der Sünde, die bis dato als nacktes Weib mit einer Schlange, zur Abschreckung, zu sehen war. Aber was da nun neu stattfand, waren natürliche Vorgänge. Das Betrachten nackter Körper, auch beim Sex, führt zunächst zu einem Abbild auf der Sehrinde unseres Gehirns. Von dort gelangen Impulse, über Botenstoffe, genauso wie bei nichtsexuellen Ereignissen, an Hirnareale, in denen Erinnerungen an ähnliche Szenen gespeichert sind. Unser Limbisches System spielt hier eine große Rolle. Es werden nicht nur die Erinnerungen hervorgerufen, sondern auch die Gefühle, der Drang, die orgiastische Erwartung. Das funktioniert nicht in dem Maße – was nicht heißt gar nicht – bei Kindern. Aber, sollte der Organismus bereits postpubertär geprägt sein, was durch Hormone bewirkt wird, wird eine erneute Hormonausschüttung eingeleitet. Das heißt, der Mensch wird erregt, er will jetzt oder später oder überhaupt Sex. Das ist ja das, was von der Natur zur Einleitung, zum Drang zur Fortpflanzung gewollt ist. In unserer DNA ist festgelegt, was in einem bestimmten Lebensabschnitt erfolgen soll.
Im Tierreich – ich will es nicht auch noch für die Pflanzen erklären – funktioniert diese Steuerung über jahreszeitlich bedingte Abläufe. Die Vögel bauen im Frühjahr ihre Nester. Die Hirsche sind zur Brunftzeit hinter den Riken her, und so geht das. Je „höher“ die Tiere sind, desto mehr entkoppelt sich der Drang zum Sex von der Jahreszeit und umso mehr gewinnt die Symbolik Macht für die Erinnerung und den Wunsch nach Sex. Für Bullen genügt ein nur annähernd kuhähnlicher Bock zur Gewinnung von Samen für die dann „künstliche Befruchtung“ der Kühe. Primaten, also Menschenaffen, pflegen oft anhaltend und „bei jeder Gelegenheit“ Sex, einfach zur Unterhaltung. Eine bestimmte Paarungszeit gibt es dann nicht mehr.
Aber jetzt muss doch endlich der Aufschrei kommen: Der Mensch, das Ebenbild Gottes! Den kann man doch nicht mit Affen oder Stieren vergleichen! Warum nicht? Die alten Griechen konnten das: Zeus, als Stier, entführt Europa. Allerdings verwandelt er sich, als er die Königstochter nach Kreta gebracht hatte, wieder in seine göttliche, menschliche Gestalt und schwängerte sie. Aber immer schon, weiß man, haben die Götter aller Religionen etwas mit Sex zu tun gehabt.
Aber immerhin hat doch der Mensch, sagt man, eine Steuerungsmöglichkeit seines Sexualtriebs. Stimmt. Er kann Regeln aufstellen, sich Hindernisse aufbauen und noch mehr. Ob das bewusst oder unbewusst dazu dient etwa die Geburtenrate zu regulieren, möglichst viele Kinder zu zeugen, um eine Altersversorgung zu haben, um seine Rasse „rein zu halten“, das sei dahingestellt. Er kann auch definieren, was „normal“ und was „abnormal“ oder gar pervers ist. Aber schon beim Normalen wird es Schwierigkeiten geben. Ohne ein Sigmund Freud-artiges Konstrukt bilden zu wollen, könnte man einen Mann zwischen Draufgänger und Schlappschwanz ansiedeln. Wenn man überlegt, was diese Begriffe wörtlich bedeuten, weiß man, dass es offenbar verschiedene Erscheinungsformen der Männlichkeit geben kann. Zärtlichkeit oder eine gewisse Aggressivität können Spielarten der Sexualität sein. Aber wie ist das mit dem Sex mit wem? Bei den Pharaonen, wissen wir schon, gab es den Sex in der Familie. Würde man gleiches bei uns praktizieren, käme der Staatsanwalt. Im alten Griechenland gab es den Sex mit Knaben, ganz offiziell, um nicht zu sagen legal. Es gab dafür kein Gesetz. Im Orient verheiratet man heute noch acht- bis zehnjährige Mädchen mit alten Männern. In Tibet kann oder muss eine Frau mehrere Männer, meist Geschwister, haben. Was ist hier normal und was nicht?
Ich kann zur letzten Frage, weil ich nicht kompetent bin – wer ist das hier schon? – keine definitive Antwort geben. Aber, was nach meinen Kenntnissen am ehesten unserer Anlage, unseren Genen entspricht, wäre die Sexualität unter gleichberechtigten Partnern. Das heißt Zwangsheiraten, Zwangsprostitution, sind abscheulich. Man mag noch so argumentieren, dass die Eltern ja am besten wissen was für ihre Kinder gut ist, es ist immer ein Zwang, der weit über den an sich schon von der Natur auferlegten hinaus geht.
Gewiss kommt jetzt wieder das Argument vom Kulturkreis. Das ist so ein unnatürliches Konstrukt wie Kirche oder Rasse. Hätte man vor einhundert Jahren gesagt, dass sich Weiße legal mit Negern paaren können, hätte man eher ihn für pervers und unnatürlich gehalten. Heute ist das Produkt aus einer solchen Verbindung Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, die lange Zeit rassistische Gesetze hatten. Auf ein Mal passen da die Dinger zusammen, von denen man früher nicht gesprochen hätte.
Aber wie ist das mit der Knabenliebe, heute, bei uns? Gibt es ein Gen für Pädophilie? Nun, ich kann das nicht beantworten, weil wir hier sicher zu wenig wissen. Aber es ist möglich, dass es so ist. Kürzlich habe ich in der Süddeutschen Zeitung gelesen, dass ein Gendefekt entdeckt wurde, der zu Stottern führt. Wenn also eine fast mechanisch anmutende Sprachhemmung durch eine Genmutation möglich ist, warum soll eine scheinbar abartige Neigung nicht auch durch Gene gesteuert sein? Immerhin verspüren betroffene Menschen einen gewissen Zwang, dem sie zwar entkommen möchten, weil er nicht in unsere Kultur und zu unseren Gesetzen passt, dem sie aber nicht entkommen können. Sie wenden sich ja immer mehr an Hilfe gebende Institutionen.
Und was tut die Kirche, was die betroffenen weltlichen Institutionen? Nachdem vertuschen nicht mehr geht, sucht man Schuldige außerhalb des eigenen Bereichs. Die Opfer, Ministranten, Schüler, werden zu Verführen abgestempelt, dabei waren diese, aufgrund ihrer Vertrauensseligkeit, Unerfahrenheit, Angst und vielleicht Neugier, doch Opfer im eigentlichen Sinn. Und wo man nicht mehr mit Ausreden entkommt, zeigt man zerknirschte Reue, bittet um Vergebung und überlegt, ob man eine „Entschädigung“ bezahlen soll, ob überhaupt und wie viel.
Und wie ist das mit der Homosexualität, die man in der Kirche ja nie kannte? Der verstorbene Bischof von Fulda, Dyba, sagte doch einst, dass seine Pfarrer oder Priester gestandene Männer seien und genauso gut Familienväter sein könnten. Könnten! Doch Homosexualität ist eine, schon im Tierreich vorkommende Erscheinung, die beim Menschen nicht nur die katholische Kirche betrifft. Auch hierüber wissen wir zu wenig, um zu sagen, sie sei gut oder schlecht. Sie war immer schon da, auch im Dritten Reich und später, trotz eines gesetzlichen Verbots. Es gibt sie weltweit, auch in Ländern, in denen sie heute noch mit dem Tode bestraft wird. Man hat auch von Homoerotik gesprochen und sich staunend über bisexuelle Männer und Frauen amüsiert.
Hierzu noch mal die schon in nur Mensch, nur Kreatur geschilderte Begebenheit: 1966 hatte ich als junger Oberarzt einen etwa 35jährigen Mann aus einer psychiatrischen Klinik zur internistischen Zusatzbegutachtung überwiesen bekommen. Er war ein mehrfach rückfälliger Hochstapler, der angeblich echte Rembrandts verkaufte, die es nie gab, der großspurig lebte und eben ein wenig wirtschaftlichen Schaden bei Leuten anrichtete, die diesen Schaden durchaus verdient hätten. Das so genannt Pikante an der Sache war, dass der Mann homosexuell war. Der Psychiater begutachtete ihn und wollte von mir wissen, ob der Mann allgemein internistisch, vor allem „hormonal“ gesund sei. Er war es.
Meine nur im Rahmen der Zusatzbegutachtung gemachten Ausführungen, führten zur Verwunderung, so dass ich das Gutachten, zusammen mit dem Psychiater vor dem Schwurgericht erläutern musste. Es ging um zwei bestimmte Punkte. Einmal, ob man den Mann für immer in Sicherungsverwahrung nehmen müsste, was es damals noch gab, heute ungeheuerlich wäre, und zum andern, ob er nicht vielleicht aufgrund seiner Homosexualität einfach die Neigung zur Hochstapelei habe und somit letztlich krank und schuldunfähig sei.
Der Vorsitzende Richter fragte mich allen Ernstes, ob man dem Mann denn, weil er offenbar Sex mit anderen Männern hatte, nicht männliche Hormone spritzen könnte, damit er seine „Neigung zur Homosexualität“ und damit auch die zur Hochstapelei verlöre. Er könnte sich doch dann „sexuell Frauen zuwenden“. Es löste Erstaunen aus, dass ich sagte, dass dieser Mann, auch wenn er Sex mit andern Männern hatte, deshalb noch keine Frau sei. Er sei hormonell bereits normal und ein Mann und man könne ihn nicht sozusagen „umpolen“.
Ich habe diese Episode, wie gesagt, schon einmal, vielleicht nicht so ausführlich geschildert, weil es um eine ärztliche Angelegenheit ging, auch wenn die Gerichtsverhandlung öffentlich war und ich, ohne die Schweigepflicht zu verletzen aussagen konnte und musste. Aber, was jetzt entscheidend ist, das ist das heute nicht mehr tolerable Herumgeeiere der Kirche um Sex, Homophilie und Pädophilie.
Da muss ich allerdings mir selbst zu bedenken geben, dass es nicht verwundern kann, wenn die Kirche solche Verrenkungen macht. Sie hat doch weder Kopernikus wahrgenommen, beziehungsweise aus seinen und den seiner wissenschaftlichen Nachfolger gewonnenen Erkenntnissen irgendeine Folgerung gezogen. Es ist noch alles wie bei Adam, Eva, Christus und allen Heiligen. Und wer das nicht selbstverständlich glaubt, ist Häretiker, Ketzer, ungläubiger, dummer Atheist und wird, wo man nur kann, abgestraft. Ist es da verwunderlich, wenn man alle Erkenntnisse aus Biologie, Medizin, Genetik, ebenfalls ignoriert? Ich muss das so betonen, weil sich die Kirche, die tonangebende katholische, wie ich direkt sagen möchte – wenn es nicht so bigott und kirchlich klänge – an der Menschheit versündigt. Die Kirche macht die genetisch determinierte Sexualität zur Sünde, denn nur „die Heilige Jungfrau hat ohne Makel empfangen“! Und allenfalls genehmigt sie das offenbar schmutzige Geschäft der Sexualität zur Kinderzeugung, ja macht es sogar zur „ehelichen Pflicht“.
Warum ich mich aufrege? Habe ich nicht die Bevölkerungsexplosion in der Welt angeführt, vom Verhungern und vom Elend geschrieben? „Aber das ist doch etwas ganz anderes!“ Nein! Die katholische Kirche ist gegen jede Geburtenkontrolle. „Aber nicht doch“ wird man sagen. Die Menschen müssen dann eben enthaltsam leben, wie einige der Päpste. Dass das nicht geht, hat sich bis zu letzteren noch nicht herumgesprochen. In Afrika, wo die Seuche Aids wütet, hat man den Gebrauch von Kondomen verboten. Eine missionarisch tätige Nonne, die an die Armen Kondome verteilte, wurde geschasst. Da nimmt man Millionen von Toten in Kauf und versucht Tuberkulose und Malaria als die eigentlich Schuldigen auszumachen. Man führt Eiertänze auf, die noch eine Unterstützung durch „faith based“ Institutionen aus den USA, Lobbyisten der Pharmaindustrie, finden. Kinder sterben oder bleiben als Waisen für einige Zeit zurück, aber dem sündigen Trieb der Menschen wurde nicht nachgegeben!
Es ist ja nicht nur in Afrika so, dass man offiziell, seitens der Kirche, eine Empfängnisverhütung verbietet. Auch bei uns und überall in der Welt, gilt dies. Doch wenn „empfangene Frauen und Mädchen“ zur Abtreibung gehen oder gezwungen werden, erhebt man das große, das heilige Geschrei. „Aber das ist doch etwas ganz anderes“! Nein, nein! Ich bin keineswegs für Abtreibungen anstelle einer funktionierenden Empfängnisverhütung. Doch wenn diese verboten, „Sünde“ ist, was bleibt? Man kann dann wenigstens jammern über das getötete, ungeborene Leben, das die Opfer des Holocaust längst überschritten hat. Doch die ganze Sache haben und hatten doch der Pillenpaul (Paul VI), Johannes Paul II, den Laien sofort heilig gesprochen haben wollten, Benedikt XVI, Mixa und all die anderen Schurken und Menschheitsvergewaltiger, längst im Griff. Die schon zitierte Nonne, die mit dem Häslein und Gräslein, hat mir dazu noch einen weiteren Spruch geliefert: „Lieber zehn auf dem Kissen, als eines auf dem Gewissen“. Wenn man überlegt, was die Kirchen, fast ausschließlich die katholische, in Bezug auf die Sexualität so von sich geben, könnte man meinen der geistige Wohnsitz dieser Herren sei in der Scheide der Frau. Die Homosexualität betrifft das aber, aus anatomischen Gründen, nur teilweise. Wäre nicht der geistige Führungsanspruch dieser Bande, könnte man dies alles lachend vergessen. So aber? Kommt noch.
Es ist ja das große Problem der Kirchen, keine Lehren aus den Erkenntnissen der Naturwissenschaften ziehen zu können. Ich erinnere an den zweibeinigen Tisch. Hier wären Reformen unbedingt notwendig. Reformen, keine Reformation im lutherischen Sinn, wodurch nichts besser würde. Ich will hier den Kirchen keine Ratschläge erteilen, die sie sich sowieso verbitten würden, wenn sie diese überhaupt zur Kenntnis nähmen. Die Institution Kirche, als moralische, soziale Einrichtungen, zur Hilfe, nicht zur Gängelung der Menschen, könnten diese durchaus gebrauchen. Sicher ohne das bombastische Brimborium, vielleicht mit dem Petersdom als Museum. Ob dies erfolgreich wäre, wage ich allerdings selbst zu bezweifeln, wenn ich an die Ideologien als Ersatz für die Religion denke. Aber es gab ja Ansätze für eine geistige Veränderung der Kirche, aus den eigenen Reihen.
Es gab da einen Marie-Joseph Pierre Teilhard de Chardin, der 1881 auf einem Schloss bei Clermont-Ferrand geboren wurde und 1955 in New York starb. Er war französischer Jesuit, Theologe, Philosoph, Paläontologe, Anthropologe und Geologe, hatte also die Ausbildung, die man den Jesuiten in theologischer und naturwissenschaftlicher Weise nachsagt. Dass er versuchte Wissenschaft und religiösen Glauben miteinander zusammen zu bringen, zeigt schon, dass für ihn dies zwei verschiedene Spezies waren. Mitte des 20. Jahrhunderts forderte er die Evolutionstheorie der Biologie in allen wissenschaftlichen Fachgebieten anzuwenden. Er wollte das christliche Weltbild aus seiner jahrhundertealten Erstarrung auf eine moderne, zukunftsweisende Basis zu stellen, die Glauben und Wissenschaft gleichermaßen umfasst. Der Dualismus von Materie und Geist sollte überwunden werden.
Natürlich standen Teilhards Ansichten in klarem Kontrast zu biblischem Fundamentalismus und religiösem Kreationismus, wie er in USA Mode war und ist. Für die Katholische Kirche war dies, die evolutionäre Synthese, eine Bedrohung der traditionellen, auf Annahmen und Dogmen beruhenden Theologie.
Er arbeitete die meiste Zeit seines Lebens als Geologe und Anthropologe, erhielt schon frühzeitig eine Professur für Geologie am Institut catholique in Paris, die er allerdings aufgrund seiner Einstellung, schon nach vier Jahren wieder verlor. Er arbeitete dann hauptsächlich als Geologe und Paläontologe in Burma, Äthiopien, Indien, Java und vor allem in China, wo er bei Höhlenfunden ein Mitentdecker des Peking-Menschen wurde. Es war klar, dass er, ständig publizierend und forschend, mit der Glaubenskongregation in Rom aneinander geriet, besonders, als es um die Veröffentlichung seines 1940 fertig gestellten Hauptwerkes „Le Phénomène Humain“ ging. Er wurde, trotz oder wegen seiner Mitgliedschaft in der französischen Akademie der Wissenschaften, von seinem Orden, den Jesuiten, aus Frankreich verbannt, und als treuer, sich seinem Ordenseid verpflichtet fühlender Jesuit, gehorchte er und ging nach Amerika. Da er nicht als freier Philosoph außerhalb von Kirche und Orden publizieren wollte, erlebte er die Veröffentlichung seines Hautwerks – zehn Jahre vom Vatikan blockiert – nicht mehr.
Warum ich relativ ausführlich über Teilhard de Chardin schrieb, ist, weil ich der Überzeugung bin, dass diese Kirche den wohl größten Geist, den sie bis dato hatte, fürchtete, verfolgte und sich selbst der Chance beraubte, Kirche für die Menschen zu werden. Es ist klar, dass ein Naturwissenschaftler kein Theologe im traditionellen Sinn sein kann. Und Naturwissenschaftler, die sich mit der Kirche arrangieren, sind sicher abgrundtief unehrlich, opportunistisch oder dumm. Ich kann dies sagen, weil ich mich zu diesen dazurechnen muss. Denn, als ich, eigentlich bisher stets mit Nonnen arbeitend, selbst an der Universität – eine kurze Episode an einem theoretischen, medizinischen Institut ausgenommen – auch die letzte, nahezu bedeutende Stelle unter der Herrschaft von Nonnen und der katholischen Kirche, als noch überzeugter Protestant, antrat, hatte ich mir zu wenig Gedanken „über Gott und die Welt“ gemacht. Ich war dumm. Und, weil in meinem Vertrag stand, dass ein Austritt aus der Kirche, auch aus der evangelischen, die automatische Beendigung des Arbeitverhältnisses beinhaltet, war ich opportunistisch und sagte nichts. Ich würde auch heute, aus intimer Kenntnis der Verhältnisse, niemandem raten, sich mit dieser Kirche, gegen die selbst die Mafia eine ehrenwerte Gesellschaft ist, anzulegen.
Aber warum rede ich dann ständig gegen die Kirche, die Kirchen und die Religionen? Es ist die Angst vor der Apokalypse, die ich hoffentlich nicht mehr erleben werde. Dabei meinte ich, dass die meisten Menschen nicht ohne Religionen oder Ideologien auskommen. Dies erscheint mir nahezu genetisch festgelegt wie der Zwang zum Fressen, zur Fortpflanzung und der unausweichlichen Apoptose, der Bestimmung zum Tod. Doch dies scheint es nicht einmal zu sein. Und offenbar bin ich mit meinen Ansichten, Urteilen und Warnungen, gar nicht alleine. Nur, um einen Hinweis aufzunehmen: In der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 9. Februar 2010 habe ich gelesen, dass es „zu den unsterblichen Gerüchten der menschlichen Geistesgeschichte gehört, dass man Kirche und Religion zumindest für die Moral brauche“. Auch herrsche die Ansicht: Ohne Religion keine Moral. Doch Religion und Moral seien eben aus der menschlichen Erfahrung gewonnene Erfahrungen, die besagen, dass es sich damit besser und sicherer leben lässt.
Ich will letzteres, nämlich ein besseres Leben mit Religion und Moral, was von namhaften Atheisten (zu „namhaft“ zähle ich mich nicht) auch bestritten und behauptet wird, dass das Gegenteil der Fall sei, doch kommentieren und mich weiter an der SZ orientieren. Es erscheint mir doch wesentlich, von wem und zu wessen Gunsten Religion und Moral gemacht wurden. So sehen Kinder in ihren Eltern letztlich übergeordnete Wesen, denen zu gehorchen es sich lohnt. Man wird von ihnen ja auch belohnt. Auch ein höheres Wesen, Gott, kann belohnen, wenn man die - von seinen Dienern erst geschaffenen – Regeln befolgt. Man lebt in der Gemeinschaft, unter Einhaltung ihrer Regeln, zumindest sicherer als der Außenstehende, der anders Denkende, der Ketzer. Und, dass man die höhere Macht, die nicht erklärliche Phänomene wie Blitz und Donner, Dürre- Flut- Hunger- und andere Katastrophen machen kann, besänftigen muss, dazu hat man das Opfer und wohl auch die bessere Versorgung seiner Diener.
Es geht dann noch ein bisschen hin und her, insofern, als, laut SZ, „Adaptationstheoretiker behaupten, also Boyer und Dawkins, dass Religion nicht unbedingt Kooperation und Moral hervorbringe, sondern eher ein schädliches Nebenprodukt sei.“ Die Religion sei eben ein Nebenprodukt der Evolution. Und Moral und Hilfsbereitschaft habe es auch schon vor den religiösen Menschen gegeben, wie ein Experiment mit „nichtmenschlichen“ Primaten zeigt. „Der niederländische Primatologe Frans de Waal …ließ (er) etwa Schimpansen dabei zusehen, wie Versuchspersonen vergeblich versuchen, an einen Stock zu gelangen. In den meisten Fällen standen die Tiere auf und brachten den Stock dem Menschen, selbst dann, wenn sie keine Belohnung erhielten.“ Ich denke, dass auch ein so simples Beispiel und Experiment wie das mit den Affen, uns dazu anregen sollte- wenn nicht bereits geschehen – über unsere Einmaligkeit und die Schöpfung von Gott, etwas nachzudenken. Die Evolution macht dies möglich!
Es ist deshalb müßig alles nochmals aufzurollen: die Mythen, die Genesis und die Theorien der Ideologien. Aber ich muss doch nochmals zurück zu den Juden. – Keine Sorge, ich bin absolut kein Antisemit –
Dieses Volk, Israel, hat viele geistig sehr hoch stehende Männer und Frauen hervorgebracht. Ich denke, zwar nicht der bedeutendste, aber durch seine Adepten das meiste Unheil stiftende, war Jesus. Er selbst konnte wohl nichts dafür, was aus seinen damals sicher unorthodoxen Lehren und dem Wenigen, was man außer späterer Dichtung von ihm weiß, wurde. Vielleicht folgte gerade daraus, dass man aus einer jüdischen Wurzel kam, der spätere Hass der Christen, auf die Juden. Eine rationale Erklärung gibt es wohl kaum, denn dass man da nicht de facto den Sohn eines Gottes umgebracht haben konnte, müsste spätestens seit Kopernikus, seit es keine Berufung auf den Wahrheitsgehalt der Bibel, auch des Alten Testaments, mehr gab, zur Gewissheit geworden sein. Aber es gab auch schon vor Kopernikus eine Judenverfolgung, was allenfalls dem Neid der Christen am Festhalten der Juden an ihrem Glauben, an der Weigerung sich lediglich einer anderen Idee zu unterwerfen, zugerechnet werden kann. Dies beweist aber wieder das Irrationale.
Man hat die Juden verfolgt, bis zur Absicht ihrer völligen Ausrottung auf der ganzen Welt, durch den Geisteskranken Hitler, was auch durch einen Geist wie Einstein, der in der Tat nicht nur das Weltbild veränderte, nicht verhindert wurde. Nun hat sich dieses Volk, wohl zunächst aus religiösen Gründen, das Land, aus dem es vor rund 2000 Jahren vertrieben wurde, zurückerobert, auch wenn es von der ersten Stunde an, seitdem der neue Staat besteht, wieder mit völliger Vernichtung, Ausrottung, bedroht wird. Ich will das nicht weiter kommentieren, was auf dem Folgenden beruht.
Es hat da, um das Jahr 600, seit der Geburt Christi, einen Mann, Mohammed, gegeben, der aus dem Alten Testament einige Propheten geklaut hat, aus dem Neuen, dem der Christen, die damals religiös sein Land prägten, Jesus, auch als Prophet, und der schließlich daraus eine neue Religion zusammenzimmerte. Gut, das war um das Jahr 600, in dem auch für den Islam die Erde noch eine Scheibe war. Sicher gab es noch, und gibt es bis heute, Leute, die so etwas wie eine neue Religion zusammenbauen. Nur, Mohammed war damals sehr erfolgreich, kam mit seinem Anspruch wohl einem Teil der Männergesellschaft entgegen, was zur Ausbreitung des Islam führte. Gewiss waren die Araber, von denen Mohammed stammte, ein kulturell hochstehendes Volk. Algebra, geht auf dieses zurück (Der wohl berühmteste Satz der Algebra, a2 + b 2 = c 2 stammt vom vorchristlichen Griechen Pythagoras) und es gab berühmte Baumeister und Bauten. Aber bei aller Liebe für die Verbalinspiration des Koranverfassers durch Allah, müsste wohl dem letzten Moslem klar geworden sein, dass auch seine Religion Fiktion ist. Wenn man mich für diesen Satz erschlagen würde, entstünde jedoch daraus auch keine Wahrheit.
Aber gerade die Aggressivität dieser Religion und ihrer Ausbreitung, macht sie so gefährlich für die Menschheit. Ich sage das bewusst, ohne nun wieder mit warum und weshalb zu argumentieren. Gegen Glauben, der sich nur auf sich selbst stützt, kann man nicht argumentieren. Da helfen auch keine Beteuerungen über die friedliche Natur des Islam, der doch gar nicht so sei, und das mit den Frauen und der Scharia und was so anders ist, das müsse man eben verstehen. Das ist halt so.
Und die Herren vom zweibeinigen Tisch, so genannte Islamwissenschaftler und Religionsgelehrte, Nichtmohammedaner wohlgemerkt, sind für die Einrichtung von Lehrstühlen für Islamkunde und zur Ausbildung von Imamen im nicht moslemischen Europa. Ich fordere deshalb, gleichzeitig mit diesen Lehrstühlen, auch solche für Skatregeln oder „Mensch ärgere dich nicht“ einzurichten. Vielleicht wird man mich steinigen, wogegen ja auch Jesus nicht grundsätzlich war, aber ich bin so lange ein Feind des Islam, so lange noch in Afghanistan oder sonst wo auf der Welt eine Frau durch Moslems oder andere gesteinigt wird.
Ich habe den letzten Satz schon irgendwo einmal geschrieben, auch gesagt, weshalb nicht wenigstens unsere christlichen Kirchen dagegen aufschreien, seitdem sie selbst keine Ketzer mehr verbrennen. Man hat mir gesagt, dass das deshalb nicht geht, weil der Islam aus vielen Glaubensrichtungen besteht und kein allgemeines Oberhaupt hat, wie etwa die katholische Kirche. Wenn das nämlich so wäre, würden alle Mullahs und Ayatollahs nicht nur ernst blickend den Turban samt Kopf schütteln, sondern diesem Oberstayatollah so die Leviten lesen, wie es unsere Kardinäle mit dem Papst tun. Denkste.
Aber das macht doch letztlich gar nichts. Wir sind stolz auf unser Nebeneinander in den Städten, ziehen uns auch mal einen Döner an der Bude ein, essen Kichererbsen und freuen uns über eine neue Moschee. „Aber das ist doch etwas ganz, ganz anderes“ Was denn?
Halt, halt! Ich bin auch kein Rechtsradikaler. Meinetwegen kann man so viele Moscheen bauen wie Kirchen, aber weder Menschen steinigen, noch Ehrenmorde verüben, noch zwangsverheiraten, selbst wenn dies, in versteckter Form, auch bei den Christen so sein sollte. Das wird auch unter der Berücksichtigung eines „anderen Kulturkreises“ nicht anders. Aber, ich habe eine ganz schreckliche Angst, die, dass der Islam wirklich so ist, wie er nicht nur in Horrorvisionen erscheint.
Denken wir nur an die Aufstände in Pakistan, als man endlich und sehr verspätet von den Mohammedkarikaturen in einer dänischen Zeitung erfuhr. Als ein islamischer, sicher aufgehetzter Mob, der die dänische nicht von der Schweizer Flagge unterscheiden konnte, plündernd wütete. Die Taliban sprengten „heidnische“ buddhistische Statuen, aus Glaubensgründen, in die Luft. Die Worldtradecentertürme in New York wurden samt den Passagieren gekaperter Flugzeuge hinweggesprengt. Unzählige Selbstmordattentate werden weltweit verübt, das letzte mir bekannte, gestern, in Moskau. „Aber das ist doch etwas ganz anderes“. Was?
Es gibt da ein deutsches Lehrstück von Max Frisch, „Biedermann und die Brandstifter“. In diesem Stück gelingt es zwei Ganoven, sich auf dem Dachboden des Hauses des durchaus auch skrupellosen Herrn Biedermann einzurichten. Herr Biedermann erkennt, dass man zweifellos Brandwerkzeuge herbeischafft und auf dem Dachboden lagert. Er droht, diskutiert mit den von ihm als Brandstifter angesehenen Leuten, wiegelt ab, auch bei sich selbst, weil das alles wohl nicht so ernst zu nehmen sei und überreicht den Ganoven schließlich die zum Brand noch notwendigen Zündhölzer. Das Haus und die Stadt brennen ab. Was, je nach Fassung bei Max Frisch, noch passiert, ist nicht mehr so wichtig.
Und nun kann man glauben, dass ich diese Parabel, die auch als Burleske und Drama bezeichnet wurde, so auf das Eindringen des Islam auf unser Land und schließlich in alle Länder der Welt, übertrage. Gewiss, das tue ich.
„Aber das kann man doch nicht vergleichen. Das ist doch etwas ganz anderes. Man kann doch ein erfundenes Lehrstück nicht auf Weltreligionen übertragen“. Abwarten. Auch wenn nur ein Prozent oder weniger einem radikalen Islam anhängen, wie man sagt, was aber nicht zutrifft, würde doch schon ein einziger Radikaler genügen. Hat nicht ein Hitler genügt, um die Welt in Brand zu setzen?
Jetzt muss ich wieder zu den Juden und Israel zurückkehren. Denn, hat nicht ein gewisser Adolf Hitler, schon vor seiner Machtübernahme 1933 dezidiert darüber geredet und geschrieben, die Juden ausrotten zu wollen? Er hat dann, als er an der Macht war, schon damit begonnen seine Pläne in die Tat umzusetzen, was letztlich im Holocaust endete. Aber was tat die Welt, nach anfänglicher Bewunderung über das Genie, das Brandwerkzeuge, ein Heer, eine Luftwaffe nur so aus dem Boden stampfte, selbst 1938 und 1939 noch? Sie wiegelte ab. Stets, als er das Rheinland besetzen ließ, als er den „Anschluss“ Österreichreichs – auch wenn die Österreicher selbst sehr dafür waren, was sie später nicht mehr wussten – zustande brachte, als er die Tschechoslowakei überfiel und sie zum Protektorat Böhmen und Mähren machte. Als nach diesen Bränden Polen, alle östlichen Völker, schließlich Russland dran waren, hatte man den Brand der Stadt, der ganzen Welt.
Was wurde abwiegelnd und allenfalls mit dem Finger drohend 1938 und 1939 von den alliierten Mächten, England und Frankreich, gesagt? Dass dies aber nun das letzte Land sei, dessen Einnahme man ihm, Hitler, gerade noch durchgehen lassen könnte! Nun, wir wissen wie es war.
Und was dachten in Deutschland die Juden selbst, die das größte Opfer waren? Einige misstrauten dem Biedermann Hitler, nahmen ihn ernst und emigrierten. Einige dachten, ihnen könne doch nichts passieren, schließlich seien sie nicht nur unbescholtene Deutsche, sie hätten sogar im deutschen Heer gegen Frankreich und Russland, im (1.) Weltkrieg gekämpft und Auszeichnungen erhalten. Ihnen würde doch der ehemalige Kriegskamerad Hitler nichts antun lassen. Und ganz wenige meinten schließlich, dass es nur gegen die Ostjuden gehe. Nun, wir wissen wie es war.
Doch anscheinend haben sich die Juden, besonders die in Israel, das gemerkt. Sie haben Kriege geführt und gegen die Nachbarn, die sie wieder ins Meer werfen, sie heute noch ausradieren wollen, gewonnen. Die Palästinenser in Israel, etwa die Hamas, die ein Lebensrecht Israels bestreiten, wieder die Vernichtung der Juden will, sehen sich nun plötzlich als Opfer der „Nazis Juden“.
Aber was ist mit dem islamischen Gottesstaat Iran? Die Mullahs und Ayatollahs thronen bei ihren Wächterratsversammlungen so wie mindestens eine Herde von Kardinälen bei einem Konklave. Und Ahmadinedschad, der gläubige Anführer der Regierung, will nicht nur eine Atombombe bauen, sondern ganz offen Israel, den Staat der Juden, ausradieren, vernichten.
„Langsam, langsam, das wird doch alles nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird. Wir verhandeln doch, sagt die Welt – wie 1938 und 39 mit Hitler, das sagt sie nicht – und wir versuchen eben auf diplomatischem Wege, ohne Kriegsdrohung, ja ohne Krieg, Ahmadinedschad von seinen Plänen abzubringen. Wahrscheinlich will er doch nur die Atomenergie für sein Land, und kann man das nicht verstehen? Erste Erfolge der Verhandlungen sind schon zu sehen: Er spricht manchmal sogar wieder mit uns. Ist das nichts?“
Nun, abwarten. „Der Islam ist ja eigentlich eine friedliche Religion Und was bedeutet schon die Meinung eines einzelnen, wie Ahmadinedschad“? Es sind ja auch sofort alle Mullahs aufgesprungen und haben ihm sein loses Maul gestopft, nichtwahr? Der Islam will doch den Frieden. Hat nicht auch, neben dem Juden Peres, der Moslem Arafat den Friedensnobelpreis erhalten? Er hat doch gesagt, dass ein Selbstmord(Attentäter) in Jerusalem 40mal mehr gelte als sonst in Israel. Ja wenn das so ist?
Doch soll man sich wirklich aufregen? Das ist doch alles nur ein Szenario. Vielleicht auch, wenn Israel mit einer Atombombe dem Auslöschungsversuch durch den Iran, diesem zuvorkommt? Ich könnte das durchaus verstehen. Natürlich könnten die Juden auch warten. Sie könnten doch, nachdem die erste Bombe ihr Land getroffen hat, immer noch auf die Hilfe der Welt hoffen.
Und vielleicht kann man jetzt meine Angst verstehen, vor einer durchaus unberechenbaren und ganz gewiss militanten Religion, die sich immer mehr ausbreitet und, was die Sache so sehr gefährlich macht, über die modernsten Mittel zur Vernichtung der ganzen Welt verfügen kann. Der Islam ist, mit dem Gedankengut des Mittelalters, mit den Mitteln des Atomzeitalters, in der Welt angekommen. Und nichts geht mehr in dieser Welt, ohne dass ein militanter Islam nicht mitmischte.
Wenn aber alles nichts hülfe, auch nicht das Pflanzen eines Apfelbäumchens, und die Welt unterginge? Wie geht denn das überhaupt und ist das nicht nur ein schöner, trotziger Spruch eines gewissen Herrn Luther? Da hat doch schon vor wenigen Jahren, 1985, Hoimar von Ditfurth ein Buch geschrieben mit dem Titel: „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit“. Ditfurth hat seine Untergangsprognose vor allem auf die Übervölkerung der Erde bezogen und darin liegt wohl auch das ganze Übel.
Der Homo sapiens sapiens, der als erstes Lebewesen in der Lage ist das zu tun, was sonst nur Riesenmeteoriteneinschläge, der Ausbruch riesiger Vulkane, was es schon gegeben hat, - vor 75 000 Jahren hat der Ausbruch eines Riesenvulkans auf Sumatra die Weltbevölkerung auf 1000 bis 10 000 Menschen reduziert, und unbeherrschbare Seuchen vermochten, nämlich die Menschheit auf ein für die Erde verträgliches Maß zu reduzieren, der wird tun, was zum Untergang des animalischen und pflanzlichen Lebens führt. Den Planeten Erde vermag der Mensch nicht zu vernichten, wohl aber alles auch nur höhere Leben auf ihm.
Und was tut der Mensch, um es nicht zu dieser Endkatastrophe kommen zu lassen? Er gehorcht seinem genetisch vorgegebenen Drang zum Fressen und Fortpflanzen und breitet sich aus und aus. Und die Religionen, alle, alle, sind dafür, dass der Mensch fruchtbar sei und sich mehre. Und in ideologisch geprägten Staaten, wie in China, ist man mit drastischen Mitteln allenfalls darauf aus, dass die Bevölkerungszunahme wenigsten weniger rapid verläuft. Aber auch da nimmt die Bevölkerung zu. Denken wir daran, dass, selbst wenn die ersten Menschen vor einer Million Jahren in dieser Welt entstanden wären und bisher etwas mehr als 100 Milliarden Menschen die Erde bevölkert hätten, wären wir heute mit sechs bis acht Milliarden, das sind ebenso viele Prozent, auf diesem Planeten vertreten.
Müssen wir Menschen, wenn es nicht mehr genügend zu fressen gibt, uns nicht letztlich selbst auffressen? Wir werden es machen. Wir werden uns und das Leben vernichten. Und, ist das eigentlich so schlimm? Was ist eine Million Jahre Menschheitsgeschichte in vier Milliarden Jahren Erdgeschichte? Es ist der viertausendste Teil (4000). Und eine Million Jahre besteht aus 999 000 + 1000 Jahren. Und in 1000 Jahren leben etwa 30 Generationen ihr sattes oder hungerndes Leben. Hat die Menschheit nicht schon lange genug gelebt? Sind in solchen Zeiträumen nicht schon Millionen von Arten, von Lebensformen, von der Erde verschwunden? Was macht das alles, wenn in vier Milliarden Jahren die Erde im Gasball der sich aufblähenden Sonne, die zum Roten Riesen wird, verschwindet? Nun, in solchen Zeiträumen kann der Mensch nicht rechnen. Er kann sein Leben allenfalls mit dem der sprichwörtlichen Eintagsfliege vergleichen. Und dennoch versucht er letztlich dieses Leben zu zerstören.
Vielleicht gibt es aber eine kleine Chance für die Menschheit: Der Iran wirft Atombomben auf Israel oder umgekehrt. Die islamischen Atommächte fallen mit ihren Bomben über die nichtislamischen her, oder umgekehrt. Was nicht an direkter Zerstörung von Stadt und Land untergeht, wird unter einer für das Sonnenlicht undurchdringlichen Wolkenschicht unter einem Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauernden Eispanzer verschwinden. Vielleicht bleiben einige wenige Menschen in einer wärmenden Ritze des im Innern immer noch warmen Erdballs übrig. Vielleicht, wenn sie sich nicht gegenseitig völlig aufgefressen haben, finden einige von ihnen kümmerliche, die Katastrophe überlebende Pflanzen zur Nahrung? Vielleicht haben einige Tierformen überlebt? Es kann wieder von vorne losgehen. Und in etwa 75 000 Jahren, so lange wie seit dem Homo sapiens sapiens vergangen sind, kann sich ein neuer Homo sapiens sapiens (sapiens) auf den nächsten Weltuntergang vorbereiten. Was sind schon 75 000 Jahre bei einer Million oder gar Milliarde von Jahren?
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